Chatten mit dem Papst, Multimedia-Predigt aus dem PC, Online-Beichte und virtuelle Pilgerfahrten – ist das die Kirche der Zukunft? Vieles davon ist bereits Realität, auch wenn die Internetseiten des
Vatikan doch eher informativ als interaktiv sind. Die Positionen zu Kirche & Internet sind gespalten: belächelt oder abgelehnt auf der einen Seite, mit Begeisterung umgesetzt und genutzt auf der anderen. Allerdings “stellt sich für die Kirche nicht die Frage, ob sie sich damit auseinandersetzen will, sondern nur wie”.
Angefangen bei den großen Webauftritten der
evangelischen und
katholischen Kirche über einzelne Gemeinden, Klöster und verschiedene Glaubensrichtungen bis hin zu Seelsorgeportalen, Datenbanken und Bildungsangeboten wird alles geboten, was das religiöse Herz begehrt. Spezielle christliche Suchmaschinen erleichtern das Auffinden der gewünschten Informationen, und wer etwas weiter ausschweifen möchte, kann sogar auf eine
Linksammlung Weltreligion zurückgreifen. Doch wird die Umsetzung dem gerecht, was die Kirchen vermitteln wollen? Oder ist der Internet-Auftritt doch nur ein “Muss”, das notgedrungen umgesetzt wird, weil man ohne einfach nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist?
So viele Webseiten es zu dem Thema gibt, so viele Antworten lassen sich wohl auch auf diese Frage finden. Allerdings spielt bei den “großen” Kirchen auch noch ein weiterer Aspekt eine Rolle: Die riesige Kommunikationsplattform Internet bietet allerlei Sekten und pseudoreligiösen Scharlatanen ein weites Aktionsfeld, auf dem vor allem junge Leute angesprochen und umworben werden. Dem möchte die Kirche mit einem eigenen Internetauftritt etwas entgegensetzen. Ob sie damit jedoch diese Zielgruppe erreicht, hängt sehr vom individuellen Auftritt ab.
Ein Blick auf die Internetseiten der katholischen Kirche vermittelt den Eindruck, dass eher ein gesetzteres Publikum angesprochen werden soll. Reich an aktuellen Berichten, Hintergrundinformationen und seriösen Diskussionsforen, lassen die Seiten jedoch das Lebenslustige vermissen, den etwas entspannteren Auftritt, der die Jugend eher ansprechen würde. Da ist – wen wurdert’s – die evangelische Kirche kompromissbereiter: sie bietet sowohl fundierte Informationen als auch Spaß. Bei
“Jesus fr@gen”, im
Paulus Online Spiel, beim
Salomo Quiz und ähnlichen Angeboten kann man sich spielenderweise vergnügen, etwas dazulernen und manchmal auch Preise gewinnen. Andere Anbieter haben noch kreativere Ansätze, so kann z.B., wer sich keine Blasen an den Füßen holen möchte, auf eine
virtuelle Pilgerreise gehen.
Auch an interaktiven Angeboten mangelt es nicht: Auf allen größeren Portalen und vielen kleineren Webseiten bieten Diskussionforen die Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit Themen, die die Kirchenwelt oder die Gemeindemitglieder bewegen. Im
Bibelchat tauscht man sich nicht nur über Neues und Altes Testament aus, sondern auch über Glaube und Unglaube, Enttäuschungen und Hoffnungen und alles, was die Chatteilnehmer persönlich bewegt. Wer sich ernsthaft mit dem Bibelstudium auseinandersetzen möchte oder in Ermangelung eines eigenen Exemplars – z.B. auf Reisen – Ersatz sucht, kann auch dies über das Netz abrufen. Eine
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Bibelstudium mit
Bibel online und kostenlose
Bibelfernkurse sind nur eine kleine Auswahl solcher Angebote.
Ein wesentliches Element im Netzauftritt der Kirchen ist der seelsorgerische Bereich. Auch hier ist umstritten, ob das Internet das leisten kann, was die Seelsorger in der Regel im persönlichen Kontakt vermitteln. Der Soziologe und frühere evangelische Pfarrer, Professor Reimer Gronemeyer von der Universität Gießen,
warnte noch Anfang des Jahres 2001 vor der “Entkörperlichung” gerade im seelsorgerischen Bereich. Die große Zahl an virtuellen seelsorgerischen Angeboten scheint allerdings zu belegen, dass auch hierfür Bedarf besteht.
Anonymität wird in der Online-Seelsorge zu festen Terminen über einen geschlossenen Chat geboten, in dem der User mit dem Seelsorger für einen festgelegte Zeit im Chatraum alleine ist. Es ist allerdings auch möglich, sich per Email beraten zu lassen oder in einem offenen Chat mit anderen zu diskutieren. Wem ^das nicht zusagt, der kann sich auch dem internationalen ökumenische Seelsorge-Team der
Internet-Seelsorge oder der
Telefonseelsorge anvertrauen. Katholiken, die sich von ihren Sünden befreien möchten, können auch dies über das Netz tun: die
Online-Beichte offeriert nicht nur “innere Einkehr auf dem Computer”, sondern bietet auch autentisches Beichtstuhl-Feeling. Allederings handelt es sich dabei um ein Fake.
Für den Weg ins Netz bedarf es nicht unbedingt göttlicher Eingebung – kirchliche Gemeinden und christliche Einrichtungen können auf zahlreiche Hilfsangebote zurückgreifen. Wie man seine Kirchengemeinde ins Internet bringen kann und was dabei zu beachten ist, läßt sich in Tutorien erlernen, z.B. bei
“Kirchliche Präsenz im Internet” oder bei
“Kirche @ns Netz”. Als Provider mit zusätzlichen Serviceleistungen bietet sich der
Christliche Internet Dienst an.
Offensichtlich betrachten die Kirchen schon lange den Internet-Auftritt nicht mehr als als “lästiges Muss”. Sie haben die vielfältigen Möglichkeiten des World Wide Web für sich entdeckt und erkannt, dass sie mit entsprechendem Einsatz und Phantasie hier auch Menschen ansprechen können, die zum Besuch im Gottesdienst nicht mehr zu bewegen sind. Dass dies nicht bedeutet, dass die aktive Gemeindearbeit mit persönlicher Zuwendung aufgegeben wird, ist dabei selbstverständlich. Der Schritt in die vernetzte Gesellschaft zeigt, dass sich die Kirchen von ihrem Image als “überholte, unzeitgemäße Institutionen” befreien wollten. Es scheint zu gelingen.