Die Bundesbildungsministerin ist
am 10. Dezember 2003 zu Gast im tacheles.02-Chat
von tagesschau.de und poltik-digital.de.
Moderator:
Herzlich willkommen im tacheles.02-Chat. Die Chat-Reihe tacheles.02
ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de und wird unterstützt
von tagesspiegel.de und von sueddeutsche.de. Heute begrüßen
wir Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn im ARD-Hauptstadtstudio.
Frau Bulmahn, sind Sie bereit für den 60-Minuten-Chat mit unseren
Usern?
Edelgard Bulmahn:
Ja.
Moderator:
Wie fühlt man sich als Bundesbildungsministerin, wenn der wichtigste
Rohstoff Deutschlands, die Bildung, sprichwörtlich baden geht oder
sich die Bildungselite als Hausbesetzer profiliert?
Edelgard Bulmahn:
Wenn die Bildungselite für ihre Rechte eintritt, dann halte ich das
für gut. Das Baden ist nicht das Problem, aber die Bildung muss oben
schwimmen.
musterstudi:
Wie sollen die Studienplätze finanziert werden, wenn auf Studiengebühren
verzichtet werden soll?
Edelgard Bulmahn:
Die Hochschulen generell, und damit die Studienplätze werden durch
Steuermittel finanziert und dadurch von uns allen.
Julius Knaak:
Sind da Studiengebühren, die ausdrücklich der Verbesserung der
Lehre und Forschung dienen sollen, nicht schon längst zwingende Maßnahme.
Edelgard Bulmahn:
Keine Bildungsministerin hat die rechtlichen Möglichkeiten dies zu
verhindern. Ich bin der Auffassung dass das Erststudium Studiengebührenfrei
bleiben sollte (in einer angemessenen Zeit). Wir geben im Übrigen
in Deutschland pro Studierenden in der OECD nach der Schweiz am meisten
aus. Deshalb müssen wir die Mittel besser einsetzen. Sonst werden
sich die Studienbedingungen auch bei mehr Geld nicht verbessern.
Moderator:
Müsste nicht vielmehr der Anteil der Hochschulausgaben an der Wirtschaftsleistung
gemessen werden? Und da liegt Deutschland mit 1,0 Prozent deutlich unter
dem Durchschnitt der Industriestaaten.
Edelgard Bulmahn:
Wir geben insgesamt rund 9% unseres Bruttosozialproduktes für Bildung
aus. Damit liegen wir etwas unterhalb des Durchschnittes, aber bei den
Ausgaben pro Studienplatz liegen wir im OECD-Vergleich an zweiter Stelle.
Leider wissen das die wenigsten und kümmern sich auch nicht um die
Frage, wie man die Mittel sinnvoller und besser einsetzen kann.
Moderator:
Besser wie?
student:
Glauben Sie, dass die Bildung in besseren Händen wäre, wenn
sich der Bund darum kümmern würde?
Edelgard Bulmahn:
Wir kürzen unsere Ausgaben für Studierende nicht, sondern wir
haben sie in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Für die
Hochschulen insgesamt haben wir ein Plus von 23% erreicht. Das spricht
für sich.
Moderator:
Konstruktiver Vorschlag, denn die Probleme sind offensichtlich:
kassenwart:
Wäre es nicht an der Zeit für einen Deal: Es gibt Studiengebühren,
aber dafür garantieren die Länder oder der Bund auch, dass die
Hochschulen das nötige Geld bekommen. Was heute ja wohl heißt,
keine Gelder streichen.
Edelgard Bulmahn:
Genau das kann keine Ministerin garantieren. Weil das Parlament über
das Geld entscheidet.
Moderator:
Aber Sie haben das Gebührenverbot durchgesetzt, das jetzt unter Beschuss
steht. Kritiker sagen, damit würden nur sinnlose Systeme wir Gebühren
für Langzeitstudenten unterstützt. Die aber bringen wenig Geld
und trotzdem verstärkten sie den Anreiz für Unis, ihre Zahlmeister
noch länger an der Uni zu halten?
