Smart Toys und Apps versprechen mehr Sicherheit für Kinder und somit weniger Sorgen für Eltern. Doch viele Produkte erweisen sich in der Praxis weniger sicher als behauptet. Hinzu kommt, dass Technik immer nur eine Teilantwort auf die Sorgen und Ziele von Kindern und Eltern sein kann.
Tina* ist sieben Jahre alt und auf dem Weg zur Schule. Von der Haustür nach links bis zur Straße, dort an der Ampel warten, bei Grün rüber gehen und beim Bäcker rechts abbiegen, schon kommt die Grundschule in Sicht. Ein kurzer Weg, ohne Frage. Trotzdem kann sich Tinas Vater noch nicht so recht vorstellen, das Mädchen in naher Zukunft allein zur Schule gehen zu lassen. „Ich weiß, dass sie den Weg kennt und alles“, sagt der groß gewachsene Mann, „aber was, wenn sie sich doch mal verläuft, oder mit einem Fremden mitgeht? Wie finden wir sie dann?“
Apps versprechen mehr Sicherheit
Für alle Eltern mit ähnlichen Sorgen gibt es heutzutage eine Reihe von Produkten, die Abhilfe versprechen und die Möglichkeiten eines einfachen Handys weit hinter sich lassen. So sendet ein Smartphone jeden Schritt seines Benutzers, wenn es mit einer entsprechenden App ausgestattet wird. Eltern können so sehen, wo ihr Kind hingeht – sogar, wo es gewesen ist.
Alternativ kann man auch zu einer Smartwatch greifen, einer Uhr mit GPS-Funktion. Auch damit lässt sich das Kind jederzeit orten und anrufen. Speziell für den Schutz im Straßenverkehr gibt es die App „Schutzranzen“: Mit ihr werden Autofahrerinnen** ab einem bestimmten Tempo von ihrem Smartphone auf Kinder in direkter Umgebung aufmerksam gemacht. Dazu müssen sowohl die Fahrerinnen wie die Kinder die App installiert haben oder einen tragbaren GPS-Tracker desselben Herstellers nutzen.
Datenschutz nicht garantiert
„Schutzengel am Handgelenk“ oder „Schutzengel im Straßenverkehr“ nennen die Hersteller ihre Produkte. „Überwachungsarchitektur“ nennt es hingegen Friedemann Ebelt vom Verein Digitalcourage. Der Bielefelder Verein hat sich den Schutz von Grundrechten und Daten zum Ziel gesetzt. Den Einsatz von Smartwatches und sogenannten Parental-Control-Apps sieht Ebelt sehr kritisch: „Wenn eine Firma im Auftrag der Eltern das Kind orten kann, dann können das potenziell auch Unbefugte innerhalb oder außerhalb der Firma.“ Absolute Sicherheit über die Weiterverwendung der Daten gebe es nicht.
Zahlreiche Fälle von Datendiebstahl geben dem Verein Recht. So wurden beispielsweise im November 2015 die Speicher des Spielzeugherstellers VTech gehackt. Unter den über 11 Millionen Geschädigten weltweit waren vor allem Kinder, denn VTech stellt sogenannte Smart Toys her. Diese „intelligenten“ Spielzeuge gibt es in allen möglichen Varianten zu kaufen – auch in Deutschland. Über eingebaute Kameras, Mikrofone, Lautsprecher und Internetverbindungen können Teddies, Puppen oder Roboterhunde Kindern Fragen stellen und beantworten, auf Vorlieben und Fähigkeiten der Kleinen eingehen oder Nachrichten der Eltern abspulen, die diese per Smartphone versenden. Vielen Kindern dürfte so ein Spielzeug gefallen. Allerdings weisen die Smart Toys neben dem generellen Datenleck teilweise große Sicherheitslücken auf.
„Mit Technik ruhig gestellt“
Ein Test der Stiftung Warentest aus dem Jahr 2017 ergab, dass vier von sieben getesteten Spielzeugen via App den Namen des Mobilfunkanbieters, des Kindes und Identifikationsnummern an ihre Hersteller oder andere Firmen sendeten. Die drei übrigen wiesen ungesicherte Bluetooth-Verbindungen auf; in solchen Fällen genügte ein normales Smartphone, um dem Kind schon aus zehn Metern Entfernung Fragen oder Drohungen zu senden, die das Spielzeug dann aussprach, als kämen sie von den Eltern.
Jenseits solcher Sicherheitslecks spreche aus Sicht des Vereins Digitalcourage ein viel grundlegenderer Punkt gegen den Kauf von Smart Toys: „Die Gemeinsamkeit dieser Angebote besteht darin, dass Kinder mit Technik ruhig gestellt werden, statt sie mit anderen Menschen interagieren zu lassen“, kritisiert Ebelt.
Unterm Strich bleibt Eltern nur, die Vorzüge und Nachteile der neuen technischen Möglichkeiten gut gegeneinander abzuwägen. Derweil haben Tina und ihr Vater eine Lösung für ihr Schulweg-Problem gefunden. Tina soll allein vorneweg gehen, ihr Vater mit ein paar Schritten Entfernung hinter ihr. So können beide üben: das Mädchen den Schulweg, der Vater Gelassenheit und Vertrauen in seine Tochter.
Informationsveranstaltungen zum Thema sowie zu vielen anderen netzpolitischen und netzkulturellen Fragen finden vom 7. bis 9. Juni 2018 bundesweit statt, im Rahmen der „Aktionstage Netzpolitik & Demokratie“, organisiert von den Zentralen für politische Bildung. Die Autorin Julia Solinski ist Teil des projektbezogenen Mitarbeiterteams.
*Name von der Autorin geändert.
**Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text nur ein Geschlecht ausgeschrieben; gemeint sind natürlich alle Geschlechter.
Dies ist ein Crosspost der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt. Der Artikel ist zuerst dort erschienen.
Titelbild: © Chase Clark via Unsplash, CC0, bearbeitet.
Bild im Text: © Stiftung Warentest