Mayte PetersSchon während ihres Studiums wollte sich Mayte Peters mit politischer Agonie und Parteienverdrossenheit nicht einfach abfinden und hob ein eigenes Informations- und Beteiligungsportal aus der Taufe. Wenige Wochen vor dem Start sprach die  Staatswissenschaftlerin mit politik-digital.de über das Potenzial von „Publixphere“ und die Zukunft digitaler Bürgerbeteiligung.

Eine Ideenschmiede für ein zukunftsträchtiges Online-Beteiligungsformat erwartet der Besucher im Berliner Villenvorort Dahlem zunächst nicht. Zwischen großbürgerlichen Wohnhäusern, Parkanlagen und Hochschulgebäuden verschiedenster Epochen, mitten auf dem Campus der Freien Universität, arbeitet Mayte Peters. Auch in dem Dachgeschosszimmer der Juristischen Fakultät deutet bis auf einen Laptop und ein Telefon zunächst wenig auf ihre Mission hin. Der Arbeitsplatz der gebürtigen Hamburgerin sieht so ganz anders aus als die Kreativlabore von Google oder die Fabriketagen digitaler Start-Ups in Mitte oder Kreuzberg. Ein karges Büro mit zwei Stühlen. Hochschulalltag eben, denkt man.

Der unbewusst aufkeimende Gedanke an eine Sprechstunde verfliegt schlagartig, als Mayte Peters beginnt, über ihr Projekt „Publixphere“ zu erzählen. Voller Elan und ansteckender Begeisterung, in druckreifen Sätzen spricht Peters über ihre ersten eigenen Erfahrungen mit politisch relevanten Entscheidungen. Ihr persönlicher „Klick-Moment“ sei die Erkenntnis gewesen, nach einer Schulzeit im Ausland nicht ohne weiteres in Deutschland studieren zu können. Sie entschied sich für Staatswissenschaft, eine Fächerkombination aus Jura, VWL und Politikwissenschaft. Nach dem Studium im schweizerischen St. Gallen und der Promotion entstand so der Wunsch, einen Beitrag zur Überwindung von Parteien- und Politikverdrossenheit zu leisten. „Ich hatte mir immer etwas gewünscht, woran ich politisch teilhaben kann, ohne an einen Ort gebunden zu sein“. Diesen Wunsch setzt die 30-Jährige nun selbst in die Praxis um.

Redaktionell-betreute Online-Debatte in den Startlöchern

Auf der Plattform „Publixphere“, die bereits in einer Beta-Version existiert und ab Mai öffentlich verfügbar sein wird, sollen Diskussionsthemen nicht vorgegeben, sondern vor allem von den Nutzern selbst vorgeschlagen und „niedrigschwellig“ diskutiert werden können. Unterstützt wird die Initiatorin und Projektleiterin Peters durch den jüngst gegründeten Verein Publixphere, e.V. Eine Redaktion soll die eingegangenen Vorschläge zudem künftig aufbereiten und betreuen. Kooperationen mit Medienhäusern und Zeitungsverlagen sind angestrebt, gerade auch, um die Nutzung von Online-Publikationen rechtlich abzusichern.

Denn Medienberichte sollen die Grundlage für Diskussionen auf „Publixphere“ sein, sie sollen von den Nutzern nach Relevanz bewertet werden und der Anlass dafür sein, dass sich „ein Diskussionsfaden entspinnt“, wie Peters es ausdrückt. Über etwaige Fallstricke beim Aufbau einer solchen Plattform scheinen sich die Macher von „Publixphere“ durchaus bewusst zu sein, gebe es doch gerade in den Foren etablierter Online-Medien „Diskussionen, in denen es schnell persönlich wird“. Ein langer Weg also, auf dem das Team seit dem vergangenen Jahr aber schon ein ganzes Stück vorangekommen ist.

