tacheles.02: Chat mit Michael Glos
Moderator: Liebe Chatterinnen und Chatter, Herr Glos wird
sich etwas verspäten – US-Präsident Bush ist in der Stadt, das bremst
etwas den Verkehr. Sie können aber bereits Fragen stellen, Herr Glos
trifft in wenigen Minuten ein und dann geht es los.Moderator: Herr Glos
ist nun eingetroffen.
Moderator: Herzlich willkommen im tacheles.02-Chat. Heute ist
der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, für die
nächsten 60 Minuten bei uns zu Gast. Wir begrüßen Herrn Glos herzlich.
Tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de und
wird unterstützt von tagesspiegel.de.
Moderator: Kann es losgehen, Herr Glos?
Michael Glos: Ja.
Moderator:
Herr Glos, in diesen Minuten trifft US-Präsident George W.Bush zu
seinem Besuch in der Berlin ein. Hauptthema bei seinen politischen
Gesprächen wird der Kampf gegen den Terrorismus sein. Sie haben heute
Solidarität mit den USA auch bei einem US-Militärschlag gegen Irak
gefordert. Deutsche Soldaten an der Seite von US-Truppen auf dem Weg
nach Bagdad?
Michael Glos:
Nein das ist damit nicht gemeint. Wir hoffen nach wie vor, dass ein
Militärschlag gegen den Irak vermieden werden kann. Voraussetzung ist,
dass dort zweifelsfrei auf die Herstellung von Massenvernichtungswaffen
und die Unterstützung des internationalen Terrorismus verzichtet wird.
Die Bundesregierung hat allerdings im Nachbarland Kuwait deutsche
ABC-Spürpanzer stationiert, um den USA im Fall eines bewaffneten
Konflikts in der Region mit den entsprechenden Mitteln beistehen zu
können. Diese Politik der Bundesregierung wird auch von uns unterstützt.
Sabine W.:
Herr Glos, wie beurteilen Sie die Haltung des Bundeskanzlers und
SPD-Bundesvorsitzenden Schröder zu den Protesten gegen den Besuch von
US-Präsident George W. Bush in Berlin? Ist es nicht beschämend für
Deutschland, dass Parteien, die an der Regierung beteiligt sind, zu
Demonstrationen aufrufen, während der Kanzler "uneingeschränkte
Solidarität" zusichert?
Michael Glos:
Das zeigt, dass der Kanzler in Teilen der an der Regierung beteiligten
Parteien und Fraktionen nicht mehr das nötige Vertrauen genießt . Diese
Tatsache untergräbt das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland.
digitalist: Haben sie kein Verständnis für die Proteste?
Michael Glos:
Ich habe grundsätzlich Verständnis für gewaltfreie Demonstrationen und
damit verbundenen politischen Meinungsäußerungen. Ich habe allerdings
kein Verständnis dafür, dass Teile von Regierungsfraktionen gegen die
Politik der eigenen Bundesregierung demonstrieren.
Abel: Die Demos sind gewaltfrei. Wo sind da die Probleme?
Michael Glos:
Ja, ich hoffe, die Demos bleiben gewaltfrei. Die Probleme liegen im
doppelbödigen Verhalten von Teilen von Rot und Grün. Wenn man die
Politik von Fischer nicht mittragen kann, dann muss man raus aus der
Regierung.
Moderator: Auch Freunde könnten doch Fehler machen: Darf man die US-Regierung nicht auch als grüner Abgeordneter kritisieren?
Michael Glos:
Ja, das darf man sicher. Das muss man aber meiner festen Überzeugung
nach in der eigenen Fraktion und im Parlament tun und sollte als
Parlamentarier Proteste auf der Straße meiden.
chris: Sind die Proteste ein Akt der Undankbarkeit gegenüber Amerika?
Michael Glos:
Sicher auch, obwohl die Welt grundsätzlich nicht von Dankbarkeit leben
kann. Es besteht die Gefahr, dass die Bilder, die durch diese Proteste
nach Amerika gesandt werden, dort nicht als Ausdruck des demokratischen
Protestes von kleinen Minderheiten, sondern durch die Beteiligung von
Teilen der Regierungsparteien als Ausdruck des Misstrauens der
Deutschen gegen Amerika gesehen werden.
hellmood:
Können Sie denn uneingeschränkt zu Bushs Politik stehen? Ist die CSU
immer noch für eine grenzenlose und (gedankenlose?) Unterstützung der
Amerikaner?
