Am Mittwoch, dem 21. November, war Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes, zu Gast im tagesschau-Chat in Kooperation mit politik-digital.de. Er sprach über Energiequellen, Umweltschutz und forderte ein Tempolimit auf Autobahnen.

 

Moderator: Liebe Umwelt- und Politik-Interessierte,
herzlich willkommen im tagesschau-Chat. Der vierte Bericht des Weltklimarat
ist verabschiedet und seine Aussage ist klar: Der Klimawandel kommt
und möglicherweise schneller und intensiver als bislang gedacht.
Im ARD-Hauptstadtstudio begrüße ich einen höchst
kompetenten Gast zum Thema Klimawandel und praktischer Umweltschutz:
Den Präsidenten des Umweltbundesamtes, Andreas Troge. Herzlichen
Dank Herr Troge, dass Sie sich Zeit für den Chat mit den Usern
von tagesschau.de und politik-digital.de nehmen. Können wir
loslegen, Herr Troge?

Andreas Troge: Ja!

Andreas Troge
Andreas Troge
Präsident des Umweltbundesamtes

Bummi: Wie wird das Umweltbundesamt
in der Bundesregierung gehört, was zählt Ihre Expertise
dort?

Andreas Troge: Die Expertise zählt zumeist
im besonderen Maße, was langfristige Wirkung angeht: Beispielsweise
haben wir zum Thema Waldschäden bereits in den siebziger Jahren
unsere Expertisen geliefert, kurz nach Gründung des Amtes.
Im Jahre 1986 ist dies erst in praktische Politik, also in Gesetze
zu Entstickung und Entschwefelung der Kraftwerke, gegossen worden.

Wir sind im Grunde die größte Bundesfacheinrichtung
und unterstützen die Bundesregierung in allen fachlichen Fragen,
außer Strahlenschutz / Reaktorsicherheit und speziellen Fragen
des Naturschutzes. Unser Leitbild ist "Für Mensch und
Umwelt", wir schützen also die menschliche Gesundheit
vor Umwelteinflüssen und kümmern uns um die natürlichen
Lebensgrundlagen, wie es das Grundgesetz in Artikel 20 a verlangt.

Moderator: Das Beispiel Waldschäden: In den
1970er Jahren kommen die Studien, Mitte der 1980er passiert was,
ist das immer noch das Tempo der Politik?

Andreas Troge: Ja, wir erleben es beim Klimawandel.
Die Warnungen kommen hier aus Mitte der Achtziger Jahre und wir
haben erst im Jahre 1997 die völkerrechtliche Vereinbarung,
das Kyoto-Protokoll, unterschrieben. Wenn ich sage "wir2, dann
sind das weit über hundert Staaten, von denen alle Industriestaaten
Verpflichtungen eingegangen sind, ihre Treibhausgasemmissionen um
durchschnittlich fünf Prozent bis 2012 gegenüber 1990
zu vermindern.

Wir erleben diese langen Wirkungszeiträume in der Politik
auch bei der Chemikaliengesetzgebung: Erst im letzten Jahr beschloss
die Europäische Union, alle auf dem Markt befindlichen ungeprüften
(über 30.000) Chemikalien daraufhin zu prüfen, ob sie
der Natur und der menschlichen Gesundheit auch keine Schäden
zufügen. Und das, obwohl die Wissenschaften schon lange vor
Gründung des Umweltbundesamtes im Jahre 1974 die Chemikalienrisiken
erkannten. Auch Politiker sind Erfahrungswesen.

Klima2004: Die Klimasituation hatte sich bereits
2004 deutlich abgezeichnet. Schröder hatte die Klimaschutzpläne
der Bundesregierung im April 2005 dennoch abgeschrieben. Warum findet
die Diskussion erst 2007 statt? Geben die Lobbygruppen der Industrie
das politische Handeln vor?

Andreas Troge: Die Lobbygruppen geben das Handeln
nicht vor, denn sonst wären wir noch nicht so weit. Sie grätschen
allerdings in progressive Vorschläge hinein. Klimaschutz findet
in Deutschland aktiv seit Anfang der 1990er Jahre statt. Ich erinnere
daran, dass der damalige Bundeskanzler Kohl gesagt hat, wir wollen
die CO²-Emissionen bis 2005 um 25 Prozent gegenüber 1990
senken. Dieses Ziel haben wir nicht ganz erreicht, aber wir werden
unser Ziel erreichen bis 2012 alle sechs Treibhausgase zu reduzieren,
und zwar um 21 Prozent. Hier ging es früh los und die neuen
Beschlüsse der Bundesregierung – Stichwort Kabinettsklausur
Meseberg – sind eine wesentliche Stärkung des klimapolitischen
Trends.