Neben der Projektleiterin zählen zu diesem Team unter anderem Journalisten, Wissenschaftler und Doktoranden. „Mir war von Anfang an wichtig, dass ich da nicht nur sieben Freunde frage, ob sie mit mir einen Verein gründen wollen“, sagt Mayte Peters, die auf Unterstützung angewiesen ist. Denn die Suche nach Multiplikatoren aus der Medienbranche und Trägern der politischen Bildungsarbeit dauert noch an. Nach einer Anschubfinanzierung durch einen privaten Unterstützer, dank derer die Universität Räumlichkeiten und Infrastruktur zur Verfügung stellen kann, muss das Projekt irgendwann auf eigenen Beinen stehen. Bis dahin ist man von Spenden abhängig. Das Politmagazin „Cicero“ habe man bereits als journalistischen Kooperationspartner gewinnen können, ebenso wie das „Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland“ als inhaltlichen Kooperationspartner.

Mayte Peters weiß, wie öffentliche Meinungsbildung funktioniert, geholfen haben dabei auch ihre Erfahrungen als Praktikantin in einer Unternehmensberatung, beim Fernsehen, in einer Bank und ihre Arbeit für die Kulturinitiative “Ruhr.2010”. Diese Stationen waren wichtig, um den persönlichen Horizont zu erweitern und auch Perspektiven außerhalb der Hochschule kennenzulernen.

Zielgruppe der bislang privat finanzierten Online-Plattform sind junge Erwachsene. Als großen Vorteil ihrer Idee sieht Peters generell das Vertrauensverhältnis an, das eine parteiunabhängige Plattform garantieren kann. Vor allem in Abgrenzung zu existierenden parteipolitischen Online-Partizipationsformaten. „Publixphere“ wolle bei der Ausbildung politischer Meinung ganz bewusst als „anderer Akteur“ auftreten. Die Unabhängigkeit und Nicht-Korrumpierbarkeit liegen der Initiatorin dabei besonders am Herzen. Die Tatsache, dass „Publixphere“ von der Grundanlage her einiges mit bestehenden Online-Partizipationsplattformen gemein habe, ficht Mayte Peters dabei gar nicht an. Mit Blick auf Software wie „Adhocracy“ bezeichnet sie ihre Idee aber als „komplementär“. Das Projekt werde, da ist sie sich sicher und betont es mehrmals, Erfolg haben, solange es unabhängig bleibt.

Die Universität als Unterstützung im Rücken

Unabhängig ist die Projektleiterin schon allein durch ihr Arbeitsumfeld. Und der Arbeitsplatz an der Universität ist, das wird im Laufe des Gesprächs klar, mit Bedacht gewählt. Mayte Peters promovierte im Anschluss an ihr Studium über das Problem demokratischer Legitimation in der Europäischen Union. Bereits in diesem Zusammenhang habe sie immer wieder Kontakt zu dem Rechtswissenschaftler Christian Calliess, Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin, gehabt. Calliess fördert das inzwischen an seinem Lehrstuhl angesiedelte Projekt.

„Großartig“ sei diese Unterstützung durch das universitäre Umfeld, wichtig der intellektuelle Austausch zum Thema, so Peters. Mitarbeiter des Lehrstuhls sind zudem im Trägerverein engagiert, und eine Lehrveranstaltung zu den Zielen von „Publixphere“ und den Herausforderungen politischer Partizipation schließt sie für die Zukunft nicht aus. Auch außerhalb der akademischen Welt will sie sich jedoch für gesellschaftlich relevante Anliegen wie die Stärkung politischen Engagements einsetzen.

Engagiert – auch in der analogen Welt

Die Beteiligung an und die Einmischung in gesellschaftliche Prozessen liegt Mayte Peters, die sich mit keiner parteipolitischen Strömung identifizieren mag, auch in der analogen Welt am Herzen, und so engagiert sie sich außerdem im Berliner Komitee von „Human Rights Watch“. Gerade erst ist sie von der Initiative „Deutschland. Land der Ideen“ als eine von „100 Frauen von morgen“ gewürdigt worden. Auf die Auszeichnung angesprochen, muss Peters zunächst schmunzeln. Sie sei selbst sehr überrascht über den Anruf gewesen.

Die Auszeichnung bezog sich neben ihrem Engagement für Bürgerbeteiligung und Europapolitik auf das Bekanntwerden ihres Einsatzes für das Projekt „Publixphere“. Für Themen wie Europäische Integration und Bürgerbeteiligung habe sie sich auch in der Vergangenheit immer schon eingesetzt. Dass sich Mayte Peters über die Auszeichnung tatsächlich um der Sache willen gefreut hat, glaubt man ihr am Ende des Gesprächs gerne.