Die ersten virtuellen Wahlen in Österreich sollten auch weltweit die Ersten sein, die rechtsstaatliche Wahlrechtsgrundsätze berücksichtigen. Aufbruch in eine neue Ära?

Bei den Studentenvertretungswahlen an der Wirtschaftsuniversität Wien konnten rund 1000 Studenten in Österreich erstmals Online ihre Stimme abgeben. Beim Testlauf galt es, dass an der Universität entwickelte eVoting-Verfahren einem praktischen Test zu unterziehen. Die Aktionsplattform “Forum E-Government” will nun Druck auf die Politik ausüben, um möglichst bald erste rechtlich bindende Online-Wahlen abhalten zu können.

Rechtlich bindend war sie nicht, dafür aber technisch ein voller Erfolg: Österreichs erste virtuelle Wahl. Zwischen 20. und 22. Mai 2003 waren Österreichs Studenten wie alle zwei Jahre aufgerufen, ihre Vertretung zu wählen. Prof. Alexander Prosser, wissenschaftlicher Leiter der Forschungsgruppe e-voting.at, nutzte diese Gelegenheit, um das von ihnen entwickelte eVoting System unter rund 1000 Studenten zu testen.

Technische Feuertaufe bestanden

Der technische Testlauf wird von den Entwicklern des Systems als voller Erfolg betrachtet. Das System hätte wie geplant funktioniert und es seien keine Probleme aufgetaucht, meint Prosser. Die elektronische Wahl sei von den rund 1000 Test-Studenten gut aufgenommen worden. Die Wahlbeteiligung, die bei Studentenvertretungswahlen in Österreich traditionell sehr gering ist und bei der “realen” Wahl gerade 25,9 Prozent betragen hat, konnte unter den eVotern um satte 10 Prozent auf 36,3 Prozent gesteigert werden.

Für die Organisatoren deutet das auf eine hohe Akzeptanz der elektronischen Wahl bei Studenten hin. Die direkte Verallgemeinerung der Testwahl ist allerdings fraglich, da die Testwahl mit einem Gewinnspiel als Anreiz für die Teilnahme verbunden war.

Anonym und sicher – Das zweistufige Wahlverfahren

Wie Prosser behauptet, ist sein System das weltweit erste, das die Wahlrechtsgrundsätze garantieren kann. Dazu zählen die Anonymität genauso wie der Schutz vor Wahlbetrug. Der Gedanke, der der elektronischen Umsetzung des Wahlaktes zu Grunde liegt, ist einfach: wie bei der Briefwahl, die in Österreich derzeit für Auslandsreisende und Auslandsösterreicher bei Nationalratswahlen und bei Wahlen für Interessensvertretungen möglich ist, wird der Wahlakt in
zwei Schritte zerlegt. Der erste Schritt besteht in der
Registrierung, also dem Beantragen einer elektronischen Wahlkarte. Die Studenten müssen sich mittels ihrer ID und dem Passwort für den Zugang zum Intranet der Universität Wien identifizieren und bekommen eine Datei mit einer logarithmisch generierten Erkennungszahl auf ihre Festplatte gespeichert, die nicht fälschbar ist. Im zweiten Schritt, am Wahltag, können die Studenten sich auf der
Wahlhomepage mittels dieser Zahl einloggen und ihre Stimme abgeben. Da diese virtuelle “Wahlkarte” wie reelle Wahlkarten keine Informationen über die beantragende Person enthält, bleibt die Anonymität gewahrt. Das Hauptproblem der Entwickler war die eindeutige Identifizierung der Wähler und gleichzeitig die absolute Anonymität der Wahl zu gewährleisten. Das Problem konnte durch die Trennung von Identifikations- und Wahlvorgang gelöst werden.


e-Voting.at

Die Forschungsgruppe
e-Voting.at ist am Institut für Informationsverarbeitung an der Wirtschaftsuniversität Wien ansässig und interdisziplinär ausgerichtet. Ihr Ziel ist es nicht nur, eine funktionierende technische Lösung für ein eVoting-Verfahren zu entwickeln, sondern sie arbeitet auch an juristischen und politologischen Problemen, die das Thema betreffen. Denn das Übertragen eines Wahlvorganges ins Internet, so das Credo der Gruppe, ist mehr als dessen “Elektrifizierung”. Elektronische Wahlvorgänge wirken auf den Wahlprozess selbst wieder zurück und verändern diesen. Die Testwahl ist also ein erstes Experiment, um die Wechselwirkung zwischen der technisch-organisatorischen Ausgestaltung des Wahlverfahrens und dem juristisch-politologischem Umfeld zu klären. So z.B. die Frage, ob die virtuelle Stimmabgabe positive Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung hat.


Politische Diskussion um “eVoting” gefordert

Die Zeit sei jetzt auch für die Politik reif, über die Möglichkeiten, Chancen und Risiken des eVoting zu diskutieren, meint Patricia Heindl, die das Projekt von der juristischen Seite her betreut.

Für die Zukunft setzt sich die Forschungsgruppe daher dafür ein, in Österreich den politischen Willen zu fördern und dadurch die legalen Grundlagen für elektronische Wahlen in Österreich zu schaffen. Dazu betreibt die Forschungsgruppe den Arbeitskreis ”
e-Democracy/e-Voting” im Forum e-Government des
Österreichischen Computer Gesellschaft. Dieser Arbeitskreis versteht sich neben seiner Forschungsausrichtung auch als Aktionsplattform, um das Thema auf die politische Agenda zu bringen. Dazu wird eine Reihe von
Vortragsveranstaltungen organisiert, bei denen das Thema interdisziplinär und vor allem international diskutiert werden soll.

Der Verfassungskonvent ist gefordert

“Jetzt ist der Verfassungskonvent am Zug – dort soll diskutiert werden , ob man in Österreich e-Voting einführen soll”, fordert Heindl. Der Verfassungskonvent ist ein Gremium, das Anfang Mai 2003 auf Initiative der österreichischen Bundesregierung vom Parlament eingesetzt wurde, um einen Entwurf für eine transparentere und bürgernähere österreichische Verfassung zu entwerfen. Bei dieser Debatte über die Grundlagen der österreichischen Verfassung sollen auch Fragen wie z.B. die Ausweitung der Briefwahl und, wenn es nach dem Willen von e-Voting.at geht, auch von Online-Wahlen diskutiert werden. Ob die Forderung beim Konvent Gehör finden wird, ist noch nicht klar. Da der Verfassungskonvent erst wenige Wochen alt ist und sich gerade erst konstituiert hat, gibt es noch keine Stellungnahme zu einer möglichen Aufnahme des Themas auf die Konventsagenda.

Wie Robert Krimmer, Mitarbeiter bei e-Voting.at, aber betont, seien die technischen und organisatorischen Voraussetzungen in Österreich extrem günstig. Der Einsatz bei der Nationalratswahl 2006 für Auslandsösterreicher sei das nächste Ziel der Aktionsplattform.

Gültig trotzdem nur auf Papier

Nach dem Abschluss des Testlaufs betrachten die Organisatoren ihr Projekt als vollen Erfolg. Einziger Wehrmutstropfen für die Studenten: Wer seine Stimme nur über den Computer abgegeben hat, hat rein rechtlich betrachtet nicht abgestimmt.

Was dazu noch fehlt, ist der politische Wille, um die rechtlichen Grundlagen für rechtlich bindende Internet-Wahlen in Österreich zu schaffen und in das Zeitalter des eVoting zu starten.

Erschienen am 05.06.2003

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