Am Donnerstag, den 29.01.09 war CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla zu Gast im tagesschau-Chat in Zusammenarbeit mit politik-digital.de. Er beantwortete Fragen der Chatter zur kommenden Bundestagswahl, zur CDU-Parteiprogrammatik und möglichen Koalitionspartnern.
Moderatorin: Herzlich willkommen beim tagesschau-Chat im ARD-Hauptstadtstudio. Mein Name ist Corinna Emundts. Ich darf den CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla herzlich begrüßen, der
inzwischen samt Pressesprecher Matthias Barner eingetroffen ist. Herr
Pofalla, danke dass sie für uns Zeit haben – sind Sie bereit?
Ronald Pofalla: Ich bin bereit!
Moderatorin: Die erste Frage an Sie ist zugleich eine, die viele User vorab als besonders wichtig bewertet haben.
PAT:
Sehr geehrter Herr Pofalla, Sie und die CDU sprechen von der FDP als
Wunschpartner, mit dem nach der Bundestagswahl im September regiert
werden soll. Wie kategorisch ist diese Aussage? Sollten CDU/CSU nicht
eher sagen, dass wir uns eine schwarz-gelbe Koalition wünschen und, da
Wünsche nicht immer in Erfüllung gehen, gleichzeitig sagen, dass wir
uns andere Konstellationen vorstellen können, wenn Inhalte der Union
umgesetzt werden können? Zum Beispiel mit den Grünen?!
Ronald Pofalla:
Wir werden eine klare Koalitionsaussage zugunsten der FDP in unser
Wahlprogramm aufnehmen. Die Schnittmengen mit der FDP sind am größten.
Wir wollen eine Bundesregierung aus Union und FDP.
Moderatorin: Weshalb wollte sich die CDU-Vorsitzende bisher dann so wenig auf die FDP festlegen?
Ronald Pofalla:
Dieser Eindruck ist falsch. Sie hat ja unter anderem in ihrer
Parteitagsrede am 1. Dezember des vergangenen Jahres in Stuttgart
deutlich gemacht, dass sie die Zusammenarbeit mit der FDP will und dass
sie auch eine Koalitionsaussage zugunsten der FDP will.
TW: Glauben Sie, dass die FDP bei der Bundestagswahl ähnlich erfolgreich sein kann wie in Hessen?
Ronald Pofalla:
Das glaube ich nicht, weil es in Hessen ganz spezifische hessische
Gründe gab, die zu diesem tollen Ergebnis der FDP beigetragen haben.
me2:
Die CDU hat sich klar für den Bündnispartner FDP ausgesprochen,
bedeutet dies im Endeffekt auch eine Abwendung von Klimazielen hin zu
Zielen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik?
Ronald Pofalla:
Die FDP hat von Anfang an in den vergangenen zwölf Monaten nach der
Wahl im Januar 2008 deutlich gemacht, dass sie nur eine Regierung mit
der CDU haben will und bei dieser Aussage ist sie verlässlich und
standhaft geblieben. Um diese Fragen wird es aber bei der
Bundestagswahl gar nicht gehen. Zur zweiten Frage: Die Klima- und
Umweltschutzpolitik der CDU bleibt ambitioniert. Wir haben in unserem
Grundsatzprogramm außerordentlich ambitionierte Umweltschutzziele
festgeschrieben, daran wird die FDP nichts ändern können. Wir führen
einen eigenständigen Wahlkampf – Leihstimmen wird es für die FDP nicht
geben.
GehtsLos: Um welche Fragen wird es bei der Bundestagswahl gehen?
Ronald Pofalla: Auch familienpolitische Fragen, Umweltschutzfragen, Fragen der Integrationspolitik werden ihre eigenständige Bedeutung haben.
GehtsLos: Familienpolitik, Umweltfragen, Integrationspolitik, und das in Zeiten der Finanzkrise?
Ronald Pofalla:
Die drohende Klimakatastrophe ist ja nicht abhängig von
Wirtschaftskrisen und die Bewältigung dieser drohenden Klimakatastrophe
ist unabhängig von Konjunkturzyklen. Diese Frage ist von zentraler
Bedeutung, sie wird jetzt nicht im zentralen Mittelpunkt stehen, aber
sie wird die Menschen weiter bewegen.
