Der Weg zu seinem Steckenpferd Transparenz und Offene Regierungsdaten führte für Daniel Dietrich über Medienaktivismus und ein Start Up-Unternehmen. Seit einigen Jahren versucht der IT-Experte, sein Thema in die Chefetagen der Politik zu bringen.
Open Data ist ein Thema, das spätestens seit dem vergangenen Jahr auch in Deutschland heiß diskutiert wird und erste Fortschritte vorweisen kann. Bremen, Berlin und weitere Städte und Behörden eröffneten eigene Datenportale. Unter der Schirmherrschaft des Innenministers findet ein Wettbewerb für offene Daten statt, und auf europäischer Ebene sollen Verwaltungsdaten für Wirtschaftswachstum sorgen. Dennoch beklagen vor allem Blogs und Organisationen die rückständige Entwicklung der Bundesrepublik im Bereich Open Data und Open Government. Einer, der nicht nur kritisiert, sondern auch aktiv an einer Verbesserung der Situation arbeitet, ist Daniel Dietrich. Gemeinsam mit der Open Knowledge Foundation setzt er sich leidenschaftlich für die Veröffentlichung von freien Daten und Wissen ein.
„Es geht nicht darum, Daten irgendwie ins Netz zu stellen“
Es sei nicht so, dass deutsche Behörden grundsätzlich zu wenige Daten preisgeben, erklärt Dietrich, sie seien sogar durch entsprechende Gesetze dazu verpflichtet. Das Problem sei jedoch, dass die Behörden Open Data nicht aus Überzeugung und nicht in der Form betreiben, die er sich wünschen würde. „Es geht nicht darum, Daten irgendwie ins Netz zu stellen. Sie müssen in maschinenlesbaren Formaten verfügbar sein und unter Lizenzen, die die Weiterverarbeitung rechtlich ermöglichen“, kritisiert der Open Data-Experte. Der explizite Verweis auf eine bestimmte Lizenz schaffe eine Rechtssicherheit für Nachnutzer. Außerdem sollten Daten in Zukunft besser auffindbar werden. „Da sind wir in Deutschland in der Tat noch nicht sehr weit“, resümiert Dietrich, nennt aber das Statistische Bundesamt sowie das Umweltbundesamt ausdrücklich als positive Ausnahmen.
Bei all seinem Engagement für offene Daten sieht sich Daniel Dietrich schon lange nicht mehr als Aktivist, sondern bezeichnet sich auf seinem Blog und auf seinem Twitter-Account als Evangelist. „Aktivist klingt so, als müsse man gegen etwas kämpfen. Das fühlt sich aber nicht so an, ich bin eher für etwas. Mir geht es um gesellschaftliche Emanzipation“, begründet er dies. Ein Evangelist sei nicht nur Experte für ein Thema, sondern wolle dieses auch aus Überzeugung voranbringen. Was ihn persönlich antreibe, sei das Streben nach Transparenz. Zwar seien auch andere Aspekte wichtig, wie die Möglichkeit, in Open Data eine Ressource für gesellschaftliche und wirtschaftliche Innovationen zu sehen. „Mein Interesse wurde aber durch den Transparenzfaktor geweckt“, betont Dietrich.
(Berlin Open Data Day / by Opendata Network in Flickr; Lizenz: CC BY 2.0)
Vom Transparenz-Evangelisten zur Open Knowledge Foundation
Vor vier Jahren stieg er so richtig in die Materie ein. Ursprünglich war er in der freien Wirtschaft tätig, in einem IT-Start Up, das sein Bruder gegründet hatte. Dort sah der Technikbegeisterte eine Perspektive für sich. Sein Studium der Politikwissenschaft, Medienwissenschaft und Informatik hat er nie beendet. Der Prozess, sich Wissen und Technologien anzueignen um damit zu arbeiten, hingegen war etwas, was ihn schon früh fasziniert habe. Zudem habe er sich dafür interessiert, wie Menschen Technologien nutzen können, um einen Dienst an der Gesellschaft zu leisten und nicht nur, um im Internet Geld zu verdienen.
Bereits damals waren ihm das Thema Transparenz in Regierung und Verwaltung besonders wichtig. In Deutschland habe es keine Organisation oder Interessenvertretung gegeben, die in der Lage gewesen wäre, das Thema auf die politische Agenda zu setzen, und so gründete Dietrich schließlich 2009, gemeinsam mit Gleichgesinnten, das Open Data Network, dessen Vorstand er noch bis 2011 war. Durch sein ehrenamtliches Engagement gelangte er zu einer bezahlten Stelle bei der Open Knowledge Foundation und ist nun seit Anfang 2011 Mitbegründer und Vorstand der Open Knowledge Foundation Deutschland.
