Am Montag, 3. Dezember, war Albrecht Buttolo, Innenminister von Sachsen, zu Gast im tagesschau-Chat in Kooperation mit politik-digital.de. Er sprach über die Risiken eines NPD-Verbotsantrags, die Vorratsdatenspeicherung und weitere Überwachungsmaßnahmen.

Moderator: Herzlich willkommen im tagesschau-Chat
– heute zu einer etwas früheren Stunde, das ist dem dichten
Terminplan unseres Gastes geschuldet. In Dresden begrüße
ich jetzt Dr. Albrecht Buttolo, CDU-Politiker und Innenminister
von Sachsen. Auf ihrer Herbstkonferenz beraten die Innenminister
von Bund und Ländern diese Woche über die innere Sicherheit
und den Umgang mit der NPD. 2003 scheiterte ein NPD-Verbot vor dem
Bundesverfassungsgericht. Einige SPD-Innenminister und auch der
Schweriner CDU-Innenminister Lorenz Caffier sind für einen
neuen Anlauf für ein NPD-Verbot, die meisten Unions-Innenminister
dagegen. Die erste Frage – aus den Fragen, die wir bereits
vor dem Chat gesammelt haben:

Holger: Was halten Sie von einem NPD-Verbot?

Albrecht Buttolo
Albrecht Buttolo
Sächsischer Innenminister

Albrecht Buttolo: Ein NPD-Verbot
klingt zunächst erstmal sehr verlockend. Trotzdem bin ich persönlich
sehr skeptisch. Ein erneuter Antritt darf nicht dazu führen,
dass ein NPD-Verbot erneut scheitert. Letztendlich würden dadurch
die NPD und die Rechten grundsätzlich in eine Märtyrer-Rolle
gehoben. Ich persönlich halte es für dringend erforderlich,
dass wir uns als Gesellschaft grundsätzlich mit dem rechtsextremen
Gedankengut auseinandersetzen und in vielfältiger Weise dafür
Sorge tragen, dass den Bürgern im Lande klar vermittelt wird,
die NPD knüpft an die schlimme Vergangenheit in den 30er-Jahren
an. Sie hat für die heutigen Probleme keine Lösungen.
Sie agiert ausschließlich populistisch. Ein gesamtgesellschaftliches
Auseinandersetzen sollte gleichzeitig ein Bündeln vieler Kräfte
innerhalb der Gesellschaft darstellen.
Ich denke dabei nicht nur an Kirchen, sondern auch sehr stark an
Vereine, aber auch an politische Organisationen, die in der Mitte
unserer Gesellschaft angesiedelt sind.

Moderator: Auch aus unserem "Warteraum":
Wie ist Ihre Einschätzung?

AntifaV: Würde ein NPD-Verbot nicht nur die
Republikaner und die DVU in den Parlamenten und die autonomen Nationalisten
auf der Straße stärken?

Albrecht Buttolo: Auf jeden Fall würde diese
Reaktion eintreten, wenn ein nochmaliger Verbotsversuch negativ
ausgeht.

Moderator: Was ist Ihrer Ansicht nach das größte
Hindernis für ein Verbotsversuch – ihre Innenministerkollegen
sind ja zum Teil dafür?

Albrecht Buttolo: Es ist gegenwärtig nicht
abschätzbar, ob ein Bundesverfassungsgericht die derzeitigen
Argumente zur Verfassungswidrigkeit im vollen Umfange akzeptieren
würde. Zum anderen kommt hinzu, dass ein Verbotsverfahren das
Herausziehen aller V-Männer aus der NPD voraussetzt. Damit
wäre es über einen längeren Zeitraum innerhalb der
NPD nicht möglich, Informationen abzuschöpfen und zum
anderen wäre ein erneuter Einstieg des Verfassungsschutzes
äußerst schwierig und zeitaufwändig.

lagge: Hallo, Herr Buttolo! Sie haben in Sachsen
ja die NPD im Landtag. Wie geht man da mit denen um? Redet man mit
ihnen oder meidet man sie?

