Die neue Version der Adhocracy-Plattform „enquetebeteiligung.de“ ist seit gestern online. Die Enquete-Kommission erhofft sich davon eine noch regere Beteiligung an ihren Projekten durch den „18. Sachverständigen“. Bei der Enquete-Sitzung am Montag herrschte wie immer große Uneinigkeit zwischen den Parteien.
Adhocracy 1.2 heißt die die überarbeitete Version von enquetebeteiligung.de, die heute in Berlin auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Die Seite, die das Bürgerbeteiligungstool Adhocracy anwendet, wird seit Februar 2011 von der Enquete-Kommisson „Internet und digitale Gesellschaft“ genutzt. Ziel ist es, dem Bürger die Rolle eines „18. Sachverständigen“ der Kommission zu geben. Auf der Plattform können Bürger eigene Vorschläge einbringen, über diese diskutieren und abstimmen. Unter anderem wurde das Abstimmen einfacher gemacht, und Änderungen an Papieren können nun nach Wunsch hervorgehoben werden. Außerdem könne nun sichtbar gemacht werden, ob eine Person Abgeordneter oder Sachverständiger der Kommission ist oder einer Organisation angehört. „Insgesamt wurde aufgeräumt und die Seite wurde übersichtlicher gestaltet“, fasste Daniel Reichert, einer der Initiatoren des Vereins LiquidDemocracy e.V. die Änderungen zusammen. Er dankte auch allen Unterstützern, denn ohne Spenden und ehrenamtliche Arbeit hätte enquetebeteiligung.de nicht realisiert werden können.
Der Vorsitzende der Internet-Enquete Axel E. Fischer zeigte sich sehr zufrieden mit dem bisherigen Erfolg von Adhocracy. Die Plattform enquetebeteiligung.de hat bereits mehr als 2.100 Mitglieder, es sind seit Februar 377 Vorschläge eingegangen und rund 12.000 Stimmen wurden abgegeben. „Das sind Zahlen, die sich sehen lassen können“, so Fischer. Von ihrer überarbeiteten Seite erhoffen sich Abgeordnete wie Sachverständige aller Parteien, dass dank der übersichtlicheren und vereinfachten Bedienung die Nutzung der Adhocracy-Plattform durch die Bürger weiter zunehmen würde. Jimmy Schulz (FDP) wertet enquetebeteiligung.de als „Experiment der Demokratie in der digitalen Gesellschaft“. Er sehe in der dadurch geschaffenen Transparenz einen möglichen Weg, das Problem der Demokratieverdrossenheit in der Gesellschaft zu lösen. „Vielleicht sind es in zehn Jahren schon Hunderttausende, die sich beteiligen“, setzte Schulz optimistisch hinzu.
„Jeder Mensch, der sich einklinkt, tut der Demokratie gut“, ergänzte Halina Wawzyniak von der Partei Die Linke. Sie hoffe, dass das Konzept der Enquete-Kommission in Zukunft auch über netzpolitische Themen hinaus im Bundestag angewendet werden könne. Dieses noch attraktiver zu gestalten, sei auch Aufgabe der Internet-Enquete.
Dass Adhocracy eine „moderne Form der Anhörung“ sei, betonte Tabea Rößner von Bündnis 90/Die Grünen. Da sich unter den Beteiligten auf enquetebeteiligung.de auch zahlreiche Experten befänden, haben die Vorschläge Gehalt. Die Projektgruppe Medienkompetenz konnte bereits zwei Vorschläge von der Adhocracy-Plattform wortwörtlich in ihre Empfehlungen übernehmen, elf weitere Vorschläge wurden teilweise übernommen. „Das ist sehr wichtig, denn wenn keine Rückkopplung stattfindet, kann Bürgerbeteiligung auch zu Frust führen“, sagte Rößner. Bisher konnte jedoch nicht in allen Projektgruppen der Internet-Enquete eine solch vorbildliche Beteiligung stattfinden, da die Papiere nicht immer rechtzeitig veröffentlicht wurden.
Erst gestern hatte die 14. öffentliche Sitzung der Enquete-Kommisson „Internet und digitale Gesellschaft“ stattgefunden. Auf der Tagesordnung standen eine Expertenanhörung zum Thema „Veränderungsprozesse in der digitalen Wirtschafts- und Arbeitswelt“ sowie die Verabschiedung des Datenschutz-Zwischenberichts.
Die 14. Enquete-Sitzung auf Video
Die Experten in der Runde wiesen allesamt auf die relativ schwache Entwicklung Deutschlands im digitalen Bereich hin. Heiko Hebig, SpiegelNet-Geschäftsführer, empfahl, die Gründung von StartUp-Unternehmen attraktiver zu machen, zum Beispiel durch Teilhabe am Unternehmen oder flexible Arbeitszeitgestaltung.
Anschließend stimmten die Enquete-Mitglieder über strittige Handlungsempfehlungen des Zwischenberichts Datenschutz ab. Dabei kam es bei nahezu jeder Abstimmung zum Patt, was zu Sondervoten an diesen Stellen des Berichts führen wird. Besonders beim Thema Vorratsdatenspeicherung entstand eine rege Diskussion zwischen allen Parteien. Tabea Rößner zeigte sich gegenüber politik-digital.de enttäuscht über die Tatsache, dass so viel Zeit für so wenig Output aufgewendet werden müsse. „Es ist absurd, dass in einer Enquete-Kommission so geringer Konsens herrscht“, so Rößner. „Es werden trotzdem alle Handlungsempfehlungen an das Parlament weitergegeben. Bei einem Gesetzgebungsverfahren in einem Viertel- oder halben Jahr kann es dann auch sein, dass man sich in der Mitte trifft“, bemerkte dagegen der Vorsitzende Fischer. Er sei mit den Ergebnissen der gestrigen Sitzung sehr zufrieden.