"Höher, schneller, weiter" – Rund
40. Weltausstellungen gingen der Expo 2000 in Hannover voraus.
Vierzigmal traf sich ein Teil der Welt, um sich mit den anderen zu messen. So verstrichen
das 19. und das 20 Jahrhundert und noch immer gibt es die Schau der Nationen.
Warum eigentlich? Wer braucht heute noch die Expo?
Die Weltausstellung ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Gezeugt vom Willen, sich der Welt
zu zeigen, waren ihre Geburtshelfer die Technikbegeisterung, Fortschrittsgläubigkeit und
nationale Euphorie des kolonialen und industriellen Zeitalters. "Die ganze Welt in einem Dorf"
auszustellen war damals natürlich ein hochgestecktes Vorhaben und doch dem Zeitgeist gerade
angemessen.
Als 1849 der Minister Henry Cole dem Prinzen Albert vorschlug, die regelmäßig stattfindenden
Industrieausstellungen zu internationalisiern, war dieser schnell für den Plan gewonnen.
England stand in der Blüte des viktorianischen Zeitalters und war mit seinen zahlreichen
Kolonien und der raschen industriellen Entwicklung eine stolze Nation.
Der Austausch von Entwicklungsfragen, die Kommunikation von gesellschaftlichen Gruppen
verschiedener Staaten, die Möglichkeit Berichte aus anderen Gegenden der Welt zu erhalten,
waren wichtige Aspekte der Weltausstellungen. Gleichzeitig boten sie den gastgebenden Nationen
Gelegenheit zur Repräsentation ihres Selbstverständnisses. Davon zeugen nicht zuletzt die
architektonischen Monumente, die eigens für Weltausstellungen errichtet wurden und bis heute
als nationale Wahrzeichen oder Legenden gelten: Der
Crystalpalace, der Eiffelturm,
das Lousianna-Monument. All diese
frühen Expo-Gebäude verbanden die Möglichkeiten des modernen Ingenieurbaus in Stahl und Glas
mit der großen Geste nationaler Repräsentation.
Lassen wir im Zeitraffer die Wettbewerbe stolzer Nationen hinter uns und durchqueren auch das
20. Jahrhundert, in dem die Weltausstellungen seltener wurden und die nationale Technikschau vor
dem Gedanken der völkerverständigenden Treffen in den Hintergrund traten, so landen wir direkt
an der Schwelle zum 21. Jahrhundert vor den Toren
Hannovers.
Und jetzt? Nationale Nabelschau? Technikmesse? Multi-Kulti Treffen? Für eine Weltausstellung in
Zeiten von Internet und EU ist das Movens schwer zu finden. Das Treffen der Nationen ist in
zweifacher Hinsicht überkommen: Das Konzept der Nation ist als Konstrukt entlarvt, der
Nationalstolz gerade hierzulande verpönt. Um einen Austausch zwischen den Kulturen zu
initiieren muss die Welt sich nicht in Hannover treffen, da die meisten mobilen Gesellschaften
ohnehin durch die neuen Kommunikationswege in ständigem Austausch stehen. Und kaum ein
Student, der nicht schon mal in
Thailand, Australien oder
Los Angeles war. Die Vereinigten Staaten haben ihre
Konsequenzen gezogen und nach einem Eiertanz schließlich ihre Teilnahme abgesagt. "Unzeitgemäß" lautete ihr Urteil.
Die Expo2000 hat trotzdem versucht, einen Weg zu finden, sowohl dem Anspruch der Weltausstellung
als auch dem anbrechenden Jahrtausend gerecht zu werden. Das Motto "Mensch – Natur – Technik" haut zwar niemanden
aus den Latschen, ist aber allgemein genug gehalten, um den Inhalt und den Anspruch nicht zu
wissenschaftlich geraten zu lassen.
Die Expo in Hannover ist die erste
Weltausstellung, die es auch im Internet gibt, die erste, die in einer relativ unbedeutenden
Provinzhauptstadt stattfindet, die erste, die kein neues Areal erschlossen hat oder gewichtige
bauliche Monumente errichtet. "Phantasievolle Pavillons" "Spektakel" und "Ereignisse" sollen
die Besucher in die "Erlebnislandschaft" locken, dort können Sie die Zukunft "riechen,
schmecken, mitgestalten". Die Expo2000 ist ein Megaevent, ein anspruchsvolles Super-Disneyland
mit fröhlichen Teilnehmern, putzigen Maskottchen, strahlenden Bundesgerds und leider genauso
verkalkuliert wie eine ganze Reihe "Family-Event"-Musicaltheater.
Trotzdem ist die Expo nicht verkehrt. Im Gegenteil, ein Expobesuch macht sogar sehr viel Spaß,
und da Spaß ein sehr gegenwärtiges Kriterium ist, kann niemand behaupten, die Expo sei
überkommen. Immerhin haben die deutschen Ausrichter es geschafft, eine neue Note für den
traditionellen Weltwettbewerb zu finden. Sicher, man fährt nicht mehr auf eine Weltausstellung,
um einen echten Japaner zu bestaunen oder eine neue Dampfmaschine in Augenschein zu nehmen.
Man fährt auf die Expo, um sich zu amüsieren.
So bekommt jede Zeit ihre Expo und jede Expo ihre Zeit.