John Harris: Was können wir tun, um die Macht
von den Lobbys, die gegen den Klimaschutz arbeiten, zu brechen?

Andreas Troge: Indem man mit den Lobbys nicht
umgeht nach dem Sumoringer-Prinzip, sondern nach dem JiuJitsu-Prinzip,
also nicht Kraft gegen Kraft, sondern mit der Kraft wirken. Symptomatisch
ist hier die europäische Automobilindustrie das Beispiel. Die
Märkte der europäischen und der weltweiten Autoindustrie
liegen in der Motorisierung sich stark entwickelnder Länder.
Die Motorisierung läuft dort ähnlich ab wie bei uns in
den 1950er Jahren, kleine verbrauchsarme Autos machen die Massenmotorisierung
aus.

Ein Automobilangebot, das auf Surpreme-Fahrzeuge setzen würde,
kickte sich aus dem Weltmarkt weitgehend heraus. Deshalb ist die
Botschaft des Klimaschutzes: Wer zukünftig Geld verdienen will,
muss energiesparsame Produkte anbieten, sonst ist er vom Markt weg.
Schönes Beispiel sind die erneuerbaren Energien. Deutschland
hat 1990, als noch ein gewisser Herr Töpfer Umweltminister
war, ein Stromeinspeisegesetz für Windenergien beschlossen.
Dann kam das Erneuerbare-Energien-Gesetz in den 1990ern, setzte
auf das alte Stromeinspeisegesetz auf und heute haben wir hoch effiziente
Windenergieanlagen. Ohne diesen Vorlauf wären wir heute nicht
Weltmarktführer und Exportweltmeister in Windenergieanlagen.

Moderator: Ein bisschen provokativ gefragt:

Ruupe: Die Prognosen lauten auf einen Energiebedarf
von weiteren circa 50 Prozent in den kommenden Jahren. Um wie viel
lässt sich dieser weltweite Mehrbedarf reduzieren, wenn ich
Energiesparlampen reindrehe?

Andreas Troge: Das ist das typische Argumentationsmuster,
das wir in jeder Politik, nicht nur in der Klimapolitik, haben.
Welchen Teil macht mein möglicher Beitrag zum Gesamtziel aus?
Jeder Beitrag ist nur klein, aber setzt auch Vorbilder für
andere und regt zum Nachahmen an. Insbesondere dann, wenn man mit
Energiesparlampen, rechnet man Einkaufspreis und Strom zusammen,
richtig Geld sparen kann. Wie ich es gestern mal wieder in einer
Talkrunde gehört habe: "Warum ist der Flugverkehr im Klimaschutz
so wichtig, da doch die Kohlekraftwerke viel mehr Co² ausstoßen?"

Jetzt wird es für mich wichtig: Die Klimaänderung ist
eine so große Bedrohung, dass wir gar nicht mehr fragen dürfen:
"Tun wir dieses oder jenes?", sondern uns aufraffen müssen,
alles zu tun, was in unseren Kräften steht. Also weniger Kohlekraftwerke,
weniger Treibhausgase aus dem Flugverkehr, sparsamere Autos, gedämmte
Autos und gedämmte Häuser.

Moderator: Wir haben ja vor dem Chat wie immer
Fragen gestellt: Das hier war die am höchsten bewertete:

AGER e.V.: In Deutschland sind mehr als 20 neue
Kohlekraftwerke geplant. Der Co²-Ausstoß wird immens
sein. Warum erlaubt die Regierung den Bau dieser Kraftwerke? Sind
diese Emissionen in der aktuellen Co²-Kalkulationen für
Deutschland schon enthalten? Wenn nicht, wären es zusätzliche
Emissionen? Wo würde das Co² eingespart werden?

