Interview mit Jörg Tauss, Vorsitzender des Unterausschusses Neue Midien
im Bundestag zu Informationsfreiheit, Datenschutz und Cyberwar
Moderator: Herzlich Willkommen im Chatraum von politik-digital.de! Wie jede Woche
haben wir auch am gestrigen Donnerstag unser redaktionelles Angebot erneuert.
Unser Thema: Informationsfreiheitsgesetz, Datenschutz und die neue Initiative
elektronischer-datenschutz.de. Auf der gestern freigeschalteten Seite elektronischer-datenschutz.de,
die vom Unterausschuss Neue Medien des Bundestages betreut wird, soll in Zukunft
über Gesetzestexte diskutiert werden. Zu Gast bei uns: Joerg Tauss, internetpolitischer
Sprecher der SPD und Vorsitzender des Unterausschusses. Hallo Herr Tauss!
JoergTauss: Schönen guten Tag
Moderator: Steigen wir doch gleich ein…
picabo: Hallo Herr Tauss, was heisst denn für Sie eigentlich "Informationsgesellschaft"? Und wo führt die hin?
JoergTauss: Info.gesellsch. wird untersch. definiert. In Japan gab es mal eine
Definition, wenn 50% einer Volkswirtsch. aus den TIME- Bereichen erwirtschaftet
werden, kann man von einer Info.ges. reden. Dies wäre eigentlich erreicht.
Moderator: Und wo führt sie hin?
JoergTauss: Hier stehen wir dennoch am Anfang, so dass konkrete Prognosen unseriös
sind
brithday: TIME-Bereiche?
JoergTauss: Z. B. Telekommunikation, Medien, Information etc.
brithday: Wir sind aber nicht in Japan, wie sieht das denn für Sie konkret aus?
JoergTauss: Immer mehr volkswirtsch. Wertschöpfung entsteht eben in den genannten
Bereichen. Egal ob Japan oder nicht
lara: Hallo Herr Tauss. Was wollen Sie mit der neuen Seite elektronische-demokratie.de eigentlich erreichen?
JoergTauss: Mir geht es darum zu prüfen, inwieweit sich das Internet tatsächlich
eignet, mehr Transparenz in die Politik zu bringen. Zusätzlich erhoffe ich mir
bei neuen (z.B. technischen) Fragestellungen auch Kompentezeinbringung von aussen.
hinz: Über was kann ich auf der Seite diskutieren?
JoergTauss: Über alles, was mit dem Thema Datenschutz oder Inforamtiuonsfreiheitsgesetz
zusammenhängt. Zudem werden wir spezielle Antworten erbitten: Z. B. zu Pseudonymen,
techn. Datenschutz etc.
vorne links: Wie könnte das mit der Kompetenzeinbringung denn aussehen?
JoergTauss: Indem sich z. B. ein paar Leute an Informatikfalkultäten Gedanken
machen, wie Daten oder Systeme techn. besser geschützt werden können. Da gibt
es noch sehr unterschiedliche Antworten.
vorne links: Warum kann ich noch gar nicht diskutieren? Gerade habe ich es versucht.
JoergTauss: Bitte Geduld. 16. 7. ist offizieller Start der Moderation
joker: Herr Taus, versprechen Sie sich mit einer "digitalen Wahl" einen Schritt
weg von der allgemeinen Wahlmüdigkeit der Bevölkerung? Oder gehen Sie evtl. noch
einen Schritt weiter und wollen mehr Entscheidungen auf diesem Wege von der Bevölkerung
mitbestimmen lassen (Im Anlehnung an z.B. die Volksentscheide in der Schweiz)?
JoergTauss: Elektronik führt sich nicht von sich aus zu mehr Demokratie. Ich habe
das Thema eVote immer für etwas überbewertet gehalten. Dennoch gibt es natürlich
auch Debatten und konkrete Gesetzesinititativen in Richtung mehr plebiszitäre
Elemente. Dennoch geht es mir zunächst darum, Prozesse transparenter zu machen.
Dies kann bereits ein Abbau zur sogenannten Politikverdrossenheit sein, die z.
T. ja auch nichts als mangelnde Bereitschaft ist, sich mit komplexen Fragen auseinaderzusetzen.
gonz: War
gerade auf der Seite elektronische-demokratie. Warum ist die Seite so
extrem langsam beim laden? Da verliert man schnell die Lust, sich zu
beteiligen…
JoergTauss: Wir wollen in den nächsten Tagen schneller werden. Wir haben tatsächlich
auch noch ein paar techn. Problemchen.
wasdenn: Sie wollen, dass die Chatter über das Informationsfreiheitsgesetz diskutieren.