Julien B.:
Wird die Energiepolitik, besonders die Energiesicherheit und das damit
verbundene "Ja" zur Kernkraft eines der Hauptwahlkampfthemen der Union?
Ronald Pofalla:
Es wird kein Hauptwahlkampfthema sein, aber wir werden deutlich machen,
dass wir die Kernenergie als Brückentechnologie für richtig halten. Wir
werden uns für eine Verlängerung der Laufzeiten der vorhandenen
sicheren Kernkraftwerke in Deutschland aussprechen. Damit erreichen wir
Energiesicherheit und wir könnten die zusätzlichen Gewinne der
Unternehmen, die sie durch die Verlängerung der Laufzeit der
Kernkraftwerke erzielen, in Energiepreissenkungen und in zusätzliche
Forschungsprojekte im Bereich der erneuerbaren Energien investieren.
Stefan: Glauben Sie, dass das Ergebnis der Hessenwahl aus der Stärke der CDU resultiert oder vielmehr aus der Schwächung der SPD?
Ronald Pofalla:
Beides. Roland Koch hat bewiesen, dass er in den vergangenen zwölf
Monaten in einer nie dagewesenen schwierigen Situation Nervenstärke und
Führungskraft gezeigt hat. Die SPD ist mit zwei Köpfen drei Mal gegen
dieselbe Wand gelaufen, hat das Wort gebrochen und sich dabei auch noch
wohl gefühlt. Dafür ist sie abgestraft worden.
Lars: Wird es im Wahlkampf eine Aussage der CDU über einen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan geben?
Ronald Pofalla:
Diese Frage stellt sich gar nicht. Der Einsatz der Bundeswehr in
Afghanistan ist unverzichtbar und wir werden jetzt mit dem neuen
amerikanischen Präsidenten – aber auch unseren anderen Verbündeten –
darüber zu reden haben, wie der Einsatz aller ausländischer Soldaten in
Afghanistan in den nächsten Jahren ausgestaltet sein muss.
Hans Müller: Was wird dann das Hauptwahlkampfthema der Union sein?
Ronald Pofalla:
Ich glaube, dass das zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht vorhergesehen
werden kann. Wenn wir uns die Entwicklung der letzten drei Monate
ansehen, bekommt man ja einen Eindruck davon, wie schnell und
dramatisch sich die Themen verändern. Ein moderner Wahlkampf muss sich
an den aktuellen Themen der Menschen, die sie für wichtig halten,
orientieren und nicht an theoretischen Überlegungen, die Monate vorher
unternommen worden sind.
balduin: Was sagen Sie zu den aktuellen Arbeitslosenzahlen? Wurden die Konjunkturprogramme zu spät gestartet?
Ronald Pofalla:
Ganz im Gegenteil. Der Anstieg der Kurzarbeiter auf 404.000 bedeutet
eine Zunahme um rund 300.000 und dies beweist, dass die Regelungen zur
Kurzarbeit aus dem Maßnahmenpaket I der Bundesregierung jetzt greifen.
Kurzarbeit soll ja Arbeitslosigkeit verhindern, dieses Instrument ist
höchst effizient und wirksam.
balduin: Warum wurden bei der Kfz-Steuerreform die großen Spritfresser und CO2-Abgasschleudern nicht stärker zur Kasse gebeten?
Ronald Pofalla:
Ich bin erstmal riesenfroh darüber, dass nach einer jahrelangen
Diskussion wir zum 1.7. diesen Jahres die Kfz-Steuer zu einer
CO2-orientierten Steuer umbauen werden. Damit wird der richtige Anreiz
gesetzt, CO2-arme Autos zu kaufen, weil man dadurch insgesamt den
CO2-Ausstoß bei den Automobilen reduzieren will.
kay: Wie ökologisch durchdacht ist Ihrer Meinung nach die Abwrackprämie?