Andreas Troge: Erstens: Nach meiner Kenntnis sind
momentan neun Kraftwerke, davon drei Gaskraftwerke, geplant oder
in Bau, die bis zum Jahr 2012 ans Netz gehen. Es gibt andere Zahlen,
die reden von 20 – 40 Kraftwerken. Dabei handelt es sich bei diesen
anderen höheren Zahlen um bloße Absichtserklärungen,
die bei der deutschen Netzagentur angemeldet werden.

Warum verhindert die Bundesregierung keine Kohlekraftwerke? Die
einfache Antwort wäre, jeder, der ein Kohlekraftwerk haben
möchte, kann eines bauen, falls er die Anforderung nach dem
Imissionsschutzrecht und die örtlichen Voraussetzungen erfüllt.
Also genügend Kühlwasser, Zufahrtsmöglichkeiten und
die Beachtung der Lärmbelästigung. Trotzdem regulieren
die Bundesregierung und die Europäische Union Kohlekraftwerke,
aber aus einer ganz anderen Ecke, nämlich über den Emissionshandel.
Der Emissionshandel beschränkt die Menge der jährlich
aus Kraftwerken ausgestoßenen Kohlendioxidemission.

Man muss sich das so vorstellen: Ein großes Kraftwerk erhält
ein Emissionszertifikat, also eine Berechtigung Emissionen auszustoßen
(beispielsweise 2,5 Millionen Tonnen). Diese Menge hat die Bundesregierung
jetzt herabgesetzt, um 57 Millionen Tonnen für Gesamtdeutschland.
Das bedeutet beispielsweise, dass ein Kraftwerk nicht mehr zwei
Millionen Tonnen für ein Jahr bekommt, sondern 1,9. Das heißt,
es muss, wenn es weiterhin zwei Millionen ausstoßen wollte,
sich von einem anderen Kraftwerk Emissionsberechtigungen kaufen
in Höhe von 100.000 Tonnen. Das macht Kohle teuer.

Zweitens wird ab 2013 aller Voraussicht nach kein Zertifikat, keine
Emissionsberechtigung, mehr unentgeltlich vom Staat an die Stromerzeuger
gegeben, sondern nur noch gegen Entgelt. Der Preis für die
2008er Zertifikate liegt zur Zeit zwischen 21 und 23 Euro pro Jahrestonne
Co². Das heißt, wer Kohlendioxid ausstößt,
muss die immer knapper werdenden Zertifikate zu immer höheren
Preisen kaufen. Das macht Kohle immer weniger konkurrenzfähig
und zwar aus Klimaschutzgründen, so dass die Antwort auf die
Frage heißt: Die Bundesregierung regelt nicht das einzelne
Kraftwerk, sondern die Gesamtmenge des Kohlenstoffdioxidausstoßes
aller Kraftwerke. Welches Kraftwerk wie stark Strom produziert,
hängt dann von den wirtschaftlichen Überlegungen der einzelnen
Kraftwerksbetreiber ab. Den Umweltschützern kommt es aber auf
eines an: Mit der Co²-Menge pro Jahr, die wir ausstoßen,
muss es runter gehen, egal wo Co² herkommt und aus welchem
Kraftwerk.

Meine Prognose ist, jeder Investor ist heute schlecht beraten,
ein Kondensationskraftwerk neu zu bauen, also ein Kraftwerk, das
nur Strom produziert und die Wärme in die Umwelt entlässt,
weil diese Kraftwerke pro Kilowattstunde viel Co² ausstoßen
und wertvolle Zertifikate brauchen, die man sonst am Markt verkaufen
könnte oder nicht kaufen müsste. Kohlekraftwerke haben
eine Zukunft als dezentrale, relativ kleine Kraftwärmekopplungsanlagen.

Smallville: Bezogen auf die Frage mit den Kraftwerken:
Wurden bei der Einführung des Emissionshandels nicht erhebliche
Fehler gemacht? Schließlich liegt der Preis pro Tonne Co²
aktuell bei gerade mal fünf Cent?

