Ministerialrat Mag. Dr. Anton Reiter ist Abteilungsleiter beim österreichischen
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (BMUK). Er leitete das dreijährige
Evaluationsprojekt “Neue Medien in der Grundschule” und hat die Ergebnisse der Studie in einem gleichnamigen
Buch veröffentlicht. Dr. Reiter bewertet den didaktischen Stellenwert des neuen Mediums im Grundschulunterricht.
Ziel des Projektes war, herauszufinden, welche Einsatzmöglichkeiten es für sogenannte Info- und Edutainment-Produkte auf CD-ROM und für das Internet im Unterricht der Volksschule gibt und welche didaktisch-pädagogischen Erkenntnisse daraus gewonnen werden können. Aufgezeigt werden sollte auch, wie sich der Einsatz der verfügbaren neuen Medien auf Arbeits-, Lern- und Organisationsformen des Grundschulunterrichts auswirkt.
Projektbedingt wurde den sechs Volksschulstandorten vom BMUK Hardware und Software bereitgestellt. Es wurden Internetzugänge geschaffen, laufend Anwenderschulungen für die Lehrer/innen abgehalten und einschlägige PR-Maßnahmen gesetzt, wie z.B. die Erstellung schuleigener Homepages. Einigen Lehrer/innen wurde die Teilnahme an internationalen Fachkongressen (wie bspw. am
IFIP-Weltcomputer-Kongress in Wien/Budapest 1998 und in Peking 2000) ermöglicht.
Der Schwerpunkt des Computereinsatzes lag im Sachunterricht, in dem unterstützend altersadäquate, interaktive CD-ROMs sowie lexikalische Werke und verstärkt auch das Internet Verwendung fanden, um den Schülerinnen und Schülern Informationen zu globalen Sachthemen zugänglich zu machen. Anwendersoftware beinhaltete unter anderem Office 97 (primär Word und PowerPoint), das Bildbearbeitungsprogrammen MS Paint, Paint Shop pro 5.0 und PhotoImpact, außerdem das Autorenwerkzeug Mediator 5.0 pro zur Erstellung multimedialer Präsentationen mit Hypermedia-Design. Daneben fanden vor allem Info- und Edutainment-CD-ROMs (deren Zahl inzwischen nahezu unüberschaubar geworden ist) Verwendung. An einigen Standorten wurden mit Frontpage 98 eigene (einfache) Websites gestaltet. |
“Durch die rasante Entwicklung der Informationstechnologien werden heute bereits Kinder im Grundschulalter mit Computern und neuen Medien konfrontiert. Da es der generelle Auftrag jeder schulischen Bildung ist, auf eine bestmögliche Lebensbewältigung vorzubereiten, müssen Veränderungen in der Lebenswelt, in den Lehrplänen und im Unterricht angemessen aufgegriffen werden. Zusätzlich zeigen die neuen Medien einige Vorzüge, die seit eh und je Grundforderungen der Lernpsychologie und der Unterrichtswissenschaften erfüllen: Optimale Aufarbeitung der Inhalte, altersadäquate Portionierung der Lernschritte, rasches Feedback und der menschlichen Wahrnehmung entgegenkommende Darbietungsweise” |
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Die Schüler/innen erlernten die Bedienung von Tastatur und Maus teils spielerisch, teils nach eingehendem motorischen Training. Sie schrieben und formatierten Texte am Computer, arbeiteten mit Grafikprogrammen bzw. bearbeiteten selbst gezeichnete Grafiken oder Cliparts. Parallel zu den Schulbüchern wurden multimediale, interaktive Lern-CDs für Deutsch, Mathematik und Englisch verwendet. Lexika, Funktionstrainigsprogramme sowie herkömmliche Anwendersoftware wie Word, Write oder PowerPoint standen zur weiteren Auswahl. Speziell zum Schreiben für Kinder entwickelte Programme wie das “Junior Schreibstudio” oder der “Creative Writer” kamen ebenfalls zum Einsatz. |
Die Kinder verfassten Geschichten am Computer. Sie waren von den Gestaltungsmöglichkeiten für Texte und Grafiken begeistert. Stolz waren sie auf Zeichnungen oder Texte, die sie ausgedruckt hatten und zu Hause vorzeigen konnten. Das Arbeiten mit interaktiven Multimedia-Programmen bewährte sich besonders in den ersten Klassen auch in der Lautschulung. Das Üben der Lernwörter sowie das Schreiben der Schulübung am PC wirkte auf die Kinder motivierend.
Auch lernschwache Kinder profitierten davon, denn sie kamen so ohne Leistungsdruck zu Erfolgserlebnissen. Fehler können am Computer leicht korrigiert werden. Im Stationenbetrieb und beim offenen Lernen arbeiteten Kinder mit unterschiedlichen Computerkenntnissen zusammen. Bei der Arbeit am Computer unterstützten sich die Kinder gegenseitig. Das spielerische Lernen wurde gefördert. Die verfügbaren Lernspiele regten die Kreativität an.
Die Schüler/innen waren bald mit dem Internet vertraut und konnten mit Suchmaschinen umgehen. Laufende Projektarbeiten wurden so mit Texten und Bildern aus dem WWW gestaltet. Besonderer Spaß bereitete ihnen die eigene Recherche im Internet. Die Kinder schrieben und beantworteten E-Mails, interessante Mailausdrucke wurden öffentlich zugänglich gemacht.
Nach dem Ende des Evaluationsprojektes im Juni 2000 war für die Schüler/innen der sechs Projektschulen der Computer inzwischen sozusagen nichts Besonderes mehr. Er gehört dort inzwischen längst zum Schulalltag und fungiert als Arbeits- und Lerngerät. In den Pausen dürfen die Kinder fallweise auch selbständig an den PCs arbeiten.
Die Eltern begrüßen es durchweg, dass ihre Kinder am Computer lernen. Der Erwerb der grundlegenden Kulturtechniken Rechnen, Schreiben und Lesen bleibt allerdings stets im Vordergrund, die Verwendung des Computers im Unterricht wird als mediale Ergänzung angesehen.
Die neuen Medien bereichern insgesamt die Unterrichtsdidaktik und -methodik in der Grundschule. Sie unterstützen fächerübergreifendes Lernen und können durch Formen des (konstruktiven) Selbstlernens und kooperativen Arbeitens die Lerneffektivität steigern. Speziell das dreijährige Evaluationsprojekt “Neue Medien in der Grundschule” zeigte neue, zukunftsorientierte Lehr- und Lernwege auf. Im Rahmen der Volksschullehrer/innen-Ausbildung wird in Zukunft auf die Vermittlung einer umfassenden Computer-Didaktik resp. -Pädagogik noch mehr Wert zu legen sein (siehe Reiter/Grimus/Scheidl 2000).
Aufbauend auf den Ergebnissen des Evaluationsprojektes “Neue Medien in der Grundschule” wurde anschließend im Oktober 2000 an der Übungsvolksschule der
Pädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien 21 mit der Errichtung eines virtuelles Lehr- und Lernzentrums aus Budgetmitteln des bm:bwk eine Projektfortsetzung in Angriff genommen. Besonderes Augenmerk wird auf die innovative Erprobung und Auswertung künftiger Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation (Teleteaching und Telelearning) und des Wissensaustausches über die Grenzen des Klassenraumes hinweg gelegt werden (siehe Seper 2001).