von Jan Schevitz (Chicago) & Steffen Wenzel
Während die ganze USA auf die Präsidentschafts-
Primaries schaut, um herauszufinden, für welchen Kandidaten
sie sich bei den Präsidentschaftswahlen im November entscheiden sollen, spielt sich im Hintergrund eine
wichtige Entwicklung ab, die die politische Landschaft Amerikas grundsätzlich verändern könnte.
Im Zuge des E-Commerce Booms und der immer weiter ansteigenden Zahl von Internet Usern testen mehere
Bundesstaaten Internetwahlsysteme, und am 11. März findet in Arizona die
erste offizielle Internetwahl zu den
"Democratic Primaries" statt. Besonders umstritten ist das Thema des "Internetvotings" jedoch nicht, obwohl
die Frage wann und wie sich "Internetvoting" dursetzen in der Diskussion als sehr wichtig angesehen wird.
Die virtuelle Stimmabgabe wird nämlich nicht nur das Wahllokal überflüssig machen, sondern könnte auch die
Machtverhältnisse in der amerikanischen Politik auf längere Zeit verändern. Denn zum einen ist es sehr
wahrscheinlich, dass die Wahlbeteiligung, die derzeit bei unter 50% liegt, ansteigt und zum anderen können
die multimedialen und interaktiven Möglichkeiten im Internet dem Wähler neue Einflußmöglichkeiten bieten.
Der Zeitpunkt für die flächendeckende Einführung von "Internetvoting" hängt besonders von politischen und
technischen Faktoren ab. Auf der technischen Seite stellen Sicherheit und Identitätsverifikation die grössten
Probleme dar. Viele Amerikaner haben Angst, daß durch das Internet leicht ein Wahlbetrug stattfinden könnte.
So könnten Hacker z.B. den Wahlserver "cracken", das System zum Sturz bringen, das "login" der Wähler
blockieren oder Tausende von ungültigen Stimmen abgeben. Hinzu kommt die Frage, wie man sicherstellen
kann, daß die Person, die offiziell wählt auch diese Person wirklich ist. Theoretisch könnte dort auch andere
Personen hinter dem Bildschirm sitzen. Wie groß diese Gefahren eigentlich sind, kann jedoch niemand
einschätzen bevor die ersten Internetwahlen durchgeführt worden sind. Während die betreffenden Ausschüsse
einiger Bundesstaaten die Technologie für noch nicht sicher genug halten, geben die Internetwahlfirmen an,
die Technologie sei schon ausgereift, und würde das gegenwärtige Wahlsystem eher sicherer machen. Auf
den ersten Blick handelt es sich hier um ein rein technisches Problem , jedoch zeigen sich in diesem auch
schon die politischen Faktoren, die das Wählen im Internet zur Zeit noch zu einem Problem machen. Gerade
die USA blockiert nämlich schon eine ganze Weile durch eine sehr rigide Kryptografiepolitik eine schnellere
Entwicklung höherer Sicherheitsstandarts im Internet. Dies hängt damit zusammen, dass die
Staatssicherheitsdienste durch sogenannte "Hintertürchen" jederzeit Eintritt in alle verschlüsselten
Nachrichten haben, um eventuelle subversive bzw. staatsfeindliche Aktivitäten unterbinden zu können. Die
Krux an der ganzen Geschichte ist jedoch, dass dadurch schon längst technisch mögliche höhere
Verschlüsselungsbitzahlen aus diesem Grund nicht angewendet werden können. In diesem Zusammenhang
ist in den letzten Tagen auf Initiative der EU und Deutschlands aber eine erneute Diskussion angeregt worden,
so dass anscheinend mittlerweile auch in den Köpfen der Amerikaner ein Umdenken stattfindet.
Ein weiterer politischer Faktor zur Realisierung des "Internetvoting" ist die Frage des Internetzugangs. Im
Moment haben knapp 50% aller Amerikaner Zugang zum Internet. Diese Zahl wird auch weiter ansteigen.
