Mit professionell gemachten Websites informiert der Vatikan seine Gläubigen und wirbt für die katholische Kirche. Doch das Internet könnte zu einer Bedrohung der Herrschaftsstrukturen der Kirche werden. Tatsächlich trägt das Internet zu einer Demokratisierung der alten Kirchenstrukturen bei.

Von bis zu zehn Millionen Besuchen pro Tag berichteten bereits zur

Weihnachtszeit 2004 die Macher der offiziellen Website des
Vatikans. Diese Zahlen sind in Zeiten des Todesdkampfes von Papst Johannes Paul II offenbar weit überschritten worden: Am 1. April, der Papst liegt nach Berichten aus dem Vatikan im Sterben, waren auch Unterseiten des Internetangebots nicht mehr zu erreichen. Auch die Webcam, die den Petersplatz
zeigt, ist nicht verfügbar.

Die 30 nach Erzengeln benannten Großrechner des Vatikans, die im

Apostolischen Palast einige Stockwerke unter der Wohnung des Papstes untergebracht sind, halten dem Ansturm der Gläubigen nicht mehr stand. Zwar gab es noch im Dezember 2004
Berichte, wonach die Kapazität der Serverfarm verdoppelt werden sollte – ganz offensichtlich hat man es nicht mehr rechtzeitig geschafft. Die ganze christliche Welt schaut auf den Vatikan, und im Jahr 2005 schaut die Welt zunächst ins Internet.

Auch die Kirche hat während der Amtszeit von Papst Johannes Paul die Chancen erkannt, die das neue Kommunikationsmittel ungeahnte neue Chancen der Massenansprache bietet. Bereits im Jahr 1995 schloss sich der Vatikan dem Internet an. Im Jahr 1999 gestattete der Vatikan den weltabgewandten Klöstern die Nutzung von Handys und Internet – allerdings in Maßen. Und im November des Jahres 2001 verschickte der Papst seine erste e-Mail unter den Augen der Weltpresse. In der Mail-Botschaft bat er um Vergebung für

Missetaten der katholischen Kirche in Ozeanien.

Inzwischen hat sich längst ein kirchliches Leben im Internet herausgebildet. Eine Website für Kircheneintritte in Zeiten des Austritts?
Vorhanden! Online-Beichte? Zwar nicht von der Kirche bereitgestellt, aber: vorhanden! Kirchliche Nachrichtendienste wie “Radio Vatikan” bieten hochaktuelle
News in mehreren Sprachen an. Hintergründiges und Buntes über den Zwergstaat im Herzen Roms mit der eigenen Domain “.va” sind zu Hauf zu finden. Zudem plant die katholische Kirche für das Jahr 2005 ein erstes virtuelles Portal katholischer Gemeinden, auf dem Gläubiger aller Welt in Newsgroups miteinander chatten sollen.

Doch die erzkonservativen Kirchenfürsten können sich bei aller

Marketingprofessionalität nicht recht mit dem Medium anfreunden. Zwar sollen möglichst viele Schäfchen bei der Stange gehalten werden. Aber dass es im Internet von Sex, Seelenfängern und Verschwörungstheorien nur so wimmelt, hat sich längst auch bis nach Rom herumgesprochen. In seiner Skepsis gegenüber dem Medium gleicht der Vatikan dabei eben allen Staatsformen, die aristokratisch oder autoritär, jedenfalls nicht demokratisch legitimiert sind. Solange der Vatikan eine black box war, aus dem nur selten und oft mit

Verzögerung Nachrichten nach außen drangen, konnte die Informationspolitik leicht gesteuert werden. Doch heute sieht sich selbst der Vatikan gezwungen, Nachrichten über den Gesundheitszustand des Kirchenoberhauptes fast in Real

Time an die Öffentlichkeit weiterzugeben.

Der Grund: In Zeiten von Weblogs und Handys sind selbst die hohen Mauern von Vatikan-Stadt nicht mehr dicht zu halten. Vermutlich müssen die Kardinäle nun erstmals, wenn sie ihren Nachfolger in der Sixtinischen Kapelle küren, ihre Handys an der Pforte abgeben, damit weiterhin der aufsteigende schwarze Rauch aus dem Kamin den gefundenen Nachfolger deklamiert. Mit einer traditionellen Versiegelung der schweren Türen der Kapelle wird es auf jeden

Fall nicht mehr getan sein.

Dass Positionsbedarf besteht, hat der Vatikan bereits im Jahr 2000 erkannt, als eins von insgesamt drei Positionspapieren n (Dokumentation auf
politik-digital.de) zum Umgang mit dem Internet veröffentlicht wurde. Zum einen warnt die katholische Kirche darin standardmäßig vor unseriöser Berichterstattung, Sex und Hassparolen, die sich heute schneller verbreiten können, als je zuvor.

Andererseits brechen die Autoren eine Lanze gegen “Kulturimperialismus” und Monopolbildung bei der Vermittlung kultureller Werte: Die Informationstechnologien könnten zwar zu einer besseren und (verteilungs-) gerechteren Welt führen. Allerdings dürfte das Internet nicht dazu führen, dass einzelne Kulturen die Definitionshoheit für gesellschaftliche Belange erlangen. Der Vatikan warnt damit vor der digitalen Spaltung und der Vormachtstellung der westlichen Welt im Internet.

Wie ernst gemeint diese Warnungen sind, ist nicht zu ermitteln. Der größte Teil der Internetnutzer dürften christliche Glaubensbrüder sein: So ist das eben in den USA oder Europa. Die religiöse Hegemonie im Internet wird damit derzeit noch von Werten geprägt, die der christlichen Lehre entspringen. An einer Stärkung von arabischen oder chinesischen Websites kann die katholische Kirche daher eigentlich kein Interesse haben.

Vom Internet könnte auch aus anderer Richtung für den Vatikan langfristig eine ernste Bedrohung seiner Struktur ausgehen. Forderungen nach einer Demokratisierung und Modernisierung der katholischen Kirche werden im Internet erhoben. Abtrünnige Glaubensgruppen innerhalb der Kirche können ihre Bewegungen weltweit vernetzen und organisieren. Auch die Gefahr eines

PR-Gaus erhöht sich durch die Vernetzung der Gläubigen: Heiss diskutiert wird zum Beispiel im Internet, ob der Boykottaufruf des Vatikans gegen das Buch “Illuminati” von Starautor
Dan Brown gerechtfertigt sei. Brown unterstellt dem Vatikan in seinem Thriller unlautere Handlungen und erreicht damit ein Millionenpublikum.

Doch im Kampf um die Deutungshoheit im Netz hält der Vatikan vorerst mit: Die offiziellen Websites des Vatikans sind hochprofessionell. Selbst der erzkonservativen Opus Dei, eigentlich für extrem rückwärtsgewandte und konservative Glaubensinterpretation bekannt, erlaubt heutzutage einen Einblick in seine Arbeit durch ein
Internet-Fensterchen. Interessant wird sein, wie – im Falle des Todes von Papst Johannes Paul II – im Internet die Trauerbewältigung und die nächste Papstwahl begleitet wird. politik-digital.de wird ein Auge darauf werfen.