Dr. Martina Krogmann
im tacheles.02-Chat am 5.4.2004


Moderator:
Liebe Politik-Interessierte, willkommen im tacheles.02-Chat. Die Chat-Reihe
tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de
und wird unterstützt von tagesspiegel.de und von sueddeutsche.de.
Zum Chat ist heute die Internetbeauftragte der CDU, Martina Krogmann,
ins ARD-Hauptstadtstudio gekommen. Sind Sie bereit für den 60-Minuten-Chat
mit unseren Usern?

Dr. Martina Krogmann, Internetbeauftragte der UnionMartina
Krogmann:
Ich freue mich auf den Chat 🙂

Moderator: Wir fangen mit dem Thema Spam an: Eine erste Frage
von uns vorweg. Sie votieren für eine stärkere Bestrafung
von so genannten Spammern. Wie kann das gehen, diese Leute agieren international?

Martina Krogmann : Klar werden wir mit nationalen Gesetzen nicht
alle kriegen aber 10 Prozent der Spams kommen aus Deutschland. Wir können
uns als Politik nicht tatenlos zurücklehnen.

Barbara: Der Bundestag hat mittlerweile eine Neuregelung des
Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verabschiedet, das auch ein
Verbot von Spam-Mails beinhaltet. Wie bewerten Sie diese Neuregelung?

Martina Krogmann: Das reicht längst nicht aus, weil nur
das bestehende Recht festgeschrieben wurde. Ein Verbot ohne Sanktionen
schreckt wirklich niemanden ab. Wir fordern Bußgeldstrafen für
Spammer.

2m: Die EU hat Deutschland erneut aufgefordert, eine Richtlinie
gegen Spam-Mails und Internet-Cookies in nationales Recht umzusetzen.
Warum wartet die Regierung und was macht die Union?


Martina Krogmann: Die Regierung hat die Richtlinie tatsächlich
ein Jahr zu spät umgesetzt. Am Freitag ist das U.W.G verabschiedet
worden, mit unzureichendem Inhalt – s.o. Wir haben seitens der Union
schon vor einem halben Jahr ein Bündnis gegen Spam mit betroffenen
Internetprovidern und Verbraucherschützern ins Leben gerufen und
inzwischen einen eigenen Antrag gegen Spam eingebracht.

Moderator: Noch mal zur Frage der Bestrafung von Spammern, betrifft
Bußgelder:

SW: Ist es denn überhaupt wahrscheinlich, dass Spammer
von solchen Maßnahmen geschockt werden? Denn wenn nur 10 Prozent
der Spams abnehmen, dann würden doch die Kosten der Durchführung
des Gesetzes seinen Nutzen klar übersteigen?

Martina Krogmann: Das Bußgeld soll abschreckend wirken.
Ich sehe schon ein Kosten-Nutzen-Verhältnis, zumal die belasteten
ISPs einen Schadensersatzanspruch haben. Außerdem wollen wir die
Bußgeldpflicht auch auf die Beworbenen ausdehnen.

Moderator: Und eine weitere Nachfrage dazu:

Hein: Wie wollen Sie die Spammer ausfindig machen, wenn Sie
sagen 10 Prozent kommt davon aus Deutschland?

Martina Krogmann: Wir brauchen eine enge Kooperation der belasteten
ISPs (Internet Service Provider) mit den Behörden. Außerdem
wollen wir eine zentrale Beschwerdestelle einrichten gegen Spam-Attacken.

Moderator: Zur zentralen Beschwerdestelle:

Senta: Sie haben gefordert, eine zentrale Beschwerdestelle gegen
Spam einzurichten – soll dies nur zur Beruhigung der Nutzer beitragen
oder können einer solchen Stelle Befugnisse eingeräumt werden,
gegen Spam vorzugehen?

Martina Krogmann: Das macht nur Sinn, wenn sie auch Befugnisse
hat. Um es noch einmal klar zu sagen, durch nationale Gesetze allein
kriegen wir das Problem natürlich nicht in den Griff. Wirtschaft
und Verbraucher müssen gemeinsam mit der Politik Lösungen
finden – und das möglichst international.

Moderator: Ein Nutzer fürchtet um die Werbewirtschaft bei
härterem Vorgehen gegen Spam:

tessarakt: "Außerdem wollen wir die Bußgeldpflicht
auch auf die Beworbenen ausdehnen" – Besteht da nicht eine enorme
Gefahr von "Joe-Jobs"? Gehen dadurch nicht eine Menge Arbeitsplätze
im eMail-Marketing-Bereich verloren?

Martina Krogmann: Frage zurück: Was sind "Joe-Jobs"?
Zu der zweiten Frage: Klares Nein – das OptIn-Prinzip gilt ja für
alle Werbeformen.

