Eigene Ideen einbringen, diskutieren und abstimmen. In Schulen werden die für eine Demokratie so wichtigen Elemente im Alltag oft vernachlässigt. Das möchte „aula” nun ändern. In dem von Marina Weisband geleiteten Projekt sollen SchülerInnen die Möglichkeit erhalten, ihr eigenes schulisches Umfeld mithilfe eines Online-Demokratie-Tools aktiv zu gestalten.
„Ausdiskutieren und Live Abstimmen“ – das verbirgt sich hinter dem Projektnamen aula. SchülerInnen ab der fünften Jahrgangsstufe dürfen sich aktiv in die Gestaltung ihrer Schule einbringen und dabei demokratisches Handeln selbst erproben. Hierzu können sie Ideen vorlegen, diskutieren, verbessern und schlussendlich über sie abstimmen. Ziel soll es sein, die passive, konsumierende Haltung hinter sich zu lassen und zu einem aktiven Gestalter der eigenen Umgebung zu werden.
Eines der größten Probleme der Einbindung von SchülerInnen in die Schulpolitik sind oft die begrenzten Unterrichtspläne und Räumlichkeiten. Deshalb soll aula nicht nur im Unterricht, sondern auch auf einer Online-Plattform unter Nutzung eines Liquid Democracy-Tools stattfinden. Über Schulcomputer, eigene PCs sowie mobile Geräte haben die SchülerInnen jederzeit Zugang zur Software.
Verantwortung übernehmen: Liquid Democracy
Im Vorfeld des Projekts legen Schülervertretung, Elternvertretung, Kollegium und Schulleitung einen gemeinsamen Rahmenvertrag über die Themen der Beteiligung fest. Innerhalb dieser Grenzen können SchülerInnen Ideen auf der eingerichteten Plattform einbringen. Nach einer ausführlichen Diskussion und möglichen Einbindung von Verbesserungsvorschlägen wird die Idee zur Abstimmung gestellt. Jede Schülerin und jeder Schüler hat eine Stimme und kann für oder gegen den Vorschlag votieren.
Der Clou: Man darf seine Stimme auch an eine beliebige andere Person delegieren, die hierdurch ein größeres Stimmgewicht erhält. Diese Übertragung kann jederzeit zurückgenommen, neu vergeben oder weitergereicht werden. Das ist das Prinzip der Liquid Democracy, einer Mischform aus direkter und repräsentativer Demokratie. Dieser Prozess soll in den Jugendlichen die Reflexion über eigene Wünsche und Interessen, eigene und fremde Kompetenzen sowie deren Grenzen fördern. Die Software ermöglicht es, alle Kinder mit ins Boot zu holen. Gleichzeitig protokolliert und strukturiert sie den Prozess und hält sämtliche Ergebnisse fest. Das Projekt wird mit einer didaktischen Erläuterung der zugrundeliegenden politischen Theorie verbunden, wofür neben der Software ein vorbereitendes und begleitendes Manual bereitgestellt wird.
Projektstart unter Leitung von Marina Weisband
Das Projekt wird von politik-digital e.V., unter Leitung von Marina Weisband, durchgeführt und von der Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt. Der Verein Liquid Democracy e.V. ist für die Erstellung der Software zuständig. „Das Hauptziel des Projektes ist es, einen didaktischen Rahmen zu geben, in dem Kinder schon lernen, Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen, Kompromisse zu schließen und auch zu sehen, dass bestimmte Wünsche Kosten haben“, so Weisband.
Ab Januar 2016 beginnt die Einführungsphase für beteiligte LehrerInnen sowie interessierte Eltern. Ab August 2016 soll aula erstmals zum Einsatz kommen und in eine einjährige Pilotphase starten. Interessierte LehrerInnen, SchulleiterInnen oder gerne auch SchülerInnen, die ihre Schule aktiv mitgestalten wollen, können sich an folgende Mailadresse wenden: info@aula.de.
Wenn Sie diesen Text lesen können, werden unsere externen Inhalte möglicherweise durch Ihre Datenschutzeinstellungen blockiert. Wenn Sie Ihre Einstellungen anzeigen oder ändern möchten, können Sie dies in den Datenschutzeinstellungen tun.
Bild: politik-digital.de
Text: CC-BY-SA 3.0
Tolles Projekt, viel Erfolg!
Hallo Marina, liebe Autoren, der politk-digital.de und Projektbegleiter der Mehr Demokratie e.V. und in den begleitenden ministerialen Institutionen!
Mich interessiert u.A. bei der Idee, wie die Bildung von “korrupten” Superdelegationen (wie sie sich seinerzeit bei den PIRATEN gebildet hatten) vermieden werden sollen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen, kann das Ringen nach Macht innerhalb und ueber die Peergroup ganz schnell in Mobbingattacken, Bestechung und Erpressung ueber die “Macht des Beliebt-sein-Wollens” ausufern.