Edelgard Bulmahn:
Ein kostenfreies Erststudium kann immer nur ein Recht für eine begrenzte
Zeit sein. Jemand, der mit dieser Zeit nicht verantwortungsvoll umgeht,
kann meines Erachtens auch zu Gebühren herangezogen werden. An diejenigen,
die Gebühren fordern, stelle ich die Frage: "Welches Land hat
bisher ein Stipendienprogramm bereits beschlossen? Der Bund wird diese
Kosten nicht übernehmen können und dürfen. Welche Hochschule
hat bereits Mittel eingestellt für die Finanzierung der Studiengebühren
für Studierende von einkommensschwächeren Studierenden? Wie
will man erreichen, dass keine unerwünschte Studienwahllenkung erfolgt,
z.B. sind Ingenieurstudiengänge, naturwissenschaftliche Studiengänge
um ein vielfaches teurer als ein Sprachenstudium. Deshalb kann man nicht
von allen gleiche Studiengebühren verlangen. Wir brauchen zurzeit
aber gerade Studierende, die sich für diese naturwissenschaftlichen/ingenieurwissenschaftlichen
Studiengänge entscheiden.
Moderator:
Viele Fragen, wir versuchen Antworten zu finden:
u_klose:
Wie könnte eine zukünftige Kompetenzverteilung zwischen Bund
und Ländern in Sachen Hochschulpolitik aussehen, wenn Bildung immer
mehr zur "nationalen Aufgabe" wird?
Edelgard Bulmahn:
Indem zum einen die Hochschulen selbst sehr viel mehr Entscheidungshoheit
erhalten und damit eine größere Autonomie erhalten und die
Hochschulförderung viel stärker im Wettbewerb geschieht, z.B.
nach den Leistungen in der Lehre und der Forschung.
Norbert Koch:
Mehrere Eckpunkte der Bildungsreform wie Abschaffung der Habilitation,
Einführung der Juniorprofessur, und Einführung von Bachelor-Abschlüssen
stoßen bei den Universitäten auf heftige und begründete
Kritik. Wie sollen Reformen gegen die Universitäten durchgeführt
werden? Die Argumente der Universitäten werden durch die Politik
nicht berücksichtigt.
Edelgard Bulmahn:
Die Argumente der Wissenschaftler und Professoren werden berücksichtigt
denn die Juniorprofessur ist ein Vorschlag maßgeblicher international
anerkannter Wissenschaftler, den ich aufgegriffen habe, um damit jungen
Wissenschaftlern vergleichbare Arbeitsbedingungen zu bieten wie sie sie
im Ausland vorfinden. Wir können natürlich auch glauben, als
letztes Land weltweit auf die frühe Eigenständigkeit von jungen
Wissenschaftlern verzichten zu können. Ich glaube dieses nicht.
Studifrust:
Immer mehr Studenten versuchen über ein Auslandsstudium das zu finden,
was sie in Deutschland nicht mehr bekommen: Qualität in der Ausbildung
und Perspektiven. Deutsche Studenten genießen in den USA immer noch
ein hohes Ansehen. Viele kommen nach dem Auslandsjahr gar nicht mehr wieder.
Was unternehmen Sie gegen diese Abwanderung?
Edelgard Bulmahn:
Ich kann jedem Studierenden nur raten, nach Möglichkeit zumindest
ein Jahr oder ein Semester im Ausland zu studieren. Deshalb ist Auslandsstudium
per se kein Nachteil, sondern etwas Positives. Das der Anteil der ausländischen
Studierenden in Deutschland in den letzten drei Jahren ebenfalls gestiegen
ist, so dass wir in den guten Hochschulen inzwischen einen Anteil von
25 bis 28 Prozent haben, halte ich für eine gute Entwicklung.
franz:
Welches Land hat Ihrer Ansicht nach ein gutes Bildungssystem. Können
wir davon lernen?