Albrecht Buttolo: Das ist in der Tat eine sehr
interessante Frage. Die NPD-Mitglieder werden keinesfalls in die
normalen Gespräche unter Abgeordneten mit einbezogen. Dort
haben sie eine Außenseiterrolle. In der politischen Auseinandersetzung
innerhalb der Landtagssitzungen setzt man sich natürlich mit
ihnen auseinander. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass
die NPD in der Vergangenheit häufig schon populistische Themen
gewählt hat, so dass das Signal der NPD ins Land schon abgesendet
ist, sie sei die Partei, die sich um die Sorgen der Bürger
kümmere.

Moderator: Populismus ist ja etwas, was in Parteien
nicht ganz unüblich ist – und oft beklagt wird. Was setzt man
da entgegen? Das ist ja nicht einfach.

Albrecht Buttolo: Auf jeden Fall setzen wir innerhalb
der Plenardebatten ein abgestimmtes Verhalten zwischen den Koalitionsparteien
(CDU und SPD) aber auch mit den anderen demokratischen Parteien
entgegen. Die Debatten der NPD laufen damit häufig ins Leere.
Der Präsident des sächsischen Landtages ist häufig
gezwungen, die NPD-Redner durch Ordnungsrufe zu maßregeln.

intrr: Sie haben eingangs gesagt, dass es sehr
wichtig sei, einen offenen Diskurs mit "den Rechten" zu
führen. Nun schreiben Sie, dass sie natürlich keinesfalls
in normale Gespräche mit einbezogen werden. Können Sie
diesen Widerspruch erklären?

Albrecht Buttolo: Der offene Diskurs setzt voraus,
dass sich in den Regionen all die Kräfte bündeln, die
sich mit dem rechten Gedankengut nicht identifizieren möchten.
Wir haben hierzu im Freistaat Sachsen beispielsweise in der Stadt
Pirna gute Erfahrungen. Über das ganze Jahr hinweg organisiert
der Oberbürgermeister eine Vielzahl unterschiedlicher Veranstaltungen,
bei denen die Bürger zu Wort kommen und ihre ablehnenden Positionen
zu Rechtsextremismus artikulieren können. Ein festes Datum
in meinem Kalender ist beispielsweise die Teilnahme am "Markt
der Kulturen" in der Stadt Pirna. Dies ist eine Veranstaltung,
die die Ausländerfeindlichkeit der NPD ins Visier nimmt.

jerome: Was unternimmt man gegen Propagandaaktionen
der NPD an Schulen? Sind die Ausgaben des Staats zur Bekämpfung
von rechtem Gedankengut bei Jugendlichen ausreichend?

Albrecht Buttolo: Wir reagieren im Freistaat
Sachsen auf sehr unterschiedliche Art und Weise auf die Propaganda
der NPD in Schulen. Dabei ist es sehr wichtig, dieses Propagandamaterial
nicht nur zu verbieten, sondern im Unterricht unter Hinzuziehung
von Experten den Schülern deutlich zu machen, was eigentlich
in der Propaganda als Ziel dahinter steckt. Auch muss man dem Einstieg
über Musik entgegentreten, da dieser Einstieg häufig genutzt
wird, um die Jugendlichen erst einmal an sich zu binden. Ihrer Frage
nach den Ausgaben möchte ich ausdrücklich entgegensetzen:
Es kommt nicht nur auf finanzielle Unterstützung der Jugendarbeit
an, sondern es kommt darauf an, dass die Jugend erfährt, dass
die Gesamtgesellschaft sich gegen Rechts stellt und die Einzelpunkte
auch hinreichend widerlegt werden können.

Moderator: Kann man das Verteilen von Material
vor (!) den Schulen einfach verbieten?

Albrecht Buttolo: Ein Verbot durch die Schule
funktioniert in diesem Falle nicht. Da die NPD den öffentlichen
Raum nutzt, muss in diesem Bereich nach einem Hinweis durch die
Schulleitung die örtliche Polizei aktiv werden. Dies wird auch
praktiziert.

Moderator: Solange die NPD aber nicht mit Plakaten
oder Flyern kommt, die strafbare Inhalte haben, kann die Polizei
nicht einschreiten, richtig?

