Real ist sie schon zehn Jahre her, die Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Doch wie sieht die deutsch/deutsche Koexistenz eigentlich im Netz aus – "Einigkeit und Recht und Freiheit" auf voller Linie oder eher Ossi-Wessi Kampf?!
Bei dem Begriff "Wiedervereinigung" spucken die Suchmaschinen vor allem eins mit Vorliebe aus: Chroniken zum Kalten Krieg, zum Mauerfall und zu den zahlreichen Verträgen.
Alles schön und gut, aber das kennt man doch aus dem Geschichtsunterricht zu genüge.
Viel interessanter als trockene Fakten sind die Insider-Infos von Ost und West, die verschiedenen Meinungen und Bilanzen über die Zeit nach dem Mauerfall. Also muss man etwas Kreativität beweisen um an solche, etwas verdeckten, Nach-Wende Erlebnisse zu gelangen. Hartnäckiges Absurfen der Linklisten wird belohnt: Von der virtuellen Verbrüderung Ost-West bis hin zum Wunsch des Wiederaufbaus der Mauer- das Netz bietet allen, die einen Blick über die digitale Mauer werfen wollen, das Gewünschte an, man muss nur wissen wo…!
Im bayrischen Trabanten Club herrscht ein friedliches Miteinander, dort haben sich Trabi-Liebhaber zusammengeschlossen, um den Kult des Ost-Autos weiterleben zu lassen und die Wiedervereinigung unter einem "besonderen Aspekt" voran zu treiben.
Was könnte sich dazu besser eignen als das putzige kleine Umweltverpester-Ding,auf das die DDR-Bürger oft jahrelang warten mussten? Nun hat es auch die südlichenGefilde Deutschlands erobert und tuckert fröhlich zwischen Bayern und dem Osten der, wohlgemerkt, vereinten Republik, hin und her.
Die ultimative Ossi-Seite schlägt weniger versöhnliche Töne an. Für Hardliner gibt es eine "Klagemauer", bei der jeder seinen Ärger über die "arroganten Wessis" und dasLeben nach der Wende ablassen kann.
So hat ein anonymer Ost-Surfer die Wessis ganz klar definiert: "der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm, beim Wessi ist es anders rum!". Damit der arme Westler nicht völlig unvorbereitet auf diese Sprüche trifft und nicht weiß, wie er nun den bösen Ossisgegenübertreten soll, wird er schon beim Betreten darauf aufmerksam gemacht, dass das Lesen der Seite für Wessis auf "eigene Gefahr" geschähe.
Die Ossis zeigen sich dann aber plötzlich doch kulant und wollen "den Wessis eine Chance geben….!"
Vielleicht braucht es ja nur einen kernigen Wessi-Witz aus Wessi-Feder, um die Ossis milde zu stimmen.
Wer nicht nur den polemischen Schlagabtausch sucht, sondern "richtige" Kommentare über die Wende und die Zeit danach, findet dies, wie der Name schon vermuten lässt, beim Zonentalk.
Hier erzählen Zeitzeugen, wie sich ihr Leben seit der Wiedervereinigung verändert hat, keinegroße Politik, sondern oft knallharte Erlebnisse aus dem Ost-Alltag.
Die Ansichten über die Wende sind gespalten, einerseits gibt es solche, deren Leben sich seit der Wiedervereinigung verbessert hat, und die den Mauerfall in höchsten Tönen preisen, andererseits aber auch jene, die alles nach der Wende verteufeln, da erst der "westliche Kapitalismus die Deutschen in arm und reich" gespalten hätte.Die sozialistische Staatslehre lässt grüssen.
Teilweise sind diese Schilderungen harte Kost, die enttäuschten Hoffnungen und "Mauer-Schicksale" können einen West-Surfer schon ins Grübeln bringen, ob politisch und wirtschaftlich alles richtig angegangen wurde.
"Baut die Mauer wieder auf" – die Absichten der Aktion "Wiederaufbau" scheinen eindeutig, die Macher wünschen sich ihren Schutzwall gegen den Kapitalismus zurück und rufen die Bevölkerung auf, ihre Stimme für dieses Projekt abzugeben.
Wenn dieses Volksbegehren genügend Unterstützung bekommt, soll die Mauer am 7.10.2000 wiederaufgebaut werden. Wo dies geschehen soll, wird nicht gesagt und beimgenauen Hinschauen wird der Surfer auch beruhigt, alles sei reine "Satire" und natürlich nur als Spaß zu verstehen.
Na, ob da nicht doch der Wunsch Vater des Gedankens war…?! Schließlich gibt es den Begriff "Ostalgie" schon etwas länger als die Netz-Ossiszum Mauerbau aufrufen und im Gegensatz dazu sind die Fans der Ost-Träume ganz real.
Ob die "Ostalgiker" sich tatsächlich den real existierenden Sozialismus oder vielmehr die kuschlige Plaste-und-Elaste Welt zurück wünschen, ist fraglich.
Alles in allem ein amüsantes Projekt, schade ist nur, dass man nicht erfährt, wie viel Bürger diese Petition schon unterschrieben haben, denn gerade etwas über die Beteiligung an einer solchen Aktion zu erfahren, wäre schon sehr interessant.
Auch im Netz dürfen die berühmten Ossi-Wessi Witze nicht fehlen, Doch kann man hier keinen netten Umgang zwischen Ost und West erwarten.
Teilweise sind die Witze stark an der Grenze zur schlichten Beschimpfung, zumal sie immer auf das gleiche Ziel herauslaufen: die Gegenseite zu beleidigen.
Einer der harmlosesten lautet: "Ein Schwarzer und ein Weißer fallen in die Warnow. Wen rettest du? Natürlich den Schwarzen, der Weiße könnte ein Wessi sein." Man merkt, diese Art von Humor soll nicht erheitern, sondern ist eher ein Ventil den angestauten Frust irgendwie loszuwerden. "Ost-West-Rassismus" in seiner reinsten Form.
Dass man aber nicht nur gegeneinander hetzen, sondern auch miteinander kommunizieren kann, versucht die "Ost-West-Kommunikation" Beweis zu stellen.
Ossis und Wessis tauschen ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus, die sie mit den "Wesen des anderen Gebiets", gemacht haben.
Eine tatsächliche Wiedervereinigungspage, die sich bemüht, die Mauer inden Köpfen durch Begegnungen abzubauen.
Virtuell herrscht nämlich eine ähnliche Stimmung wie im vereinten Deutschland, das Verhältnis ist gespannt.
Selbst der Bundeskanzler hat den Nutzen der freundschaftlichen Ost-West Begegnung erkannt und machte sich auf analogen Pfaden ein Bild von den "blühenden Landschaften".
Dass ein kühles Ost-Bier dabei echte Verständigung mindestens über Maschendrahtzäune hinweg stiften kann, wurde der real geeinten Nation eindrucksvoll bewiesen.