Edelgard Bulmahn:
Meiner Ansicht nach haben die skandinavischen Länder ein gutes Bildungssystem.
Moderator:
Die Kritiker von Studiengebühren verweisen gerne auf Nordeuropa,
wo das Studium nichts kostet. Doch um skandinavische Verhältnisse
zu bekommen, müsste Ihr Ministerium viel mehr Geld ausgeben. Wie
erklären Sie das vor dem Hintergrund leerer Kassen?
Edelgard Bulmahn:
In Deutschland wird Bildung durch die Länder und den Bund finanziert.
Deshalb muss man dann die Summen gemeinsam für einen Vergleich heranziehen.
Noch einmal ausdrücklich: Es geht kein Weg daran vorbei. Wir haben
das große Problem, dass es uns offenbar nicht gelungen ist, die
Mittel, die wir einsetzen, optimal einzusetzen. Einer der Gründe
liegt darin, dass es noch immer keine leistungsbezogene Bezahlung von
Hochschulen gibt, dass es bisher kein umfassendes Benchmarking der Hochschulen
gab, dass Lehre bisher an den Hochschulen nicht regelmäßig
evaluiert wurde und damit auch nicht den entsprechenden Stellenwert hatte.
Ich hoffe, dass sich dieses zügig ändern wird, z.B. durch die
im Bundesgesetz bereits vollzogene Änderung der Professorenbesoldung
(leistungsbezogen), durch ein systematisches Benchmarking, für das
der Wissenschaftsrat in Kürze einen Vorschlag vorlegen wird und auch
durch eine klare Prioritätensetzung der Länder für Bildung.
u_klose:
Wie kann man die finanzielle Situation der Studierenden verbessern, damit
es durch Nebentätigkeiten nicht zu überlangen Studienzeiten
kommt?
Edelgard Bulmahn:
Wir haben die finanzielle Situation für Studierende aus einkommensschwachen
Familien deutlich verbessert durch die BAföG-Reform.
Wir haben aber ganz sicher nicht die finanziellen Ressourcen, um für
jeden Studierenden,
unabhängig von der persönlichen finanziellen Situation, Stipendien
anbieten zu können.
Und die Banken sind sicher auch nicht bereit, ohne entsprechende Sicherheiten
Kredite anzubieten.
jtm:
Bezüglich der Studiengebühren. Ich halte den Vorschlag der Grünen
einer rückwirkenden Finanzierung ähnlich dem BAföG-Modell
für sehr sinnvoll. Dieses könnte man nach dem Studium je nach
wirtschaftlicher Lage erheben.
Edelgard Bulmahn:
Ein rückfinanzierendes Modell hilft den Hochschulen erst in ca. 10
Jahren, denn vorher würden keine Mittel zurückfließen.
Zumindest nicht in nennenswerter Weise. Im übrigen sprechen wir in
der Realität auch nicht von Studiengebühren von 100 Euro, sondern
von 2000 bis 5000 Euro. Das sind die realistischen Zahlen. Australien,
das immer als Modell für rücklaufende Studiengebühren genannt
wird, hat sich zum großen Teil von diesem Modell verabschiedet,
weil man sich jetzt auf 50% der Studienplätze sofort einkaufen kann
mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Studierenden aus einkommensschwächeren
Familien erheblich gesunken ist. Das sagt selbst das Bildungsministerium
in Australien.
esbleibtdabei:
Frau Bulmahn, es bleibt doch ein Dilemma: Es gibt in Deutschland zu wenig
Geld für die Ausbildung. Das gilt ja auch für die Schulen. Wenn
Leute in überfüllten Klassen und Hörsälen sitzen,
dann ist einfach was nicht in Ordnung. Das kriegt man auch durch Evaluierungen
nicht hin. Vielleicht sollte man einen Eurofighter weniger kaufen?