Albrecht Buttolo: Richtig. Trotzdem möchte
ich darauf hinweisen, dass die sächsische Polizei mit Schulen
seit Jahren eine intensive Partnerschaft pflegt. Die Arbeit in den
Schulen stellt einen wichtigen Schwerpunkt bei der Präventionsarbeit
der Polizei dar. Häufig nutzt die Polizei auch die Möglichkeit
Lehrkräfte fortzubilden, um sie noch sensibler für rechtsextremes
Gedankengut zu machen. Dazu gehört auch das Vermitteln von
Kenntnissen, welche Symbole tatsächlich rechtsextremistisch
belegt und damit verboten sind.

Heinz: Gibt es auch rechte Gesinnung bei der
Polizei?

Albrecht Buttolo: Mir sind hierzu keine Polizisten
bekannt.

intrr: Sind Sie sicher, dass die 90 Prozent der
Bürger, die die NPD nicht wählen, allesamt rechtes Gedankengut
ablehnen? Wenn ich in eine normale Kneipe gehe und dort Gespräche
führe, habe ich genau den entgegengesetzten Eindruck, egal
in welchem Bundesland.

Albrecht Buttolo: Das ist in der Tat ein grundsätzliches
Problem. Die NPD nutzt Befürchtungen innerhalb der Bevölkerung,
um ihre populistischen Lösungen zu präsentieren. Wir alle
kennen die aufreißerischen Plakate – gerade vor Wahlen. Ständig
wird zum Beispiel dabei die Suche nach Arbeitsplätzen mit dem
Verneinen von Arbeitsplätzen für Ausländer in Zusammenhang
gebracht.

Moderator: In Sachen Statistik rechter Straftaten:

Heinz: Ist es möglich, dass die Statistik
wie in Sachsen-Anhalt falsch geführt wird?

Albrecht Buttolo: Ich gehe davon aus, dass unsere
Statistik sauber geführt wird. Ich habe bislang keine Anzeichen,
dass dort eine Verfälschung stattgefunden hat.

Moderator: Haben Sie das Gefühl, dass es
in Sachen NPD – Umgang / Verbot – einen Unterschied zwischen Ost-
und West-Innenminister gibt. Verstehen die "Wessis" das?
Dort sitzt schließlich die NPD nicht im Landtag und ist auch
nicht so stark vertreten.

Albrecht Buttolo: Die Unterscheidung Ost-West
ist nicht ganz zutreffend. Hierfür spricht ja schon, dass Kollege
Caffier sich für ein NPD-Verbot stark macht.

Hans-Albert: Warum, glauben Sie, ist die NPD
besonders in Sachsen so stark?

Albrecht Buttolo: Zur letzten Landtagswahl hatte
man sich bundesweit auf die Chance, in Sachsen als NPD den Fuß
in die Tür zu bekommen, orientiert. Natürlich muss man
sehen, dass sie auch ihren Verlag in Riesa angesiedelt haben, der
für ihre Propaganda eine wichtige Ausgangsposition darstellt.
Darüber hinaus hatte ja beispielsweise in der sächsischen
Schweiz schon seit vielen Jahren die rechte Szene eine durchaus
ernstzunehmende Bedeutung.

Deichtier: Was raten Sie denn den Bürgern,
die nicht rechts sind: Wie können sie gegen rechtes Gedankengut
vorgehen, was unternehmen, wenn z.B. Material an Schulen verteilt
wird, Hakenkreuze geschmiert werden etc.?

Albrecht Buttolo: Das wichtigste ist meiner Meinung
nach bürgerliches Engagement zu zeigen, sich couragiert gegen
jeden Ansatz rechtsextremer Propaganda zu stellen und nicht weg
zu schauen. Ein Tolerieren darf nicht stattfinden.

Moderator: Anderes Thema:

Melange: Zur Vorratsdatenspeicherung: Ich hab
den Eindruck, dass viele Menschen eher die komplette staatliche
Überwachung fürchten als eine Bedrohung von Terroristen
(oder Raubkopierern). Warum halten Sie eine Vorratsdatenspeicherung
trotzdem für sinnvoll?

