Wolfgang Thierse im Chat am 7. Februar 2000

Die Amtszeit hätte ruhiger werden
können. Nun aber hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse rund um die
Uhr zu tun: Die CDU-Spendenaffäre und die aktuelle rechtsradikale
Problematik halten ihn auf Trab. Auch im Chat von politik-digital und
stern.de wollten die User vor allem Antworten zu diesen Themen.

"Ein erstaunliches Urteil" befand der stellvertretende SPD-Vorsitzende auf die Aufhebung der 41 Millionen Strafe für die CDU angesprochen. "Die Wirkung dieses Urteils auf das Rechtsbewusstsein der Bürger als Steuerzahler sind schwer zu kalkulieren." Thierse erklärte der Chatgemeinde, er werde sich nun eingehend juristisch beraten und dann entscheiden "ob ich in die zweite Instanz gehe". Ein Chatter wollte wissen, ob Thierse den Ruin der CDU vorhabe. Dazu der Bundestagspräsident: "Nein,
entschieden nein. Gesetze gelten für alle Parteien, das
Transparenzgebot des GG auch. Im Übrigen sollte man mir nicht
vorwerfen, dass es in der CDU Spendenaffären gegeben hat."

Freiwillig und engagiert hingegen
ist sein Einsatz gegen rechte Gewalt, mit dem Wolfgang Thierse sich
einen Namen gemacht hat. Das Scheitern der historisch-politischen
Bildung, fehlende Aufklärung im Elternhaus und jugendliche Ignoranz
seien mit Schuld daran, dass viele junge Menschen den
Nationalsozialismus positiv bewerten. "Ein entsetzlicher Befund" meinte Thierse und räumte ein, dass vor allem in Ostdeutschland die SED-Vergangenheit mit Schuld trage: "Autoritäre
Prägungen, mangelnde Konflikterfahrungen, das Eingesperrt-Sein – all
das hat dazu geführt, dass der Umgang mit Fremden und Fremdem nicht
gelernt wurde"
. Die Bundesregierung, so der stellvertretende
SPD-Vorsitzende, habe aber seit letztem Sommer zahlreiche Programme
gegen Rechts auch finanziell ausgestattet. Thierse hält nach eigenen
Angaben nicht nur seine Kinder dazu an "sich politisch zu engagieren",
er gab auch der Chatgemeinde den Rat, sich beim jeweiligen
Bundestagsabgeordneten über Förderung für Projekte gegen Rechts zu
informieren.

Und beim Thema Geld verriet
Thierse auch gleich noch ein offenes Geheimnis, nämlich die Höhe der
Abgeordnetendiäten. Mangelnder Verdienst sei allerdings nicht schuld
daran, dass er sich den Bart so selten stutzen lasse, meinte Thierse
mit einem digitalen Augenzwinkern: "Früh hat der Frisör noch zu und nachts, wenn ich wiederkomme, ist er auch wieder zu." – Vielleicht findet sich ja Berliner Coiffeur, der in den Reichstag kommt, Herr Bundestagspräsident?

Das ausführliche Transkript finden sie hier.

 


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