Michael Glos:
Wir waren nie in unserem Festhalten an die Freundschaft mit Amerika
"gedankenlos". Insofern beinhaltet Ihre Frage eine Unterstellung, die
ich zurückweisen muss. Die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten von
Amerika und die stete Unterstützung auch der amerikanischen Truppen für
die Freiheit, gerade in Berlin, haben die deutsche Wiedervereinigung
unter demokratischen Vorzeichen erst möglich gemacht.
Kain66: Konfliktlösung durch Gewalt? Wie stehen sie dazu?
Michael Glos:
Gewalt ist das letzte Mittel zur Konfliktlösung. Wenn man es allerdings
mit gewaltbereiten Diktatoren oder Terroristen zu tun hat, dann muss
man auch entsprechende Gegengewalt anwenden. Deswegen unterstützen wir
die USA in ihren Anstrengungen Al-Kaida das Handwerk zu legen.
Moderator:
Noch einmal zum Krisenthema Irak. Ist denn ein US-Militärschlag noch
vermeidbar und wenn nein, was könnte eine Unterstützung der USA durch
die Bundesrepublik konkret bedeuten?
Michael Glos:
Die derzeitigen in Kuwait eingesetzten und in Deutschland abrufbereiten
ABC-Abwehrkräfte sind nur für Operationen im Rahmen "Enduring Freedom",
das heißt im Rahmen der Anti-Terroroperationen vorgesehen. Ein Einsatz
deutscher ABC-Abwehrkräfte im Rahmen eines möglichen Militärschlags der
USA gegen Irak bedarf der gesonderten Zustimmung des Bundestages. Eine
solche Zustimmung ist nur denkbar, wenn dem Irak eine Zusammenarbeit
mit Al-Kaida nachgewiesen wird oder ein Präventivschlag notwendig wird,
um eine Aggression des Irak z.B. mit Massenvernichtungswaffen
zuvorzukommen.
Maja: Gibt es einen NATO Einsatz im Irak oder einen Alleingang der USA? Und die UNO?
Michael Glos:
Gegenwärtig ist nach meiner Auffassung kein Einsatz zu erwarten. Ich
gehe davon aus, dass der amerikanische Präsident zur Stunde den
Bundeskanzler über seine weiteren Überlegungen unterrichtet.
Maja: Wie wird die Zusammenarbeit mit Bin Laden bewiesen?
Michael Glos: Ich gehe davon aus, dass die USA vor einem möglichen Einsatz die entsprechenden Beweise vorlegen werden.
heinz: Aber Sie müssen doch sicherlich zugeben, dass das Verhalten der USA nicht wirklich demokratisch ist, oder?
Michael Glos:
Die US-Regierung ist demokratisch gewählt. Wen sollte der US-Präsident
vorher fragen, wenn er die Notwendigkeit sieht, militärische Mittel zum
Schutz der eigenen Bevölkerung einzusetzen? Und dass die US-Bevölkerung
vom Terrorismus bedroht ist, haben die schlimmen Ereignisse von
Washington und New York bewiesen.
Moderator: Die kommende Frage bezieht sich auch noch auf das Thema Irak:
Maja: Was halten sie von wirtschaftlichen Embargos?
Michael Glos:
Im Irak hat das Wirtschaftsembargo offensichtlich nicht ausgereicht, um
Saddam Hussein und sein Unterdrückersystem von der Entwicklung weiterer
Waffen abzuhalten.
chris: Aber was passiert, wenn die Lage in Nahost sich nach der gewonnenen Bundestagswahl weiter zuspitzt?
Michael Glos:
Wir treten zusammen mit unseren europäischen Partnern für eine
friedliche Lösung auf der Grundlage von zwei selbstständigen Staaten,
nämlich Israel und Palästina, ein und unterstützen mit den Mitteln aus
dem EU-Haushalt den dann möglichen Wiederaufbau in dieser Region. Aber
die Friedenslösung kann nur von den dort Beteiligten selbst unter
Mithilfe der USA und der EU gefunden werden.