Mathias Schindler: Vielleicht sollte man den Begriff Joe-Job
kurz klären: "Martina Krogmann setzt sich nachts an den PC
und verschickt über ein offenes Relay Werbung für die SPD,
damit Eichel blechen muss".

Martina Krogmann: Alles klar, aber so einfach geht es nicht.
Bußgeldpflicht gibt es nur, wenn der Beworbene sich eines Spammers
bedient.

testerond: Schon in zwei Jahren, sagt Bill Gates, wird niemand
mehr über Spam reden. Hinkt die Politik hinterher?

Martina Krogmann: Zwei Jahre sind mir zu lang! Ich will die
negativen Auswirkungen von Spam für Wirtschaft und Kommunikation
jetzt bekämpfen!

Moderator: Ein Kommentar:

TomK32: Wegen der Beschwerdestelle. Es gibt einige Projekte
die schon länger sogenannte Blacklists erstellen, also Adressen
von Servern die Spammern als Hilfsmittel dienen. Die Beschwerdestelle
hätte beim abarbeiten dieser Listen schon viel zu tun.

Moderator: Und noch mal zur internationalen Strafbarkeit:

tessarakt: Kann man die Bundesregierung irgendwie dazu bringen,
die Regierung der VR China zur Reduzierung der von dort ausgehenden
Spam-Mails zu veranlassen?

Martina Krogmann: Der Schlüssel zur Bekämpfung von
Spam auf internationaler Ebene sind globale Vereinbarungen und Verträge.

Moderator: Teilen Sie die Meinung dieses Nutzers, Frau Krogmann?

Grex0r: Bill Gates versucht das durch kostenpflichtige E-Mails!
Damit mach der diesen Dienst kaputt!

Martina Krogmann: Die Spammer machen Email kaputt und nicht
Bill Gates!

Moderator: Noch eine Frage zur Strafverfolgung von Spammern:

mroth: Wie soll unterschieden werden, ob der Beworbene sich
eines Spammers bedient hat oder nicht?

Martina Krogmann: Das kann nur im Einzelfall juristisch nachgewiesen
werden und ist sicherlich nicht einfach – es geht aber bei anderen Medien
auch.

peerer: Die Informationstechnik ist schneller als politische
Institutionen. Die Politik sollte so wenig Staat und so viel Markt wie
möglich praktizieren. Ist die Union hier mal der mal der anderen
Meinung?

Martina Krogmann: Ich bin genau Ihrer Meinung! Hier geht es
aber nicht um Markt oder Staat, sondern um die Bekämpfung von kriminellen
Spammern, die immensen volkswirtschaftlichen Schaden verursachen und
die Kommunikation via Email gefährden!

TomK32: Und noch eine schwere Frage: Wird es strafbar sein,
wenn man seinen Internet-Server nicht genug absichert gegen Missbrauch?

Martina Krogmann: Klares Nein – einfache Antwort.

semi: Welche rechtlichen Schritte wollen Sie zum Schutz des
Anwenders unternehmen?

Martina Krogmann: Bußgeld ist eine Maßnahme. Der
Anwender ist aber auch selbst in der Pflicht, sich zu schützen;
z.B. mit Filtersystemen. Noch mal: Das Problem kriegen wir nur gemeinsam
in den Griff – Wirtschaft, Verbraucher und Politik.

useless: Wo genau wird die Wirtschaft durch Spam geschadet?

Martina Krogmann: Spam verstopft vor allem bei den ISPs zunehmend
die Leitungen. Die EU-Kommission geht von einem Produktivitätsverlust
von rund 2,5 Milliarden Euro im Jahr 2002 aus. Die ISPs werden gezwungen,
ihre Infrastruktur diesem durch Spam verursachten Datenverkehr anzupassen.
Also letztlich eigentlich entbehrliche Investitionen vorzunehmen.

Moderator: Zu einem anderen Thema, der Vorratsspeicherung von
Daten, die von den Providern erwartet wird:

Tacheles: Ist die Vorratsdatenspeicherung zur präventiven
Verbrechensbekämpfung nicht wie "mit Kanonen auf Spatzen schießen"?

Martina Krogmann: Aus meiner Sicht ja – eine Vorratsdatenspeicherung
von sechs Monaten bringt aus meiner Sicht keinen Gewinn an Sicherheit
und ist auch im Vergleich zu den Belastungen für die Wirtschaft
unverhältnismäßig. Also: Kanonen auf Spatzen.

Mal ne Frage: Die Wirtschaft stellt sich quer, die Kosten für
die Vorratsdatenspeicherung zu übernehmen und fordert vom Staat
eine Entschädigung. Ist die Speicherung überhaupt finanzierbar?

