Am 01. und 02. Juni findet im Berliner Estrel-Hotel die Blockchain-Expo Europe statt. Gründergeist und visionäre Ideen treffen hier auf alteingesessene Akteure der IT- und Wirtschaftsbranche. Nach der überwältigenden positiven Resonanz auf die Consensus in New York vor einer Woche sind die Erwartungen in die technologischen Möglichkeiten der Krypto-Datenbank bei allen Beteiligten hoch. Ein Stimmungsbericht.
Fast unbemerkt, weil abseits von Fachmagazinen in der täglichen medialen Berichterstattung kaum erwähnt, hat sich die Thematik der Blockchain-Technologie mittlerweile zu einem Dauerbrenner in vielen Branchen entwickelt. Diese breite Aufstellung macht sich bereits im Programm der Berliner Blockchain Expo bemerkbar: Egal ob erneuerbare Energien, IT-Security, Banking oder Healthcare; beinahe jedes gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Feld ist vertreten. Junge Start-Ups mit sozialpolitischer Agenda treffen hier auf große Konzerne, Unternehmensberater referieren gemeinsam mit Wissenschaftlern und Forschern.
Alles scheint möglich
Auf der Blockchain-Expo scheint alles möglich, auch bzw. besonders, weil die Technologie unglaublich viel Potential zu bieten scheint. Von fehlender interdisziplinärer Kommunikation kann jedenfalls kaum die Rede sein. Das mag auch daran liegen, dass alle Beteiligten in der Nutzung von Blockchains zumindest eine Art kleine Revolution sehen. Auf diese Weise sind bis jetzt kaum jene Barrieren und Vorurteile entstanden, die sich sonst häufig zwischen verschiedenen Branchen beobachten lassen. Ganz im Gegenteil: Jeder hofft auf einen Anteil an dem, was in der Zukunft hohe Gewinne bringen könnte. So hat Adam Vaziri vor vier Jahren seinen Job als Anwalt aufgegeben, um in die Bitcoin-Branche einzusteigen. Heute ist er Mitbegründer von Quanta – einer Blockchain-basierten Online-Lotterie – die vor allem auf Fairness und Transparenz bei Gewinnerbestimmung und Gewinnausschüttung setzen möchte.
Sicherheit und Sichtbarkeit
Sicherheit und Sichtbarkeit, diese zwei Aspekte dominieren die Blockchain-Szene. Was früher als Mittel zur Umgehung von Regularien eingesetzt wurde, so Vaziri, sei mittlerweile zum Instrument für die Durchsetzung von festen Regeln und gegen Manipulationen geworden. Darauf setzt auch der Niederländer Pieter Haasnoot. Seine Online-Plattform „Publicism“ möchte Journalisten mithilfe der Blockchain-Technologie vor Verfolgung und Zensur schützen und so einen Schritt zu erhöhter Pressefreiheit beitragen. Die schwedische Applikation „Zeptagram“ hingegen soll die Abhängigkeit von Künstlern gegenüber Plattenfirmen reduzieren, indem User Anteile an Musikstücken kaufen, die entsprechend deren Beliebtheit in einer blockchainbasierten Börse gehandelt werden.
Unternehmen im Zugzwang
Die Lust auf Innovation ist überall zu spüren. Dennoch wird auch klar, dass das hohe Interesse am Thema Blockchain nicht nur aus reinem Optimismus entstanden ist. Vielmehr sehen sich nicht wenige, vor allem etablierte Unternehmen in einem starken Spannungsfeld. Es ist unklar, ob Blockchain wirklich das große nächste Ding ist, denn die flächendeckende Nutzung in allen Lebensbereichen wäre technisch machbar, steht jedoch vor vielerlei Herausforderungen. Hierzu zählt unter anderem die komplexe rechtliche Lage bezüglich sogenannter „smart contracts“, aber auch Fragen der Sicherheit und des Datenschutzes verursachen noch starkes Bauchgrummeln. Würde sich die Technologie hingegen in eine vielversprechende Richtung entwickeln, könnte sie sich in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren zum neuen Kommunikationsstandard entwickeln und somit das Internet revolutionieren.
Blockchain könnte Jobs kosten
Auch Unternehmensberater sind daher unter Zugzwang, wie Jens-Herrmann-Paulsen, Senior Consultant bei Deloitte, betont. Seiner Ansicht nach könnte die Branche der klassischen Wirtschaftsprüfer durch die Nutzung von Blockchains quasi überflüssig werden. Gerade deshalb stellen sich viele Firmen schon jetzt auf veränderte Arbeits- und Marktbedingungen ein und suchen nach neuen Nischen, in denen die Blockchain-Technologie prinzipiell nutzbar wäre. Gesellschaftspolitisch könnte Blockchain bei richtiger Anwendung ebenfalls Partizipation, gleiche Bedingungen und mehr Freiheit bewirken. Hierzu, das wird auch bei dieser Expo deutlich, ist jedoch mehr nötig als reine Technik: Sie kann lediglich Mittel zum Zweck sein, ein Instrument, um mehr Effizienz durch automatisierte Abläufe zu generieren.
Der Mensch im Mittelpunkt
Die dezentrale Struktur von Blockchain ist durchaus hilfreich, um die Digitalisierung auch demokratischer zu gestalten. Nichtdestotrotz steht hinter dem System immer noch der Mensch, der bestimmt, auf welche Art und Weise dieses schlussendlich funktioniert. Den großen Visionen stehen deshalb viele Teilnehmer der Expo noch skeptisch gegenüber. Das wiederum regt zu Diskussionen an. Darüber, wo Gefahren liegen und wie solche vermieden werden könnten. Und das ist nicht nur erfrischend, sondern sogar extrem wichtig, denn sollte Blockchain sich etablieren, könnte eine kritische Reflektion von vornherein negative Entwicklungen mit gesamtgesellschaftlich schädlichen Konsequenzen verhindern.
politik-digital ist Medienpartner der Blockchain Expo 2017 in Berlin.
Titelbild: Blockchain Expo 2017 Berlin, by Daniel Krüger, CC-BY-SA 3.0
Text: CC-BY-SA 3.0