Ein Internet-Wiki sorgt derzeit für Aufregung in Deutschland. Auf der Website GuttenPlag veröffentlichten Netzaktivisten in einer kollaborativen Aktion vermeintliche Plagiate aus Guttenbergs Dissertation. Doch wer steht hinter der Plattform? Und ist das überhaupt wichtig? 

Vor ca. einem Monat kämpfte Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg noch für volle Aufklärung im Fall der auf der Gorch Fock zu Tode gekommenen Kadettin. Doch weder der Skandal auf der Gorch Fock, noch die vorher stattgefundene Kundus-Affäre brachten den derzeit beliebtesten Politiker Deutschlands so nahe an einen Rücktritt wie das GuttenPlag-Wiki. Mit dem Tool wurde der Verdacht erhärtet, dass Guttenberg große Teile seiner Dissertation aus anderen Quellen kopierte, ohne diese wissenschaftlich korrekt anzuzeigen. Das GuttenPlag-Wiki ist seitdem in aller Munde und die Affäre für den Verteidigungsminister noch lange nicht ausgestanden. Obwohl er mittlerweile seinen Doktortitel freiwillig zurückgab und öffentlich Reue zeigte.

GuttenPlag-Wiki

Screenshot vom GuttenPlag-Wiki

Der Blogger Robin Meyer-Lucht ist überzeugt: Ein vergleichbares redaktionelles Projekt in den Print-Medien hätte in entsprechend kurzer Zeit niemals zu solch umfangreichen und schnellen Ergebnissen führen können. Die seit vergangener Woche diskutierte Dissertation "Verfassung und Verfassungsvertrag" hat neben Pressevertretern und Oppositionspolitikern auch eine Schar engagierter Internet-Nutzer auf den Plan gerufen. Die große Zahl derjenigen, die sich durch ihre Forumsbeiträge und durch Recherche in digitalen Bibliotheken an der Verifizierung der kritischen Textpassagen beteiligten, hatte innerhalb von nur einer Woche zu einem vorläufigen Abschlussbericht geführt.

Interessant erscheint aber auch die Frage, wer sich genau hinter GuttenPlag versteckt, denn über die Identität der Urheber ist in den Medien bislang nur spekuliert worden. Dabei wirft die Tatsache, dass die Betreiber anonym bleiben wollen, auch einige Fragen auf.
Es bleibt unklar, wer letztendlich für diesen offensichtlichen Erfolg der Netzcommunity verantwortlich zeichnet. Rund um das "crowd-sourcing"-Projekt GuttenPlag-Wiki herrscht bis heute Anonymität seitens der Plattformgründer und ihrer Zuträger. Dies scheint nachvollziehbar, blickt man auf mögliche persönliche oder berufliche Konsequenzen für die Mitarbeiter der Plattform. Der Kopf der Enthüllungswebsite WikiLeaks, Julian Assange, hatte sich hingegen offensiv in der Öffentlichkeit positioniert und muss sich seitdem mit diversen Vorwürfen, Anschuldigungen und Klagen auseinandersetzen.  

Nun ist es denkbar, dass die Betreiber von GuttenPlag genau dies vor Augen hatten, als sie mit diversen Interviewanfragen konfrontiert wurden und auf Anonymität bestanden. Die Frage ist aber auch: Wäre die Arbeit des Wiki eine schlechtere, wenn z. B. herauskommen würde, dass die Betreiber oder Mitarbeiter einer gegnerischen Partei von zu Guttenberg angehörten? Wie würde dann die Öffentlichkeit mit den Informationen umgehen?   

Der Hinweis der Initiatoren, mit ihrem spontanen Wiki-Projekt keine parteipolitischen oder persönlichen Ziele verfolgen zu wollen, wird deswegen auch auf der Titelseite hervorgehoben. Die mediale Berichterstattung über Karl-Theodor zu Guttenbergs akademische Fehlleistungen und deren mögliche Auswirkungen auf seine zukünftige politische Karriere lassen sich andererseits nur schwer voneinander trennen. Damit werden anonyme "Schwarm-Intelligenz"-Projekte wie das GuttenPlag-Wiki auch zukünftig vor einer Herausforderung stehen: Durch die Wahrung von Anonymität ermöglichen sie einerseits einem breiten Unterstützerkreis die Möglichkeit der Partizipation. Andererseits werden sie durch die gewählte Anonymität bei ähnlich prominenten Fällen mit der Unterstellung zu kämpfen haben, politische oder persönliche Absichten zu verfolgen. Unabhängig von der Richtigkeit und Evidenz der jeweiligen kritischen Aufarbeitung.  

Unter Mitarbeit von Johann Eggert

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