Martina Krogmann: Wenn der Staat die Überwachungsvorschriften
zu Lasten der Unternehmen so sehr ausweitet, sie also gewissermaßen
zum "Hilfs-Sheriff" des Staates macht, muss er aus meiner
Sicht sich an den Kosten angemessen beteiligen. In Österreich ist
bereits ein Urteil gefällt worden, nach dem den Unternehmen alle
Kosten für Überwachungsmaßnahmen vom Staat erstattet
werden müssen.

Mr. X: Gibt es denn andere Konzepte, um das geforderte "mehr"
an Sicherheit im Bereich der Telekommunikation (vor allem in Hinsicht
auf die Terrorgefahr) zu erreichen?

Martina Krogmann: Natürlich darf der Bereich der Telekommunikation
von Sicherheitsmaßnahmen nicht ausgenommen werden. Aber aus meiner
Sicht reicht die bestehende Telekommunikationsüberwachungsverordnung
völlig aus.

Roland Koch: Heute konnte man erfahren, dass der Telekom-Chef
Kai-Uwe Ricke Hessens Ministerpräsident Roland Koch überzeugen
konnte, eine neue Haltung zum TKG einzunehmen. Befürchtung: noch
mehr unionsgeführte Länder könnten sich querstellen.
Sollte man sich so sehr von einem Konzern beeinflussen lassen?

Martina Krogmann: Die Union hat sich noch nie und wird sich
auch niemals zum verlängerten Arm eines Unternehmens machen.

Moderator: Eine Nachfrage zur Finanzierung der Überwachungsmaßnahmen
durch den Staat:

mroth: Und woher nimmt der Staat die Mittel um die Überwachungskosten
zu finanzieren? Gibt es dann bald eine "Überwachungssteuer"
auf Internetverbindungen?

Martina Krogmann: Die Gedankengänge von Hans Eichel sind
nicht vorhersehbar. Mit der Union sicherlich nicht.

tessarakt: Wenn die Überwachung auch auf Internet-Kommunikation
ausgedehnt wird, sind dann überhaupt noch ausreichende Kapazitäten
für richterliche Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen
da?

Martina Krogmann: Meinen Sie die Frage der Verfassungskonformität?

Moderator: Während die Nachfrage läuft, hier schon
mal die nächste Frage:

Upsala: Eine Speicherung personenbezogener Daten ohne konkrete
Zweckbindung ist verfassungswidrig. Welche Institution soll die datenschutzkonforme
Verwendung der Daten überwachen?

Martina Krogmann: Das frage ich mich auch. Auch ich halte die
Vorratsspeicherung sämtlicher Verkehrsdaten für 6 Monate ohne
konkreten Verdacht für verfassungsrechtlich fragwürdig. Jeder
Bürger wird gewissermaßen einem pauschalen Vorabverdacht
ausgesetzt.

Europäer: Peter Schaar (Datenschutzbeauftragter d. Bundes)
sagte, dass angesichts der beschränkten personellen und sachlichen
Ausstattung der Datenschutzbehörden eine umfassende Kontrolle nicht
möglich ist. Gibt es hier mehr Geld, wenn das Gesetz so durchgehen
sollte?

Martina Krogmann: Fragen Sie die Befürworter. Aus meiner
Sicht sind die Kassen sowieso schon leer, deshalb glaube ich nicht,
dass für eine bessere Ausstattung der Datenschutzbehörden
mehr Geld bewilligt wird.

polis2: Ist der Datenschutz nicht durch zu viele unterschiedliche
Gesetze geregelt? Brauchen wir nicht mehr Klarheit?

Martina Krogmann: Ja, ich spreche mich seit langem für
eine Zusammenfassung aller datenschutzrechtlicher Regelungen und Gesetze
in einem zentralen Gesetz aus.

Moderator: Hier ist die Erläuterung der nicht ganz klar
formulierten Frage (Wenn die Überwachung auch auf Internet-Kommunikation
ausgedehnt wird, sind dann überhaupt noch ausreichende Kapazitäten
für richterliche Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen
da?):

tessarakt: Ich meine es so, wie ich es geschrieben habe. Wenn
Richter nur noch ihre Unterschrift unter Anträge der Staatsanwaltschaft
setzt, ist das sicherlich nicht mehr verfassungskonform.

Martina Krogmann: Ein bestimmtes Niveau der richterlichen Überprüfung
bei der Anordnung der Überwachung darf in der Tat nicht unterschritten
werden. Automatismen sind unbedingt zu vermeiden.

