Die Debate Academy am 27.10.2020 stand ganz im Zeichen des US-Wahlkampfs und seiner medialen Inszenierung. Mit unseren Podiumsgästen Julius van de Laar (US-Wahlkampfexperte und Strategieberater), Dr. Franziska Brantner (MdB Bündnis 90/Die Grünen), Prof. Dr. Andrew Ullmann (MdB FPD, stellv. Vorsitzender Parlamentariergruppe USA) und Marvin Neumann (YouTuber mit gleichnamigen Kanal) haben wir über die kommenden Wahlen in den Vereinigten Staaten und die Auswirkungen auf Deutschland diskutiert. Moderiert wurde die Debatte von der Journalistin Melanie Stein, zudem war der Mitinitiator der Debate Academy Andreas Briese von YouTube Deutschland Teil des Gesprächs.
Biden vs. Trump: Wer macht das Rennen?
Im Mittelpunkt der Debatte stand die Frage, welcher der beiden Kandidaten am Ende die Nase vorn haben wird. Auch wenn Biden in allen Umfragen zur Zeit deutlich vorne liegt, wissen wir seit den letzten Präsidentschaftswahlen vor vier Jahren, dass das Ergebnis am Ende ein anderes sein kann. Julius van de Laar betonte deswegen, dass die Umfragewerte stets eine Momentaufnahme seien und nicht die größte Aussagekraft hätten. Die Wahlentscheidung wird sich in den Battleground States, auch Swing States genannt, abspielen. Einig war sich die Runde, dass die Wähler*innenmobilisierung besonders in den letzten Tagen vor der Wahl einen großen Einfluss für das Endergebnis haben wird. Hier hätten die Demokraten die Nase vorn, da sie nicht so zersplittert, seien wie noch vier Jahre zuvor, so Ullmann.
Wahlsystem und Verfahren als Hürde
Prof. Dr. Andrew Ullmann, der auch die US-Amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, zeigte sich irritiert über den Wahlablauf in seinem Geburtsland. Bei seiner eigenen Stimmabgabe hat ihn verwundert, wie einfach er an einen Wahlzettel gelangen konnte. Hierfür musste er lediglich seine alte Adresse und Social Security Card Nummer angeben. Er glaubt, dass die Briefwahlen in Deutschland sicherer ablaufen als in den USA. Gerade bei knappen Wahlen, seien Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl demnach besonders bedenklich.
Auch Julius van de Laar stellt heraus, dass “das (Wahl-)System völlig kaputt und nicht reflektiert” ist. Dies macht er an der vergangenen Wahl aus dem Jahr 2016 fest. Hillary Clinton hatte hier mit über 3 Millionen Stimmen mehr als Trump, die “Popular Vote” gewonnen. Dennoch ging Donald Trump als Wahlsieger hervor, da er mehr Stimmen von den Wahlmännern erhalten hatte.
Medienlandschaft als die wahre Entscheidungsträger*in?
Klassische Nachrichtensender wie Fox News oder CNN spielen traditionell eine wichtige Rolle bei der Wahl in den Vereinigten Staaten. Doch insbesondere die Online-Kampagnen gewinnen an Bedeutung, wie Twitter-Präsident Donald Trump vormacht. Prof. Dr. Andrew Ullmann hat in der letzten Zeit festgestellt, dass auf Twitter, YouTube, Facebook und co. vermehrt offensichtlich manipulierte Videos geschaltet worden sind. So zeigt er sich besorgt, wie in Zukunft damit umgegangen wird. Andreas Briese von YouTube war sich in der Debatte dieser Rolle bewusst. Seiner Meinung nach sollte YouTube eine Balance zwischen Freiheit und Schutz bei demokratischen Prozessen schaffen. Hierfür werden bereits jetzt Inhalte, die gegen die Community Guidelines verstoßen, von YouTube entfernt so Briese weiter. Dazu zählen vor allem Hassrede, Diskriminierung und die Verbreitung von Fehlinformationen mit gravierenden Folgen. Aber auch die Förderung digitaler Kompetenzen der Bürger*innen sind in Zeiten von Fake-News und starker Meinungsäußerung wichtig, ergänzt der FDP Bundestagsabgeordnete Ullmann. Letztendlich sollte die Verantwortung aber nicht nur bei den Nutzer*innen liegen, Plattformen sollten sich über ihre Rolle, insbesondere bei politischen Themen, bewusst werden. Vor einigen Jahren sei das Netz noch der “absolute Wilde Westen” gewesen, sagt Julius van de Laar. Dies habe sich mit plattformeigenen Richtlinien gegen Hetze und Diskriminierung verbessert. Trotzdem gibt er zu bedenken, dass auch Staaten aktiver werden müssen, um auch gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Perspektiven für die Bundestagswahl 2021
Während der letzten US-Wahlkämpfe wurde der Begriff “negative Campaigning” immer stärker ausgeprägt. Kandidat*innen greifen sich direkt an und haben keine Scham dabei persönlich zu werden. Auf dieses Phänomen in Deutschland angesprochen, können sich Franziska Brantner und Andrew Ullmann für ihren eigenen Wahlkampf kein negative Campaigning vorstellen. Der deutsche Wahlkampf müsse sich über eine gesunde Diskussionskultur definieren. Kontraste in der Politik in Verbindung mit zugespitzten Debatten seien zwar wünschenswert, dürfen jedoch nicht unter die Gürtellinie geraten, so Ullmann. Marvin Neumann ist zufrieden mit der deutschen Politik und seiner Wahlkampfführung, er will keine emotionale Aufladung oder Personalisierung. Die Inhalte sollten stets im Vordergrund stehen. Julius van de Laar freut sich jedenfalls auf “den spannendsten Wahlkampf im Ausblick auf die Bundestagswahl 2021, der je kommt: “nach nun 16 Jahren wird im Wahlkampf 2021 alles neu”, so van de Laar weiter.
Wie letztendlich der Kampf zwischen Donald J. Trump und Joe Biden auf Social Media in den letzten Tagen vor der Wahl ausgefochten wird, wer trendet und am meisten polarisiert, wird sich zeigen – aber wird diese Person auch am Ende der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden? In der Nacht vom 3. auf den 4. November werden wir es auch hier in Deutschland wissen.
Unseren Hintergrundartikel zu dem Thema gibt es hier zum nachlesen.
Das ganze Gespräch steht als Aufzeichnung auf YouTube zur Verfügung:
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Photo by Jacob Stone on Unsplash
Text: CC-BY-SA 3.0