Edelgard Bulmahn:
Erstens müssen wir in Deutschland ganz sicherlich auf Dauer auch
mehr in Bildung und Forschung investieren, auf allen Ebenen nicht nur
auf Bundesebene, aber auch hier. Zweitens müssen wir die Mittel besser
einsetzen, denn sonst ist es ein Zahlen in ein Fass ohne Boden.
Moderator:
Aus der Praxis:
schokolade:
Ich studiere gerade in Trondheim/Norwegen und finde es beeindruckend,
wie viel Geld hier in den Bildungssektor fließt. Ich kenne viele
Deutsche die ihr Studium hier beenden möchten. Ich selbst spiele
auch mit diesem Gedanken. Das ist ein Export von fähigen Menschen
mit fatalen Folgen für Deutschland. Das sollte bei allen Kürzungen
im Hochschulbereich beachtet werden! Die Einführung von Studiengebühren
würde diesem Abwanderungsstrom noch Auftrieb geben.
Edelgard Bulmahn:
Ich halte die Kürzungen wie sie jetzt von den Ländern durchgeführt
werden für falsch. Gerade an den Personalkosten sollte nicht gespart
werden. Hier sollte teilweise umgeschichtet werden, aber nicht gekürzt
werden. Im Vergleich: Der Bund hat seine Hochschulausgaben zwischen 1988
und 2003 um insgesamt 23,4 Prozent gesteigert, die Länder um 12,9
Prozent. Der Bund wird auch in den kommenden Jahren seine Ausgaben für
die Hochschulen nicht reduzieren. Wir werden uns aber auch darum bemühen,
sie leistungsbezogener einzusetzen.
Tobias:
Liegen viele Probleme der deutschen Hochschulen im Vergleich zu anderen
europäischen Ländern nicht schon am dreigliedrigen Schulsystem?
Speziell bezogen auf Kinder aus "bildungsferneren Schichten",
denen durch unser Bildungssystem der Zugang zur Hochschulbildung unnötig
erschwert werden?
Edelgard Bulmahn:
Wir können durch die Hochschulausbildung sicher nicht alles rückgängig
machen, was in den Schulen versäumt worden ist. Insofern haben Sie
Recht.
cloninger:
Bietet die Regierung den Universitäten – die vor Kürzungen stehen
– aktive Hilfe an, um diese doch noch abwenden zu können?
Edelgard Bulmahn:
Cloninger, wir haben ein föderales System!
Norbert Koch:
Norbert Koch: Bei der Einführung von Bachelor-Studiengängen
werden die besseren Studenten nach ihrem Abschluss ins Ausland gehen und
dort promovieren. In Deutschland müssen sie zuerst den Master machen,
bevor sie promovieren können. Das ist ein echter Standortnachteil.
Edelgard Bulmahn:
Man kann natürlich im Ausland ein PhD Studium machen, so wie man
das in Deutschland im Rahmen von Modellprojekten auch entwickelt worden
ist. Ansonsten benötigt man auch im Ausland einen Master, bevor man
einen PhD machen kann. Man kann aber natürlich bereits im Masterstudium
mit seiner Dissertation beginnen. Das ist auch in Deutschland möglich.
Arno:
Ein Problem unseres Bildungssystems ist doch die Frage der Zuständigkeiten.
Einerseits ist hohe Eigenverantwortung der einzelnen Einheiten gewünscht,
andererseits führt es zu den Unterschieden zwischen den Bundesländern
und noch mehr innerhalb der EU. Wäre es da nicht sinnvoll, die kleinste,
überschaubare Ebene, ob Uni oder Schule, entscheidet und bestimmt
am striktesten, jede weitere höhere Ebene gibt jeweils weniger bestimmende
"Empfehlungen"?
