Etlliche deutsche Radiosender strahlen ihr Programm im Internet aus. Die ersten Angebote entstanden Mitte der neunziger Jahre. Etwa die Hälfte der Programme sind reine Webradios mit kommerzieller Ausrichtung. Diese kommen meist ohne Redaktion aus und spielen von Trailern und Jingles unterbrochene Playlists ab. Das Label der Fantastischen Vier, Four Music, nutzt das eigene
Four Radio zur Promotion seiner Platten und Konzerte
In den letzten Jahren sind auch bundesweite Anstalten wie
Deutschlandradio Berlin,
Deutschlandfunk und
Deutsche Welle dazu übergegangen, ihre Sendungen als Livestream oder Audio on Demand zur Verfügung zu stellen. Auch die öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme der Länder und nahezu alle regionalen Privatsender nutzen das Internet als Zweitverwertungsmedium. Ausländische Programme wie die
BBC,
NPR und
VOA oder
religiöse Stationen wie der Evangeliumsrundfunk sind schon seit langer Zeit in deutscher Sprache über das Internet hörbar. In Deutschland werden auch Webradio-Programme für das Ausland produziert. Ein Beispiel dafür ist
telephone.FM. Mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes und der Friedrich-Ebert-Stiftung wird in Berlin seit Sommer 2004 täglich ein 90-minütiges, arabisches Programm für den Irak erstellt.
Besonders für die knapp vierzig
freien Radios in Deutschland ist das neue Medium Webradio von besonderer Wichtigkeit. Der Kampf um die raren terrestrischen Frequenzen ist hier ohne Bedeutung.
Das Internet bietet die Möglichkeit, sich zu vernetzen und Beiträge auszutauschen. Dazu wurde die Plattform
FreieRadios.net geschaffen. Hier können Reportagen, Features, Hörspiele und Berichte hoch- und runtergeladen werden. Dies geschieht unter Verwendung offener Formate wie ogg vorbis und unter der GNU Open Publishing Lizenz. Auch bei Großveranstaltungen und wichtigen Ereignissen kann Webradio zum schnellsten Medium werden. Während der Proteste gegen den G8-Gipfel in Evian, den Aktionstagen gegen den Irakkrieg oder der NATO-Konferenz in München sendeten Aktivistinnen und Aktivisten des unabhängigen Nachrichtennetzwerks
Indymedia ein Live-Programm im Internet. Dieses wurde von vielen freien Radios übernommen.
Die neue peer2peer-Technologe eröffnet besonders den freien Radios neue Möglichkeiten. Bisher benötigte man zum Senden von Livestreams einen Server mit großer Bandbreite. Mit der Popularität eines Webradios stiegen Netzlast und Kosten. Das unabhängige Projekt PeerCast.org macht es möglich, dass man nur noch die Bandbreite nutzt, um den Stream an eine andere Person zu schicken. Diese streamt die Sendung weiter an den nächsten Client. Verfügt jemand über viel Bandbreite, können mehrere Personen auf dessen Stream zugreifen. Auch kann er als Puffer für andere Streams dienen.
Alles was man zum Hören braucht, ist ein Rechner mit schneller Internetanbindung, Soundkarte und ein Medienabspielprogramm wie WinAmp, RealPlayer, WindowsMedia Player, Xine oder xmms. Selbst zur Radiomacherin oder zum Radiomacher im Internet zu werden ist nicht mehr schwerer, als eine e-mail zu schreiben. Der Weg zu den unbeliebten und schlecht ausgestatteten Offenen Kanälen erübrigt sich. Radioprojekte wie
reboot.fm aus Berlin haben bereits Pionerarbeit geleistet. Man braucht sich nur noch einen Sendeplatz aussuchen und von einem der Editoren freischalten lassen. Dann kann man sein Programm bequem an einem Ort seiner Wahl produzieren und hochladen. Einzelne Beiträge kann man ohne Probleme auf der Seite FreieRadios.net hochladen. Die Chance, dass andere Freie Radios darauf zurückgreifen, ist enorm hoch.
Webradio in Deutschland steht für eine Programmvielfalt, die das terrestrische Radio bisher nicht bieten konnte. Die Ansätze und Konzepte der einzelnen Anbieter sind verschieden, die Möglichkeiten für praktizierte Demokratie im Netz sind weit gefächert und groß, doch den meisten Internet Usern bislang unbekannt.
Am 01. April 2005 könnten viele der neuen Webradios verschwinden. An diesem Tag tritt die
neue Gebührenregelung der
GEMA und der
GVL in Kraft. Das kostenfreie Speichern von Musik, automatischer Senderwechsel, personalisierte Programme, Rückspul- und Titelskip-Funktionen werden dann nicht mehr erlaubt sein.
Anhänger des
Radiorings initierten als Protest gegen die neue Verordnung die Netzkampagnen
Ich will Webradio und
GVL-Protest. Sie halten die Neuregelung für einen schweren Einschnitt in die Meinungs- und Pressefreiheit.