Unter dem Begriff „Web 2.0“ wird aktuell diskutiert, ob und wie sich die Nutzungsstrukturen des Internets verändert haben, weiter verändern und was das unter anderem für die politischen Aktivitäten der Bürger bedeutet. Ebnet das Internet den Weg zu einer intensiveren Kommunikation der Bürger über Politik? Führt das Netz dazu, dass mehr Bürger an politischen Prozessen teilnehmen? Diese Fragen umreißen einige zentrale Erwartungen, die an das „Internet der zweiten Generation“ gestellt werden.
Die Veränderungen der politischen Kommunikation der Bürger können dabei ganz verschiedene Bereiche berühren, so z.B. die Häufigkeit und Intensität, wie die Menschen sich politisch informieren, miteinander über Politik reden oder auch, ob sie sich politisch artikulieren, also z.B. zu Demonstrationen gehen. Wenn sich diese Änderungen auf den Einfluss des Internets zurückführen ließen, dann könnte man von einer medieninduzierten Intensivierung der individuellen politischen Kommunikation sprechen. In einer aktuellen Studie an der Technischen Universität Ilmenau wird geprüft, ob diese Vermutung einer politischen Medienwirkung zutreffend ist.
Veränderungen der politischen Kommunikation der Bürger?
Die Untersuchung ist als Panelstudie angelegt. Das bedeutet, eine für die deutschsprachige Wohnbevölkerung ab 16 Jahren repräsentative Stichprobe der deutschen Bevölkerung von 1.400 Bundesbürgern wird seit 2002 Jahr für Jahr immer wieder telefonisch danach gefragt wurde, wie sie politisch kommunizieren, also wie sie sich politisch informieren, wie sie sich mit anderen über politische Themen unterhalten und wie sie ihre politische Meinung öffentlich zeigen, um politische Entscheidungen zu beeinflussen. Verändern die Bürger ihre politische Kommunikation, wenn sich ihr mediales Repertoire verändert, wenn sie sich einen Internetanschluss zulegen, wenn sie surfen, mailen, chatten können?
Das Internet involviert die Bürger in das politische Geschehen
Die Antwort lautet: ja, in einem begrenzten Ausmaß. Es konnte ein kleiner, aber dauerhafter signifikanter „Mobilisierungseffekt“ des Internets auf die individuelle politische Kommunikation gefunden werden, auch wenn alle anderen Faktoren berücksichtigt wurden, die für Unterschiede und Veränderungen eventuell verantwortlich sein könnten: Bildung, Einkommen, politisches Interesse usw. So nutzen Onliner z.B. die elektronischen Informationsangebote der politischen Organisationen stärker, als sie vorher die traditionellen Informationsangebote genutzt haben. Traditionelle Formen der Kommunikation werden dadurch nicht ersetzt. Die Bürger unterhalten sich am Arbeitsplatz nicht weniger über Politik als früher. Vielmehr treten die entsprechenden Formen im Internet ergänzend hinzu.
Neue Formen der Kommunikation wenig gefragt
Wenn man sich anschaut, ob und in welchem Ausmaß dabei neue Kommunikationsformen des Netzes, wie etwas Weblogs, genutzt werden, dann ergibt sich ein ernüchterndes Bild: Die wenigsten – nämlich ganze 68 von 783 befragten Internetnutzern – führten im Jahr 2005 nach eigener Aussage ein Weblog. Noch weniger Bürger, nämlich nur 10 Befragte nutzen ihre eigene Homepage, um ihre Meinung zu politischen Angelegenheiten zu äußern. Ganz offensichtlich vertrauen die Internetnutzer in politischer Hinsicht den traditionellen Formen der Kommunikation – so, wie sie sich im „Herkömmlichen“ bewährt hat. Es kann also auf Grundlage der Ergebnisse der Studie nicht behauptet werden, dass die Bürger mit Hilfe des Internets nun massenhaft in die Rolle von politischen Kommunikatoren schlüpfen. In dieser Rolle sehen sich die wenigsten.
Onliner nutzen unterschiedlich das Internet für politische Zwecke
Die mediale Erweiterung durch das Internet verändert also die politische Kommunikation. Anders herum formuliert: Nachweisbar ist ein (kleiner Teil) der politischen Veränderungen auf der Ebene der Bürger auf eine Erweiterung des medialen Repertoires zurückzuführen. Dabei lässt sich eine Varianz in der Veränderung finden – nicht alle Onliner nutzen gleichermaßen alle neuen Möglichkeiten. Wie lassen sich diese Unterschiede in der Aneignung erklären? Ein Ansatz ist, diese Varianz aus den unterschiedlichen Kosten-Nutzen-Kalkülen der Individuen zu erklären. Das Internet senkt die „Kosten“ für bestimmte politische Aktivitäten – nicht nur die monetären. Und das Internet steigert den Nutzen bei bestimmten politischen Aktivitäten – zumindest in der Vorstellung der Nutzer.
Das Internet als Wegbereiter für mehr politische Kommunikation?
Insgesamt kann festgehalten werden: Das Internet sorgt, wenn auch nur in begrenztem Rahmen, für eine Intensivierung der individuellen politischen Kommunikation. Wenn sich Bürger einen Internetzugang zulegen, dann verstärkt sich ihre politische Onlinekommunikation und ihre politische Offline-Kommunikation nimmt zumindest nicht ab. Sicherlich sind es nur ganz wenige, die sich aus politischen Motiven einen Internetzugang zulegen. Aber politische Wirkungen hat der Internetzugang dennoch. Die Bürger nutzen das Netz auch dafür, sich mehr als bisher politisch zu informieren. Damit nehmen die Bürger stärker an der politischen Gestaltung dieses Landes teil. Das Internet ist ein wichtiger Nährboden, in dem intensivierte Teilhabe gedeiht. Entwicklungen im Sinne eines „Web 2.0“, also neue Strukturen und neue Angebote, können dafür einen Wachstumsschub bewirken.