Am Freitag, den 21. April, war Prof.
Klaus Schroeder, Professor für Politikwissenschaft an der FU
Berlin und Experte für Rechtsextremismus, zu Gast im tagesschau-Chat
in Kooperation mit politik-digital.de. Er
stellte sich den Fragen der User zu den aktuellen extremistischen
Übergriffen und möglichen Ursachen der rechten Gewalt.

Moderator: Liebe Politik-Interessierte, herzlich
willkommen zum tagesschau-Chat. Heute diskutiert mit Ihnen Professor
Klaus Schroeder von der Freien Universität Berlin. Er hat sich
intensiv mit dem Thema Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland
beschäftigt. Einen schönen Gruß an die Freie Universität,
wo jetzt Prof. Schroeder auf die Fragen wartet. Vielen Dank, dass
Sie Zeit für den Chat haben und die Frage: Können wir
beginnen?

Klaus Schroeder: Ja, wir können beginnen.

hanniAusBerlin: Ist rechtsextreme Gewalt Ihrer
Erfahrung nach in den ostdeutschen Bundesländern tatsächlich
häufiger oder wird das in den Medien überzogen dargestellt?
Und woran könnte es liegen, wenn rechtsextreme Übergriffe
im Osten öfter vorkommen?

Klaus Schroeder: Ja, in Ostdeutschland werden
deutlich mehr rechtsextreme Übergriffe registriert. Dies liegt
einerseits an den Nachwirkungen der DDR-Sozialisation, andererseits
an den Erfahrungen im Vereinigungsprozess.

H4n5: Sind Sie der Meinung, dass Rechtsextremismus
als Folge einer anerzogenen Verhaltensweise oder eher als Reaktion
auf persönlichen Frust zurückzuführen ist, der auf
der Perspektivlosigkeit einzelner Gruppen basiert?

Klaus Schroeder: Beide Ursachen überlagern
sich, im Einzelfall dürfte einmal die Erziehung, bzw. das familiäre
Umfeld und zum anderen auch die individuelle soziale Perspektivlosigkeit
eine Rolle spielen. Aber in vielen Fällen handelt es sich auch
um eine Provokation gegenüber einer Gesellschaft, die diesem
Personenkreis keine Anerkennung verleiht.

plexus: Soziodemografische Faktoren spielen sicher
auch eine Rolle. Glauben Sie, dass man den gewalttätigen Rechtsextremismus
unter Kontrolle bringen könnte, gäbe es mehr Arbeit und
Perspektive für die Jugend in Ostdeutschland?

Klaus Schroeder: Sicherlich könnte man durch
verbesserte soziale Perspektiven den Rechtsextremismus etwas eindämmen,
aber nicht völlig beseitigen, wie die Erfahrungen in anderen
Ländern, wie bspw. in der DDR, zeigen. Dort gab es keine Arbeitslosigkeit
und dennoch Jugendliche mit rechtsextremer Gesinnung und hoher Gewaltbereitschaft.

TakaUshte: Ist es nicht ein wenig einfach, immer
auf die Folgen der DDR zu verweisen. Rechtsextremismus ist in Belgien
zum Beispiel ein viel größeres Problem als in Deutschland,
obwohl Belgien bekanntermaßen nichts mit der DDR zu tun hatte.

Klaus Schroeder: Ostdeutsche Jugendliche werden
sicherlich mehr von der Geschichte ihres Landes als von den Verhältnissen
in Belgien beeinflusst.

Moderator: Zweimal ähnlich:

Arnulf Zwirnlein: Sehr geehrter Herr Prof. Schröder,
ist der Angriff in Potsdam ein Anzeichen ansteigender rechter Gewalt
gewesen? Wie bewerten Sie diesen Vorfall?

zelando75: Es gab schon vorher ähnliche Fälle,
warum erregt das jetzt erst so viel aufsehen?

Klaus Schroeder: In Brandenburg sind rechtsextreme
Gewalttaten im Jahre 2005 etwas zurückgegangen, sind dennoch
immer noch auf sehr hohem Niveau. Gemessen an der Einwohnerzahl
gibt es in Brandenburg den höchsten Anteil an Gewalttaten.
Dieser Fall erregt zu Recht die Öffentlichkeit, da er in der
Brutalität besonders grauenvoll war.

placebo: Ist Gewalt nicht ein gesamtgesellschaftliches
Problem, das vielmehr mit einem mangelhaften Bildungssystem, fehlenden
Freizeitangeboten und Gewaltverherrlichung in den Medien zu tun
hat, als mit einer tatsächlichen rechtsextremen Einstellung
der Täter?

