Von einer ARTE-Webdoku über ein juristisches Blog bis zum GuttenPlag-Wiki reichten die Auszeichnungen beim diesjährigen Grimme-Online-Award, der gestern Abend verliehen wurde. Mit dem Preisträger und Grünen-Politiker Malte Spitz, der auf Zeit Online die Ortungsdaten seines Handys veröffentlichte, sprach politik-digital.de am Tag nach der Preisverleihung.
“Die diesjährigen Preise belegen, welche Bandbreite es im Internet gibt“, sagte der Leiter des Adolf-Grimme-Instituts Uwe Kammann gestern bei der Verleihung des Grimme Online Award in Köln. In der Kategorie Information konnten sich zwei sehr unterschiedlich Seiten durchsetzen. Für Konzept und Redaktion wurde der Preis an „DRadio Wissen“ (Deutschlandradio) vergeben. Die Jury hob dabei die „ganz besondere Art, Radio und Internet miteinander zu verbinden“ hervor. Weiterhin konnte sich das „law blog“ von Udo Vetter durchsetzen. Idee und Redaktion konnten überzeugen, da der Strafverteidiger mit den Klischees über die trockene Juristerei aufräume.
Das „Neusprechblog“ und die Webdokumentation „Prison Valley“ von ARTE gewannen in der Kategorie Wissen und Bildung. Ersteres „ist der verklausulierten Sprache in der Tagespolitik und im politischen Diskurs auf der Spur“. „Prison Valley“ zeigt Gefängnisse in den USA als Wirtschaftsfaktor und wurde vor allem für den gelungenen Versuch, die Medien Film und Internet zu verbinden, gelobt.
Den Grimme Online Award Kultur und Unterhaltung konnten ein Reiseblog und eine Kinderwebsite für sich reklamieren. Johannes Klaus berichtet in seinem Blog „Reisedepesche“ mit viel Detailgenauigkeit über seine vor etwas mehr als einem Jahr gestartete Weltreise. „Wortwuselwelt“ könne „die Internetnutzer von heute und morgen inspirieren, zukünftige Webangebote (egal, ob für Kinder oder Erwachsene) einfach neu zu denken”.
Der „klicksafe-Preis für Sicherheit im Internet“ ging an die Plattform Juuuport der Niedersächsischen Landesmedienanstalt, die von Jugendlichen für Jugendliche gestaltet wird und Hilfe bei „Mobbing und Abzocke“ im Internet bietet. Des weiteren konnte sich das Theaterstück gegen Mobbing und sexuelle Gewalt im Internet „Click it!²“ durchsetzen.Die Website der MTV-Sendung „GameOne“ wurde mit dem Publikumspreis prämiert. Insgesamt hatten über 170.000 Menschen abgestimmt.
Die Kategorie Spezial ging an das „GuttenPlag Wiki“, welches maßgeblich dazu beigetragen hatte, Plagiate in der Doktorarbeit von Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg aufzuzeigen, während es dabei immer eine „faire und unvoreingenommene Arbeitsweise“ gezeigt habe.
Auch das Projekt “Verräterisches Handy: Was Vorratsdaten über uns verraten” auf Zeit Online wurde in dieser Kategorie prämiert. Entstanden sei hier eine interaktive Website die, so die Jury, dem Bürger anschaulich beschreibe, was die Vorratsdatenspeicherung für jeden von uns bedeute.
Das Bewegungsprofil konnte auf Zeit Online jedoch erst veröffentlicht werden, nachdem der Grünen-Politiker Malte Spitz seinen Mobilfunkanbieter erfolgreich auf Herausgabe seiner Verbindungsdaten verklagt hatte. Mit politik-digital.de sprach Spitz, der seit 2006 auch Mitglied des Bundesvorstandes von Bündnis90/Die Grünen ist, über die Motivation für sein gestern prämiertes Vorhaben und seine Kritik an der derzeitigen Datenschutzpolitik.
Herr Spitz, Sie haben auf die Herausgabe Ihrer Verbindungsdaten, für deren Visualisierung Sie jetzt von der Grimme-Preis-Jury ausgezeichnet worden sind, zu einer Zeit geklagt, als das Thema in der breiteren Öffentlichkeit noch nicht so präsent war wie heute. Was hat Sie damals dazu bewogen?