Andreas Troge: Ja und Nein. Ja deshalb, weil wir
rückblickend sagen können, dass zuviel Zertifikate vor
allem auch noch kostenlos verteilt worden sind. Nein, weil damals
niemand wusste, wie viel Co²die einzelnen Kraftwerke ausstießen.
Und nein auch deshalb, weil es damals (im Jahre 2003/2004) überhaupt
um die Frage ging, einen Emissionshandel einzuführen. Denn
die Ausgangslage hieß, jedes Kraftwerk durfte unentgeltlich
so viel Co² ausstoßen, wie es wollte – und betrachtete
dies als sein Eigentumsrecht. Plötzlich kam der Staat und sagte
"Du darfst das nicht mehr unbegrenzt ausstoßen, Kraftwerksbetreiber"
und da war es klug, zwei Dinge zu tun: Erstens: die Menge nicht
allzu sehr zu verkürzen, die jährliche Emissionskraft
nicht zu sehr zu verkürzen, weil der Widerstand sonst enorm
gewesen wäre. Und zweitens: die Zertifikate auch unentgeltlich
zu verteilen.

Jetzt ist die Situation eine andere: Das Umweltbundesamt weiß
genau, wie viel Co² die Kraftwerke pro Jahr ausstoßen.
Und wir wissen also genau, wenn wir diese Gesamtmenge um zehn oder
20 Prozent reduzieren, was dieses für Kraftwerke bedeutet und
was für Größenordnungen das sind. Im Schritt von
2007 zu 2008 gibt es 57 Millionen weniger Erlaubnisse, Co²
zu emittieren. Das heißt, der Preis steigt und jetzt können
wir aus diesem Gelernten herangehen: Wir als Umweltbundesamt empfehlen
der Bundesregierung in jedem Jahresschritt (Emissionshandelsperiode)
um gut 50 Millionen weitere Tonnen herunterzugehen, was die Gesamtemissionen
an Co² angeht.

Moderator: Sie haben gerade den Investoren von
Kohlekraftwerken einen guten Rat gegeben – wie ist das Echo aus
der Industrie? Wird dieser Rat angenommen? Die medialen Proteste
der Stromkonzerne aus der letzten Zeit sprechen da eher dagegen.

Andreas Troge: Ein Rat wird erst angenommen, wenn
man im Grunde mit dem letzten Finger am Brunnenrand hängt.
Will heißen, solange die Europäische Union – das will
sie Anfang des Jahres machen – nicht den Entwurf einer neuen Emissionshandelsrichtlinie
vorgelegt haben wird, werden die Co²-Emittenten ihre Lobbyposition
verteidigen. Das ist das übliche Geschäft.

Ich bin dennoch guten Mutes, dass die kaufmännische Einsicht
darin, wie teuer Kohlekraftwerke sind, die nur Strom produzieren
und nicht gleichzeitig Wärme, dazu führen wird, das viele
Kraftwärmekopplung machen. Weil nur dies im europäischen
Rahmen wettbewerbsfähige Strompreise bringt. Die Industrie
hat das lange erkannt. Sie baut nämlich praktisch ausschließlich
Kraftwärmekopplung, sei es mit Kohle, sei es mit Gas. Deshalb
ist es wichtig, dass die Bundesregierung jetzt mit einem neuen Kraftwärmekopplungsgesetz
diese Tendenz in Richtung Kraftwärmekopplung stärkt und
auch Industrieanlagen, die nicht das öffentliche Stromnetz
bedienen, mit einbezieht.

Moderator: Zur beliebten Tempolimit-Debatte:

hanswurschd: Warum wird immer der Pkw-Fahrer verteufelt
und soll Schuld an allem sein, speziell der Dieselfahrer?

Hacken: Macht ein Tempolimit auf Autobahnen Sinn,
um das Klima zu schützen, oder ist der Preis eines Tempolimits
zu hoch, um einen zu geringen Anteil der Co²-Ausstöße
zu verhindern?

Andreas Troge: Zum ersten Aspekt: Niemand verteufelt
Pkw-Fahrer oder Dieselfahrer, sondern wir fragen ganz vernünftig
nicht nach Schuld, sondern nach dem möglichen Beitrag zum Klimaschutz.
Richtig ist, dass das Bundesumweltamt weniger die öffentliche
Debatte, sondern alle Co²-Quellen im Blick hat – übrigens
schon im September 2005 umfangreich publiziert (auf der Internetpräsenz
des Umweltbundesamtes finden sich 21 Thesen zum Thema "Klimaschutz
im 21. Jahrhundert"). Ich sage nur zwei Dinge: Wir brauchen
alle Beiträge möglichst schnell, um mit den Treibhausgasemissionen
herunterzukommen.