Aber kaum jemand weiss etwas darüber. Welche Infos soll ich in Zukunft leichter
von den Behörden anfordern können?
Moderator: Zum Thema Datensicherheit kommen wir gleich …
JoergTauss: Hier gibt es einen Entwurf beim BMI. Grundsätzlich geht es darum,
dass Bürgerinnen und Bürger Zugang zu allen Infos haben, die nicht aus Schutzinteressen
Dritter nicht zugänglich sein sollten. Ein gutes Beispiel gibt es übrigens schon
in Brandenburg.
Moderator: BMI: Bundesministerium des Inneren
Moderator: Zu Brandenburg: Dort gibt es ein Informations-Freiheitsgesetz, auch
in Berlin und Schleswig-Holstein. Warum ist Brandenburg ein gutes Beispiel?
JoergTauss: Dort gibt es zwischenzeitlich die meisten Erfahrungen.
styleguider: Wenn es solche Entwürfe gibt, warum wird das nicht kommuniziert?
Ist das nicht so publikumswirksam?
JoergTauss: Es gab durchaus Öffentlichkeitsarbeit. Aber mit unserem Projekt wollen wir das Thema ja auch befördern.
sturby33: Wie
schätzen Sie denn die Zukunft von solchen Initiativen ein: Wird es das
in Zukunft öfter geben, dass man Gesetze im Internet diskutieren kann?
JoergTauss: Ich hoffe es. Wir wollen jetzt natürlich auch Erfahrungen sammeln.
Das ganze ist auch nicht profan – techn. wie geschäftsordnungsmäßig. Außerdem
muss darauf geachtet werden, dass nicht ganz Bevölkerungskreise von solchen Debatten
ausgeschlossen bleiben. Dies ist bei Leuten mit Interesse am Datenschutz sicher
nicht der Fall. Die dürften zu 99% online sein.
styleguider: Welcher Art sind denn die Erfahrungen in BRB? Vielleicht könnte man hier bei politik-digital endlich was erfahren …
JoergTauss: Ich
schlage vor, dies mal mit Dr. Dix zu diskutieren. Er ist
brandenburgischer Beauftragter für Datenschutz und Akteneinsicht. Sehr
interessant!
sturby33: Im
Innenministerium gibt es auch eine Seite, auf der ein Gesetz diskutiert
werden kann. Warum haben Sie sich nicht mit denen zusammengetan?
JoergTauss: Haben
wir doch! Die Projekte werden verknüpft. Gesetzentwürfe entstehen eben
mal im Parlament, mal in einem Ministerium. Unser Weg ist allerdings
zunächst ein anderer. Das Ministerium diskutiert Eckpunkte, wir
beginnen sozusagen "auf der grünen Wiese" ganz von vorn. Mal sehen, was
spannender ist 😉
lara: Was hat das ganze Projekt gekostet? Der Bundestag wollte die Kosten ja nicht übernehmen?
JoergTauss: Wir haben zunächst nach Sponsoren gesucht, über deren Kosten (z. B.
Server, Software) ich nichts konkretes sagen kann. AOL sponsert die kommunikationswiss.
Begleitung durch die Uni Münster. Der Bundestag finanziert die rechtswissenschaftliche
Begleitung und die Moderation.
hinz: Wie lange haben Sie für die Vorbereitung gebraucht?
JoergTauss: Über ein Jahr. Die techn. Probleme waren nicht ganz profan und andere
Parteien mussten erst müsam zum mitmachen bewegt werden. Aber so eine rot/ grüne
"Biertischidee", die es ursprünglich mal war, lässt sich leider nicht sofort umsetzen.
styleguider: Ist die Beteiligung AOLs nicht etwas problematisch? AOL ist nicht
gerade das Vorzeigebeispiel in Sachen Datenschutz und -sicherheit …
JoergTauss: Nein. Es geht hier um eine wiss. Arbeit, die selbstverständlich ohne Einfluss durch AOL erfolgt.
sturby33: Hätten
Sie sich nicht ein paar spannendere Themen ausdenken können, BSE oder
Spendenaffäre oder Fernsehvergaberechte oder soetwas?