Seien wir realistisch und blicken darauf, wer adäquat dazu heute zum Klassen Vertreter/Sprecher gekürt wird. Doch idR. auch nicht der Schüler mit dem groesssten Fachwissen, dem stärksten Durchsetzungsvermögen durch demokratisch-rhethorische Kompetenz den Lehrern und Mitschülern gegenüber.
Es sind doch wohl eher immer noch meist die Schueler mit der größten “sozialen Attraktivität” -sei es durch ihr eigenes attraktives Auftreten über Partys, Besonderheiten über Markenklamotten, Mediennutzung, oder Beliebtheit bei den Lehrern.
Oder sei es über die gesellschaftliche Macht der Eltern z.B. durch eigenen Wohlstand oder auch durch “zweckgebundene Foerderspenden” für die Schule, welche Lehrer und Rektoren “wohlwollender dem Schüler gegenüber” entscheiden lassen.
Also warum sollten Schüler ihre Deligierten und Superdeligenten für das democracy-tool wohl anders waehlen?
Themen die durch solch einen Superdeligierten-Schüler im Tool unterstützt werden, wuerden von Lehrern/Eltern wohl auch eher umgesetzt werden als solche, die über “zwar themenkompetentere aber vielleicht durchsetzungsbereitere, weniger gefuegige, sytemkritische Schüler” im LQFB vertreten werden?
In der Beschreibung ist uebrigens auch nirgends zu erkennen, wer zuletzt die Umsetzung der abgestimmten Themen entscheiden darf.
Auch erschliesst sich mir nicht, wenn durch das Tool an Schulen “Demokratie geübt” werden soll, warum dann nicht die Schüler selbst über ihre einzubringenden Themen selbst abstimmen dürfen, sondern der Themen-Rahmen von den Machthabern: den “Erziehungsberechtigten und Lehrern” -von denen und deren Lebens- /Lehr- zielen die Kinder sowieso abhängig sind- auch noch VORGESCHRIEBEN wird.
Dadurch schränkt man die einmalige Möglichkeit ein, die wirklichen Probleme in Schulen, die Schüler in ihrem Alltag beschäftigen tatsaechlich auch erkennen und nicht zuletzt auch anzupacken zu koennen.
Nur die “Gestaltung der Umgebung” als Basis zum Demokratieverstaendnisses heranzuziehen, ist zwar ein erster moeglicher Ansatz, laesst aber tatsächliche Ansprüche von Schülern an das Bildungssystem ausser acht, schürt dabei allerdings Hoffnungen bei den Kindern/Jugendlichen in einem weiteren Schritt tatsächlich mitbestimmen zu können.
Wie wenig Chancen sie damit schon jetzt durch SMV und Jugendgemeinderat wirklich haben, sehen wir allerdings bei den tatsächlichen Minderheitsverhaeltnissen von Jugendlichen/Schülern in diesen demokratischen Gremien.
Auch sehe ich in der “Regulierung durch die lehrende und erziehende Obrigkeit” eine direkte Einschränkung der Demokratie und damit bereits im Ansatz ein Scheitern der Evaluation didaktischer Umsetzung eines Modells zum Demokratieverständnis. Oder sollen Schüler dadurch etwa lernen, wie es im politischen Feld der heutigen “Demokratie des westlichen Welt” tatsaechlig zugeht – mit Einübung jeglicher Korruption, Vorteilsfraktionen mit Eltern, Lehrern, Delegierten und unter Vorgabe des Themenrahmens, fremdbestimmt durch Dritte?
Damit dem Ausschluss realer Kritikmöglichkeit am System, indem andere Menschen, die schon an der Macht sind den Rahmen und die Regeln fuer die Schueler im “Demokratietool” vorgeben >>sark<< ?
Eigentlich schade, wenn das Tool stattdessen "zensurftei" an Schulen eingesetzt werden wuerde und genug Schulen mitmachen wuerden, koennte man endlich genau die vernachlaessigten Probleme von Schuelern in ihrem Schulalltag erkennen. Probleme und Themen welche Schueler tatsaechlich beschaeftigen.
Wirklich erkennen koennte man sie allerdings wohl eher, wenn Schueler im Democracytool selbst ihre Themen auswählen und bestimmen duerften.
Eine weitere vergebene Chance für das deutsche Bildungssystem.
Denn durch "von Schuelern selbst artikulierte und praeferierte Themen und Forderungen" koennte die reale Existenz des Vorhandenseins kritischer Situationen in Schulen auch noch wissenschaftlich belegt werden. Auch waeren lokale Unterschiede zu Problemen von Schuelern dadurch leichter zu eruieren. Es waere eine Chance vielleicht endlich mal zumindest in Zukunft "schuelerorientierter" agieren zu können, Stressoren und psychosoziale Belastungen, die zu Aggressionen und Überforderung fuehren können, endlich in klare Worte durch die Forderungen der Schüler fassen zu können.
