Dieter Hundt im Chat am 04. Juli 2001
Nachlassende Konjunktur,
Fachkräftemangel und stagnierende Arbeitslosenzahlen bestimmen derzeit
die Diskussion in der Wirtschaftspolitik. Dieter Hundt, Präsident der
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), bezog klar
Stellung zu diesen Fragen und appellierte an Politik und
Gewerkschaften, wirtschafts- und produktivitätsorientiert zu denken.
Mit den Chattern sprach er darüber hinaus auch über Frauenförderung,
Studiengebühren, Politik und Fußball.
Parteipolitische Äußerungen
wollte sich Dieter Hundt nicht entlocken lassen, wohl aber eine
deutliche Kritik an der bisherigen Wirtschaftspolitik der
Bundesregierung. "Vor dem Hintergrund der weltweiten Abschwächung
des Wirtschaftswachstums sollte die deutsche Politik die richtigen
Weichenstellungen vornehmen und nicht, wie dies in den letzten Monaten
geschehen ist, den Arbeitsmarkt zusätzlich regulieren. " Schließlich sei es auch im vergangenen Jahr "aufgrund angemessener und vernünftiger produktivitätsorienter Tarifabschlüsse" gelungen, 600.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Notwendige Maßnahmen seien jetzt die "Rückführung
von Sozialmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt, die verstärkte Beschäftigung
älterer Arbeitnehmer und die verstärkte Erschließung des
Niedriglohnsektors".
Zur Verbesserung der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit gehöre es auch, die deutschen
Sozialversicherungssysteme auf ein finanzierbares Niveau
zurückzufahren. In der Kranken-, Pflege- und Altersversicherung sei es
notwendig, "auf eine Basissicherung zurückzugehen, die den Einzelnen
vor unverkraftbaren Risiken schützt, von ihm auf der anderen Seite aber
verlangt, dass er zusätzliche private Versorgungssysteme unter
Berücksichtigung seiner individuellen Situation abschließt". Dies
sei nicht der Weg zu einem Zweiklassensystem, sondern führe dazu, dass
versicherungsfremde Leistungen nicht mehr über die
Sozialversicherungssysteme bezahlt würden.
Die Vereinbarung zur Frauenförderung, die zwischen Bundesregierung und Spitzenverbänden
geschlossen wurde, bezeichnete Hundt als gut. "Sie wird die erfolgreiche
Entwicklung der Beschäftigung von Frauen in der deutschen Wirtschaft fortsetzen
und intensivieren. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demographischen
Entwicklung auch richtig und wichtig." Sowohl Politik, Wirtschaft als auch
Gesellschaft müßten sich dafür einsetzen, die Frauenbeschäftigung zu intensivieren.
"Die Politik muss wichtige Voraussetzungen im Zusammenhang mit Kinderbetreuung
und Schule erfüllen. Die Frauen selbst sind aufgefordert, sich verstärkt in
technisch-naturwissenschaftlichen Berufen ausbilden zu lassen." Die Arbeitgeberverbände
schließlich würden die Unternehmen auffordern, sich in dieser Frage stärker
zu engagieren. Eine Selbstverpflichtung komme jedoch schon deshalb nicht in
Frage, weil die Voraussetzungen in den einzelnen Unternehmen nach Branchen und
Regionen zu stark differieren.
Ein wichtiger Schritt zur Beseitigung des Fachkräftemangels ist laut Hundt die Reform des Bildungswesens, "und zwar auf allen Ebenen, von der Hauptschule über die Realschulen und Gymnasien bis hin zu Hochschulen und Universitäten". Dazu gehöre auch die Einführung von Studiengebühren in angemessenem Umfang, denn diese "verbessern die Situation der Hochschulen bzw. Universitäten in Richtung auf mehr Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit". Allerdings müßten für einkommensschwächere Familien auch Stipendienlösungen und Darlehen angeboten werden. Er halte es "nicht für vertretbar, dass Facharbeiter das Studium der Kinder von Bankdirektoren finanzieren". Hundt befürwortet auch die Elitenausbildung: "Für
mich gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, warum Hochbegabte nicht
entsprechend ihren Kenntnissen und Fähigkeiten geschult und ausgebildet
werden sollen. "
Zum Wahlkampf in Berlin befragt, plädierte Dieter Hundt für Sachlichkeit.
"Wir sollten unterschiedliche Positionen argumentativ und nicht durch Werfen
von Eiern und Flaschen ausdiskutieren." Eine Einbeziehung der PDS in die
Regierungsverantwortung hält er für problematisch: "Eine Regierungsbeteiligung
der SED-Nachfolgepartei würde sich auf Investitionen aus dem In- und Ausland
negativ auswirken. Darüber hinaus sind wirtschaftliche Positionen der PDS, wie
etwa die Verstaatlichung von Großunternehmen, unerträglich. Im Zeitalter der
Globalisierung ist der gegenteilige Weg notwendig. "
Auch über persönliche Belange gab der Arbeitgeberpräsident Auskunft, z.B. wie er zu seiner jetzigen Position gelangte: "Ich bin dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind".
Dass es nicht ganz ohne eigenes Zutun dazu kam, gab er schließlich doch
zu – als Vorsitzender des Verbands der Metallindustrie hatte er schon
ausreichende Erfahrungen gesammelt, um für sein jetziges Amt
vorgeschlagen zu werden. Etwas Lokalpatriotismus ließ der gebürtige
Schwabe Dieter Hundt in der Fußballfrage anklingen: "Irgendwann wird
der VfB Stuttgart auch wieder Deutscher Meister. In der neuen Saison
erwarte ich, dass wir deutlich besser abschneiden als in der letzten.
Ob es allerdings dieses Mal schon zur Meisterschaft reicht, ist
fraglich. "
Das ausführliche Transkript finden sie hier.
Kommentieren
Sie diesen Artikel!
Diskutieren
Sie mit anderen in unserem Forum!