Habt ihr was an den Augen? Facebook hat sich ganz böse verguckt, Frankreich schaut nur auf Konto statt ins Netz, Google sieht nur sich selbst, die Politik verschließt komplett die Augen, die EU ist blauäugig und die Netzaktivisten haben sowieso noch nichts von der Realität gesehen. Unsere Digitale Presseschau sorgt für freie Sicht.

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Die EU hatte den Plan, ihre Bürger und deren Daten durch ein Datenschutzabkommen besser zu schützen. Dies sorgte bei der Industrie für  Aufruhr, sah man doch Absatz und Profit gefährdet, wenn man private Daten künftig stärker unter Verschluss halten müsse. Die Lobbyisten stürzten sich also auf den Datenschutzentwurf und wirbelten die Gesetzesinitiative kräftig durcheinander, übrig geblieben ist ein für viele nicht mehr akzeptabler Entwurf, der vor allem die Profitinteressen der Unternehmen und weniger die Privatsphäre der Bürger zu schützen scheint. Dieser kurze Film benennt das Problem und ruft zum Handeln auf: Macht Druck auf die Politiker, noch ist Zeit!

Zweierlei Maß?

Tauchen bei Facebook rassistische, diskriminierende oder gewaltverherrlichende Inhalte oder Bilder auf, werden diese (sofern sie entdeckt werden) umgehend gelöscht. Nicht ganz so genau nimmt Facebook es aber scheinbar bei frauenverachtenden Inhalten. Bilder, die geschlagene Frauen und gewaltverherrlichende Sprüchen zeigen, gibt es leider immer wieder zu sehen. Auch waren Seiten mit eindeutigen Namen wie „Raping your Girlfriend“ oder „Fly kicking Sluts in the Uterus“ bis vor kurzem noch für jedermann erreichbar. Oft genügt nur ein kleiner Hinweis, dass die dargestellten Inhalte nur scherzhaft gemeint seien, um dieser ‘rape culture’ eine Plattform zu geben. Die Aktivistengruppe „Woman, Action and Media“ hat sich nun an Facebook gewandt, um zu erwirken, dass frauenverachtende Inhalte ebenso restriktiv bekämpft werden wie jede andere Form von Diskriminierung auch. Dass Facebook unpassende Inhalte nicht duldet, zeigt sich bei der häufigen Löschung von Darstellungen körperlicher Nacktheit.  Daher ist es absolut nicht zu verstehen, warum angeblich lustig gemeinte Aufrufe zur Gewalt gegen Frauen geduldet werden!

Heiße Spur

Wer im Netz unterwegs ist, hinterlässt Spuren. Das Surfverhalten eines jeden Nutzers kann mithilfe von Cookies ziemlich exakt ausgewertet werden, personalisierte Werbung auf dem Bildschirm ist oft die Folge. Der Browser Mozilla Firefox plant, künftig alle Cookies von Drittanbietern zu blockieren, doch die Werbeindustrie rüstet ebenfalls auf: Browser Fingerprinting heißt die Methode, die anhand von verschiedenen Browsereinstellungen Datenspuren ausliest und eine eindeutige Identifizierung des virtuellen Nutzers zulässt – also einen digitalen Fingerabdruck erstellt. Die Folgen können vielfältig sein: man würde dadurch weiterhin personalisierte Werbung aufblinken sehen – das Internet weiß ja, wofür man sich so interessiert. Andererseits könnte der Datentransfer etwa beim Online-Banking sicherer gemacht werden: es könnte sichergestellt werden, ob Kontoinhaber und User dieselbe Person sind.