Albrecht Buttolo: Wir müssen zeitgemäße
Möglichkeiten, uns gegen die Bedrohung der freiheitlichen Ordnung
zu stellen, einfach nutzen. Wenn ich Ihnen die misslungenen Anschläge
von Terroristen auf Deutschland aus den letzten Monaten ins Gedächtnis
zurückrufen darf, muss man klar erkennen, dass mit herkömmlichen
Mitteln wie der Telefonabhörung schlichtweg den Terroristen
nicht beizukommen ist. So wurden für die telefonischen Kontakte
Handys grundsätzlich nur einmal benutzt, eine Telefonüberwachung
geht also ins Leere. Um die Bevölkerung tatsächlich vor
terroristischen Gefahren schützen zu können, müssen
wir neue Wege beschreiten, die natürlich den Schutz des privaten
Lebensraumes hinreichend garantieren. Der normale Bürger darf
sich nicht durch Schutzmaßnahmen beeinträchtigt fühlen.
Trotzdem müssen wir die Möglichkeiten haben, auch im Nachhinein
bestimmte Informationsverbindungen offenlegen zu können. Daher
halte ich die Neuregelung der Kommunikationsüberwachung für
dringend erforderlich.

Altair: Unterstützen Sie die harte Linie
Wolfgang Schäubles, besonders in Bezug auf Überwachung?

Albrecht Buttolo: Natürlich unterstütze
ich die Linie beispielsweise der Online-Durchsuchung von Computern.
Hier gilt natürlich, dass staatliche Stellen nur nach einem
richterlichen Beschluss eine Online-Durchsuchung vornehmen dürfen.
Wir selbst wissen doch, dass viele, die sich kriminell betätigen,
in diesem Feld bereits tätig sind. Der Staat hinkt mit seinen
Maßnahmen schlichtweg hinterher.

Horst Hampel: Freiheitliche Ordnung schützen,
indem Sie Freiheiten einschränken? Die Festnahme von Terrorverdächtigen
hat auch ohne Vorratsdatenspeicherung geklappt. Glauben Sie wirklich,
dass Terroristen, die wissen wie überwacht wird, Anschläge
noch per E-Mail verabreden?

Albrecht Buttolo: Sie nutzen auf jeden Fall das
Internet und alle heutzutage üblichen Kommunikationswege. Die
Freiheit des Einzelnen soll nicht eingeschränkt werden, sondern
im Interesse seiner Freiheit sollen Kriminelle in ihren Machenschaften
beobachtet werden.

Moderator: Aus unserem vor dem Chat eingesammelten
Fragenkatalog:

anonym1: Zum Thema Vorratsdatenspeicherung: Die
Telekommunikationsüberwachung soll nicht nur zur Strafverfolgung,
sondern auch zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben aller
Geheimdienste verwendet werden. Welche Aufgaben welcher Geheimdienste
sind das?

Albrecht Buttolo: Der Verfassungsschutz der Länder
der Bundesrepublik beobachtet Themenfelder auch im Vorfeld von Straftaten.
Die Strafverfolgung soll durch eine Beobachtung objektiviert werden
und Straftaten von vornherein verhindert werden. Moderator: Nun
hätte beim letzten vereitelten Anschlagsversuch eine Online-Durchsuchung
nichts genutzt. Die Verdächtigen nutzten offene W-LAN-Knoten.
Die Online-Durchsuchung ist ja noch nicht beschlossen, die SPD ist
dagegen, für Sie muss sie aber kommen?

Albrecht Buttolo: Ich halte sie für notwendig
und ich gehe davon aus, dass die Diskussionen auch mit dem Koalitionspartner
SPD zu diesem Ergebnis führen sollten.

Katatonia: Wie stehen Sie dazu, die bei der Vorratsdatenspeicherung
erhobenen Daten auch der Musikindustrie z.B. zur Verfügung
zu stellen? Warum kam dieser Vorschlag erst nach dem beschlossenen
Gesetz?

Albrecht Buttolo: Ich halte diesen Vorschlag für
verzichtbar.

Mandarine: Wie sieht es mit Videoüberwachung
aus? Wollten Sie nicht die Dresdner Neustadt überwachen lassen?
Wird da nicht auch jeder Bürger beobachtet und somit jeder
zum potentiell Verdächtigen?

