Dass politische Kontrolle und Zensur den chinesischen Internet-User nach wie vor bei der Informationsbeschaffung behindern, zeigt ein aktuelles Beispiel: Seit einiger Zeit ist der Zugriff auf die englische News-Funktion der Suchmaschine Google blockiert. Ein bedeutender Rückschritt, für den die Firma Google mitverantwortlich gemacht wird
„Unruhen? In China? Nein, davon habe ich nichts gehört…“. So wie dieser Kommilitone hätten auch die meisten anderen Chinesen auf meine Frage nach den Vorfällen in Zentralchina geantwortet. Denn über die sozialen Proteste, über die in den letzten Wochen in den westlichen Medien verstärkt
berichtet wurde und in deren Zusammenhang von der Mobilisierung mehrerer tausend Soldaten zu lesen war, wurde in den chinesischen Medien mit keinem Wort berichtet.
Dieses Beispiel zeigt, dass politische Medienkontrolle eine zwar bröckelnde, aber noch immer sehr präsente und wichtige Säule im autoritären Einparteiensystem der Volksrepublik China ist. Daran hat auch die zunehmende gesellschaftliche Liberalisierung und die wirtschaftliche Öffnung des Mediensektors im Rahmen des chinesischen Beitrittes zur Welthandelsorganisation (WTO) nichts geändert.
Auch das „unkontrollierbare“ Medium Internet ist davon betroffen und obwohl die Internetzensur in China oft politisch instrumentalisiert und falsch
dargestellt wird , kann man die alltäglichen Einschränkungen als User in China wahrnehmen. Die verantwortlichen chinesischen Behörden wenden unterschiedliche Methoden an, deren Bandbreite von der Selbstzensur durch Abschreckung bis hin zur direkten Blockade unerwünschter URLs reicht. Letztere, für den User offensichtlichste Methode, wird allerdings nicht sehr häufig angewandt. Ein klassisches Beispiel für die Sperrung von Webseiten ist das Angebot der britischen BBC. Dessen Startseite kann zwar aufgerufen werden, der Zugriff auf den Inhalt der Artikel ist jedoch nicht möglich. Weitere Beispiele für betroffene Seiten kann man in einer 2002 veröffentlichten
Studie der Harvard Law School nachlesen.
Der neueste, sowohl vom Ausland als auch von den chinesischen Usern aufmerksam beobachtete Fall betrifft eine für englisch sprechende Chinesen äußerst populäre Informationsquelle: Die
Google-News. Seit ungefähr zwei Wochen ist diese Seite über einen normalen chinesischen Internetzugang meist überhaupt nicht oder nur mit sehr großen Problemen zu erreichen.
Die Sperrung der englischen Google-News ist ein neuer Höhepunkt im schwierigen Verhältnis zwischen der US-amerikanischen Suchmaschine und den chinesischen Behörden. Die von Google gelieferten Suchergebnisse waren den Verantwortlichen in der Vergangenheit ein Dorn im Auge. So konnte man über diese Ergebnisse beispielsweise Informationen über Falun Gong und andere unerwünschte Inhalte beziehen. Schließlich beugte sich Google dem Druck der chinesischen Behörden und brachte im September dieses Jahres eine chinesische Version der Google-News auf den Markt. Deren Suchergebnisse nehmen Rücksicht auf sensible Informationen, unterstützt also die Zensurmaßnahmen der chinesischen Regierung. Für diese kooperative Selbstzensur war Google weltweit in Kritik geraten. So warf die Organisation
„Reporter ohne Grenzen“ der US-amerikanischen Firma vor, sich von den chinesischen Behörden instrumentalisieren zu lassen und die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit in China aktiv zu
unterstützen. Ein solcher „Deal“ ist für den sich in den letzten Jahren verstärkt öffnenden chinesischen Medienmarkt kein Einzelfall. Es scheint mittlerweile gängige Praxis geworden zu sein, dass westliche Firmen auf die Verbreitung sensibler Informationen verzichten und im Gegenzug dafür Zugang zu den hart umkämpften chinesischen Märkten erhalten. Google selbst rechtfertigte sich mit dem Argument, den chinesischen Usern einen besseren
Service bieten zu wollen.
Mit der neuerlichen Blockierung der englischen Version der Google-News sind chinesische User nun dazu gezwungen, die zensierte chinesische Version zu nutzen, was die freie Informationsbeschaffung in China weiter erschwert.
Von Google wurden diese neuesten Entwicklungen bisher nicht kommentiert. Die chinesische Seite erklärte in einer Stellungnahme, von einer Sperrung der betreffenden Seite nichts zu wissen. Sollte die Seite tatsächlich nicht erreichbar sein, so läge dies an temporären technischen Problemen, wie ein Sprecher des Ministeriums für Informationsindustrie am Mittwoch in Peking mitteilte.
Es wäre allerdings auch möglich, dass die chinesischen Behörden mit ihrer neusten Maßnahme ein Eigentor geschossen haben. Denn die Sperrung setzt zum einen die umjubelte Vorzeigefirma Google unter internationalen Druck und liefert eine Steilvorlage für Regimekritiker im Ausland. Viel wichtiger noch: Auch im Inland wird dieser Schritt äußerst aufmerksam und kritisch wahrgenommen, was zur Entwicklung eines derzeit teilweise nicht vorhandenen Problembewusstseins über Zensur im Internet unter den chinesischen Usern beitragen könnte. Und ein solches Bewusstsein ist die Voraussetzung für Widerstand gegen die gegenwärtigen Behinderungen des freien Informationsflusses.
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