Ein tragbarer MP3-Player von Apple hat seit 2001 die Musikbranche nachhaltig verändert. Momentan verhandeln Künstler, Nutzer und Plattenfirmen den Umgang mit Creative Commons-Lizenzen, Tauschbörsen und Musik-Podcasts jeden Tag neu.

 

Ein Blick in die S-Bahn genügt, um den Eindruck zu bekommen, dass Jugendliche mit MP3-Spielern verwachsen sind. Ohrstöpsel ragen aus den meisten Ohren, ihre Kabel verschwinden in Jackentaschen und Rucksäcken. Nicht wenige dieser Ohrstöpsel leuchten in strahlendem Weiß, der charakteristischen Farbe des wohl populärsten tragbaren Geräts namens iPod aus dem Hause Apple. Doch egal welcher Markenname die Musikquelle tatsächlich trägt, der iPod ist zum Symbol einer Generation geworden.

Hier geht es aber nicht nur um einen Namen. Zwar steht der Name iPod längst stellvertretend für alle tragbaren Musikplayer, den Walkman hat er schon lange verdrängt. Die unausgesprochene Nachricht ist eine tiefere, grundlegendere. Für eine ganze Generation von Kunden – oder besser: Nutzern – drücken diese Kopfhörer eine Haltung aus: digital statt analog. Wir hören, was wir wollen, wann wir wollen. Immer die freie Auswahl aus dem gesamten Musikkatalog der großen Musiklabels – und auch derjenigen Musiker, die nicht bei diesen Labels unter Vertrag stehen.

Beiläufig – und scheinbar unbewusst – erklären die jungen Digitalen damit das Musikgeschäft, wie es bisher funktionierte, für ungültig. Sie diktieren die neuen Regeln gleich mit: On demand soll alles zu Verfügung stehen, auf Abruf also, jederzeit. Günstig – oder im Optimalfall sogar umsonst. Und vor allem ortsunabhängig, die Musik soll überall mit hinkommen. Die althergebrachten Musiklabels reiben sich noch immer ungläubig die Augen: Wie konnte es soweit kommen?

Ein Blick zurück

Filesharing heißt das Zauberwort, das den Zugang zur Musik für Millionen von Hörern radikal veränderte. Spätestens mit der Online-Tauschbörse Napster war das Tauschen von Musik via Internet in aller Munde. Das war 1999. Die Internetverbindungen wurden schneller, Musik im MP3-Format konnte online versendet werden, die New Economy war auf ihrem Höhepunkt: Das Internet war auch für den Mainstream hip geworden. Napster erlaubte, die eigene Musik zum Download anzubieten und gleichzeitig frei – im Sinne von unbeschränkt und kostenlos – anderer Leute Musik auf den eigenen Computer herunterzuladen. Napster ging in ausufernden Rechtsstreitigkeiten unter, andere Peer-to-peer-
Tauschnetzwerke wie Kazaa und BitTorrent tauchten auf. 2001 sorgte Apple mit dem iPod für die Massennutzung tragbarer MP3-Player und bewies mit der Online-Musikplattform iTunes, dass Kunden auch bereit sind, für herunterladbare Musik zu zahlen solange die Rahmenbedingungen stimmen.

Die New Economy ging zugrunde, die Musik blieb: Heute wird mehr Musik denn je per Internet verschickt, sowohl gegen Bezahlung wie auch auf Tauschplattformen. Doch keineswegs alle Musikstücke, die kostenfrei von einem Computer zum anderen kopiert werden, sind illegal.

Creative Commons erlaubt freies Kopieren

Viele Musiker haben längst erkannt, dass es sich durchaus lohnen kann, die eigene Musik – unter bestimmten Bedingungen – kostenfrei abzugeben. Zwei Trends zeichnen sich ab, wie dies geschehen kann: Als Marketing über Musikplattformen oder über weniger restriktive Lizenzmodelle.

Musik- und Selbstdarstellungsplattformen wie
MySpace können Künstlern helfen, sich ihrem Publikum direkt zu präsentieren. Finden sich online genug Hörer, ist der Erfolg auch offline nicht auszuschließen. In manchen Fällen endet das in einem
Plattenvertrag wie bei der britischen Band
Arctic Monkeys. Oder aber die Band gibt ihre Musik weiterhin kostenlos ab: Lizenzen wie
Creative Commons erlauben Künstlern seit 2002, nach einem einfach Set von Regeln die Nutzungsbedingungen für die eigenen Werke zu bestimmen und sie damit freizugeben. Die einfach verständlichen Lizenzen bieten Rechtsschutz für geistiges Eigentum und stellen sicher, dass beispielsweise Werke zwar kostenfrei kopiert und privat angehört werden können, kommerzielle Nutzung aber weiterhin der vorherigen Zustimmung bedarf.

Gerade bei elektronischer Musik oder HipHop ist es unverzichtbarer Teil der Kultur, auf bereits existierender Musik aufzubauen und daraus neue Kunstwerke zu schaffen. Creative Commons-Lizenzen gewährleisten die nötige rechtliche Grundlage und schützen Musiker wie
DJ Danger Mouse vor empfindlichen Klagen: Danger Mouse schuf aus dem White Album der Beatles und dem Black Album von Jay Z ein neues Werk namens The Grey Album und wurde trotz – oder wegen – des großen Erfolgs prompt vom Musiklabel EMI wegen Copyright-Verletzungen abgemahnt.

Das neue Mitmach-Web

Günstiges, schnelles Internet und Mitmach-Plattformen wie MySpace, YouTube und Creative Commons-Lizenzen – diese neuen Rahmenbedingungen haben zu einer ganzen Kultur von Do-It-Yourself-Kulturproduktion geführt. Ob Text, Musik oder Film: Mit minimaler Technikkenntnis kann jeder zum Produzenten werden und seine eigenen Inhalte der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Besondere Aufmerksamkeit erhält dabei das sogenannte Podcasting – abgeleitet aus den Begriffen für Rundfunk (engl. broadcasting) und dem Namen des MP3-Spielers iPod. Dieses neue Format könnte man als eine Art Radioprogramm zum Mitnehmen beschreiben, nur ohne die Beschränkungen des Radios: Da sich die einzelnen Sendungen eines Podcasts automatisiert herunterladen und auf den tragbaren Spieler kopieren lassen, ist niemand mehr an bestimmte Programmzeiten gebunden. Vor allem aber kann jeder mit einem handelsüblichen Computer selbst zum Produzenten und Sender werden.

Wem gehören die neuen Inhalte?

Wer eigene Sendungen veröffentlicht, macht sich zum Teil des Mediensystems, viele Podcasts werden unter einer der Creative Commons-Lizenzen vertrieben. Was aber, wenn der Autor in seinem Podcast Musik einspielt? Noch vor einem Jahr gab es keine eindeutigen rechtlichen Regelungen, doch das könnte sich jetzt zumindest in Deutschland ändern: Die Musikrechte-Verwertungsgesellschaft GEMA versucht seit einigen Monaten mit einer speziellen
Lizenz, für solche Podcasts zu kassieren.

Dass sich hieraus wieder ganz neue Probleme ergeben, wenn z.B. die GEMA Ansprüche auch bei solchen Songs geltend macht, die eigentlich unter einer Creative Commons-Lizenz
freigegeben sind, zeigt vor allem: Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, deren Verlauf für alle Beteiligten nicht absehbar ist.