Denn die internationale Wissenschaftsgemeinde sagt, wir müssen
die nächsten fünfzehn Jahren nutzen, um einen Temperaturanstieg
um mehr als zwei Grad global bis Ende des Jahrhunderts zu vermeiden.
Beim Diesel geht es um alle Diesel, Pkw, Lkw, Bahn, Schiffe – überall
muss der Ruß verringert werden. Manches können wir in
Europa (Pkw, Lkw), manches können wir allein in Deutschland
(Bahn), manches können wir nur im Rahmen der UN (Schiffe).
An allem sind wir dran (die Bundesregierung).

Was bringt das Tempolimit auf Autobahnen? Es bringt nach unseren
(allerdings etwas alten Berechnungen) etwa drei Millionen Tonnen
weniger Co² pro Jahr in Deutschland. Bei Tempo 120, bei Tempo
130 vermutlich etwas weniger. Zum Vergleich: Das Gebäudesanierungsprogramm
der Kreditanstalt für Wiederaufbau zum Energiesparen in unseren
Wohnungen brachte im letzten Jahr knapp eine Million Tonnen.

Auch hier gilt: Jeder Beitrag zählt. Insbesondere weil jede
Erneuerung langlebiger Güter wie Häuser (100 Jahre Lebenserwartung),
wie Autos (12 Jahre Lebenserwartung) sehr lange braucht, bis die
energiesparenden Güter den jeweiligen Bestand prägen.
Also, wir brauchen etwa zwölf Jahre ab 2012 gerechnet, bis
alle Pkw im Durchschnitt nur noch 130 Gramm Co² pro Kilometer
ausstoßen.

Ein Tempolimit wirkt (nachdem sich die Fahrerinnen und Fahrer an
intensivere Geschwindigkeitskontrollen gewöhnt haben), etwa
schon nach zwei bis drei Jahren. Und beim Tempolimit nicht zu vergessen:
Wer weiß, dass er nicht mehr als 120 oder 130 fahren darf
und bei 150 bis 160 richtig Punkte und Fahrverbote bekäme,
kommt vielleicht auf die Idee, dass das nächste Auto nicht
unbedingt über 200 fahren muss – und schon deshalb (geringere
Motorisierung, leichtere Bauweise) viel weniger Sprit als das Hochleistungsauto
braucht.

Moderator: Zur Frage der Kontrolle ein Kommentar
von:

ingmar: Ich habe Angst vorm Tempolimit – nicht
weil ich dann nicht mehr rasen kann, das werde ich immer noch können.
Angst habe ich vor der Technik, die das Tempolimit kontrollieren
werden wird (siehe momentane Diskussion um Kennzeichenerfassung).

Andreas Troge: Wenn Sie sich ans Tempolimit halten,
haben Sie ja keine Personenkontrolle zu fürchten.

Moderator: Zum Tempolimit: Wird die öffentliche
Diskussion von Seiten der Politiker fair geführt? Eigentlich
sollte man meinen: "Zahlen lügen nicht"?

Andreas Troge: Soweit Politik überhaupt fair
ist, wird die Diskussion fair geführt. Ich gestehe ja auch
freimütig: Leider sind die Zahlen die wir aus dem Verkehrsministerium
haben von 1993. Wir argumentieren mit alten Zahlen, weil es leider
keine neue amtliche Statistik oder amtliche Erhebung gibt. Nämlich
erstens, wie lang sind die Strecken ohne Tempolimit auf deutschen
Autobahnen? Zweitens: Wie viel Fahrstrecke passiert auf diesen Autobahnabschnitten?
Und drittens: Wie viele Autos fahren über 120, über 130,
über 150 und welche Autos sind dies? Wir stoßen jetzt
gerade eine neue Untersuchung an und können dann berechnen,
wie viel Co² ein Tempolimit von 130 oder 120 erbrächte.
Meine Erwartung: Weil die Autobahnen immer mehr Verkehr anziehen
und die Fahrzeuge immer mehr PS unter der Motorhaube haben, dürfte
die Tendenz des Co²-Ausstoßes aus Pkw heute eher nach
oben denn nach unten gehen.

Smallville: Zum Tempolimit: Aber es gibt doch
auch andere Länder mit Tempolimit (USA) und dort werden trotzdem
Autos gekauft und gebaut, die deutlich schneller fahren können.
Ist es nicht blauäugig zu denken, dass man die Menschen so
zu einem anderen Verhalten anregt?

