Weder Lobbyist noch Aktivist – der Berliner Journalist Matthias Spielkamp befasst sich seit Jahren mit digitalen Urheberrechten. Und möchte einen unabhängigen und neutralen Beitrag leisten. Der Mitbegründer des Informationsportals iRights.info im Porträt.

Dass er Journalist werden will, stand für Matthias Spielkamp früh fest – bereits zu Paderborner Schulzeiten gründete er mit Freunden eine unabhängige Schülerzeitung und nach dem Abitur folgten die ersten von vielen redaktionellen Praktika. Der “Erstkontakt” mit dem damals noch in den Kinderschuhen steckenden Medium Internet erlebte er 1993. Nicht in Deutschland, denn dort hatte zu diesem Zeitpunkt noch kaum jemand von dem neuen Medium gehört. Erst 1993 kam der erste grafikfähige Webbrowser namens Mosaic in den USA auf den Markt. Spielkamp hielt sich zu diesem Zeitpunkt für sein Journalistikstudium in Boulder an der University of Colorado auf. “Wir haben dort damals schon das Internet zur Recherche genutzt – mit Tools wie Gopher, die heute kein Mensch mehr kennt,” erklärt der heute 41-Jährige.

Zurück in Deutschland hatte er im Jahr 2000 sein Schlüsselerlebnis mit dem Urheberrecht, das ihn dazu bewog, sich intensiv mit dem bis dahin kaum behandelten Thema auseinanderzusetzen. Der freiberuflich tätige Journalist hatte die Buyout-Geschäftsbedingungen des Süddeutschen Verlags zugeschickt bekommen, mit denen sich die Süddeutsche Zeitung alle Rechte an seinen Artikeln sichern wollte. Für eine marginale Honorarerhöhung von fünf Prozent, was ungefähr sechs Cent pro Zeile ergeben hätte, wollte der Verlag seine Beiträge auch für die eigene Webseite nutzen und sie in kostenpflichtige Archive einstellen. “Das war ein unverschämtes Angebot, aber was ich zu der Zeit noch nicht ahnen konnte war, dass es das beste war, das ich je in dieser Hinsicht bekommen würde.” Andere Verlage wollten für die weitere Nutzung keinen einzigen Cent bezahlen. Von da an sei es nur ein kurzer Weg zu der Erkenntniss gewesen, wie wichtig, umkämpft und politisch relevant das Thema Urheberrecht im digitalen Zeitalter sei, berichtet Spielkamp.

Heute ist Matthias Spielkamp in Sachen Urheberrecht ein fundierter Experte und viel gefragter Gesprächspartner. Seine Essays und Expertisen erscheinen in Büchern und Fachzeitschriften, aber ebenso in Tages- und Wochenzeitungen wie die Zeit, FAZ, Spiegel Online oder in der taz. Spielkamp gelingt es, das sperrige und trockene Thema für jedermann verständlich aufzubereiten. Zuletzt war er Sachverständiger der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestags. Spielkamp engagiert sich aber auch in der Aus- und Fortbildung von Nachwuchsjournalisten – er vermittelt das Handwerkszeug des Online-Journalismus an verschiedenen Akademien und Journalistenschulen. Seine große Leidenschaft ist und bleibt aber das Urheberrecht. Als Gründungsredakteur war er 2005 entscheidend an der Entstehung des mehrfach prämierten Urheberrechtsportals “iRights.info – Urheberrecht in der digitalen Welt” beteiligt, seit 2009 ist er dessen Projektleiter. Trotz klarer Positionierung möchte Spielkamp das Portal keinesfalls als Lobbyinstrument verstanden wissen, iRights.info sei vielmehr ein Informationsangebot, das über die wichtigsten und jeweils aktuellen Aspekte des Urheberrechts berichten soll. “Das tun wir unabhängig und neutral. Beim Lesen unserer Artikel wird jedem schnell klar werden, dass wir einer Ausweitung des Urheberrechts zugunsten der Verwertungsindustrie sehr kritisch gegenüberstehen. Diese Einschätzung beruht aber auf unabhängiger Analyse der Situation.”

Die derzeitigen Entwicklungen beim Urheberrecht begleitet Spielkamp als kritischer Beobachter, wobei ihm insbesondere das kürzlich verabschiedete ACTA-Abkommen ein Dorn im Auge ist. Nicht nur der überbordende Einfluss von Verlagen sowie Musik- und Filmindustrie, sondern auch das intransparente Zustandekommen des Abkommens stößt bei ihm auf Unverständnis: “Das alles war in einem so unfassbaren Ausmaß intransparent, undemokratisch und von Partikularinteressen gesteuert. Jeder, der den ACTA-Prozess nur entfernt verfolgt hat, muss diesen Eindruck bekommen”. Und er ergänzt: “Allen, die sich jahrelang unermüdlich um Transparenz bemüht haben, gebührt größter Respekt, denn sie sind von der EU-Kommission und den Regierungen der beteiligten Staaten mit unglaublicher Unverfrorenheit behandelt worden”. Ob sich seiner Einschätzung nach durch den Erfolg der Piratenpartei die Einstellung der Politik zum Urheberrecht und zur Netzpolitik allgemein ändern wird? Davon ist Spielkamp überzeugt und glaubt, dass die etablierten Parteien lernen werden müssen, mit dem Thema Netzpolitik auf Wählerfang zu gehen. Bei den Inhalten selbst ist er sich nicht so sicher: “Was sich ändern wird und ob mir gefallen wird, wie es sich ändert, kann man aber jetzt noch nicht voraussagen.”

In netzpolitischen Themen hinkt Deutschland oftmals den Entwicklungen in Übersee hinterher. Nicht so in der Diskussion um die überfällige Anpassung des Urheberrechts an das digitale Zeitalter : “Deutschland hat mit der Idee der Pauschalabgaben vor langer Zeit schon einmal eine sehr pragmatische Idee in die Welt gesetzt, die von unzähligen Ländern übernommen worden ist”, erläutert Spielkamp. An diese Tradition möchte er anknüpfen – ihm schwebt eine Kulturflaterate für einzelne Felder wie die Musiknutzung vor. Dabei liegt ihm ein fairer Ausgleich zwischen Urhebern, Rechteverwertern und Nutzern besonders am Herzen. Nach den Chancen eines Ausgleich der verschiedenen Interessen gefragt, gibt Spielkamp zu bedenken: “Wir dürfen uns nicht immer von den Profiteuren des bestehenden Systems einreden lassen, dass es wegen internationaler Verträge gar nicht möglich sei, eine Lösung zu finden, die alle Beteiligten zufrieden stellen würde – oder zumindest viel zufriedener als bisher”. Bis dahin werden wir sicher noch einige interessante und lesenswerte Beiträge von ihm lesen. (Zeichnung: Kat Menschik)