Ronald Pofalla:
Bei der Abwrackprämie geht es ja vor allem darum, den eingebrochenen
Automobilverkauf neu anzuregen. In Deutschland ist jeder siebte
Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Automobilindustrie abhängig
und jetzt geht es darum, insbesondere alte Autos, die älter als 9 Jahre
sind, aus dem Verkehr zu nehmen und die neuen Autos werden deutlich
CO2-ärmer sein als diese alten Autos. So gesehen ist auch die
Abwrackprämie eine Prämie, die eine klare eindeutige ökologische
Komponente hat.
me2: Ist ein der CDU
nahestehender Wähler, der eine Abweichung der CDU von energischen
Klima- bzw. Energiezielen realisiert, nicht besser beraten, die Grünen
zu wählen, um ein Bündnis, das sich nur aus CDU und FDP zusammensetzt,
zu vermeiden?
Ronald Pofalla: Die Frage verstehe ich nicht.
Moderatorin:
Ich versuche, zu übersetzen: Wenn ein CDU-Fan befindet, dass die CDU
derzeit nicht grün genug ist, wäre er dann besser beraten, grün zu
wählen, um Schwarz-Grün zu erhalten und Schwarz-Gelb zu verhindern?
Ronald Pofalla:
Die Klimaschutzziele der CDU sind so ambitioniert, dass wir zum
Zeitpunkt unserer Beschlüsse offensiver beim Klima- und Umweltschutz
waren als es die geltende Beschlusslage der Grünen im Dezember 2007
wiedergab. Im Anschluss daran haben die Grünen einen Großteil unserer
Klimaschutzziele übernommen und sind an einer speziellen Stelle über
unsere Beschlusslage hinausgegangen. Ich würde ihnen empfehlen, das
Original zu wählen und CDU zu wählen.
Moderatorin:
Übrigens fällt auf, dass Sie als alter Schwarz-Grün-Fan sich irgendwie
um das Thema drücken : Bei der ersten Frage hatten Sie auch nicht
darauf reagiert. Gibt es dafür einen Grund? Ist Schwarz-Grün für Sie
immer noch eine Option, an die Sie gerne denken, auf die Sie neugierig
wären? Schließlich könnten Sie die Union ein bisschen verändern?
Ronald Pofalla:
Dass ich persönlich ökologisch ausgerichtet bin und der Frage der
Ökologie eine zentrale Bedeutung beimesse, ist nicht neu. Und in der
Tat: Ich bin bei der schwarz-grünen Pizza-Connection am Beginn der 90er
Jahre bei der Gründung mit dabeigewesen. Aber es bleibt dabei: Ich
persönlich und auch die CDU halten eine Koalitionsaussage zugunsten der
FDP für richtig, weil ich glaube, dass man ökologische Fragen mit
ökonomischen Fragen zusammen verbinden muss und genau diese Verbindung
klappt mit der FDP bestens.
JuppZupp: Wie unterscheidet sich eigentlich noch die CDU von der FDP?
Ronald Pofalla:
Die CDU ist die Partei der sozialen Marktwirtschaft. Zur sozialen
Marktwirtschaft gehören Freiheit und Sicherheit als zwei Seiten ein und
derselben Medaille zusammen. Die einseitige Betonung der FDP nur des
Marktes entspricht überhaupt nicht dem breit aufgestellten
programmatischen Anspruch der CDU.
Moderatorin: Es kommen viele Nachfragen zu Ökologie/CDU/Abwrackprämie:
Aaron:
Zur ökologischen Komponente: Ist es nicht so, dass es ökonomisch und
auch ökologisch effizienter ist, ein altes Auto "runterzufahren"? Das
ZDF behauptete dies in seiner letzten Sendung "Abenteuer Wissen".
Fredson999:
Weder die Abwrackprämie noch die Kfz-Steuer setzten ein Zeichen für die
Umwelt, die Autoindustrie wird unterstützt. Warum wird das
Konjunkturpaket nicht dazu genutzt, eine klares Zeichen für ÖPNV zu
setzten und diesen zu subventionieren? Arbeitsplätze, die in der
Autoindustrie verloren gehen, werden dort neu entstehen.