Albrecht Buttolo: Wir haben in Sachsen wie in
anderen Ländern der Bundesrepublik mit Videoüberwachungen
im öffentlichen Raum sehr gute Erfahrungen. Die Kriminalität
in den überwachten Bereichen konnte deutlich zurückgedrängt
werden. Ich möchte keineswegs die gesamte Dresdner Neustadt
überwachen sondern plädiere dafür, dass an Kriminalitätsschwerpunkten
– die bekannt sind – eine derartige Überwachung im Bedarfsfalle
vorgenommen werden kann. Der normale Bürger wehrt sich auch
nicht, wenn eine Videoüberwachung beispielsweise beim Tanken
oder in Einkaufscentern praktiziert wird.

Leipzig: Wie wollen Sie den Bürgern die Angst
etwa vor falscher Verdächtigung und einem "Big Brother
is watching you" nehmen?

Albrecht Buttolo: Mit einer Videoüberwachung
wird gerade der unschuldige Bürger davor bewahrt, dass er einer
falschen Verdächtigung ausgesetzt wird. Die Aufzeichnungen
stellen lediglich fest, wer sich gesetzeswidrig verhalten hat. Außerdem
möchte ich nochmals betonen, dass es keine Rundumüberwachung
24 Stunden, sieben Tage in der Woche sein soll, sondern nur dann,
wenn tatsächlich eine schwierige Situation diese polizeiliche
Maßnahme fordert.

Moderator: Nachfrage vom gleichen User:

Leipzig: Was passiert mit den Videos, die Sie
in Dresden aufnehmen wollen? Werden die gespeichert, wenn ja, wie
lange?

Albrecht Buttolo: Eine Speicherung erfolgt ja
nur dann, wenn ein tatsächlicher "Treffer" vorliegt.
Ansonsten erfolgt keine Speicherung.

Moderator: Ist für Sie das britische "Modell"
wünschenswert oder sinnvoll? Die Polizei hat in London tausende
Überwachungskameras bzw. Zugriff auf diese.

Albrecht Buttolo: Ein derartig ausgefeiltes System
brauchen wir sicherlich nicht. Es muss abgewogen werden zwischen
den Interessen einzelner Bürger und notwendigen Maßnahmen
zur Verhinderung von schwerer Kriminalität.

Extra: Eine Nachfrage: Was verstehen Sie unter
einer schwierigen Situation? Etwa Demonstrationen oder ähnliches?

Albrecht Buttolo: Auf keinen Fall eine angemeldete
Demonstration, aber sehr wohl eine Randale zu Lasten unschuldiger
Bürger oder deren Eigentum.

Zweistein: Videoüberwachung hin oder her,
es müssen doch auch genügend Polizisten zur Verfügung
stehen – was bisher nicht der Fall ist, oder?

Albrecht Buttolo: Bei den notwendigen Polizeieinsätzen
hatten wir in den vergangenen Monaten ausreichend Polizisten vor
Ort. Trotzdem muss ich auch zum Schutz der Polizisten andere Möglichkeiten
nutzen, um beispielsweise einen effektiveren Einsatz der Polizei
zu ermöglichen.

Moderator: In Sachen, wann die Kameras laufen
und wie lange gespeichert wird, besteht noch Klärungsbedarf:

intrr: Also, die Kameras zeichnen nur auf, wenn
Verbrechen begangen werden? Das nenne ich intelligente Software
🙂

Extra: Hm, und Sie wollen die Kameras dann anschalten,
wenn randaliert wird? Oder hab ich das falsch verstanden?

Albrecht Buttolo: Das haben Sie schon richtig
verstanden. Die kritische Situation entsteht ja nicht spontan, sondern
bahnt sich längerfristig in einer Nacht schon an. Dann ist
der Einsatz der Kameras möglich, die in einem Polizeirevier
auflaufen. Die Entscheidung, ob gespeichert wird, ist natürlich
keine Softwareentscheidung sondern eine Entscheidung des Polizisten
vor Ort.

Moderator: Noch mal zur Balance zwischen Gefahrenabwehr
und politischer Alltagsarbeit. Können Sie diese Aussage nachvollziehen?

Anna: Anstatt mit geplanter Onlineüberwachung
in privaten PCs rumschnüffeln zu wollen, sollte Deutschland
lieber etwas gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit unter Migranten
tun.

