Mit Hilfe des
Internet konnte Pro15:30 zu größten Protestaktion
des deutschen Fußballs werden. Thomas Krämer
wacht über die Site, auf der die Fans sich gegenseitig
die Bälle zu spielen. politik-digital hat mit ihm
gesprochen und erfahren, welcher Geist im Fußball-Netz
herrscht.Ein Interview mit Thomas Krämer, Initiative pro15:30
Die Initiative pro15:30 hat zwar keinen "Chef" aber
Thomas Krämer ist einer der Sprecher der Protestkampagne. Der FC-Fan setzt sich bei pro15:30 für die
Verlegung der Sonntagsspiele auf den familien- und arbeitnehmerfreundlicheren Samstag ein. Im "echten" Leben ist
Thomas Krämer, der in Köln auch in der "Bunten Liga" kickt, Unternehmer. Und da er sich als solcher mit
Softwareentwicklung und Seitenkonzeption bestens auskennt, kümmert er sich auch um die Internetsite der
Fußballaktivisten.
politik-digital: Welche Ziele verfolgt die Initiative 15:30?
Thomas Krämer: Unsere
Hauptforderung ist die Abschaffung des Sonntagsspiels. Zur Zeit finden
ungefähr 40% der Spiele abhängig von dem UEFA-Spiel Donnerstags am
Sonntag statt, aber ungefähr 50% der Spiele sollen so bald wie möglich
Samstags stattfinden. Weiterhin wollen wir eine Ausgeglichenheit der
Spieltage zwischen den Vereinen erreichen. Eine grundlegende Forderung
ist auch, dass ein Fanbeauftragter bei der Terminplanung dabei ist,
genau wie jemand von der Polizei, den Stadionbetreibern und dem Verein
dabei ist.
politik-digital: Welche Leute engagieren sich bei 15:30? Wie ist die Organisation aufgebaut?
Thomas Krämer: Da lässt
sich keine spezielle Gruppe nennen, das geht durch alle Gruppen durch.
Wir haben auch keine festen Hierarchien. Jeder Verein stellt einen
Ansprechpartner für die Initiative und wir checken nur, ob diese
Ansprechpartner jeweils ok sind. Wir müssen ja sicherstellen, dass
beispielsweise die emails sorgfältig behandelt werden.
politik-digital: Welche Bedeutung hat das Internet für die Organisation?
Thomas Krämer: Die
Ansprechpartner sind in einer seperaten e-group, die zur internen
Abstimmung eingerichtet wurde, organisiert. Daneben haben viele der
Ansprechpartner eine eigene e-group für ihre Vereine eingerichtet. Das
Internet spielt also, vor allem vor den Aktionen, eine wichtige Rolle
bei der Abstimmung und Koordinierung. Im Moment lassen wir es
allerdings ruhig angehen. Bevor im Mai der runde Tisch stattfindet
wollen wir keine neuen Aktionen starten. Dementsprechend ruhig ist es
auch im Netz.
politik-digital: Entfaltet die Initiative dabei im Netz ein Eigenleben?
Thomas Krämer: Zunächst spiegelt das Netz die Initiative. Und
sie zieht im Netz immer weitere Kreise. Sollte der Protest nach dem
Runden Tisch noch weiter gehen müssen, dann wird das Netz eine noch
zentralere Bedeutung erlangen. Es gibt beispielsweise schon
Überlegungen, die Unterschriftslisten mit Digitaler Signatur
durchzuführen und dadurch gültig zu machen. Das wäre eine
flächenwirksame Ergänzung zu den Unterschriftenlisten vor den Stadien.
politik-digital: Welche Aktionen gab es denn bereits im Netz? Was ist noch geplant?
Thomas Krämer: Wir haben
Unterschriftenlisten und Banner im Netz. Das Logo haben sich über 300
Seiten heruntergeladen. Ansonsten planen wir die Aktionen weiterhin für
die reale Welt. Der Protest soll dort ja bewusst moderat bleiben, wir
sind ja nicht gegen unsere Vereine. Eine Verschärfüng des Protests käme
einer Kluft zwischen Fan und Verein gleich. Sollte weiterer Protest
nötig sein, dann werden wir am 3. oder 4. Spieltag der neuen Saison
sicher Demonstrationen organisieren.
politik-digital: Was können Sie über die Resonanz auf die Seite sagen? Gibt es Nutzerzahlen? Wieviele sind im Diskussionsforum aktiv?