Andreas Troge: Blauäugig nicht. Der Umstand,
dass schnell fahrende Fahrzeuge auch in den USA zugelassen sind,
zeigt ja im Grunde, dass unser Premium-Sortiment bei schnellen und
starken Fahrzeugen nicht davon abhängt, dass wir freie Fahrt
auf deutschen Autobahnen zulassen. Wir sind Gewohnheitstiere. So
lange wir daran gewöhnt sind, jede Geschwindigkeit zu fahren,
die das Auto hergibt, werden wir dies auch immer mal tun. Und dieses
„immer mal“ führt dazu, dass die Geschwindigkeitsdifferenzen
zwischen langsamen und schnellen Fahrzeugen (Pkw) auf den Autobahnen
größer werden. Weil diese Geschwindigkeitsdifferenzen
größere Abstände brauchen, sinkt damit die Aufnahmekapazitäten
der Autobahnen. Dies drängt zu Ausbau und Neubau.

Wer also die natürlichen Lebensgrundlagen schonen will, sollte
für einen gleichmäßigeren Verkehr auch auf unseren
Autobahnen plädieren. Vor allen Dingen deshalb, weil damit
das Risiko von Unfällen mit Todesfolge oder schweren Verletzungen
um etwa einen Drittel abnimmt. Wir werden uns an das Gleichmäßige
gewöhnen, wie uns viele deutsche Schnellfahrer erklären,
die mal einige Monate in den USA lebten.

Moderator: Den zweiten Teil der Frage haben Sie
ja schon beantwortet, aber der erste Teil ist noch offen:

KeinRaser: Ist die Forderung nach einem Tempolimit
gerade in Deutschland nicht superschwierig durchzusetzen? Was würde
das Limit für die Umwelt bringen?

Moderator: Prognostizieren Sie doch mal: In welchem
Jahr kommt das Tempolimit?

Andreas Troge: Also ich habe Zeit. Das Umweltbundesamt
fordert dies seit mehr als fünfzehn Jahren. Ich rechne in den
nächsten fünf Jahren damit.

Moderator: Weil es auch in unserem Einführungstext
stand: Zurück zur Kohle und Akw-Diskussion:

emjay: Es wird immer gern die Kernenergie als
alternative klimafreundliche Energie angegeben. Dabei handelt es
sich bei der Annahme, wie viel spaltbares Material tatsächlich
abbaubar ist, nur um grobe, vielleicht auch zu optimistische Schätzungen.
Womit sollen wir aber heizen / PCs betreiben et cetera?

Andreas Troge: Eine Faustregel, die wir seit einigen
Jahren als ein Ziel im Umweltbundesamt vorgeschlagen haben: Bis
2050 50 Prozent weniger Primärenergieverbrauch durch Energieeffizienz
und hiervon 50 Prozent Anteil erneuerbare Energien, Restgas und
Kohle. Das würde uns erlauben, die Kohlenstoffdioxidemissionen
in Deutschland um 80 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Wie
es bereits die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der
Erdatmosphäre“ 1989 öffentlich formulierte: Es gibt
noch Konstanz in der Entwicklung.

Wer auf Kernenergie setzt, der sagt im Grunde, wir machen nur noch
"Umweltschutz ist Klimaschutz". Kernenergie hat aber Strahlenrisiken,
durch im Betrieb normale Unfälle, durch Terroranschläge
(also vorsätzliche Unfälle – ich hoffe, so etwas kommt
nie) und letztlich durch die Frage "Was machen wir mit den
Abfällen?". Eine Frage, die wir in Deutschland noch nicht
beantwortet haben.

Wir müssen aufpassen, dass wir mit der weiteren Nutzung von
Kernenergie das Klimarisiko nicht durch das Strahlenrisiko ersetzen.
Um ein Beispiel zu geben: Eine mit Biomasse betriebene Kraftwärmekopplung
hat ähnlich niedrige Kohlendioxidwerte wie ein Kernkraftwerk.
Und in der weltweiten Betrachtung gilt vor allem: Wer Kernenergie
weltweit durch Zubau von Kraftwerken nutzen will (wir haben jetzt
etwa 440) müsste schon in Größenordnungen von etwa
1000 kommen. Die Uranreserven hierfür wären zu erschließen,
mit dem Effekt wesentlich höherer Kosten. Und sie würden
nicht reichen, denn wir müssten dann in die Wiederaufarbeitung
gehen. Die Wiederaufarbeitung ist einer der chemisch und energetisch
intensivsten Prozesse, die wir kennen. Anders formuliert: Die Verallgemeinerung
der Kernenergie zum Klimaschutz lässt nicht nur das Strahlenrisiko
wachsen, sondern auch das Klimaproblem.