Moderator: Zu einem anderen Thema: Die FDP sorgt für Schlagzeilen und Fragen:
chris:
Sehr geehrter Herr Glos, haben Sie eigentlich die Befürchtung, dass
Ihnen die FDP in Person von Herrn Möllemann das Wählerpotential in der
eher wertkonservativen Ecke künftig streitig macht?
Michael Glos: Nein.
odi: Kommt die FDP angesichts der Möllemann-Diskussion noch ernsthaft für die Union als Koalitionspartner in Frage?
Michael Glos:
Die FDP besteht nicht nur aus Herrn Möllemann. Der übrigens heute auch
dafür eingetreten ist, das Herr Karsli nicht Mitglied der FDP wird. Ich
hoffe, dass sich die Diskussion über diesen, von den Grünen kommenden
Überläufer und seine von dort mitgebrachten radikalen Ansichten wieder
abebbt und sich die FDP einem Erfolg bei der Bundestagswahl zuwenden
kann.
Moderator: Herr Karsli soll aber in der FDP mitarbeiten, ist das nicht eine Farce?
Michael Glos:
Herr Karsli wird demnach in der Fraktion der NRW-Landtags-FDP
mitarbeiten und dort sicher wegweisende Initiativen des
Fraktionsvorsitzenden Möllemann für NRW unterstützen. Die Mitarbeit in
der FDP und damit Einfluss auf die politische Richtung dieser Partei
bleibt ihm gottlob versagt.
Hardy: Tacheles Herr Glos – Schadet oder nützt Ihrer Auffassung nach die Kanzlerkandidatur von Westerwelle der FDP?
Michael Glos:
Sie nutzt auf jeden Fall dem Bekanntheitsgrad von Herrn Westerwelle. Ob
sie die Ernsthaftigkeit und damit die Akzeptanz der FDP bei
bürgerlichen Wählerinnen und Wählern erhöht, ist äußerst ungewiss.
birte:
Warum zentriert sich die Union so stark in der Mitte. Wäre es nicht
geschickter, nach rechts auszuweichen, um den Rechten die Wähler
abzugewinnen?
Michael Glos:
Wer fest in der Mitte steht, kann nach beiden Seiten des politischen
Spektrums ausgreifen. Insofern muss die Union sowohl für Wähler links
als auch rechts der Mitte attraktiv bleiben und keine Angst vor einer
Positionierung auch rechts der Mitte haben. Abgelehnt wird von uns
jegliche Form des Radikalismus.
Hardy: Wie
viele Prozent wird/kann die FDP Ihrer Meinung nach bei der
Bundestagswahl einfahren? Ein Kanzler Stoiber braucht die Liberalen –
doch wie stark dürfen diese sein?
Michael Glos:
Die spannende Frage ist, wird die Zweitstimmenpartei FDP in die
Endphase der Bundestagswahl-Auseinandersetzung gehen, ohne ein klare
Koalitionsaussage zu Gunsten der Union zu treffen? Die Grundlage der
FDP-Erfolge waren stets taktisch operierende Zweitstimmenwähler. Bei
der Bundestagswahl am 22. September dominiert eine starke
Wechselstimmung. Wenn die FDP diese Wechselstimmung weg von Schröder
entsprechend glaubwürdig bedienen kann, hat sie Aussichten auf ein
überdurchschnittlich gutes Bundestagswahl-Ergebnis. Ich schätze so um
die 10 %. Leistet sich die FDP bis zur Bundestagswahl noch viele so
unnütze Debatten, wie gerade in letzter Zeit, werden die Wahlaussichten
sicher geringer.
Reinhard W.:
Wie wollen Sie die in Ihrem Wahlprogramm versprochenen Vorhaben
überhaupt finanzieren? Würde ein Kabinett Stoiber u. U. auch einen
"Blauen Brief" riskieren, um die Wahlversprechen einzulösen? Sie wollen
ja sicher nicht nach der Devise der jetzigen Bundesregierung handeln:
Versprochen – Gebrochen!?