Zu erst einmal bin nicht ich alleine ausgezeichnet worden, sondern vor allem wurde die journalistische und technische Arbeit von Zeit Online und OpenDataCity gewürdigt. Dafür waren meine Vorratsdaten zwar Grundlage, aber ohne deren Arbeit wäre das jetzige Ergebnis so nicht möglich gewesen. Persönlich bin ich schon lange gegen die Vorratstdatenspeicherung aktiv, seit Anfang 2007 im AK Vorratsdatenspeicherung und habe auch die “Freiheit statt Angst”-Demonstrationen die letzten Jahre mit organisiert. Ich war auch einer der fast 34.000 BürgerInnen, die vor dem Bundesverfassungsgericht gegen diesen maßlosen Eingriff in die Bürger- und Freiheitsrechte geklagt hatten. Da war es für mich nur folgerichtig, dass ich auch von meinem Auskunftsrecht nach Paragraph 34 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz, Anm. d. Red.) Gebrauch mache und die Herausgabe der über mich gespeicherten Daten bei meinem Mobilfunkanbieter erstritten habe.
Vor allem war ich im ersten Moment skeptisch, ob die gesamten Speichervorschriften wirklich umgesetzt werden können. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es tatsächlich möglich ist, alle Verbindungsdaten von 82 Millionen BürgerInnen zu speichern, ohne dass dabei eklatante Fehler entstehen. Als ich dann den Datensatz mit über 35.000 einzelnen Verbindungsnachweisen erhalten hatte, war ich schockiert.
Eine derart engmaschige Überwachung ist problemlos möglich. Die Veröffentlichung der Daten in Kooperation mit Zeit Online, war für mich dann noch mal eine nicht leichte Entscheidung, schließlich gebe ich damit detaillierte Einsicht in mein Leben für ein halbes Jahr.
Letztendlich bin ich aber zu dem Entschluss gekommen, dass es vielleicht das effektivsten Mittel ist, um den Menschen vor Augen zu führen, was die Vorratsdatenspeicherung bedeutet und das jede und jeder von uns betroffen ist. Dass am Ende ein so tolles Ergebnis, das mit mehreren Preisen ausgezeichnet wird und internationales Medienecho bis hin zur Titelseite der New York Times hervorruft, hätte ich nicht gedacht.
Können öffentliche Ereignisse wie der Grimme-Online-Award zu einer Sensibilisierung der Bevölkerung hinsichtlich Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit beitragen oder ist die Wirkung der Preisverleihung nach Ihrem Dafürhalten auf die internetaffine Szene begrenzt?
Die Visualisierung der Daten hat mit Sicherheit dazu beigetragen, breite Gruppen der Bevölkerung über das Thema weiter aufzuklären. Ein Bild sagt halt manchmal mehr als tausend Worte. Der Grimme-Online-Award rückt zudem die Art der journalistischen Aufbereitung stärker in den Mittelpunkt, Datenjournalismus wird ein zentraler Teil der Zukunft des Journalismus sein.
Die Auszeichnung Ihrer Arbeit fällt mit dem Wiederaufflammen eines inhaltlich ja verwandten koalitionsinternen Konflikts beim Thema Verbrechensbekämpfung im Internet zusammen. Wird sich die Bundesregierung nach Ihrer Auffassung dem Druck seitens der Brüsseler Kommission beugen?
Ich hoffe, Deutschland wird die Vorratsdatenspeicherung nicht wieder einführen. Die FDP rückt aber leider Stück für Stück von ihrer grundsätzlichen Ablehnung einer anlasslosen Speicherung von Kommunikationsdaten ab. Es geht in der schwarz-gelben Koalition zu sehr um das “Wie” einer Vorratsdatenspeicherung und leider nicht mehr um das generelle “Ob” eines solch massiven Grundrechtseingriffes. Wir Grüne sagen klar Nein zu einer Wiedereinführung und werden auch auf allen Ebenen dagegen kämpfen. Dabei stehen wir leider einer großen Koalition der Willigen aus CDU/CSU und SPD gegenüber, die sich für die Vorratsdatenspeicherung stark machen, zuletzt diese Woche bei der Innenministerkonferenz in Frankfurt. Die SPD macht nicht den Eindruck, dass sie ernsthaft Bürgerrechte schützen will, sondern geht Seit’ an Seit’ mit den Hardlinern aus der Union und den Polizeigewerkschaften. Die SPD ist gut beraten, sich nicht auf einen Kuhhandel mit der Regierung Merkel auf Kosten der Bürgerrechte einzulassen.
Für uns Grüne ist klar, wir werden auf allen politischen Ebenen – also explizit auch in Brüssel – weiterhin gegen die Vorratsdatenspeicherung kämpfen. Für uns ist klar, eine Umkehrung der Unschuldsvermutung darf es nicht geben. Dieser unverhältnismäßige Eingriff in die Grundrechte ist mit nichts gerechtfertigt.
– In Zusammenarbeit mit Christina Nick –