Thomas Krämer: So ganz
genau weiss ich das gar nicht, aber über 200.000 Zugriffe werden es
inzwischen sein. Das Diskussionsforum müsste inzwischen in Aktionsforum
umbenannt werden. Schliesslich sind sich die gut 1000 registrierten
Mitglieder inzwischen weitgehend einig über die Ziele und koordinieren
sich da eher.
politik-digital: Warum muss man sich für das Forum registrieren?
Thomas Krämer: Das hat
Sicherheitsgründe. Wenn Sie sich mal das Forum auf Sport1.de anschauen,
dann finden Sie da jede Menge gewaltverherrlichende und auch
rechtsradikale Parolen. Das wollten wir vermeiden, indem die Leute ihre
Anonymität aufgeben mussten. Mitlesen kann ja trotzdem jeder.
politik-digital: Zunächst wurde pro15:30 über www.stadionwelt.de abgewickelt. Warum entschlossen Sie sich zu einem eigenständigen Angebot?
Thomas Krämer: Die ganze
Diskussion wurde ja in einem Forum auf der Site von Stadionwelt
angetreten. In einem Forum namens "Stimmung im Stadion" haben sich
immer mehr Leute gefunden, die die gleichen Kritikpunkte teilten.
Daraus wurde dann Anfang des Jahres eine eigenständige Aktion. Wir
wollten mit dem Namen, dem Slogan pro15:30 Aufmerksamkeit erlangen.
Ausserdem sollte die Initiative leicht im Netz zu finden sein, deswegen
die Site. www.stadionwelt.de hat aber immer noch sehr viel mehr
Besucher.
politik-digital: Worin besteht die Verbindung von Internet und Fußball? Gibt es eine Fankultur im Netz?
Thomas Krämer: Im Netz
wird die Fankultur gespiegelt. Es gibt ja leider auch Hoolgigan-Seiten
im Netz. Insgesamt gehen wir davon aus, dass 10-15% der Fußballfans
online sind. Die Themen die im Netz diskutiert werden finden meist
Eingang in die Fanzines und Fangruppen und werden so verbreitet. Die
Zustimmung zu pro15:30 dürfte in der Fanwelt bei 90% liegen.
politik-digital: Gibt es durch das Internet eine Möglichkeit, beispielsweise die Schlägereien zwischen den Vereinen in den Griff zu bekommen?
Thomas Krämer: Zunächst
kann man feststellen, dass das Verhältnis der Fans untereinander besser
wird. Und über das Netz ist ein größerer Austausch da. Im Netz reden
die Fans meist vernünftiger miteinander. Natürlich bleibt trotzdem eine
gesunde Rivalität bestehen. Mit 15:30 ist uns auch über das Netz die
größte Protestaktion der Fußballgeschichte gelungen.
politik-digital: Einige Fans haben ja aus Protest ihre Premier-Decoder zurückgegeben. Ist das sinnvoll?
Thomas Krämer: Ja, davon
habe ich auch gehört…. Besonders sinnvoll ist das nicht, denn die
Kirchgruppe ist nur mitschuldig. In Wirklichkeit gibt es eine
Kausalkette, in der auch die Liga und letztlich sogar die UEFA
vorkommt. Für das Problem gibt es mehere Ansprechpartner
politik-digital: Die Sie ja auch an dem Runden Tisch Mitte Mai zusammenführen wollen.
Thomas Krämer: Ja, die
Teilnehmer sind: Herr Straub (Geschäftsführer der Bundesliga), Herr
Hackmann (Präsident der Bundesliga und Präsident des HSV), Dr. Liegl
(Kirch-Media Gruppe), Vertreter des BKA und des Innenministeriums, der
Vertreter der FAnbeauftragten Herr Mendel und sechs Vertreter von
unserer Initiative.
politik-digital: Was sind ihre Erwartungen an diesen Runden Tisch?
Thomas Krämer: Wir hoffen,
dass das Problem Ernst genommen wird und das man uns anbietet, an der
Lösung zu arbeiten, eine Perspektive zu entwickeln. Ich habe das
Gefühl, das ein Umdenken stattgefunden hat: bekannte Persönlichkeiten
wie Karl-Heinz Rumenigge und sogar der Bundespräsident Rau haben sich
für uns ausgesprochen, auch die Grünen unterstützen uns. Ich glaube,
dass es in der nächsten Saison kein Sonntagsspiel Freiburg-Rostock mehr
geben wird, zu dem die Fans 1000 Kilometer reisen müssen. Falls der
Runde Tisch die gewünschte Perspektive nicht bringt, werden wir weiter
sehen. Unser Fannetzwerk ist inzwischen sehr intensiv. Und es kann
weiter und wieder genutzt werden.
politik-digital: Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Carolin Welzel.