Ronald Pofalla:
Die ganzen Berechnungen zeigen, dass die Herausnahme insbesondere der
über neun Jahre alten Autos und der Anreiz, neue Autos zu kaufen, die
die Euronorm 4 erfüllen, zu einer erheblichen Reduzierung des
CO2-Ausstoßes beitragen. Und deshalb ist die Abwrackprämie auch eine
Umweltprämie und ein guter Beitrag zur CO2-Reduktion. Die
Arbeitsplätze, die wir in der Automobilindustrie haben, sind
außerordentlich wichtig. weil sie auch die Zukunft hunderttausender von
Menschen sichern. Und deshalb war es richtig, dass sich die
Bundesregierung hier auf die Sicherung dieser Arbeitsplätze
konzentriert hat.
TOBL: Herr Pofalla, Sie sagen, dass die CDU
die Partei der sozialen Marktwirtschaft sei, während die FDP an einer
einseitigen Betonung des Marktes festhalte. Wären dann nicht
Sozialdemokraten oder Grüne die sinnvolleren Koalitionspartner der CDU?
Ronald Pofalla:
Dass bei der SPD der Markt besonders betont wird, sehe ich auch nicht,
aber die SPD ist immer eine Partei gewesen, die staatliche Eingriffe
und Regulierungen für richtig hält und nie darüber nachdenkt, wie sie
vielleicht auch einmal zurückgenommen werden können. Die Grünen
verstehen viel von Ökologie aber so gut wie gar nichts von Ökonomie.
Moderatorin: Vergessen Sie da nicht Schröder und die Agenda 2010?
Ronald Pofalla:
Die Agenda 2010 hat dazu beigetragen, dass wir mehr Geld als jemals
vorher in Deutschland für Soziales ausgegeben haben, beim
Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II ausgeben. Wenn man
vergleicht, was vorher für Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ausgegeben
wurde, dann geben wir heute zwischen drei und fünf Milliarden Euro mehr
aus. Eine Zurücknahme des Staates und eine Reduzierung staatlicher
Ausgaben kann ich darin nicht erkennen.
Moderatorin: Die CDU hat die Agenda 2010 mit unterstützt und Merkel lobt sie heute noch.
Ronald Pofalla:
Die Kritik, die ich geübt habe, bezieht sich ja nicht auf das neue
System, sondern versuchte, dem Einwand zu begegnen, dass Schröder nun
mit der Agenda 2010 volkswirtschaftlich gesehen besonders ökonomisch
gehandelt hätte.
Jan87: Haben Sie denn die Agenda 2010 nicht im Bundestag/-rat unterstützt und sogar verändert?
Ronald Pofalla:
Wir haben zusätzliche neue Arbeitsplätze in einer Größenordnung von bis
zu 1,6 Millionen Arbeitsplätzen, wir haben in den vergangenen drei
Jahren das größte Wirtschaftswachstum dieses Jahrzehnts und wir hatten
das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes fast erreicht. Und schließlich
haben wir die Sozialversicherungssysteme wieder zukunftsfest gemacht
und wir haben die Arbeitslosigkeit in der Spitze um über zwei Millionen
abgebaut.
frankk: Sind Sie zufrieden mit dem was die Große Koalition bisher geleistet hat?
Ronald Pofalla:
Ich glaube, dass die Große Koalition eine gute Bilanz vorweisen kann.
Wir haben eine Abnahme der Arbeitslosigkeit in einem Umfang von fast
zwei Millionen Arbeitslosen gehabt.
TOBL: SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier sagt, das Konjunkturpaket sei zu 90 Prozent sozialdemokratisch, was entgegen Sie ihm?
Ronald Pofalla:
Ein putziger Beitrag des Kanzlerkandidaten der SPD. Die SPD wollte
Steuern erhöhen, wir senken Steuern. Hieran wird alleine deutlich, wer
sich durchgesetzt hat.
SusiSun: Wie werden die nachfolgenden Generationen die Rekordschulden tilgen?
lollo:
Was tut die CDU konkret, um eine weitere Schuldenzunahme zu Lasten der
jungen Generation einzuschränken? Das Konjunkturpaket I und II stellen
immerhin eine enorme Belastung dar, sind aber in ihrer Wirkung
umstritten.
