Der Große Bruder beobachtet dich! Frei nach George Orwells Utopie „1984“, werden heute die „BigBrotherAwards“ in Bielefeld verliehen – ausgezeichnet werden Größen wie das Bundesamt für Verfassungsschutz, change.org und IBM Deutschland. Zudem beteiligt sich die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit einem Gastbeitrag.

Seit 2000 verleiht Digitalcourage e.V. nun die BigBrotherAwards an „Datenkranken“ in Deutschland. Die Verleihung weist auf missbräuchliche Verwendung von Technik und Information hin und will mit den Awards den Diskurs zum Thema Datenschutz intensivieren. Das erste Mal wurden die Awards 1989 in Großbritannien von der Menschenrechtsorganisation Privacy International verliehen. Prominenten Zuspruch erhält die diesjährige Verleihung von der ehemaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Vor dem Hintergrund der Vorratsdatenspeicherung, PNR-Fluggastdatenspeicherung und Co. verteidigt sie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und den Schutz der Privatsphäre gegenüber staatlichen Institutionen.

Diesjährige Preisträger: Verfassungsschutz, Change.org, IBM Deutschland und viele mehr

Besser kann es eigentlich nicht passen: pünktlich zu „65 Jahren Verfassungsschutz“, wird das Bundesamt in der Kategorie „Lifetime“ mit einer „Datenkrake“ geehrt. Laudator Dr. Rolf Gössner beschreibt den Verfassungsschutz als im Kalten Krieg geprägten, antikommunistischen, skandalgeneigten und intransparenten Inlandsgeheimdienst. Erstaunt sei er nur, dass dieser trotz Lizenz zur Infiltration, Täuschung und Desinformation erst jetzt durch die BigBrotherAwards ausgezeichnet wird.

Kritikwürdig ist ebenfalls die Strategie von Change.org, dem diesjährigen Preisträger der Kategorie „Wirtschaft“. Zielstrebig wurde das Unternehmenskonzept laut der Laudatoren auf Datenmissbrauch ausgelegt; nun wird Geld mit dem Verkauf personenbezogener Daten gemacht. Strategie: entgegen europäischer und deutscher Datenschutzbestimmungen sammelt das Unternehmen nicht nur Namen, Adressen und Mailadressen von PetitionsunterzeichnerInnen, sondern auch Informationen zu den unterstützten Petitionen. Mit den Informationen über gesellschaftliche, soziale und politische Positionen der UnterzeichnerInnen, könnten so Meinungsbildungsprozesse gezielt beeinflusst werden. Da fällt es nur gering ins Gewicht, dass es auch nicht für notwendig erachtet wird, die unzulässigen Datenschutzregeln von Change.org auf einen aktuellen Stand zu bringen. Personenbezogene Daten von NutzerInnen werden trotz des für unwirksam erklärten „Safe Habour“-Abkommens weiterhin in den USA gespeichert.

In eine Reihe mit diesen Größen reiht sich dieses Jahr auch die IBM Deutschland GmbH mit seinem „Social Dashboard“ im firmeneigenen sozialen Netzwerk „Connections“. Die findige Idee des Unternehmens: ArbeitnehmerInnen anhand ihrer sozialen Reputation „qualitativ“ bewerten. Der soziale Status wird dabei durch das Vernetzungsverhalten der MitarbeiterInnen sowie dem „teilen“ und „liken“ von Nachrichten und Kommentaren in „Social Scores“ errechnet. Die JurorInnen sagen: IBM Deutschland hat sich den Preis in der Kategorie „Arbeitswelt“ verdient!

Die Berliner Verkehrsbetreibe BVG punkten mit ihrer Idee elektronischer Fahrkarten, die das Fahrverhalten von KundInnen abspeichern, bei den diesjährigen Awards in der Kategorie „Technik“. Auch die Generali-Versicherung wird mit einem Preis in der Kategorie „Verbraucherschutz“ geehrt, Anreizprogramme die dazu anregen das eigene Fitness- und Einkaufverhalten zu melden und Bonuspunkte abzugreifen müssen sich schließlich auszahlen. Hier gibt’s die Datenkrake für das bewusste Aushebeln unseres Sozialsystems.

Die Verleihung kann am 22.04.2016 ab 18 Uhr im „Live-Stream“ verfolgt werden.

Titelbild: Die Datenkrake in ihrem Versteck by Frerk-Meyer via flickr is licensed under CC BY-SA 2.0

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