Edelgard Bulmahn:
Ich plädiere ausdrücklich für eine hohe Eigenständigkeit
der Bildungseinrichtung selbst. Was generell geregelt werden muss, ist
z.B. die Frage der Abschlüsse, des Hochschulzugangs, sind z.B. dienstrechtliche
Fragen und ist die Frage, wie man Transparenz und Durchlässigkeit
gewährleisten kann. Das sind im übrigen auch die zentralen Fragen,
auf die sich die 40 europäischen Bildungsminister in Berlin in diesem
Jahr in der Bologna-Vereinbarung geeinigt haben. Stichworte sind z.B.
Bachelor- und Master-Studiengänge und Promotionsstudiengänge.
Goethe:
Wie kann der Bund die zaghaften Bestrebungen der Länder mehr Lehrer
einzustellen unterstützen?
Edelgard Bulmahn:
Leider gar nicht. Es gibt keine Rahmenzuständigkeit des Bundes für
Schulen. Wir unterstützen die Länder aber im Rahmen unseres
Ganztagsschulprogramms mit vier Milliarden Euro, um eine Qualitätsverbesserung
des Unterrichts zu erreichen.
gonzalez:
Wie ernst nehmen Sie eigentlich den Protest der Studenten. Sie kriegen
es hier in Berlin ja mit. Hoffen auf Weihnachten und dass dann alles vorbei
ist, weil die Studis sich im Januar eh´ nicht mehr in die Kälte
stellen wollen?
Edelgard Bulmahn:
Ich nehme den Protest der Studierenden sehr ernst, weil ich persönlich
davon überzeugt bin, dass die Studienbedingungen dringend verbessert
werden müssen.
Zu einer Verbesserung der Studienbedingungen gehört z.B. eine klare
Struktur der Studiengänge eine gute systematische Studienberatung
– nicht nur zu Beginn des Studiums, sondern kontinuierlich. Dazu gehört,
dass ein Prof. nicht nur eine Stunde in der Woche für seine Studierenden
anzusprechen ist, sondern jeden Tag. Dazu gehört z.B. die Möglichkeit,
in den Semesterferien Prüfungen nachzuholen, dazu gehört z.B.
eine frühzeitige Beratung über zukünftige Berufsmöglichkeiten.
karsten:
Denken Sie daran, den Beamtenstatus der Professoren irgendwann einmal
abzuschaffen oder zumindest deren Arbeit transparenter und sanktionierbarer
zu machen?
Edelgard Bulmahn:
Die Länder können jetzt schon entscheiden, ob sie Professoren
als Angestellte oder Beamte beschäftigen. Im Bundesgesetz habe ich
im Jahre 2001 schon
die Voraussetzung dafür geschaffen, dass in Zukunft die Lehr- und
Forschungsleistung
von Professoren evaluiert (damit transparent gemacht wird) und dass im
Durchschnitt mindestens ein Drittel des Gehaltes leistungsbezogen gezahlt
werden sollte. Leider haben bei weitem noch nicht alle Bundesländer
dieses Bundesgesetz in Landesgesetze umgesetzt.
ChristianS:
Einige Ideen, die sie nennen sind ja nicht schlecht, aber wie viel Macht
haben sie, diese gegen die Länder durchzusetzen?
Edelgard Bulmahn:
Der Bund hat keinerlei Zuständigkeit für Personalausstattung
der Hochschulen. Der kann in einem Rahmengesetz nur die bundesweit relevanten
Eckpunkte festlegen und durch (wie z.B. die Einführung der Bachelor-
und Master-Studiengänge oder die Junior Professuren) und er kann
durch Programme wünschenswerte Entwicklungen in Gang setzen, z.B.
durch Nachwuchsförderungsprogramme, das BAföG oder das Hochschulentwicklungsprogramm
zur Internationalisierung der Hochschulen / Nutzung der neuen Medien.
Moderator:
Das heißt doch auch, das Nord-Süd-Arm-Reich-Gefälle in
der Bundesrepublik bei den Unis wird sich immer mehr verschärfen.
Weil einige Länder – wie Berlin – haben ja nun wirklich kein Geld.
Zum Studieren also ab nach Bayern?