Ronald Pofalla: Es wird einen klaren
Tilgungsplan geben. Die zusätzlichen Schulden durch das Maßnahmenpaket
I und II werden in einen Fonds kommen und dieser Fonds wird in den
nächsten Jahren schnell getilgt werden. Zusätzlich sprechen wir uns zum
Schutz der jungen Generationen klipp und klar für die Aufnahme einer
Schuldenbremse im Grundgesetz aus. Hier müssen sich vor allem die
Sozialdemokraten endlich bewegen.
Moderatorin:
Die Kanzlerin wertet die Konjunkturpakete der Koalition als
erfolgreiche Maßnahme im Kampf gegen die Finanzkrise, die FDP fordert
Nachbesserungen. Was spricht da eigentlich gegen die Fortsetzung der
Großen Koalition mit der SPD?
balduin: Wenn
durch die Agenda 2010 viele Arbeitsplätze geschaffen wurden und die
große Koalition erfolgreich gearbeitet hat, warum wollen Sie dann nicht
mit der SPD weiterregieren?
Ronald Pofalla: Eine
Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass die unterschiedlichen
Grundströmungen auch immer in eine Alternativstellung gebracht werden.
Wir haben von Anfang an deutlich gemacht, dass wir die große Koalition
aufgrund des Wahlergebnisses für vier Jahre für richtig halten – aber
eben darüber hinaus sie auch nicht fortsetzen wollen. Also ersteinmal
habe ich nicht gesagt, dass durch die Agenda 2010 viele Arbeitsplätze
geschaffen worden sind. Ich halte die Agenda 2010 in Teilen für
richtig, aber vieles von dem war auch falsch. Und Schröder hat die
Agenda 2010 erst aufgelegt, als das Kind bereits in den Brunnen
gefallen war. Das zeigt, dass Sozialdemokraten immer erst zu spät
reagieren und ich wünsche mir eine Regierung, die so flexibel und
sensibel reagiert, dass man auf strukturelle Schwierigkeiten so früh
wie möglich reagiert…
aleks: Wieviel Prozent trauen sie der SPD bei der nächsten Bundestagswahl zu?
Ronald Pofalla:
Die SPD liegt im 20-Prozent-Turm. Noch vor einigen Jahren hatte sie die
Chance, auf Ende-20 zu kommen. Da sie ihr Verhältnis zur Linkspartei
nicht geklärt hat, wird die Linkspartei ihr weiter Stimmen abnehmen und
nun besteht die Gefahr, dass der 20-Prozent-Turm sich eher an 20
Prozent orientiert.
Eugen: Was halten Sie von Frank-Walter Steinmeier?
Ronald Pofalla:
Frank-Walter Steinmeier ist kein guter stellvertretender
SPD-Vorsitzender. Er hat die Beschlüsse, die die SPD in die
Schwierigkeit mit der Linkspartei gebracht haben, zu verantworten. Er
hat sich nicht in den vergangenen zwölf Monaten gegen die hessische SPD
gestellt und den Wortbruch der hessischen SPD kritisiert. In dieser
Frage hat der stellvertretende SPD-Vorsitzende Steinmeier der SPD
geschadet.
gans: Es findet eine weltweite
Politikwende statt, Stichwort Obama. Steht die wirtschaftsliberale CDU
nicht für die Politik von gestern?
börder11: Was erhoffen Sie sich von Obama?
Ronald Pofalla:
Ich kann jetzt gar nicht erkennen, wo zwischen der praktischen Politik,
die Obama in den wenigen Tagen seiner Präsidentschaft deutlich gemacht
hat, ein Unterschied zur CDU zu erkennen ist. Er hat jetzt den Versuch
unternommen, ein umfangreiches Konjunkturprogramm für die USA
umzusetzen. Wir haben bereits zwei Maßnahmenpakete beschlossen. Ich
erhoffe mir von Obama, dass wir eine neue Belebung des
transatlantischen Verhältnisses bekommen und dass Europa im
deutsch-amerikanischen Verhältnis eine zentrale Rolle behält.