Albrecht Buttolo: Die hohe Jugendarbeitslosigkeit
von Migranten ist in der Tat ein sehr ernstzunehmendes Thema. Ich
möchte sie aber keineswegs unter Generalverdacht stellen, wenn
es um die Verhinderung von Straftaten geht. Die Vergangenheit hat
ja auch gezeigt, dass diejenigen, die terroristische Anschläge
planen, keineswegs arbeitslos sind sondern sehr wohl in Lohn und
Brot stehen.

marco-4u: Eine Frage zu den neuen biometrischen
Pässen. Die Daten können ja auch von ausländischen
Behörden ausgelesen werden. Wie wollen Sie sicherstellen, dass
zum Bsp. die USA oder andere Länder sich an die deutsche Bestimmung
zum Datenschutz halten und kein Missbrauch der Daten stattfindet?

Albrecht Buttolo: Jedes Land formuliert seine
eigenen Forderungen, wenn es darum geht, Einreisen zu genehmigen.
Wenn eine Einreise in die USA mit der Abgabe seiner biometrischen
Daten verbunden ist, muss jeder, der einreisen will, selbst seine
Entscheidung treffen ob er seine Daten amerikanische Behörden
zur Verfügung stellt oder ob er auf die Reise verzichtet.

Moderator: Die Zahl der Kritiker von Fingerabdrücken
in Pässen ist groß – das ist ja jetzt noch einmal eine
Erweiterung des biometrischen Ausweises. Ob die Abdrücke etwas
nützen, kann man auch hinterfragen. Unterstützen Sie dieses
Projekt?

Albrecht Buttolo: Ich unterstütze das Projekt
deshalb, weil es gegenwärtig hervorragende Fälschungen
von Ausweispapieren gibt. Das Fälschen von Ausweispapieren
wird durch das Ablegen der biometrischen Daten deutlich erschwert.

Moderator: Das Luftsicherheitsgesetz wurde ja
vom Verfassungsgericht verworfen, aber irgendwann muss die Frage
ja mal geklärt werden:

Klaas: Was halten Sie von einem Abschussbefehl
gegen Flugzeuge?

Albrecht Buttolo: Ich möchte nicht mit demjenigen
tauschen, der eine derartige Entscheidung zu treffen hat. Aus diesem
Grund verstehe ich schon, dass man ihm für eine derartige Entscheidung
einen entsprechenden Rechtsrahmen geben will.

Moderator: Wie könnte der aussehen?

Albrecht Buttolo: Eine rechtliche Regelung, die
klar umreißt, wann ein derartiger Beschluss gefasst werden
muss.

Moderator: Es gibt ja derzeit viele Vergleiche
in Sachen Sicherheit – von der RAF bis heute. Wie geht die Entwicklung
weiter, dazu:

pro-verbot: Wie viele personenbezogene Daten
sollen wir denn noch offen legen, bis wir uns Ihrer Meinung nach
in Deutschland "sicher" fühlen können?

Albrecht Buttolo: Bei ihrem Ansatz bitte ich zu
bedenken, dass eine Vielzahl von Sicherheitsvorkehrungen, die getroffen
werden, nur möglich sind, wenn hinreichende Anhaltspunkte da
sind und ein richterlicher Beschluss für derartige Überprüfungen
vorliegt.

Moderator: Unsere 60 Minuten tagesschau-Chat sind
vorbei – vielen Dank an Innenminister Dr. Albrecht Buttolo
nach Dresden, dass Sie sich Zeit für den tagesschau-Chat genommen
haben. Vielen Dank an alle Nutzer von tagesschau.de und politik-digital.de
für ihr Interesse und die Fragen. tagesschau.de und politik-digital.de
wünschen allen Beteiligten noch einen schönen Tag!

Albrecht Buttolo: Herzlichen Dank für die
Möglichkeit bei Ihnen zu Gast zu sein. Ich wünsche ihnen
eine schöne Adventszeit und bedanke mich für ihre Fragen.
Hoffentlich sind sie bald auch einmal Gast im Freistaat Sachsen
auf einem der zahlreichen schönen Weihnachtsmärkte.

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