Was 2007 mit „BerlinInAugust" seinen Anfang genommen hatte, wurde am 17. und 18. Juli 2008 mit „BerlinInJuly" fortgesetzt. politik-digital.de, Tom Steinberg von MySociety.org und Christian Heise von e-demokratie.org / e-politik.de
versammelten 35 Praktiker aus einem Dutzend Ländern. Alle teilten ein Ziel: Die Kommunikation zwischen Politikern und Bürgern über Online-Projekte zu vereinfachen – oder überhaupt erst zu ermöglichen.

Gruppenfoto auf dem Alexanderplatz
Gruppenfoto auf dem Alexanderplatz

Die Teilnehmer trafen sich in den
Räumen des British Council, der die Konferenz unterstützte, am Berliner Alexanderplatz, um über
ihre Erfahrungen mit elektronischer Demokratie zu konferieren. Die
Veranstalter wollten es aber nicht beim Reden belassen: Aus der
Zusammenkunft sollten neue Netzwerke und neue Projekte entstehen.

 

Tom Steinberg
Organisator Tom Steinberg von MySociety.org

 

Im Fokus der Veranstaltung standen die
Themen eDeliberation und eKonsultation – zwei Wege, Bürger
über das Internet an politischen Beteiligungsprozessen teilhaben
zu lassen. Über die Definition der Begriffe waren sich die
Teilnehmer nicht ganz einig: Einige sahen kaum Unterschiede zwischen
eKonsultationen und eDeliberation. Andere beschrieben eKonsultationen
als kurzen und einseitigen Prozess, bei denen die Politik Bürger
nach ihrer Meinung zu einem bestimmten Thema befragt, unter den
Bürgern selbst aber kein Dialog stattfindet. eDeliberation sei
im Gegensatz dazu eine organisierte Diskussion zwischen Bürgern
und Politik als Dialog.

Wie finanziert man
Bürgerbeteiligung?

Einig war man sich aber schnell über
gemeinsame Themen, die man in den zwei Konferenztagen besprechen
wollte: So ging es zum Beispiel um die Frage, wie man die richtigen
Strategien zur Finanzierung von elektronischen Beteiligungsprojekten,
so genannte ePartizipations-Projekte, findet. Die Teilnehmer
präsentierten ihre unterschiedlichen Erfahrungen: Ian Johnson
vom britischen Justizministerium etwa berichtete, dass in
Großbritannien die Regierung Geld für entsprechende
Websites zur Verfügung stellt.

Gregor Hackmack von
Abgeordnetenwatch.de verfolgt
dagegen einen anderen Ansatz: Finanzierung über Spenden,
Mitgliedschaften und Werbung. Über die Internetplattform können
Bürger ihre Fragen an Abgeordnete des Bundestags oder des
Europäischen Parlaments stellen. Die Antworten werden ebenfalls
auf der Website dargestellt. Nutzer und auch Politiker können
eine Mitgliedschaft erwerben – dafür gibt es Bonus-Features,
etwa einen regelmäßigen Newsletter oder eine kostenlose
Bürgerberatung. Auch von Politikern kann man Gelder beziehen,
indem man ihnen etwa für eine Gebühr ein Profilbild
einrichtet.

 

Gregor Hackmack, Abgeordnetenwatch.de
Gregor Hackmack präsentiert Abgeordnetenwatch.de

 

Die übrigen Teilnehmer überzeugte
aber vor allem ein kleiner Trick zur Spendengewinnung: Die
Google-Anzeigen auf Abgeordnetenwatch.de lassen sich mit einem
einfachen Klick ausblenden. Dafür erscheint allerdings ein
Banner auf der Website, das den Nutzer darüber unterrichtet, wie
viel Geld dem Projekt durch die ausgeblendete Werbung verloren geht.
Wer dann ein schlechtes Gewissen bekommt, kann mit einem weiteren
Mausklick gleich spenden.