Moderatorin: Kommen wir zum Thema Bildung. Hier eine der im Pre-Chat hoch bewerteten Fragen:
Advocat:
Sehr geehrter Herr Pofalla, die Wirtschaft und Politik sind einer
Meinung, dass mehr hochqualifizierte Menschen gebraucht werden. Warum
wird aber im Gegenzug der Zugang zum Studium erschwert, indem bspw.
hohe finanzielle Hürden geschaffen werden und die Studienzeit nicht
einmal mehr auf die Rente anrechenbar ist?
Ronald Pofalla:
Der Zugang zum Studium ist doch eher erleichtert worden in den letzten
Jahren. Das Bafög ist erhöht worden, um nur ein Beispiel zu nennen. Und
genau damit soll doch gerade finanzschwächeren Studenten die
Möglichkeit zu einem Studium gegeben werden. Auf dem Bildungsgipfel ist
deutlich beschlossen worden, dass insgesamt die Ausgaben für Bildung
und Hochschule in Deutschland deutlich erhöht werden müssen. Alles das
halte ich für richtig.
Jan87: Als Student kann ich das ganz und gar nicht bestätigen.
ole: Bafög Erhöhung gleicht doch nicht mal die Inflation aus…
suppi: Wer bekommt heute noch Bafög? Das ist doch eine Minderheit.
blub: Studiengebühren sprechen aber genau vom Gegenteil.
Haifa2009: Welches Konzept bieten Sie, um mehr junge Erwachsene zu einem akademischen Uni-/FH-Abschluss zu bewegen?
Ronald Pofalla:
In dem wir die Bildungsdurchlässigkeit propagieren. Wir halten es für
richtig, dass berufliche Abschlüsse – sei es der Gesellenbrief oder der
Meisterbrief – Eingangsvorraussetzungen sein sollen, um studieren zu
können.
Ronald Pofalla: Studiengebühren sollen
ja zu 100 Prozent den Universitäten zur Verbesserung ihrer Situation
zur Verfügung stehen und wirken sich deshalb außerordentlich positiv
auf die Studienbedingungen der Studenten aus. Im Übrigen ist es
Länderangelegenheit, über Fragen der Studiengebühren zu entscheiden und
keine Bundesangelegenheit.
besserwisser1: Das
meinen Sie doch nicht im Ernst? An meiner Hochschule sieht es ganz
anders aus! Studiengebühren sollen zur Renovierung und Sanierung
eingesetzt werden?! Kaum einer bekommt Bafög und nahezu jeder muss fast
Vollzeit arbeiten um auch nur annähernd über die Runden kommen! Das
kann Ihnen doch nicht entgehen!
Ronald Pofalla:
Zur Verbesserung der Situation von Studenten zählt doch unter anderem
auch die Verbesserung der gebäudlichen Situation der Hochschulen.
Dieses Geld wird doch so gesehen ausschließlich zur Verbesserung der
Situation der Studienbedingungen von Studenten eingesetzt. Ich bleibe
dabei: Der Anteil der Bafög-Bezieher steigt in den letzten Jahren und
im übrigen will ich aus meiner eigenen Studien-Vita sagen: Ich habe
während meiner beiden Studien, die ich begangen und abgeschlossen habe,
selber immer arbeiten müssen, um mir das Studium zu finanzieren. Ich
kann nicht erkennen, dass mir das geschadet hat.
blub:
An meiner Uni merke ich nichts von besseren Studienbedingungen durch
die Studiengebühren. Überfüllte Kurse, schlechte Ausstattung usw. sind
hier immer noch normal. Wenn ich mit dem Argument rangehe "Ich bezahle
was dafür, ich will was dafür bekommen" – kann man studieren in
Deutschland vergessen.
Ronald Pofalla: Aber es
bleibt dabei: Die Länder, die Studiengebühren erheben, können in allen
Fällen nachweisen, dass das Aufkommen der Studiengebühren zu 100%
Prozent den Hochschulen zur Verfügung gestellt wird. Und diesen Ansatz
halte ich für richtig…
Christoph R.: Was
wollen Sie in Zukunft unternehmen, damit nicht noch mehr junge Ärzte,
die gerade erst ihr Studium abgeschlossen haben in Deutschland, ins
Ausland wechseln, weil die dortigen Arbeitsbedingungen (Lohn, Zeit
etc.) deutlich besser sind?
