Medienkompetenz erlernen – in Zeiten der Digitalisierung wichtiger denn je, um sich zu informieren und beruflich nicht abgehängt zu werden. Doch kennen sich Pädagogen und Eltern oft selbst nicht mit den Risiken in der digitalen Welt aus, wie sollen sie dies dann Kindern vermitteln? Die Stiftung Medienpädagogik Bayern versucht nun, mit dem Medienführerschein eine Hilfestellung zu geben.
Schon Grundschüler surfen heutzutage im Internet. Daher müssen Eltern und Lehrer ihnen frühzeitig vermitteln, wie sie mit digitalen Medien und deren Inhalten umgeht, kurz gesagt: Medienkompetenz. Doch immer öfters kommt es zu einer Kluft zwischen Digital Immigrants, den Eltern, und Digital Natives, den Kindern. Viele Erziehungsberechtigte sind mit der Angebotsvielfalt und dem digitalen Alltag der Kinder überfordert. Ausgenommen von den Medienpädagogen, wissen viele Eltern, aber auch Lehrer nicht, wie sie Medienkompetenz vermitteln können und was genau diese umfasst.
Die gemeinnützige Stiftung Medienpädagogik Bayern koordiniert seit 2009 den Medienführerschein Bayern, um genau dort anzusetzen. Dieser umfasst ein breites Spektrum, um die Medienkompetenz von sowohl Kindern als auch Erwachsenen zu stärken. Das Portfolio besteht aus verschiedenen Angeboten. Der Medienführerschein umfasst alle Alterstufen, von Vorschulkindern über Schüler bis hin zu Auszubildenden. In Zukunft soll es ein weiteres Angebot für außerschulische Jugendarbeit geben.
Jutta Baumann, Stiftungsreferentin der Stiftung Medienpädagogik Bayern, hat von Anfang an die Entwicklung des Medienführerscheins begleitet und freut sich über den Erfolg der Initiative. Im Interview erklärt sie, was die Ziele des Medienführerscheins sind und wie er bislang angenommen wurde.
Wie kam es dazu, dass Sie einen Medienführerschein entwickelt haben?
Den Medienführerschein Bayern gibt es seit 2009. Damals waren zwar Smartphones und Apps noch kaum verbreitet, doch bei Kindern und Jugendlichen war das Thema „online sein“ bereits sehr groß. Die Internetnutzung am heimischen PC, egal ob Soziale Netzwerke oder Multiplayer-Online-Games, verunsicherte viele Eltern und Pädagogen. Es kam die Frage auf, wie man Kindern und Jugendlichen einen verantwortungsbewussten Umgang mit Medien nahebringen kann. Vor diesem Hintergrund rief die Bayerische Staatsregierung den Medienführerschein Bayern ins Leben. Er unterstützt Lehrkräfte und pädagogisch Tätige bei der altersgerechten Stärkung von Medienkompetenz – und zwar in verschiedenen Bildungsinstitutionen und in ganz Bayern. So sollen möglichst alle Heranwachsende erreicht werden und fit werden für die Welt der Medien.
Die Förderung von Medienkompetenz ist Bestandteil der bayerischen Medienpolitik. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie finanziert großteils den Medienführerschein Bayern. Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. unterstützt den Ausbau des Medienführerscheins Bayern auf Berufliche Schulen.
Was ist das Lernziel des Medienführerscheins Bayern?
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sollen auf eine Lebenswelt vorbereitet werden, die sich aufgrund der Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien gerade stark verändert. Ziel ist, dass sie die Chancen dieser Veränderungen nutzen können und dabei auch die möglichen Risiken im Blick haben. Der Medienführerschein Bayern vermittelt daher Kindern und Jugendlichen dem Alter angemessen Kompetenzen für einen reflektierten und verantwortungsbewussten Medienumgang. Passend zur jeweiligen Zielgruppe und Altersstufe greifen die kostenlosen Materialien aktuelle Themen wie Urheberrecht, Soziale Netzwerke oder digitale Spiele, aber auch „Klassiker“ wie Werbung, Medienfiguren und Medienkonsum auf. Am Anfang jeden Moduls werden in einer Übersicht die jeweiligen Kompetenzen bzw. Bildungsziele aufgelistet, die erarbeitet werden.
Welche Materialien kommen zum Einsatz?