Klaus Schroeder: Ja, in vielen Fällen war
die Gewaltbereitschaft zuerst vorhanden und die (diffuse) rechtsextreme
Gesinnung kam erst später hinzu. Das scheint mir auch eine
Folge der medialen Berichterstattung zu sein, da gewalttätige
Jugendliche eine höhere negative Anerkennung erhalten, wenn
sie ihre Gewalttaten gesinnungsmäßig unterlegen.

Moderator: In welchem Alter setzen sich den rechts-
(oder auch links-) extreme Einstellungen bei Jugendlichen fest?

Klaus Schroeder: Das Einstiegsalter in die jeweilige
Szene liegt zum Teil schon bei 13 bis 14 Jahren.

Klammeraffe: Können Sie mir erklären,
warum die Mitglieder des Rechtsextremismus oft gewalttätiger
sind als die aus dem linksextremen Milieu? Oder irre ich mich da?

Klaus Schroeder: Die rechtsextremen Gewalttäter
richten ihre Aggressionen gegen Personen, die sie als Feinde erklären,
die Linksextremen dagegen sind öfter gegen die Polizei oder
Eliten der Gesellschaft gewalttätig. In den letzten Jahren
gibt es deutlich mehr rechtsextreme als linksextreme Gewalttaten,
aber es gab schon Zeiten wo es umgekehrt war.

zagQ: In Ostdeutschland leben ja verhältnismäßig
wenige Bürger ausländischer Herkunft. Würden Sie
sagen, dass die Unkenntnis und vielleicht auch das Desinteresse
an "nicht-deutschen " Kulturen einen entscheidenden Punkt
in der rechten Gesinnung ausmachen. Könnte hier nicht die schulische
Ausbildung eine Chance für das beidseitige Verständnis
ermöglichen?

Klaus Schroeder: Das rechtsextreme Milieu rekrutiert
sich zumeist aus bildungsfernen Schichten, bei denen die Schule
kaum Einfluss hat. Ob der Kontakt zu Ausländern zu einem besseren
Verständnis führt, ist spekulativ und hängt sicherlich
von beiden Seiten ab. Die Gewalttätigkeit von Rechtsextremen
richtet sich nicht nur gegen Ausländer, sondern auch Linke,
Punks, Obdachlose etc.

Moderator: Zweimal zum Thema Bildung durch "Bild":

jk85: Ich denke, es ist zu einfach Rechtsextremismus
nur auf gewaltbereite Kameradschaften zu reduzieren. Die Bild-Zeitung
hetzt regelmäßig gegen Ausländer, vor allem gegen
Muslime, mit überzogenen Negativdarstellungen. Was kann man
denn gegen die Gefahr des unterschwelligen bürgerlichen Rassismus
tun?

Tim thr Jim: Wie groß ist der Einfluss der
Medien auf diese Entwicklung?

Klaus Schroeder: Ob die Bild-Zeitung gegen harmlose
Muslime hetzt, ist mir nicht bekannt. Der Unterschied zwischen gewaltbereiten
islamistischen Extremisten und dem großen Teil der friedfertigen
islamischen Bevölkerung sollte uns immer bewusst sein.

Tafkadasom2k5: Ich glaube, jk85 meint die "Verallgemeinerungen
", die die Bildzeitung über solche Gruppierungen schreibt.

Klaus Schroeder: Verallgemeinerungen sind immer
falsch.

hippommfrit: Denken Sie nicht, dass es zu weniger
rechtsradikalen Übergriffen kommen würde, wenn man bestimmte
Tabuthemen offen diskutieren könnte?

Klaus Schroeder: Ja, dem stimme ich zu. Die Rechtsextremen
haben in der Vergangenheit sehr davon profitiert, dass bestimmte
Themen in der öffentlichen Debatte tabuisiert waren.

Hannover: Und welche Themen sollen das sein?

zelando75: Welche Tabuthemen sind das denn, über
die man nicht reden kann? Beispiele?

Klaus Schroeder: Die Frage des Verhältnisses
zur eigenen Nation zum Beispiel, oder die hohe Kriminalitätsrate
unter jugendlichen Ausländern.