Michael Glos:
Markenzeichen der Union muss finanzielle Seriosität bleiben. Der
Stabilitätspakt, der Grundlage des Vertrages von Maastricht ist, wurde
von Theo Waigel durchgesetzt. Niemand hat damals daran gedacht, dass
ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschlandes Adressat eines blauen
Briefes werden könnte. Für alle Erben der Regierung Kohl/Waigel ist die
Einhaltung der Stabilitätskriterien Erbe und Verpflichtung. Deswegen
müssen wir peinlich genau darauf achten, dass wir die dort
beschriebenen Spielräume einhalten.
rupert:
Späth ist der potentielle Finanzminister der Union. Sollte man nicht
besser auf junge Leute und neue Gesichter setzten als die alten
Register zu ziehen?
Michael Glos:
Lothar Späth ist im Kompetenzteam für ein um die Zuständigkeit des
Arbeitsmarktes angereichertes Wirtschaftsministerium vorgesehen. Sein
hohes Ansehen und seine Erfahrungen insbesondere auch in den neuen
Bundesländern machen ihn zu einem attraktiven Ministerkandidaten. Die
SPD hat nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Sicher wird das
Kabinett Stoiber eine gesunde Mischung aus sehr erfahrenen und auch
jüngeren politischen Kräften werden.
chris: Was
glauben Sie, Herr Glos, wird die Affäre Schreiber zunehmend zu einem
Problem für Herrn Stoiber, oder spielt die SPD nur ihre letzten
Panik-Karten aus (Sonntagsfrage)?
Michael Glos:
Wenn Schreiber das berühmte Kaninchen ist, das Müntefering aus dem
Zylinder gezogen hat, dann zeigt dies, dass die SPD politisch blank
dasteht und deswegen eine Delegation des deutschen Bundestages auf
Steuerzahlerkosten nach Kanada gesandt hat ausschließlich um einen
Justizflüchtling aufzuwerten. Was Herr Schreiber dort aufgetischt hat,
war nach Expertenmeinung ohne jeglichen neuen Erkenntniswert. Die
Vorladung von Edmund Stoiber vor diesem sogenannten
Untersuchungsausschuss, um ihn nach Herrn Schreiber zu befragen, ist
ein krampfhafter Versuch, solange mit Schmutz zu werfen, bis etwas
hängen bleibt. Ich bin zuversichtlich, dass dieses durchsichtige
Manöver durchschaut wird.
Reinhard W.: Wie würde ein Finanzminister Glos eine Steuerreform machen?
Michael Glos:
Ich bin zuversichtlich, das der Parteivorsitzende der CSU Bundeskanzler
wird. Es ist dann selbstverständlich dass der wichtigste Minister im
Kabinett nicht von der gleichen Partei kommen kann. Insofern wird sich
diese spannende Frage nicht stellen. Aber ganz im Ernst: Wir müssen zu
einem einfacheren und dadurch weniger komplizierten und dadurch
gerechteren Steuersystem kommen und damit wieder mehr Vertrauen bei der
Bevölkerung schaffen.
Sabine W.:
Herr Glos, wie erklären Sie sich den Umstand, dass in den Umfragen
Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber im direkten Vergleich zum
Amtsinhaber und Strahlemann Schröder nicht so gut punkten kann, wie es
CDU und CSU im Vergleich zu SPD und Grünen tun?
Michael Glos: Offensichtlich spielt Schauspielkunst bei dieser Frage noch eine große Rolle.
Surfer777: Was zeichnet Stoibers Politikstil denn aus?
Michael Glos:
Ernsthaftigkeit und Verlässlichkeit. Um mit Michael Spreng zu sprechen:
"Ein ernster Mann für ernste Zeiten". Die Zeiten eines Spaßkanzlers
sind vorbei.
Surfer777: Und Schröders Stil?
Michael Glos:
Schröder ist mit seinem ABC am Ende. Armani, Brioni und Cohiba sind
"out", Problemlösungsfähigkeit, mehr Beschäftigung und
Zukunftsfähigkeit sind "in". Das alles spricht gegen Schröder und für
Stoiber.
Moderator: Zum Schluss noch einmal eine Vorhersage:
rupert: Wie sieht ihre politische Zukunft nach dem 22. September aus?
Michael Glos: Ich hoffe, einflussreich.
Moderator:: Liebe Chat-Gäste, sehr geehrter Herr Glos, unsere Chat-Zeit ist vorbei. Vielen Dank für die Fragen, vielen Dank Herr Glos!