Dennoch gehen die heutigen Prognosen davon aus, dass ab einem gewissen Punkt diese Wachstumrate
jedoch stagnieren wird. Dementsprechend wird zur Zeit in den USA darüber diskutiert, ob es fair ist, einem
Teil der Bevölkerung das Wählen grundsätzlich zu vereinfachen, während andere noch nach dem alten Brauch
zum Wahllokal marschieren müssen. Die Sorge besteht vor allem darin, daß Minderheiten wie zum Beispiel
Immigranten, Afro-Amerikaner und Hispanier, bei denen sowieso schon die Wahlbeteiligung unter dem
Durchschnitt liegt, dadurch nicht noch mehr benachteiligt werden. Wie sich dieses Problem lösen wird,
zeichnet sich noch nicht ab, denn die Diskussion darüber hat erst gerade begonnen.
Eine andere Frage ist natürlich, ob die politische Elite Amerikas überhaupt "Internetvoting" umsetzen möchte.
Im Moment liegt die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei unter 50%. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen
lag die Wahlbeteiligung bei 46%, wobei die Beteiligung an lokalen Wahlen oft unter 30% liegt. Im ersten
Moment müsste man meinen, alle Parteien würden sich über eine höhere Wahlbeteiligung freuen. Schaut man
jedoch die Statistiken an, stellt sich heraus, daß eine höherere Wahlbeteiligung wahrscheinlich der "Democratic Party"
helfen würde, der "Republican Party" aber schaden könnte. Die besser verdienenden Gesellschaftsschichten
stellen einen überdurchschnittlich hohen Anteil der Wählerschaft Amerikas und gerade die schlechter
verdienenden Schichten werden ihrem Bevölkerungsanteil innerhalb der Wahlgänger nicht gerecht. Ausserdem
ist die Beteiligung unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr gering. Durch die Einführung von
"Internetvoting" könnte sich daher das demografische Bild der Wähler stark verändern. Zum Beispiel hat die
Mehrheit der 18-25 Jährigen Internetzugang. Könnten diese über das Internet wählen, würde die Wahlbeteiligung
bei dieser Bevölkerungsgruppe wahrscheinlich stark ansteigen. Dies könnte neue politische Themen in die
Diskussion bringen, da politische Kandidaten bislang relativ wenig um diese
junge Wählerschaft werben mussten.
Ein weiterer Grund für die
Hoffnung durch Wahlen im Internet die Wahlbeteiligung anheben zu
können, resultiert daraus, dass viele Büger den "großen" Zeitaufwand
als eine der Hauptursachen für ihr nichtwählen angeben. Nach guter
alter amerikanischer Tradition musste sich bislang der amerikanische
Wähler an einem kalten Dienstag im November (die wichtigsten Wahlen
finden immer an einem Dienstag im November statt) vor oder nach der
Arbeit ins Wahllokal begeben, sich dort anstellen und dann wählen.
Neben diesen praktischen Argumenten, die für "Internetvoting" sprechen,
müssen aber auch noch andere Gesichtspunkte in der Diskussion
berücksichtigt werden. Zum Beispiel ist es heutzutage relativ schwer,
sich durch die Medien ein klares Bild über die einzelnen Positionen der
verschiedenen Kandidaten zu verschaffen. Ausserdem passiert es oft, daß
sich der Wähler im Wahllokal befindet und ihm die Hälfte der Kandidaten
und Ämter unbekannt sind. Dieses Problem könnte "Internetvoting" leicht
lösen, in dem auf der offiziellen Wahl-Webpage eine kurze
Zusammenfassung über die Ämter und politischen Positionen der
Kandidaten geboten würden, sowohl als auch ein Link zu der Webpage der
KandidatInnen. (z.B.
Darüber hinaus könnten die Ton- und Bildoptionen des Internets den Analphabeten in den USA, deren Zahl im
Moment bei knapp 20% liegt, helfen, stärker am Wahlprozess teilzunehmen. Das wohl interessanteste
Thema, aber auch das am wenigsten diskutierte, ist die Frage, ob "Internetvoting" zu einer weiteren
Demokratisierung des politischen Systems Amerikas führen wird. Theoretisch bietet das Internet der
amerikanischen Demokratie die Möglichkeit sein Versprechen "a government for the people by the people"
einzulösen und allen Bürgern ein Stimmrecht bei wichtigen politischen Fragen zu geben.
Eine ernsthafte gesellschaftliche Diskussion über diese neuen Chancen der Internetdemokratie hat jedoch in
der Bevölkerung noch nicht so recht begonnen.
Auf den Websites
www.internetvoting.com oder www.votehere.net
kann man eine "Internetvoting" Testversion ausprobieren.