Kät: Ist die Rechtstoleranz in Deutschland
gestiegen? Ich habe den Eindruck, dass der Rechtsextremismus der
Unterschicht entwächst und selbst in akademischen Bereichen
ein Fundament erhält.

Klaus Schroeder: Nein, diese Tendenz sehe ich
nicht. Abgesehen von einigen "intellektuellen" Wortführern
entstammt die rechtsextreme Szene, vor allem die gewaltbereite,
zumeist aus unteren sozialen Schichten und erinnert eher an die
SA.

monse: Muss man nicht zwischen Neonazi-Schlägern
und rechten Parteien wie der NPD und DVU differenzieren?

Klaus Schroeder: Die gewaltbereiten Schläger
haben oft nur ein diffuses rechtsextremes Weltbild und die rechtsextremen
Überzeugungstäter werden nicht in dem Maße gewalttätig.

Moderator: Hilft verbieten?

Meyers: Sind sie der Meinung, dass ein Verbot
der NPD die Situation entschärft hätte, da dadurch die
breite Basis für Rechtsextreme beseitigt wäre, oder dass
sie sich zugespitzt hätte, da das Gedankengut in kleinen, unüberschaubaren
Kameradschaften/Gruppierungen weiterexistiert hätte?

Birgit32: Halten Sie ein Verbot rechtsextremer
Parteien für sinnvoll?

Klaus Schroeder: Ein Verbot der NPD wird das Problem
rechtsextremer Gewalt nicht beseitigen, es könnte aber gerade
Jugendlichen signalisieren, wo die Grenzen in einer demokratischen
Gesellschaft liegen.

MaikGruen: Wie beurteilen Sie die Aussage des
Bundesinnenministers Schäuble, dass auch blonde, blauäugige
Menschen Opfer von Gewalttaten werden, zum Teil auch von Tätern
nicht deutscher Staatsangehörigkeit, was auch nicht besser
sei. Leisten solche Äußerungen nicht dem Rechtsextremismus
in Deutschland Vorschub?

Klaus Schroeder: Nein, solche Äußerungen
leisten dem Rechtsextremismus keinen Vorschub, denn selbstverständlich
werden auch Deutsche Opfer von rechtsextremen Gewalttaten. Wir sollten
das Problem der Gewalttätigkeit in der Gesellschaft nicht auf
den Rechtsextremismus oder das Verhältnis von Deutschen zu
Ausländern reduzieren.

Nachdenklicher: Findet die Abgrenzung der Politik
gegenüber dem Rechtsextremismus Ihrer Meinung nach klar genug
statt?

Klaus Schroeder: Ja, die Parteien grenzen sich
deutlich vom Rechtsextremismus ab. Strittig ist allenfalls, was
unter Rechtsextremismus verstanden wird.

Moderator: Zweimal zum Thema, wie uns andere Menschen
sehen:

frisch6: Wie schätzen Sie die Reaktionen
des Auslandes ein? Eine nigerianische Handelsdelegation hat ihre
Reise storniert. Ist das die richtige Antwort?

Deutschland: Was bedeutet der Mordversuch für
die deutsche Politik und für das ganze Land? Mit welchen Reaktionen
aus dem Ausland rechnen Sie?

Klaus Schroeder: Die Reaktionen aus dem Ausland
halte ich zum Teil für überzogen, denn schließlich
gibt es solche Übergriffe auch in anderen Ländern. Wenn
Politik und Öffentlichkeit, wie im Potsdamer Fall geschehen,
deutliche Zeichen gegen rechtsextreme Gewalt setzen, dürfte
das nicht vorurteilsmotivierte Ausland die Angelegenheit gelassener
sehen. Es muss jedoch deutlich werden, dass es keine Toleranz gegenüber
dieser Gewalt in Deutschland gibt.

zelando75: Wie gut organisiert sind Rechtsextreme?
Sind solche Angriffe geplanter Natur oder geschehen sie spontan?

Klaus Schroeder: Diese Gewalttaten geschehen zumeist
spontan unter Alkoholeinfluss. Die Täter sind aber gewaltbereit
und warten oft nur auf Anlässe, Gewalt auszuüben.

BWL-Student: Viele Brandenburger sagen mir, ihnen
fehle der gesellschaftliche Zusammenhalt, eine gemeinsame Sache,
Solidarität. Kann nicht aus dies dazu führen, dass die
Jugendlichen so besonders anfällig sind für rechte Gruppengefühle?

