„Big Data“ – Assoziationen zum globalen und ungezügelten Datensammeln verschiedenster Sicherheitsorgane sind bei diesem Schlagwort aktuell wohl naheliegend, wenn nicht zwangsläufig. Soeben ist die deutschsprachige Übersetzung eines gleichnamigen Buches zur Geschichte dieses Phänomens erschienen. “Big Data. Die Revolution, die unser Leben verändern wird” klärt die Begrifflichkeit, zeigt die aktuell diskutierten Risiken und Chancen eines netzpolitischen „Kampfbegriffs“ auf und verdeutlicht, dass Big Data mehr ist als große Datenmengen.
Terabytes, Petabytes, Exabytes – es sind nicht allein diese kaum noch vorstellbaren zahlenmäßigen Dimensionen, es ist zusätzlich der zeitliche Horizont, eine in dem Buch beschriebene immer schnellere Entwicklung, die dem Leser das Ausmaß des Umbruchs auf gut 250 Seiten immer wieder eindrucksvoll vor Augen führt.
Die Geschichte des Computers wird, so viel sei vorweggenommen, nicht nacherzählt. Gleichwohl werden, was gerade Fachfremden einen schnellen Einstieg ermöglichen mag, immer wieder historische Anknüpfungspunkte oder Alltagsbegebenheiten zur Erklärung herangezogen. Ausgehend von Entwicklungen in den Naturwissenschaften, der Astronomie und der Genforschung sind die Fragestellungen, entlang derer man Big Data verwerten kann, seit der Jahrtausendwende stetig fortentwickelt worden – und heutzutage mehr und mehr Grundlage für die Entscheidungen von Militär, Regierungsorganisationen und Privatwirtschaft. Neben der historischen Entwicklung sind es vor allem die Kapitel zwei und drei, in denen die Autoren Viktor Mayer-Schönberger und Kenneth Cukier darlegen, dass die Verwendung und Auswertung großer Datenmengen vor allem ein neues Paradigma der Analyse mit sich gebracht hat.
„Drei große Umwälzungen“
Analogien zum eingangs bereits erwähnten geheimdienstlichen Datensammeln sind, soviel wird bereits nach wenigen Seiten deutlich, unscharf, wenn nicht sogar irreführend.
Neben dem Sammeln von extrem großen Datenbeständen umfasst das Phänomen Big Data nämlich vor allem die Analyse bereits bestehender großer Datenbestände – und die ist meist durch ein neues Erkenntnisinteresse motiviert. Von „drei großen Umwälzungen“, die durch Big Data hervorgerufen würden, schreiben die Autoren in diesem Zusammenhang. Dies sei zunächst die Analyse von sehr großen Datenmengen, bezogen auf ein Problem oder eine konkrete Fragestellung. Zudem sei es die Bereitschaft der Anwender, eine gewisse Unschärfe in der Analyse zu akzeptieren. Und drittens sei es der damit zusammenhängende „Respekt vor Korrelation“, statt einer permanenten Suche nach Kausalität bei der Analyse bestimmter Sachverhalte.
„Big Data ist das, was man in großem, aber nicht in kleinem Maßstab tun kann, um neue Erkenntnisse zu gewinnen oder neue Werkzeuge zu schaffen, so dass sich Märkte, Organisationen, die Beziehungen zwischen Bürger und Staat und vieles mehr verändern.“
Das in der englischsprachigen Originalausgabe unter demselben Titel publizierte Werk ist in zehn Kapitel gegliedert und am Ende mit zahlreichen weiterführenden Anmerkungen und Literaturhinweisen versehen. Die Lektüre zeigt vor allem: Die beiden renommierten IT-Experten Viktor Meyer-Schönberger und Kenneth Cukier vermeiden, auch wenn sie sich Wertungen nicht verschließen, vorschnelle Skandalisierungen oder Schlussfolgerungen. Gleichwohl wird eindrücklich vor einer „Diktatur der Daten“ gewarnt und skizziert, was passieren kann, wenn administrative oder ökonomische Entscheidungen nur noch die schiere Masse an Daten zur Grundlage haben.
Fazit
Big Data ist für die beiden Autoren kein Phänomen der technischen Welt. Es ist ein Terminus, der unser zukünftiges Zusammenleben epochal zu prägen beginnt. Dies wird deutlich, wenn gegen Ende des Buches davon die Rede ist, dass „die Informationsgesellschaft dem Versprechen ihrer Bezeichnung endlich gerecht wird.“
Die gelungene Übersetzung sowie vor allem eine verständliche, entlang lebenspraktischer Beispiele orientierte Sprache machen das im Münchner Redline-Verlag erschienene Buch nicht nur für „Nerds“ und Cyber-Pessimisten zu einer anregenden Lektüre. Immer wieder wird durch anschauliche Bezüge auf die Geschichte die Digitalisierung in ein Verhältnis gesetzt, das das Phänomen „Big Data“ wenn schon nicht fassbar, so doch zumindest annähernd vorstellbar macht.
Viktor Mayer-Schöneberger, Kenneth Cukier: Big Data. Die Revolution, die unser Leben verändern wird, 304 Seiten, Redline Verlag, ISBN 978-3-86881-506-1, 24,99 €.
Interview mit Viktor Mayer-Schöneberger auf Zeit Online: “Big Data zeigt uns die Welt, wie sie wirklich ist”. (02.11.2013)
Kenneth Cukier bei Talks at Google: Big Data: A Revolution That Will Transform How We Live, Work, and Think. (05.03.2013)
Bild: Samuel Huron (CC BY-NC-ND 2.0),
Cover: (C) Redline Verlag