JoergTauss: Darüber gibt es genügend Debatten 😉 Wir wollten aber mit einem konkreten
Gesetzesprojekt beginnen. Im übrigen halte ich den Datenschutz und IT- Sicherheit
für wichtiger als Fernsehrechte oder aktuelle Stammtischthemen.
Moderator: Zum nächsten Thema: Datensicherheit.
picabo: Wird es in nächster Zeit einen globalen Datenschutzstandard geben, oder bleibt Deutschland eines der wenigen Vorbilder?
JoergTauss: Die Internationalisierung hat längst begonnen. Selbst Bush kommt nicht
mehr vom Safer Harbour – Prinzip runter. In Japan gibt es spannende Debatten und
Entwicklungen, sogar in Brasilien…
JoergTauss: …Dateschutz könnte intern. sogar zu einem Wettbewerbsvorteil werden,
wenn wir es klug anstellen
letztenacht: Wo sehen sie denn die akuteste Gefahr für die IT-Sicherheit?
JoergTauss: In
unsicheren Netzen und dass die um die innere Sicherheit bemühten
Stellen von Morgens bis Abends tun, um Netze unsicher zu machen
virtuafighter: Wie wahrscheinlich ist aus Ihrer Sicht die Gefahr eines Informationskrieges? Generell, und in Deutschland?
JoergTauss: Gestern
hatten wir eine Anhörung zu diesem Thema. Sicher gibt es hier noch viel
Science fiction. Aber schon in zurückliegenden Kriegen (Golf/
Jugoslawien) ist da etwas zu besichtigen gewesen. Der Angriff auf
kritische Infrastrukturen dürfte künftiger eine realistischeres
Szenario sein als Panzerschlachten
letztenacht: Amerika und andere "westliche" Länder haben ein Interesse am Safer-Harbour-Prinzip.
Aber ist das Problem nicht einfach die Schaffung neuer Verwundbarkeiten in Form
kritischer Infrastrukturen?
JoergTauss: Richtig. Deshalb muss immer überprüft werden, wie komplex Systeme
sein dürfen und wie verwundbar sie dadurch werden. Dies ist auch der Grund, warum
wir Sicherheitssoftware auf Open source-Basis fördern. Die Abhängigkeit von einem
System darf nie zu groß werden. Aber es gibt auch andere kritische Infrastrukturen.
Denken wir an Gas, Wasser …
joker: Herr Taus, denken Sie das die digitale Informationsgesellschaft "sicher"
sein wird? Wenn ich mir alleine die mit offensiven Cyberattacken befassten Einheiten
der US-Streitkräfte (vgl. FOG:IS Arbeitspapier Nr.3) anschaue, habe ich da meinen
Zweifel. Wirtschaft und Private werden davon in Einzelbereichen wohl kaum weit
entfernt sein …
JoergTauss: Sicherheit gibt es nie zu 100%. Wichtig ist aber, die Risiken zu kennen
und sich natürlich auch selbst zu schützen. Deshalb habe wir ja – im Gegensatz
zur alten Bundesregierung – davon Abstand genommen, eine Kryptoregulierung vorzunehmen.
brithday: Wie sehr ist eine Überwachung im Netz technisch möglich?
JoergTauss: Sie ist nicht unmöglich. Aber die z. Zt. diskutierten Modelle gehen
einfach noch zu stark von der analogen Sprachtelefonie aus. Und jede Schnittstelle
ist ein Unsicherheitsfaktor. Also geht es darum, solche Schnittstellen zu vermeiden,
selbst wenn sie in berechtigtem polizeilichen Interess lägen.
brithday: Und: ist technische Überwachung wünschenswert?
JoergTauss: Aus
Sicht von Strafverfolgungsbehörden sicherlich. Aber es sind die Folgen
zu bedenken. Wenn es nur dazu führt, Wirtschaftsspionen und sonstigen
Kriminellen das Leben z erleichtern, habe ich meine Probleme damit.
Ungeachtet der verfassungsrechtl. Fragen
looka: Die Provider sollen Schnittstellen einbauen um Internetkommunikation überwachbar
zu machen. Können diese Daten überhaupt ausgewertet werden, und benutzen Personen
mit feindlichen Absichten dann nicht sowieso Kryptographie?
