Nach der Bundestagsdebatte um ein No-Spy-Abkommen mit den USA beantragte die Opposition einen Untersuchungsausschuss zur parlamentarischen Aufarbeitung der NSA-Affäre. Am 31. 01. 2014 hat nun die Regierungskoalition dazu einen eigenen Vorschlag vorgelegt. Wie weitreichend der Vorschlag der Großen Koalition ist, erklärt, nach Petra Sitte von der Linkspartei, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Britta Haßelmann im Interview.
politik-digital.de: Am 31. Januar hat die Große Koalition einen Vorschlag zur Einsetzung eines NSA-Untersuchungsausschusses vorgelegt. Wie schätzen Sie diesen Vorschlag generell ein? Welche Kritikpunkte gibt es aus Ihrer Sicht?
Britta Haßelmann: Eins will ich erst einmal klarstellen. Die Koalitionsfraktionen haben jetzt ihre Aufklärungswünsche festgelegt, weil wir gemeinsam mit der Linksfraktion einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Diese Initiative zwang nun Union und SPD sich zu verhalten. Jetzt will die Koalition auch einen Untersuchungsausschuss. Allerdings werden wichtige Fragen ausgeklammert. Wir müssen nun sehen, ob wir da zusammenkommen. Selbstverständlich sind wir gesprächsbereit – aber wir wollen materiell nicht hinter unseren Auftrag zurück.
politik-digital.de: Zu Punkt I. des Vorschlags der Großen Koalition: Kann ein Untersuchungsausschuss über Geheimdienste wie die NSA oder den GCHQ die nötige Aufklärung bringen, die die Öffentlichkeit – Bürgerinnen und Bürger sowie Medien – sich wünschen?
Haßelmann: Ein Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert der Opposition. Die Rechte sind umfangreich und wir werden alles in Bewegung setzten, um Aufklärung voranzutreiben. Wir müssen dafür sorgen, dass unabhängig von dem Wohlwollen der Regierungsfraktionen alle Instrumente im Ausschuss eingesetzt werden können.
politik-digital.de: Zu Punkt II. des Vorschlags: Denken Sie, dass der Ausschuss Aufklärung darüber bringen wird, inwiefern die NSA und der BND eng zusammen gearbeitet haben bzw. noch zusammen arbeiten?
Haßelmann: Das ist eine zentrale Frage und einer der Streitpunkte mit der Koalition. Denn Union und SPD wollen diesen Bereich ausklammern. Dabei muss hier aufgeklärt werden. Deutschland darf in der Affäre nicht auf die Rolle des armen Opfers reduziert werden. Uns kommt es darauf an, die Verantwortung der Bundesregierung und der Dienste klar herauszuarbeiten. Übermitteln deutsche Behörden Daten an die US-Geheimdienste, die zum gezielten Töten durch Drohnen verwendet werden? Gibt es einen Ringtausch der Geheimdienste, das heißt liefern deutsche Dienste etwa Daten aus Afghanistan an die USA und bekommen sie im Gegenzug Daten von der NSA über Europa? Das sind alles Fragen, die dringend geklärt werden müssen. Wir Grüne bestehen darauf, dass das auch das Verhalten der Bundesregierung im Ausschuss untersuchen wird.
politik-digital.de: Zu Punkt III. des Vorschlags: Halten Sie es für möglich, dass die Bundesrepublik, auf Basis von Vorschlägen des Untersuchungsausschusses, Maßnahmen für den Schutz der Privatsphäre ergreifen wird, die die Sicherung dieser verfassungsrechtlichen Grundrechte gewährleisten?
Haßelmann: Der Schutz des Menschen vor Ausspähung und Überwachung muss endlich höchste Priorität bekommen. Denn eins ist klar, unsere Grund- und Bürgerrechte sind massiv bedroht. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue Informationen zur massenhaften Grundrechtsverletzung öffentlich werden.
Die Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werden verletzt. Und doch ergeht sich die Bundesregierung in einer großkoalitionären Doktrin und will die massiv in Grundrechte eingreifende anlasslose Vorratsdatenspeicherung wohl wieder einführen und vernachlässigt den Datenschutz aufs Gröbste.
politik-digital.de: Wer soll in dem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen?
Haßelmann: Es kommt uns darauf an, das Verhalten der Bundesregierung und der Dienste zu untersuchen und endlich Licht in die vielen Ungereimtheiten zu bringen. Wir haben eine Vielzahl an Fragen und werden die richtigen Personen einladen, um unseren Beitrag zur Aufklärung zu leisten.
politik-digital.de: Halten Sie es für realistisch, dass Edward Snowden vor dem Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag aussagen wird?
Haßelmann: Das halte ich für wünschenswert und machbar. Wir fordern sicheren Aufenthalt für Edward Snowden, damit er nach Deutschland kommen und vor dem Ausschuss des Bundestages aussagen kann. Er kann dabei unterstützen und zur Aufklärung beitragen.
politik-digital.de: Sind Sie der Meinung, dass das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) seine Ergebnisse aus Transparenz- und Kontrollgründen öffentlich machen sollte?
Haßelmann: Eine Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist überfällig. Die Kontrollmöglichkeiten der einzelnen Mitglieder als auch der Opposition als ganzes müssen gestärkt werden. Das Parlamentarische Kontrollgremium ersetzt keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Update Redaktion: Am 13. 02. 2014 fand eine Debatte beider Anträge im Deutschen Bundestag statt.
Bilder: Campact (CC BY-NC 2.0) & Britta Haßelmann