Uns ist es wichtig, dass die Materialien des Medienführerscheins Bayern gut in der pädagogischen Praxis funktionieren. Die kostenlosen Materialien wurden deshalb passgenau für den Einsatz in den verschiedenen Zielgruppen entwickelt. Im schulischen Bereich stehen Lehrkräften z.B. Unterrichtseinheiten mit Anleitungen und Arbeitsmaterialien zur Verfügung. Aus den Rückmeldungen von Lehrkräften wissen wir, dass auch die online bereitgestellten digitalen Aufgaben – die die Schülerinnen und Schüler am Computer bearbeiten – und Film-Clips gerne genutzt werden. Im Elementarbereich bietet der Medienführerschein Bayern zahlreiche Praxisbeispiele als Anregungen für die medienpädagogische Arbeit mit Drei- bis Sechsjährigen.
Der Medienführerschein ist unterteilt in verschiedene Altersstufen und hat dementsprechend verschiedene Anforderungen. Welche Anhaltspunkte haben Sie für die Einstufungen genommen?
Bei der Konzeption und Ausarbeitung des Konzepts des Medienführerscheins Bayern holte die Bayerische Staatsregierung von Anfang an alle Beteiligten ins Boot. In den Gesprächsrunden waren Vertreter von Ministerien, aber auch Experten von Verbänden und Organisationen beteiligt. Gemeinsam wurde in Grundzügen festgelegt, welche Inhalte und Themen im Medienführerschein Bayern verankert werden sollen. Bei der Entwicklung der einzelnen Module für den schulischen Bereich wurden die Anforderungen der bayerischen Lehrpläne der jeweiligen Jahrgangsstufen berücksichtigt.
Wie lässt sich der Erwerb von Medienkompetenz in den Unterricht einbauen?
Das Thema Medienkompetenz ist in den bayerischen Lehrplänen aller Schularten verankert. In diesen ist der verantwortungsvolle und reflektierte Umgang mit Medien als fächerübergreifendes Bildungsziel beschrieben. Der Medienführerschein Bayern ist darauf abgestimmt. Alle Unterrichtseinheiten wurden an die bayerischen Lehrpläne der jeweiligen Jahrgangsstufen angepasst. Das Institut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) hat den Lehrplanbezug geprüft. Dies erleichtert Lehrkräften die Einbindung des Medienführerscheins Bayern in den Unterricht. Rückmeldungen aus der Praxis zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler Spaß haben, wenn Medienthemen im Unterricht aufgegriffen werden.
Viele Lehrer müssen sich erst Vorwissen zu digitalen Medien aneignen, welche „Hilfestellungen“ bieten Sie hierfür?
Die Materialien des Medienführerscheins Bayern sind extra so konzipiert, dass Lehrkräfte bzw. pädagogische Fachkräfte sie ohne vorherige Schulung oder externe Unterstützung einsetzen können. Die einzelnen Module geben ausgewählte Hintergrundinformationen zum jeweiligen Thema an die Hand. Mit den Hintergrundinformationen wird ein thematischer Einblick vermittelt und anschaulich wichtige Grundlagen für die eigene medienpädagogische Arbeit vorgestellt. Auf der Homepage des Medienführerscheins Bayern hat die Stiftung zudem für jedes Modul Links zu weiterführenden Informationen zusammengestellt.
Wie würden Sie die Resonanz auf den Medienführerschein Bayern einschätzen? Wird dieser angenommen?
Das Interesse an den kostenlosen Materialien des Medienführerscheins Bayern war von Anfang an groß. Viele Einrichtungen wurden mit ihrer Teilnahme beim Thema Medienkompetenz aktiv und beteiligte Kinder und Jugendlichen konnten altersgerecht die Chancen, aber auch die Risiken der Medienwelt kennenlernen. Seit der Veröffentlichung der ersten Unterrichtsmaterialien für die Grundschule im Jahr 2010 wurden bereits rund 240.000 Urkunden bzw. Teilnahmebestätigungen (Stand April 2017) an Kinder und Jugendliche übergeben. Mit dem Medienführerschein Bayern wurde ein kostenloses Angebot geschaffen, mit dem es möglich ist, die Medienkompetenzförderung in den Bildungseinrichtungen zu verankern. Das Konzept hat funktioniert: Der Medienführerschein Bayern ist mittlerweile gut in der bayerischen Bildungslandschaft etabliert und trägt zur Förderung der Medienkompetenz in ganz Bayern bei.
Weitere Informationen sowie die kostenlosen Materialien zum Download finden sie hier.