Edelgard Bulmahn:
Jeder Student sollte selbst entscheiden können, an welcher Uni in
welcher Stadt er studiert. Die Überlegungen mancher Länderminister
nur Studienplätze für Menschen eigener Bundesländer anzubieten,
halte ich im Zeitalter der Globalisierung für überholt.
Moderator:
Deutschland hat im internationalen Vergleich immer noch zu wenig Studierende.
Das wurde von der OECD gerügt, nun wurde die Zahl der Studenten gesteigert.
Wie aber will Deutschland immer mehr Studenten ausbilden, ohne dafür
die richtigen Strukturen bereitzustellen?
Edelgard Bulmahn:
Ich habe ja vorhin bereits auf einige notwendige strukturelle Veränderungen
hingewiesen, deren Schaffung ich ja mit meinem Programm unterstütze.
abrafax:
Als Vater einer 7jährigen Tochter frage ich Sie, wann es endlich
ein einheitliches Schulsystem geben wird, wie wir es als gelernte DDR-Bürger
gewöhnt waren. Und wann wird die Gewichtung der Bildung wieder mehr
auf die Naturwissenschaften gelegt, damit der Nachwuchs lernt, was er
fürs Leben braucht?
Edelgard Bulmahn:
Ich plädiere seit langem dafür, dass die Naturwissenschaften
in der Schule wieder eine größere Rolle spielen, nicht als
abstrakte Wissenschaft, sondern als notwendiges Wissen, was wir im Alltag
brauchen.
weitweg:
Wir haben 50 Minuten über die Hochschule gesprochen. Ich würde
gerne eine Frage zu den geplanten Bildungsstandards stellen: Wird es eine
standardisierte Erhebung, wie es sie in den USA seit 40 Jahren gibt, in
Zukunft Deutschland geben.
Edelgard Bulmahn:
Ich hoffe das. Das Jahr der Technik (2004) wird ganz sicherlich auch dazu
beitragen. (www.jahr-der-technik.de) Es wird in Deutschland ganz sicherlich
in Zukunft Erhebungen geben, wie wir sie im Rahmen der Pisa-Studie durchgeführt
haben. Diese Erhebungen haben eine sehr hohe Aussagekraft. Sie zeigen
uns sehr deutlich, wo wir stehen.
Ich versuche in den Verhandlungen mit den Ländern durchzusetzen,
dass wir in Zukunft eine regelmäßige nationale Bildungsberichterstattung
haben, die uns eine genaue Kenntnis der Stärken und Schwächen
dann ermöglicht. Um dann auf der Basis dieses gesicherten Wissens
unser Bildungssystem zu verbessern. Leider werden viel zu viele unserer
bildungspolitischen Debatten auf Basis von Meinungen geführt und
nicht auf der Basis solider empirischer Fakten.
schokolade:
Frau Bulmahn, ihr guter Wille ist eindeutig zu erkennen – haben sie schon
einmal den Finanzminister gefragt, wie er sich die Zukunft der deutschen
Wissenschaft und damit die Zukünftige Quelle für Innovation
und Neuentwicklungen in Deutschland vorstellt?
Edelgard Bulmahn:
Nicht nur einmal, darüber sprechen wir regelmäßig und
manchmal streiten wir uns auch.
Moderator:
Die Stunde ist vorbei. Vielen Dank an alle für ihr Interesse und
die zahlreichen Fragen. Es ist leider Vieles noch unbeantwortet geblieben.
Dank an Sie, Frau Bulmahn. Das Transkript dieses Chats und aller anderen
finden Sie wie immer auf den Seiten der Veranstalter der Chat-Reihe tacheles.02.
Morgen chatten wir mit Jeanette Hofmann live vom UN-Informationsgipfel.
Wir wünschen allen noch einen angenehmen Tag.
Edelgard Bulmahn:
Tschüss, ich bedanke mich und hoffe, das ich weiterhin so viel Unterstützung
für Bildung und Forschung haben werde.