Moderator: Noch mal aus dem unserem "Warteraum"
ganz konkret zum Thema Auto:

ReneWabel: Elektroautos bzw. Plug-In-Fahrzeuge
– Wie kann man die Marktdurchdringung unterstützen?

Andreas Troge: Ich darf zunächst mal sagen,
bei Elektroautos sind wir beim Umweltbundesamt sehr optimistisch,
dass wir im nächsten Jahr bei Lithium-Ionen-Akkus vorankommen.
Die sind zu begünstigen beispielsweise durch eine Kraftfahrzeugssteuer,
die sich neben den üblichen Schadstoffen auf den Co²-Ausstoß
der Fahrzeuge bezieht. Gleiches gilt übrigens für eine
zweite hoffnungsstimulierende Entwicklung, nämlich den Gasantrieb
mit Hilfe biogenerzeugten Gases. Hier haben wir mit der Markteinführung
von Erdgasautos und Tankstellen schon eine gewisse Infrastruktur
geschaffen, die auch von Biogas zu nutzen ist.

Nicht zuletzt deshalb ist es ein Fortschritt, dass die Bundesregierung
die Einspeisung von Biogas ins Erdgasnetz fördern will. Denn
man muss ja nicht rein Bio fahren, sondern kann das auch gemischt
machen. Vorteil der Biogasverwendung: Man kann die bisherigen Antriebe
weitgehend nutzen und ich sagte eingehend: Was schnell geht, nutzt
dem Klimaschutz doppelt.

Moderator: Mal ab von der Treibhausgas-Debatte:
Welche Umweltthemen werden in der Öffentlichkeit zu wenig diskutiert?

Andreas Troge: Zu wenig wird all das diskutiert,
was uns aus der Umwelt krank macht. Lärm, Chemikalien in den
Innenräumen und Feinstaub. Zu wenig diskutiert wird das Thema
biologische Vielfalt, weil die Vielfalt des uns umgebenden Lebenden
unsere eigene Existenz darstellt. Nur wenn wir Vielfalt haben, gleichen
sich Risiken in unseren Lebensbedingungen aus und wir haben die
Möglichkeit unser Leben (am Ende der Nahrungskette stehend)
hierauf auszubauen.

Ein weiteres wichtiges Thema scheint mir das Thema "Die Flächennutzung
für Siedlung und Verkehr" zu sein. Denn dieses haben wir
noch nicht als Problem begriffen. Wir brauchen heute etwa 118 Hektar
für Siedlung und Verkehr zusätzlich. Die Bundesregierung
hat das Ziel, diesen Zusatzbedarf bis 2020 auf dreißig Hektar
pro Tag zu drücken. Das bedeutet, wir müssen uns in unsere
angestammten Siedlungsgebiete zurückziehen, um der Mitgeschöpflichkeit
mehr Entfaltungsraum zu lassen. Denn das Besondere der biologischen
Vielfalt ist, wir müssen sie praktisch um ihrer selbst schützen.
Und logisch deshalb, weil wir nicht wissen, was sie uns –
zukünftig – nutzen kann. Nicht, was sie uns heute nutzen kann,
sondern die Nutzungsoption. Auch hier werden wir es ähnlich
haben, wie beim Klimaschutz: Wirtschaftliche Erwägungen werden
uns in die richtige Richtung bringen. Bei abnehmender Bevölkerung
stellt sich nämlich die Frage, ob diese auf immer mehr Fläche
verteilt werden sollte, denn pro Kopf stellen sich die Infrastrukturkosten
(Wasser, Abwasser, Gas, Strom, öffentlicher Personennahverkehr)
progressiv.

Moderator: 60 Minuten tagesschau-Chat sind leider
schon wieder vorbei. Vielen Dank Herr Troge, dass Sie ins ARD-Hauptstadtstudio
gekommen sind. Das tagesschau-Chat -Team wünscht noch einen
schönen Abend!

Andreas Troge: Herzlichen Dank!

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