Dadurch koennte z.B. der zunehmende Stress im Schulalltag, sowie die eklatante stetige Zunahme psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren zu Erklärungsansätzen fuehren und Ansatzpunkte zur weiteren Evaluation und Intervention über "erweiterte sozialpädagogische Angebote und psychologische Berater für Schulen" ermöglichen.
So auch für die Entwicklung der Kinder "günstigeren Lehr- und Klassenschluesseln" möglich machen. Vielleicht sogar Aggressionsbrennpunkte leichter erkennen zu können, die lokal eskalieren koennten.
Von den Kennziffern, die von der OECD fuer den Schulalltag fuer eine optimale Foerdersituation im Unzerricht gefordert werden und damit flaechendeckender Ergaenzung des Schulbetriebs durch vom Lehrauftrag unabhängiger Berater/ Betreuer ist Deutschland ja leider noch weit entfernt. 🙁
So wie in diesem Projekt vorgeschlagen, ein Liquid- democracy- tool mit allerdings vorgegebenem Rahmen durch die "Lehrer-Elternkonferenz" bleibt es meines Erachtens nur bei reiner Oberflaechenkosmetik zum Demokratie-Lehrversuch an deutschen Schulen, die die Ministerien medial ausschlachten können – in der Form: " wir haben uns doch bemüht und Schüler in den Entscheidungsprozess mit einbezogen, wenn es dennoch Probleme geben sollte und Schüler darunter leiden- ist uns nichts bekannt".
Also waere damit das Projekt etwa nur ein wissenschaftlich begleiteter Freibrief, ohne eine Notwendigkeit zusaetzlicher Investitionen im Schulsystem den Alltragstrott beibehalten zu dürfen, allein unter dem Deckmantel der an Schulen eingeführten Mitbestimmung über LQFB?
Unter diesen Voraussetzungen, sollte jede Schule die Teilnahme am Projekt kritisch reflektieren.
Wenn die Rahmenvorgaben allerdings auch Bewertungsthemen zu Lehrern und Lehrprozessen, sowie den teils unerfüllbaren auch ausserschulischen Leistungsanforderungen von Eltern an ihre Kinder zulassen wuerden, sowie Themen wie Drogenkonsum (das schliesst auch den aktuellen Rhitalinhipe in einigen Elternhaeusern ein ) und auch "geschlossene Liquid Diskussionsraeume/Foren nur für Schüler. ohne den BigBrother Eltern/Lehrer" schafft, in die weder Lehrer noch Eltern hineinsehen dürfen, haetten die Schüler zumindest eine Basis um ihre Probleme tatsächlich flüssig zu diskutieren und IHRE EIGENEN Bedürfnisse fuer Schule und Lernalltag zu formulieren, auch ohne auf Socials wie FB, twitter, Whatsapp u.A. tagtäglich zurückgreifen zu müssen.
So aber, wie im Projekt dargestellt, ist es wohl doch eher einfach mal wieder eine vertane Chance der Kommunikation und Interaktion mit Kindern, Jugendlichen, Eltern, Lehrern, der Fachwelt und den Bildungsinstitutionen, die bereits derzeit den didaktischen Rahmen für Unterricht und Schule über die Köpfe der Schüler hinweg festsetzen und damit auch ihren Tagesablauf diktieren und jugendliche Probleme durch den Stressor "leistungsorientierte Bildungs-/Schulsystem" – statt "Bedürfnis orientiertes, kreativitaetsfoerderndes Bildungssystem" wohl auch weiterhin manifestieren werden.
Ob Kinder und Jugendliche dadurch tatsächlich Demokratie erfahren werden, bleibt demzufolge aeusserst fraglich. Daraufhin ein didaktisches Vorgehen fuer den Unterricht zu stuetzen mE. sogar fragwürdig, wenn nicht sogar kontraproduktiv für die Entwicklung eines Demokratieverständnisses fuer eine partizipatorische Gesellschaft, in der jeder Bürger gleichberechtigt durch seine Stimme bei Wahlen mitwirken können sollte.
Einfach nur "Umfeld gestalten" – ueber Grafity, Bäume und Isotope für das Schulgelaende abzustimmen, vergibt die Chance, Demokratie wirklich zu lernen und ist vom "Einbringen eigener Ideen" auch noch sehr weit entfernt, solange der Themenrahmen von aussen vorgegeben wird.
Denn zu gelebter Demokratie gehört – gesellschaftliche Teilhabe und Mitbestimmung und damit auch die freie Meinungsäußerung und auch oeffentliche Praesentation zu eigenen Bedürfnissen und damit auch die freie verbale Artikulation zu Ängsten und Problemen, denen man in dieser Gesellschaft – hier Schule und Elternhaus gegenübersteht.
Die Idee ist nicht schlecht aber Jasenka hat Recht.
Volle Zustimmung zu Jasenkas Kommentar! Leider finde ich von den für die Initiative Verantwortlichen keine Antwort dazu – und das seit Oktober 2015 🙁