Auf den Input kommt es an

Wer bei Google sucht, der findet. Doch was findet man da eigentlich? Die Suchmaschine spuckt scheinbar willkürlich Ergebnisse zum gesuchten Begriff aus, man braucht nur draufzuklicken und schon ist man (meist) beim gewünschten Ergebnis. Die Suchergebnisse und deren Reihenfolge kommen aber mitnichten zufällig zustande: Google (wie auch andere Suchdienste) bevorzugt (selbstverständlich) eigene Angebote; Dienste konkurrierender Anbieter werden schon mal gekonnt unter den Teppich gekehrt. Was tun? Der Suchende solle laut SPON anspruchsvoller werden, um sich Googles Auswahl nicht einfach unterjubeln zu lassen. Unter anderem solle der User mehr Wert auf Transparenz, Quellen und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse legen, der Suchmaschine so beibringen, welche Ergebnisse bevorzugt werden. Die Prophezeiung: zukünftig werden Suchmaschinen noch mehr personalisiert sein und mit jeder Sucheingabe mehr über den User lernen.

Koalitionen lohnen

Netzpolitische Aktivisten und Bündnisse kommen oftmals daher wie ein zahnloser Tiger: trotz großem (digitalen) Unterstützerkreis und plakativen Aktionen gelingt es relativ selten, Zivilgesellschaft, Unternehmen und Politik von den eigenen Vorhaben zu überzeugen. Was bei Acta so überraschend gut funktionierte, stockt bei aktuellen Kampagnen wie der EU-Datenschutzrichtlinie und weiteren Projekten. Doch was fehlt der Netzpolitik denn eigentlich? Wieso steht man mit seinen Forderungen am Ende dann doch so oft allein auf weiter Flur, ohne von der Politik ernst genommen zu werden? Netzaktivistin Rebecca McKinnon erzählt im Interview mit ZEIT-Online, wo die Netzszene noch Nachholbedarf hat. „Wenn es um ganz altmodische Methoden wie dem Schmieden von Koalitionen geht, dann können wir Aktivisten von den Veteranen der Politik noch einiges lernen.“

Je ne regrette rien…

Frankreichs Staatspräsident Hollande steht nicht zuletzt wegen seiner enormen Steuererhöhungen arg in der Kritik. Weiterer Unmut könnte sich aufgrund einer neuen Internetsteuer bilden: es ist geplant, jedes Gerät mit Internetanschluss mit einer Steuer von 1% des Kaufpreises zu belegen, um mögliche illegale Downloads finanziell zu kompensieren. Erfreuen dürfte das vor allem die Künstlerszene, die unter den rechtswidrigen Downloads besonders zu knabbern hat. Erbost dagegen zeigen sich vor allem Elektronikkonzerne aufgrund der Gefahr, die Branche könne dem Hexagon den Rücken kehren und sich anderswo ansiedeln, um die Steuer zu umgehen. Langfristiges Ziel im Élysée-Palast ist es, diese Regelung EU-weit durchzusetzen, Abwanderungen ins Ausland dürften dann unwahrscheinlicher werden.

Ungeahnte Höhen

Welche Auswirkungen hat das Internet auf den zukünftige Arbeitswelt, die Wirtschaft, die Gesellschaft? Und kann man diesen Herausforderungen mit Instrumenten wie Leistungsschutzrecht, Netzneutralität und Datenbeschränkung beikommen? Michael Konitzer sagt ganz klar „Nein!“. Denn die Folgen des digitalen Wachstums seien bei weitem höher als die Politik heute denkt. Ein entscheidender Punkt: kostenlose Wirtschaftsleistungen von kostenlosen Diensten wie Facebook, Google, Wikipedia und vielen weiteren werden aus den Wirtschaftsberechnungen herausgehalten, die Wirtschaftsdynamik sei längst von der heutigen Lebenswirklichkeit abgekoppelt. Digitale Produkte, beliebig oft und grenzenlos rezipierbar, werden exponentiell an Reichweite und Geschwindigkeit zunehmen. Ins Unendliche emporschießende Wachstumsraten, voll digitalisierte Arbeitszweige und durch Maschinenkraft überflüssig gewordene Arbeitsplätze werden laut Konitzer die drastischen Folgen dieser Entwicklung sein. Reagiert die Politik auf diese Aussichten? Konitzer: „Eigentlich wäre das ein echtes Wahlkampfthema. Aber es ist zu unangenehm“.