„Das Thema Open Data gehört ins Kanzleramt“
Als Hauptproblem für die Entwicklung einer Open Data Kultur in Deutschland sieht Daniel Dietrich den Umgang mit dem Thema auf oberster politischer Ebene. „Die Schwachstelle ist, dass das Thema zwar in allen Parteien von netzpolitischen Ausschüssen und jüngeren Politikern diskutiert wird, aber es noch nicht auf Entscheidungsebene und in der Chefetage angekommen ist“, stellt er fest. Die Pilotprojekte, die es aktuell gebe, gingen von Verwaltungen aus und das sei falsch, da diese an politische Weisungen gebunden seien. Auch die Tatsache, dass die Zuständigkeit für Open Data in der Abteilung Verwaltungsmodernisierung im Bundesinnenministerium angesiedelt ist, beurteilt Dietrich als schwierig, da dieses nicht weisungsbefugt über andere Ministerien oder über Bundesländer sei. Als Querschnittsthema gehöre Open Data eigentlich in das Kanzleramt. „Klar zu erkennen ist jedoch, dass Open Data im Jahr 2011 durch zivilgesellschaftliche Gruppen wie die Open Knowledge Foundation auf die politische Agenda gesetzt wurde“, weist er auf die erfolgreiche Arbeit seiner Organisation hin.
Seit Beginn dieses Jahres kann sich Dietrich allein auf die Open Knowledge Foundation konzentrieren. Er arbeitet nun Vollzeit für die Stiftung, nachdem seine Stelle im Fachbereich Informatik und Gesellschaft an der Technischen Universität Berlin ausgelaufen und er aus dem Vorstand des Open Data Network ausgetreten ist. Diesen Schritt sei er allein deshalb gegangen, um nicht für zwei Organisationen gleichzeitig sprechen zu müssen und beiden die Möglichkeit zu bieten, sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu positionieren. Mit der Open Knowledge Foundation führte er bereits Projekte in Deutschland durch, die sehr erfolgreich waren. Dazu zählen unter anderem die Beteiligung am Programmierwettbewerb „Apps für Deutschland“, das Open Government Data Camp sowie die Webseiten Frag den Staat und Offener Haushalt.
Offener Haushalt bietet Bürgern die Möglichkeit, sich detailliert und übersichtlich über den Bundeshaushalt zu informieren. Der Start und die Öffentlichkeit für das Projekt seien toll gewesen. „Alle Haushaltsexperten aus den Parteien haben sich gefreut, dass sie endlich an strukturierte Daten herankommen können. Wir haben von diesen Fachpolitikern viel positives Feedback bekommen.“ Das eigentliche Ziel des Projekts, das Finanzministerium dazu zu bewegen, die Daten selbst in maschinenlesbaren Formaten zu veröffentlichen, habe jedoch nicht realisiert werden können. Dietrich erzählt, das Finanzministerium habe nun selbst eine ähnliche Visualisierung in Auftrag gegeben. Die Open Knowledge Foundation befürchtet jedoch, dass lediglich ein weiteres hübsches Tool geschaffen werden wird, ohne dass die Daten an sich strukturiert veröffentlicht werden würden.
Offene Daten für mündige Bürger
Und was bringt eigentlich das Veröffentlichen all dieser Daten den Menschen? Darauf hat Daniel Dietrich eine klare Antwort: „Ein mündiger Bürger muss sich informieren können, um Zusammenhänge besser zu verstehen“. Offene Daten machten nichts per se besser, sondern seien Grundvoraussetzung für Demokratie- und Gesellschaftsbeteiligung. So könne der Bürger Politiker in die Rechenschaftspflicht nehmen und deren Handlungen würden somit nachvollziehbar und überprüfbar werden. Offene Regierungsdaten gelten für Dietrich als Allgemeingüter und sollen aus dieser Motivation veröffentlicht werden, nicht nur deshalb, weil der Steuerzahler dafür bezahlt habe. Dietrich beschwört den Vergleich zu öffentlichen Bibliotheken: „Als die ersten öffentlichen Bibliotheken gebaut wurden, wurde das nicht getan, weil da draußen so viele Leute waren die lesen konnten und diese Bibliotheken brauchten, sondern sie wurden geschaffen, damit mehr Leute über die Jahre lesen lernen können“. Der Bedarf und die Nachfrage seien durch die Installation der Bibliotheken entstanden. Ähnlich sei es auch mit den offenen Daten.
Evangelist ist man solange, wie das Ziel noch nicht erreicht ist und es noch Aufklärungsbedarf gibt. Somit wird Dietrich seine Rolle wohl noch eine ganze Weile beibehalten.