Moderator: Hier gibt es zwei Nachfragen zu der Position der
CDU bei der Vorratsdatenspeicherung:

polis2: Aber die Unionsregierten Länder wollen die Datenspeicherung.
Ein Konflikt zwischen Sicherheitspolitik und Datenschutz?

Hein: Hat die CDU sich nicht für die verlängerte Vorratsdatenspeicherung
stark gemacht gehabt? Wollte nur mal nachfragen…

Martina Krogmann: Die CDU-Bundestagsfraktion hat sich in einem
Antrag gegen die Vorratsspeicherung ausgesprochen. Bei den Ländern
geht die Befürwortung der Vorratsspeicherung querbeet durch CDU,
aber auch SPD-regierte Länder. Das Telekommunikationsgesetz geht
ja jetzt in den Vermittlungsausschuss, ich werde dort mitarbeiten –
mit der klaren Zielsetzung, zu praktikablen Regelungen zwischen Sicherheits-
und Wirtschaftsinteressen zu kommen!

Mathias Schindler: Martina: Ist das Papier "Leitlinien
zur inneren Sicherheit" der CDU noch aktuell, was die Aussagen
zur Vorratsdatenspeicherung angeht?

Martina Krogmann: Hallo Mathias, gute Politik entwickelt sich
immer weiter 🙂

Moderator: Zu weiteren Themen: Microsoft soll mehrere 100 Mio.
Euro bezahlen, da das Unternehmen angeblich gegen das Wettbewerbsrecht
verstoßen hat.

herzog: Halten sie das EU Verfahren gegen Microsoft für
richtig? Sollte Deutschland auch die Gerichte anrufen?

Martina Krogmann: Kartellsünder sollten grundsätzlich
vor Gericht landen. Ob Microsoft im vorliegenden Fall einer war, werden
die Gerichte zu klären haben.

peerer: Die Verbände der Musikindustrie wollen ab sofort
gerichtlich gegen P2P-Nutzer vorgehen, um gegen illegale Musikangebote
vorzugehen. Unterstützen sie dieses Vorgehen?

Martina Krogmann: Auch gegen Urheberrechtssünder muss vorgegangen
werden. Urheberrechte sind Eigentumsrechte, wenn die nicht mehr geschützt
sind, fehlt der Ansporn für Kreativität.

herzog: Brauchen wir einen IT-Minister, da das Thema Informationsgesellschaft
auf zu viele Ministerien verteilt ist?

Martina Krogmann: Nur ein neuer Posten als IT-Minister bringt
uns sicherlich nicht weiter. Was wir brauchen ist eine stärkere
Bündelung aller IT-relevanten Themenbereiche und den dazugehörigen
Kompetenzen. IT-Politik ist Querschnitts-Politik und betrifft fast alle
Ministerien. Wenn jeder isoliert für sich hin muckelt – so wie
in den vergangenen Jahren – bleiben wir in Deutschland ein IT-Flickenteppich
und fallen weiter zurück. Deshalb: Bündelung ja, eine neue
Behörde nein.

Moderator: Wir kommen zu den letzten Fragen: Nachfragen zum
Thema Urheberrecht:

Raffi: Aber ist die Härte dieses Vorgehens (gleichsetzen
mit Straftätern in Werbekampagnen) ihrer Meinung nach angemessen?

Martina Krogmann: Sicherlich nicht, dennoch muss das Bewusstsein
dafür geschärft sein, dass im Internet nicht alles gratis
ist.

Moderator: Wir kommen bereits wieder zur letzten Frage:

errewq: Ist das Thema Internet ihren Fraktionskollegen ein begriff?
Ist der Bundestag digital auf dem Stand der Dinge oder wünschen
sie sich einen besseren Dienstleiter?

Martina Krogmann: Bei den Fraktionskollegen ist das Thema Internet
genauso bekannt oder unbekannt wie in der gesamten Bevölkerung.
Der Bundestag ist digital gut dabei.

Moderator: Liebe Nutzerinnen und Nutzer! Leider ist unsere Zeit
bereits um. Vielen Dank an alle User für das große Interesse.
Leider sind wie immer viele Fragen unbeantwortet geblieben. Vielen Dank
auch an Sie, Frau Krogmann, dass Sie sich Zeit für den Chat genommen
haben.
Das Transkript dieses Chats finden Sie auf den Seiten der Veranstalter.
Das tacheles.02-Team wünscht allen noch einen angenehmen Tag! Wir
würden uns freuen, wenn Sie beim nächsten Mal wieder dabei
sein können!

Martina Krogmann: Vielen Dank, ich bin gerne wieder dabei. Wer
möchte kann mich direkt kontaktieren unter martina.krogmann@bundestag.de.

Moderator: Oder www.martina-krogmann.de.