Das Informationsfreiheitsgesetz: Chance für diese Legislaturperiode vertan
Schon seit dem 20.10.1998, mit der Verabschiedung des Rot-Grünen Koalitionsvertrages, ist es offiziell, die infodurstigen Deutschen sollen ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bekommen: “Durch ein Informationsfreiheitsgesetz wollen wir unter Berücksichtigung des Datenschutzes den Bürgerinnen und Bürgern Informationszugangsrechte verschaffen.” Was in den USA mit dem
Freedom of Information Act, in der EU mit dem Beschluss über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten der EU-Organe und in vier Bundesländern (Schleswig-Holstein, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen) mit eigenen IFGs schon Gang und Gäbe ist, wird auf Bundesebene seit der Veröffentlichung des Referenten- bzw. “Diskussionsentwurfes” des BMI vom 6.Juni 2001 ignoriert.
Zentraler Punkt des IFG ist das
Recht auf Akteneinsicht für jedermann: “Das Informationszugangsrecht steht jedermann zu. Der Anspruch richtet sich gegen alle Bundesorgane, wenn und soweit sie Verwaltungstätigkeit ausüben. Der Zugang zu Informationen ist durch Auskunftserteilung oder durch Akteneinsicht möglich.
Der besagte
Entwurf wurde in Netz gestellt und ein 6-wöchiges
Diskussionsforum eingerichtet. Highlight im Forum war sicherlich der virtuelle Besuch des bekannten Datenschützers Johann Bizer (Uni Frankfurt), der auch das
Projekt e-Demokratie des Deutschen Bundestages zur Modernisierung des Informationsrechtes als Moderator des dortigen Forums betreut. Einige der User beschwerten sich über zensierte bzw. nicht veröffentlichte Beiträge und über die zum Teil wenig hilfreichen oder nicht vorhandenen Antworten des BMI: “Wenn ich mir die Antworten, die reichlich karg ab und an vom BMI kommen, anschaue, dann habe ich das Gefühl, hier soll nicht der interessierte Bürger zu Wort kommen und informiert werden, sondern er soll hier abgespeist werden, denn wie sonst soll ich mir erklären, dass alle Anfragen mit Hinweis auf bereits bestehende gesetzliche Bestimmungen beantwortet werden?”, so ein User im Forum.
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion vom 21.07.2000 verweist die Bundesregierung ebenso auf ein sich in Vorbereitung befindliches IFG wie in der
Bilanz 2002 des Programms der Bundesregierung “Moderner Staat ModerneVerwaltung” vom 27.02.2002: “Die Bundesregierung bereitet ein Informationsfreiheitsgesetz vor, das Verwaltungshandeln transparenter macht und die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger stärkt.” Auch im neuen
Fortschrittsbericht zum Aktionsprogramm “Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21.Jahrhunderts ” wird das IFG erwähnt: “Daher wurde ein Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vorgelegt. Schon im Entwurfsstadium des Gesetzes konnte die Öffentlichkeit über ein virtuelles Diskussionsforum im Internet eigene Vorstellungen in den laufenden Rechtssetzungsprozess einbringen.” Doch über das weitere Vorgehen und den Stand der Dinge schweigt sich auch dieser Bericht leider aus.
Das normale Verfahren – Abstimmung mit den Bundesministerien, Verabschiedung vom Bundeskabinett, Einbringung in den Bundestag – scheint nicht nur bei der Ressortabstimmung zu haken, sondern auch bei
Bundesinnenminister Schily. Sollte Schily bei all den Anti-Terror-Paketen und datenschutzrelevanten Gesetzesverschärfungen der letzten Monate einfach vergessen haben, dass in den Tiefen seines Ministeriums seit 9 Monaten ein Gesetzentwurf auf seine Weiterbearbeitung wartet? Nur gut, dass er jetzt daran erinnert wird, denn sowohl die Arbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten Deutschland als auch das Netzwerk Recherche, der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Deutsche Journalisten-Union (DJU) in ver.di fordern eine Forcierung des Gesetzesvorhabens und die Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode. “In Deutschland waren die Innenpolitiker der Parteien nach dem 11. September derart mit der Verabschiedung neuer Sicherheitsgesetze beschäftigt, dass für den IFG-Entwurf des Bundes gar keine Zeit mehr blieb. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, hat dies im März sogar offiziell als Begründung dafür genannt, dass es in dieser Legislaturperiode nicht mehr zur Verabschiedung des IFG kommen wird”, erklärte Manfred Redelfs, Leiter die Recherche-Abteilung von Greenpeace und Mitbegründer der Journalistenorganisation “Netzwerk Recherche”, gegenüber
politik-digital. Vor allem haben das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium noch Einwände gegen den aktuellen Gesetzesentwurf. Ob zumindest noch ein überarbeiteter Gesetzesentwurf in dieser Legislaturperiode vorgelegt wird, ist laut Staatssekretärin Zypries auch noch ungewiss. Die Staatssekretärin im BMI, Brigitte Zypries, erklärte auf der Cebit, dass “die Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes nach derzeitigem Stand nicht mehr in dieser Legislaturperiode zu erwarten ist”.Dennoch betonte sie, dass das IFG prinzipiell noch politisch gewollt ist und sie es für sehr wichtig halte. Zudem verwies sie auf das erst kürzlich verabschiedete
Verbraucherinformationsgesetz des Bundesverbraucherministeriums, das ein erster Schritt in diese Richtung sei.
