Soeben ist die Zusammenfassung einer Vortragsreihe des norddeutschen „Julius-Leber Forums“ erschienen. In dem Dokument versammeln unter anderem Lars Klingbeil, Daniel Domscheit-Berg und Alvar C. H. Freude ihre Positionen zu verschiedenen Teilaspekten der „digitalen Öffentlichkeit“.
An öffentlichen Stellungnahmen zur wachsenden Bedeutung, zu Gefahren und Chancen der Digitalisierung von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft besteht wahrlich kein Mangel. Die in ihrer Qualität recht unterschiedlichen Beiträge finden sich tagtäglich in den bekannten Blogs, Kommentarspalten und zunehmend auch auf den Feuilletonseiten der Printmedien. Die Klammer der netzpolitischen Debatte ist jedoch die Kurzatmigkeit, eine auf tagespolitische Entwicklungen oder aktuelle Internet-Skandale bezogene Debattenkultur, die dem Medium inhärent ist. Eher spärlich gesäht waren hingegen bisher längerfristig angelegte, multiperspektivische Diskussionsreihen und schriftlich fixierte Ergebnisse solcher Veranstaltungen. Das für die norddeutschen Bundesländer zuständige „Julius Leber-Forum“ der Friedrich-Ebert-Stiftung lässt den Wandel der digitalen Öffentlichkeit bereits seit dem Jahr 2010 in einer Veranstaltungsreihe diskutieren und hat nun einen ersten Zwischenbericht vorgelegt.
Die beiden Herausgeber Birthe Kretschmer und Frederic Werner haben eine überaus lesenswerte Zusammenstellung mit Beiträgen von insgesamt 13 Autorinnen und Autoren zu der Frage veröffentlicht, wie das Internet die Demokratie verändert. Unter den Verfassern der knapp 60-seitigen Publikation, die auf der Homepage der Friedrich-Ebert-Stiftung zum kostenlosen Download zur Verfügung steht, finden sich zu der recht globalen Fragestellung vielfältige und kenntnisreiche Beiträge zu Themen wie beispielsweise Medienkompetenz, Demokratietheorie, Datenschutz, Kognitionsforschung.
Neben erwartbaren Beiträgen von bekannten SPD-Politikern wie Bundesvorstands- und Enquete-Mitglied Aydan Özoguz und dem niedersächsischen Bundestagsabgeordneten und D64-Mitbegründer Lars Klingbeil kommen auch Praktiker aus Wissenschaft, Medienbranche oder Datenschutzszene zu Wort. So warnt Johannes Casper, Datenschutzbeauftragter der Hansestadt Hamburg, in einem Interview vor den Praktiken von Google, Facbook & Co. Daten seien als „Rohstoff der digitalen Gesellschaft“ inzwischen auf den Schulhöfen und an Börsen handelbar, so Caspers pointierte Analyse. Während Lars Klingbeil, einer der profiliertesten Netzpolitiker in den Reihen der Sozialdemokratie, in seinem Beitrag vor allem die aktuelle Debatte nachzeichnet und hierbei unverkennbar durch seine eigene Arbeit in der Enquete-Kommission geprägt ist, überzeugt vor allem ein Beitrag in der zweiten Hälfte der Veröffentlichung. Der frühere Assange-Gefährte und jetzige „OpenLeaks“-Aktivist Daniel Domscheit-Berg setzt sich historisch fundiert und abwägend („Das Recht auf Geheimnisverrat ist ebenso wichtig wie das Recht auf Geheimnisse an sich“) mit der im Zuge der WikiLeaks-Debatte diskutierten Frage über die Hintergründe des Whistleblowing im digitalen Zeitalter auseinander. Die Notwendigkeit zum Geheimnisverrat steige, so Domscheit-Bergs Urteil, „in dem Maße, in dem Systeme Macht ausüben können.“
Besonders begrüßenswert ist, dass die Herausgeber neben der Verschriftlichung verschiedener Vorträge und zusätzlichen Interviews jüngeren Datums auch eine umfangreiche Linkliste mit weiterführenden Lesehinweisen für Interessierte zusammengestellt haben. Da der nun vorliegende Band nur ein Zwischenbericht, keineswegs eine finale Zusammenfassung darstellen soll, besteht die Hoffnung, dass die Vortragsreihe fortgesetzt und durch ähnlich vielschichtige Publikationen ergänzt werden wird. Informationen über zukünftige Veranstaltungen bietet das Hamburger Büro unter diesem Link an.