Bürgerbeteiligung in Rumänien
und im Libanon

Weiterhin ging es um die
unterschiedlichen Ansätze für elektronische
Mitmachprojekte. Mitunter konnten man hier auch von Umständen erfahren, die
für west-europäische oder amerikanische Ohren eher
befremdlich klingen. So berichtete Adrian Moraru aus Rumänien in
seiner Keynote von widerspenstigen Politikern und problematischen
Strukturen in seinem Heimatland: In Rumänien stimmt das
Parlament über elektronische Stimmkarten ab. Diese Möglichkeit
nutzen einige Abgeordnete, um den Sitzungen fernzubleiben und andere
Dinge zu erledigen – die Karte wird einfach dem Banknachbarn in die
Hand gedrückt. So werden schon mal Stimmen von Abgeordneten
gezählt, die zur Zeit der Abstimmung gar nicht im Lande waren.
Moraru und seine Organisation "Institute for Public Politics" machen diese Arbeitsweise der
Politiker transparent.

Andererseits seien die elektronsichen
Abstimmungsgeräte ein großer Fortschritt für das
rumänische Parlament, führte Moraru in seiner Rede „Kicking
Transparency Ass the Romanian Way" aus: Erst diese ermöglichten
es, alle Abstimmungsergebnisse von lokalen Parlamenten sofort online
zu stellen.

 

Ayman Mhanna
Ayman Mhanna aus dem Libanon

 

Auch Ayman
Mhanna
aus dem Libanon hatte Exotisches zu berichten: Nämlich
wie man einen Wahlsimulator für ein Land baut, in dem ein
hochkomplexes Wahlsystem mit Quotenregelungen nach religiösen
und ethnischen Gesichtspunkten besteht.

Politiker
zum Mitmachen motivieren

Gemein waren den Teilnehmern die
Probleme der Motivation für ePartizipation sowohl auf Bürger-,
als auch auf Politikerseite. Wie Rolf Lührs von der TuTech GmbH
aus Hamburg anmerkte, habe man kein Budget für die Bewerbung der
eigenen Seite zur Verfügung. Für die Bürger müsse
man die Nutzung eines Online-Projekts also möglichst attraktiv
machen: Ben Whitnall von Delib aus Großbritannien stellte
beispielsweise ein Projekt vor, bei dem ein Flash-Spiel die Nutzer locken soll, um später an politischen Diskussionen teilzunehmen.

Andererseits muss für erfolgreiche
eDeliberation auch die Politik mitspielen. Eine andere zentrale Frage
war daher, wie man die Regierung zur Zusammenarbeit gewinnt und
Politiker in die Projekte einbezieht. Arend Zwaneveld vom Projekt
Maildepolitiek.nl aus den Niederlanden etwa berichtete, dass sein
Team große Schwierigkeiten gehabt habe, Politiker zum Ausfüllen
ihrer Profile zu überreden – diese stellen aber einen
zentralen Teil der Website dar. Eine Diskussionsgruppe zu diesem
Thema kam zu dem Schluss, dass es die beste Strategie sei, sich für
die Politik unersetzlich zu machen. Einerseits müsse dem
Politiker gezeigt werden, dass er schlecht da stehen, wenn er sich
nicht online engagiert. Andererseits müssten ihm die Vorteile
der Teilnahme an dieser Form der Kommunikation aufgezeigt werden.

Tom Steinberg, Organisator der Konferenz und Gründer
der britischen Nichtregierungs-Organisation MySociety.org, betonte
weiterhin, wie wichtig eine allgemeinverständliche Sprache für
elektronische Beteiligungsprojekte sei. Sowohl Politiker als auch
Bürger ließen sich viel leichter zum Mitmachen bewegen,
wenn sie auf den ersten Blick verstehen, worum es auf einer Website
geht: Schlagworte wie „FixMyStreet" (Reparier meine Straße), „HearFromYourMP" (Hör von deinem Abgeordneten) oder ich-gehe-nicht-hin.de wirkten einfach
einladender als „Crowdsourcing Best-Practice-Strategies for active
eParticipation".

Zur Vorstellung der Teilnehmer und ihrer Projekte.