Die Nachfrage bei den Büros der zuständigen Abgeordneten Jörg Tauss (medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion) und Cem Özdemir (innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion) ergab, dass die Koalitionsfraktionen in ihrer letzten Sitzung am 22.März über das weitere Vorgehen beim IFG beraten haben. Iher Meinung nach ist die Verabschiedung des Gesetzes unter Umständen noch in dieser Legislaturperiode möglich. Ein konkreter Zeitplan könne genauso wenig wie ein Veröffentlichungstermin für den zweiten Gesetzesentwurf genannt werden. Anscheinend ist gerade den Grünen sehr an der zügigen Verabschiedung des IFG gelegen. So erklärte zuerst die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Grietje Bettin am 03.09.2001: “Es ist höchste Zeit, dass wir auf Bundesebene nachziehen und ein Gesetz beschließen, das in seiner Substanz nicht hinter die bereits verabschiedeten Informationsfreiheitsgesetze der Länder zurückfallen darf”. Kurz darauf mahnte Cem Özdemir, in einer Rede im Bundestag am 26. September 2001 bezugnehmend auf den 11. September: “Ich finde aber, gerade weil dieser Angriff der offenen Gesellschaft galt, ist es wichtig, dass wir als Signal setzen: Dieser Staat bleibt offen, dieser Staat wird kein Obrigkeitsstaat.” Auch er beklagte die sehr zähe Ressortabstimmung des Referentenentwurfes: “Nicht nachzuvollziehen ist jedoch, dass jedes Ressort aus für sich selbst vielleicht verständlichen Gründen erklärt, warum gerade in dem jeweiligen Ressort keine Informationsfreiheit möglich ist.” In derselben Debatte verwies auch die CDU-Abgeordnete Sylvia Bonitz auf das zögerliche Vorgehen mit dem ersten Gesetzesentwurf: “Dieser Entwurf des Innenministeriums ist noch nicht einmal im Bundeskabinett verabschiedet, geschweige denn in den Bundestag eingebracht worden.” Und schließlich erklärte kürzlich auch die linke Gallionsfigur der Grünen, Christian Ströbele, in einer Pressemitteilung über Korruption in Deutschland: “Informationsfreiheitsgesetze müssen den Bürgern Akteneinsichtsrechte im Bund und in allen Bundesländern ermöglichen. Transparenz verhindert Korruption wirksam.” Zudem verwies er auf die skandinavischen Länder, die ein Informationsfreiheitsgesetz haben und “im internationalen Vergleich gegen Korruption am besten abschneiden.”
Auch die Arbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten Deutschlands schlug mit einer
Pressemitteilung am 26. März noch einmal in diese Kerbe: “Die jüngsten Korruptionsskandale in Deutschland zeigen, dass die öffentliche Hand verstärkt auf mehr Transparenz setzen muss, um derartigen Missbrauchsfällen wirksam entgegenzuwirken. Es wird Zeit, dass die Bundesregierung mit dem Entwurf des Bundesinformationsfreiheitsgesetzes ein wichtiges Signal in Richtung Öffnung der Behördenakten und Wahrnehmung der Bürgerrechte setzt.”
Es bleibt also abzuwarten, was die zuständige
Abteilung V (Verwaltungsrecht, Verfassungsrecht, etc.) des Bundesinnenministeriums noch in den Gesetzesentwurf hinein- oder heraus schreiben wird. Sollte das Gesetz tatsächlich erst in der nächsten Legislaturperiode verabschiedet werden, bleibt zu hoffen, dass eine gründlichere Debatte zu einem gelungeneren Gesetzesentwurf führt und die unwilligen Bundesministerien ihren Widerstand aufgeben. Auch wenn Staatssekretärin Zypries am 23.08.2001 im
Chat bei politik-digital sagte, dass in der Bundesverwaltung nicht das Geheimnisprinzip bestehe, werden die schon erwähnten Journalistenverbände sich mit diesem Statement nicht zufrieden geben. Denn die Verabschiedung des IFG hätte lediglich sichergestellt, dass “Deutschland endlich ein Rechtsprinzip einführt, was sich in anderen Industrieländern schon seit Jahren bewährt hat. Die Chance, den Anschluss an internationale Standards wiederzugewinnen, wurde also zumindest für diese Legislaturperiode vertan”, verdeutlicht Manfred Redelfs.