JoergTauss: Richtig. Sehe ich auch so. Die Polizei hofft aber, gelegentlich mal
die dümmsten der Kriminellen zu erwischen oder solche, die mal vergessen, sich
zu schützen. Insofern ist das alles sicher kritisch zu hinterfragen und ich wundere
mich, dass dies noch (öffentlich) zu wenig geschieht. Im Bundestag gibt es heftigen
Streit in der Frage- fraktionsübergreifend.
avatar: Gibt es Daten darüber, wie groß der aktuelle Mangel an Datenschutz ist?
JoergTauss: Das hoffe ich im Forum zu erfahren 😉
letztenacht: Die
Kryptoregulierung hat sich als Flop erwiesen. Die jetzige
Bundesregierung hat aber auch nicht viel anderes unternommen, um
Sicherheit zu schaffen bzw. zu fördern, oder?
JoergTauss: Dass wir auf Regulierung verzichtet habne hat zu einer Wende in der
intern. Kryptopolitik geführt. Das neue Datenschutzgesetz soll aber weitere Bausteine
für mehr Sicherheit liefern.
Bilgeri: Finden
Sie es richtig, dass in demokratischen Grundordnungen Informationen von
Dritten überwacht werden können/sollen? Muss hier nicht die Politik
kritisch bleiben und enge Grenzen ziehen?
JoergTauss: Beides mal Ja. Aber wie gesagt: Der Zweck heiligt nicht die Mittel
looka: zum
Datenschutz und seiner Umsetzung: was hat sich geändert, seit die
Datenschutzbeauftragten nicht mehr dem Innenministerium untergeordnet
sind?
JoergTauss: Sie sind in der Regel den Innministerien untergeordnet. Im Bund und
in den meisten Ländern. Dennoch müssen sie unabhängig sein. Das Beispiel Sachsen,
wo eine einfache Parl. …
JoergTauss: Mehrherheit den Landesbeauftragten künftig abwählen soll, ist eine
bedenkliche Entwicklung
Bilgeri: Ist
die Politik (und somit auch die verantwortlichen Politiker) auf Grund
der oft nicht vorhandenen Kenntnisse im Bereich "Internet" überhaupt in
der Lage sinnvolle Lösungen (die auch die Interessen der Bürger
berücksichtigen) zu schaffen?
JoergTauss: So ganz ohne Kenntnisse sind wir nun auch nicht. Aber mit dem Projekt
wollen wir ja gerade zusätzlichen Sachverstand mobilisieren
looka: Ist die Kryptoregulierung überhaupt aus politischen Gründen gescheitert
oder nur, weil sie sich als nicht durchführbar erwiesen hat 🙂 ?
JoergTauss: Über die Durchführbarkeit machte sich Herr Kanther wenig Gedanken;-)
Aber schon eine Kriminalisierung wäre ja mehr als bedenklich gewesen. Aber die
Kehrtwende beruhte tatsächlich auf der Einsicht, dass Bürger(innen) und Bürger
nebst Wirtschaft etc schützen können müssen.Dieses Signal war wichtig.
styleguider: Der
momentane Entwurf zu einer TKÜV ist bereits der zweite Vorstoß. Warum
ist es so schwierig, eine Kompromisslösung bei den Abhörplänen zu
finden?
Moderator: TKÜV: Telekommunikations-Überwachungs-Verordnung
JoergTauss: Es gibt schon vier Entwürfe, die alle verworfen wurden. M. E. stimmt
bereits die Grundlage für die Verordnung nicht. Und die ist das TKG (Telekomm.gesetz).
picabo: Hat das "Unter-Verschluss-halten" der Kohlschen Stasi-Akten etwas mit Datenschutz zu tun?
JoergTauss: Es wird behauptet. Ich habe aber grosse Probleme mit der jetzt getroffenen
Entscheidung. 10 Jahre lang war der Datenschutz kein Problem- erst bei Herrn Kohl
soll er es sein?!?
Moderator: Und hier die letzte Frage …
vorne links: Gibt es einen Weg zurück aus der Infogesellschaft?
JoergTauss: Nein.
Moderator: Das war kurz und bündig!
Moderator: Vielen Dank, dass Sie bei uns waren Herr Tauss und vielen Dank für
die Teilnahme am Chat, liebe Gäste.
Moderator: Leider konnten wieder einmal nicht alle Fragten beantwortet werden.
Moderator: Unser nächster Termin, zusammen mit stern.de: Christian Stroebele am
…-
Moderator: nächsten Dienstag um 17 Uhr.