Ronald Pofalla:
Deshalb haben wir gerade mit der Gesundheitsreform, die seit dem 1.1.
diesen Jahres umgesetzt worden ist, rund zweieinhalb Milliarden Euro
mehr für die Arztvergütung in Deutschland zur Verfügung gestellt. Wir
wollen, dass Ärzte in Deutschland gut und ausreichend vergütet werden.
knorr:
In der deutschen Bildungspolitk ist innerhalb der Länder und des Bundes
in den letzten Jahren eine unglaubliche Hektik entstanden – alles muss
reformiert werden. Ob es die Hochschulabschlüsse oder die Bildungspläne
sind. Schüler, Eltern, Lehrer, Studenten und Hochschulabgänger sind
unzufrieden und nach jeder Studie wird alles nur noch weiter
beschleunigt. Wie könnte Ihre Partei es schaffen dies zu
entschleunigen, Druck herauszunehmen, den Menschen wieder Vertrauen in
die Bildung zu geben? Wird das Thema Bildung auch Bundeswahlthema sein,
obwohl es weiterhin Ländersache bleibt?
Ronald Pofalla:
Ich glaube, dass Thema Bildung wird weiter von zentraler Bedeutung
sein, weil sich Deutschland gerade im Übergang von der
Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft befindet. Dass sich
unsere Bildungsinstitutionen reformieren mussten, zeigen alle
internationalen Vergleiche und Ruhe kann nun wirklich nicht an der
Bildungsfront das oberste Ziel sein. Oberstes Ziel muss es sein, sowohl
die Institution Schule als auch die Institution Hochschule so zu
verändern, dass wir mit den internationalen Standards Schritt halten
können.
iSoul: Versuchen Sie mal, unter den
aktuellen Bedingungen noch einmal zu studieren. Das Bachelor-Studium
macht das Arbeiten nebenher fast unmöglich!
tim: Was halten sie von Ganztagsschulen?
Ronald Pofalla:
Ich glaube, dass Ganztagesschulen von immer größerer Bedeutung werden.
Deshalb bin ich der Auffassung, dass die Erhöhung der Investitionen in
den Bereich Schule notwendig sind, um überhaupt an vielen Schulen
Ganztagsangebote unterbreiten zu können. Ich glaube, dass das ein
Zukunftsweg ist, der noch energischer beschritten werden muss.
tim: Wie könnte man Deutschland familienfreundlicher machen?
Ronald Pofalla:
Indem wir den Eltern, die Kinder in die Welt gesetzt haben, zusätzliche
weitere Hilfen geben. Die Einführung des Elterngeldes war richtig, ist
aber im wesentlichen auf zwölf Monate beschränkt worden. Sobald wir
dafür wieder finanzielle Möglichkeiten haben, muss man über die
Verlängerung des Elterngeldes nachdenken und entscheiden.
Margret: Herr Pofalla, was halten Sie vom Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens?
Ronald Pofalla:
Ich stehe diesem Ansatz eher skeptisch gegenüber.Ich glaube, dass
staatliche Leistungen an Voraussetzungen gebunden sein müssen, weil
sonst der Anteil der Menschen steigen wird, die sich auf diesen
bedingungslosen Grundeinkommen ausruhen.
Dennis Neubert:
Es ist eine wahre Armut, dass die Wirtschaft erst zusammenbrechen muss,
dass mehr in Bildung investiert wird! Was meinen Sie dazu?
Ronald Pofalla:
Das Thema Bildung ist seit Jahren ein zentrales Thema und der
Bildungsgipfel war übrigens terminlich schon festgelegt zu einem
Zeitpunkt, da hat kein Mensch über die Wirtschaftskrise geredet…
Moderatorin: Thema schon, aber handeln?
