Besuch in der Online-Wahlkampf-Zentrale der GRÜNEN: Der Wahlkampf läuft auf vollen Touren. Die Online-Kampagne der GRÜNEN, umgesetzt und durchgeführt von der Werbe- und PR-Agentur "Kompaktmedien", setzt auf Inhalte und Geschwindigkeit.
Am 22. Mai 2005 um 18.35 sitzt Norbert Schmedt in der Küche seiner Berliner Wohnung und schmiedet Urlaubspläne. Die Pasta ist al dente, ein gutes Glas Wein hat er sich auch schon eingeschenkt. Da schellt das Telefon. Die Neuigkeit, die sein Freund ihm zu berichten weiß, verdirbt ihm den Appetit. Sein Traum von der bevorstehenden Kalifornien-Tour zerplatzt wie eine Seifenblase.
An diesen Sonntagabend, den Tag der NRW-Wahl, erinnert sich Schmedt heute, mehrere Wochen später, genau zurück. Es war der Abend, an dem Franz Müntefering via ZDF die Bombe hochgehen ließ und den politischen Betrieb auf den Kopf stellte: Kanzler, Vertrauensfrage, Wahlen. Den 42-Jährigen beschlich eine leise Vorahnung. Noch am gleichen Abend pfiff er seine engsten Mitarbeiter aus dem Wochenende zurück in die Agentur. Er wollte vorbereitet sein, noch bevor der offizielle Startschuss für den Wahlkampf gegeben werden würde.
Der gebürtige Westfale ist Chef der 20-Kopf starken Werbe- und PR-Agentur "Kompaktmedien" in der Hessischen Straße in Berlin-Mitte. Erst einige Tage vor Schröders Entscheidung gewann Schmedts Firma in der Endausscheidung gegen drei Konkurrenten die Ausschreibung der GRÜNEN für die Durchführung des Internet-Wahlkampfs. „Die vorgezogenen Wahlen haben uns eiskalt erwischt. Uns allen war sofort klar, dass da eine Riesenherausforderung auf uns wartet“, erzählt Schmedt. Das Konzept für die Internet-Kampagne hatte er mit der Perspektive 2006 entwickelt.
Noch am Abend des 22. Mai wurden die Büroräume seiner Agentur auf Wahlkampf-Betriebstemperatur hochgefahren. 70 Prozent der Arbeitzeit wird seitdem in den Online-Wahlkampf gesteckt. Das Klima hat sich alles andere als abgekühlt. Die wichtigsten Websites hat Schmedt konzipiert und zum Laufen gebracht. GRÜNE-Wähler sind in der gesamten Wählerschaft die erfahrensten Internet-Nutzer, weiß Schmedt aus einer Statistik. Den Motivationsschub erhalte Schmedt jeden Morgen pünktlich um acht. Er lacht: Dann müsse er dem fordernden grünen Wahlkampfleiter Fritz Kuhn Rechenschaft ablegen und den Tagesplan besprechen.
Es ist sonnig an diesem Freitagmorgen, zehn Wochen nach Beginn der Wahlkampfhektik. Nur zwei Kilometer Luftlinie sind es bis zum Reichstag. Die Büroräume stehen leer, nur die Grafikabteilung sitzt am Werk. Schmedt leitet die Redaktionssitzung. Aktuell steht das 48-Stunden-Rede-Duell in der Oranienburger Straße auf dem Plan. In drei Stunden, um Punkt 14 Uhr, wird Parteichef Bütikofer die Begrüßungsrede halten. Samstag um Acht redet Fischer. Die Agenturmitarbeiter referieren knapp, was sie vorbereitet haben. Jeder hat seinen eigenen Arbeitsbereich, jeder macht sich Notizen. Sie wissen, was ihr Chef von ihnen erwartet.
Die Frage nach „modifizierten Arbeitszeiten“ für das Wochenende fällt – Schmedt übergeht sie mit einem höflichen Lächeln. Der Druck sei enorm hoch, stöhnt er. Schneller und aggressiver sei der Wahlkampf geworden. Der Erfolg der Agentur lässt sich in Zahlen messen. Wie viele Klicks pro Website es sind, darf der PR-Mann jedoch nicht sagen. Aber er verrät stolz, dass es mit jedem Tag mehr Nutzer werden.
Schmedt mag die Arbeit im Team. Die meisten seiner Mitarbeiter sind junge Akademiker – aufgeschlossen und engagiert. Es könnten alle GRÜNE-Wähler sein. Das Konzept für den Internet-Wahlkampf haben sie gemeinsam auf die Beine gestellt. Mit ihrem partizipatorischen Ansatz haben sie den Geschmack der Partei getroffen. Neben der traditionellen grünen Homepage
www.gruene.de werden die Inhalte mit der aktionsorientierten Website verknüpft und schmackhaft gemacht. Idealisten werden gesucht und lächelnde Kinder animieren zum Mitmachen.
www.gruene-aktion.de soll Spaß machen – die Inhalte dürfen aber nicht zu kurz kommen. Von Verbraucherschutz über Kinderbetreuung bis hin zu Ideen für neue Jobs wird potenziellen Wählern ein Angebot unterbreitet. Politisch korrekt und pädagogisch wertvoll – bis auf Witze über den Gegner, versteht sich. Mitmachen lautet das Rezept, das Politikverdrossenheit entgegenwirken soll. In der virtuellen Welt der GRÜNEN darf der User Botschafter werden und mit eigenen Wahlplakaten aktiv am Wahlkampf teilhaben. So will man die grüne Basis wieder beleben.
Inzwischen ist auch die Website
www.joschka.de online geschaltet worden. Im Bundestagswahlkampf vor drei Jahren galt sie als Erfolgsrezept. „Eine Partei, die kein Gesicht hat, wird auch nicht gewählt, so funktioniert das System“, weiß Schmedt. Joschka Fischer muss für Schmedt das richtige Gesicht sein – so will es die Partei.
Die Redaktionssitzung ist beendet; die Mitarbeiter machen sich an die Arbeit. Es wird ein langes Wochenende werden. Schmedt verabschiedet sich schnell, mit festem Händedruck und einem freundlichen Lächeln. Der nächste wichtige Termin wartet schon auf ihn.