Ronald Pofalla:
…die Wirtschaftskrise hat allerdings uns noch einmal deutlich vor
Augen geführt, wie wichtig das Thema Bildung ist. Je höher die Bildung,
je geringer die Wahrscheinlichkeit auf Arbeitslosigkeit. Man kann immer
mehr tun. Aber auf dem Bildungsgipfel ist ja vereinbart worden, die
Ausgaben für Bildung und Forschung bis zum Jahre 2015 auf 10 Prozent
des Bruttosozialproduktes zu steigern. Wenn dieses Ziel erreicht wird,
haben wir einen Meilenstein in die Zukunft gelegt.
Moderatorin:
Wir haben im Chat nebenbei eine (nicht repräsentative) Umfrage unter
den Usern gemacht – ob die Fortsetzung der Großen Koalition gewünscht
ist. Hier das Ergebnis: 22 Prozent für, 78 Prozent gegen Fortsetzung –
Herr Pofalla, wollen Sie darauf kurz reagieren?
Ronald Pofalla: Wunderbar. Ich teile die Mehrheitsmeinung der User.
Moderatorin:
(Er lacht ziemlich breit.) Die Süddeutsche Zeitung schreibt heute über
die "verunsicherte CDU" und den Eiertanz der Vorsitzenden um eine
undefinierte Mitte: War es ein Fehler, dass Sie den Slogan "Die Mitte"
für sich ausgesucht haben?
Ronald Pofalla: Es
war ein richtiger Schachzug. Wir haben damit deutlich gemacht, dass die
SPD sich von Schröders "Neuer Mitte" endgültig verabschiedet hat. Und
wir haben deutlich gemacht, dass die CDU die Partei der Leistungsträger
in unserer Gesellschaft ist – der Menschen, die arbeiten und für andere
sorgen, der Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, der
Menschen, die der Hilfe bedürfen.
Moderatorin: Eine persönliche User-Frage an Sie zum Schluss 😉
TSG: Sehen Sie sich als einen möglichen Nachfolger für Angela Merkel?
Ronald Pofalla:
Ich bin Generalsekretär der CDU Deutschland. Mir macht der Job riesig
Spaß und ich will mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin und
CDU-Vorsitzenden die Wahlen im September gewinnen.
Moderatorin: Das war aber eine sehr vorgedruckte Antwort, also nochmal:
Ronald Pofalla:
Angela Merkel ist eine tolle CDU-Vorsitzende und eine Bundeskanzlerin,
die Deutschland sicher in die Zukunft führt. Beide Ämter werden von ihr
super ausgefüllt. Es gibt überhaupt keinen Bedarf an irgendeiner
Veränderung.
Moderatorin: Okokok, capito! Sie können
nicht aus der Rolle… Das war bereits eine gute Stunde hier im
tagesschau-Chat. Herzlichen Dank, Ronald Pofalla, dass Sie sich hier im
ARD-Hauptstadtstudio Zeit für die Diskussion mit den Lesern von
tagesschau.de und politik-digital.de genommen haben. Ein Dankeschön
auch an unsere User für die vielen Fragen, die wir leider nicht alle
stellen konnten. In kurzer Zeit finden Sie das Protokoll dieses Chats
auf unserer Homepage. Das tagesschau.de-Team wünscht allen noch einen
schönen Tag.
Ronald Pofalla: Ich bedanke mich wirklich für die tollen Fragen und wenn ich von der ARD noch einmal eingeladen werde, komme ich gerne wieder.
Eine Menge an Themen die angerissen wurde. Leider beschleicht einen wie so oft das Gefühl mit etwas Inhaltsschwachen Aussagen bedient zu werden, anders scheint es wohl in der Politik nicht zu gehen. Man möchte zu der gesamten Bandbreite an Themen eine Antwort haben, Inhalte oder Umsetzbarkeit sind daher nebensächlich. Antworten wie “zu diesem Thema habe ich keine Meinung, ist nicht mein Ressort” scheinen wohl in der heutigen Zeit “als Schwäche” zeigen interpretiert zu werden.
Schauen wir mal ob sich die FPD wirklich nur in Hessen behaupten konnte, weil es so spezifisch war. Ich denke die deutliche Steigung wird auch bei der Bundestagswahl bestehen. Zu jedem Thema eine Meinung haben könnte nämlich out sein.