Klaus Schroeder: Anscheinend fehlt es in Brandenburg
und anderswo an einer stabilen zivilen Gesellschaft, die diese Jugendlichen
von ihrem Handeln abhält. Allerdings ist auch in Brandenburg
die breite Mehrheit der Bevölkerung gegen Gewalt und Rechtsextremismus.
Es wäre falsch, die Brandenburger oder die Ostdeutschen insgesamt
hierfür verantwortlich zu machen.

ölkh: Was sind Ihrer Meinung nach wirksame
Maßnahmen, um gegen die Ausbreitung rechten Gedankenguts und
der Naziszene vorzugehen?

mjolk: Es entsteht der Eindruck, dass die bisherigen
Maßnahmen gegen den jugendlichen Rechtsextremismus nicht ausreichend
waren. Brauchen wir neue Strategien? Falls ja: Wie könnte eine
neue wirksame Strategie Ihrer Ansicht nach aussehen?

Klaus Schroeder: Da es in vielen Ländern
eine zum Teil breite rechtextreme Szene gibt, unabhängig von
den jeweiligen Gegenmaßnahmen, gibt es kein Patentrezept gegen
die Ausbreitung rechtsextremen Gedankenguts. Nur wenn auch in der
kleinen Gemeinschaft, in der Familie, im Bekanntenkreis, etc schon
im Ansatz hiergegen argumentiert wird, gibt es eine Chance der Begrenzung.

arzt-im-einsatz: Müssen nicht schon die Schulen
verstärkt gegen rechtsextremes Auftreten bei Jugendlichen einschreiten?
Wie könnte man denn hier vorgehen, wenn z.B. Schüler mit
Nazi-Kleidung in die Schule kommen oder Nazi-Parolen loslassen?

Klaus Schroeder: Mit Verboten erreicht man zum
Teil nicht viel oder sogar das Gegenteil, jedenfalls bei den Jugendlichen,
die mit der Kleidung provozieren wollen. Ein gelassener Umgang mit
diesen Jugendlichen scheint mir angebrachter als Verbote. Werden
diese Jugendlichen ignoriert oder lächerlich gemacht, dürfte
die Wirkung größer sein. Dies gilt allerdings nur bei
Jugendlichen, die nicht gewalttätig sind. Die Gewalttäter
müssen nicht nur juristisch in die Schranken gewiesen werden.
Leider hat die Justiz in den ersten Jahren nach der Vereinigung
durch milde Urteile gegen rechtsextreme Gewalttäter potentielle
Mitläufer nicht abschrecken können.

Babsi: Ich bin gerade die Chronik der rechtsextremen
Gewalttaten im Osten (auf www.ard.de) durchgegangen, dabei ist mir
aufgefallen, dass gerade bei Todesfällen die Täter mit
– aus meiner Sicht – recht milden Strafen davongekommen sind (um
die vier Jahre).Glauben Sie, dass da ein härteres Strafrecht
die Gewaltbereitschaft vermindern könnte?

Birgit32: Welches Strafmaß halten Sie in
einem solchen Fall wie in Potsdam für angemessen?

Klaus Schroeder: Gesetze müssen nicht verändert
werden, denn schon jetzt sind hiernach härtere Strafen möglich.
Sollte es sich beim Potsdamer Fall um einen Mordversuch handeln,
bzw. sollte das Gericht dies beweisen können, halte ich die
Höchststrafe für angemessen.

andereralias: Wie geht man mit jugendlichen Nachbarn
um, die offenbar familiär in rechtsextremen Verhältnissen
aufwachsen, selbst aber sehr intelligent zu sein scheinen?

Klaus Schroeder: Das hängt vom Einzelfall
ab. Man sollte versuchen, falls dies möglich ist, diese Jugendlichen
dem Einfluss ihres familiären Umfeldes zu entziehen.

Moderator: Wie könnte das konkret aussehen?

Klaus Schroeder: Indem z.B. mit dem Jugendlichen
auch über sein Elternhaus und den Diskussionen dort gesprochen
wird.

tu: Mein Kind ist in die rechtsradikale Szene
abgerutscht! Was soll ich tun?

Klaus Schroeder: Versuchen Sie, mit Freunden ihres
Kindes, die nicht rechtsextrem sind, zu sprechen und sie zu bitten,
ihr Kind zu beeinflussen. Es sind zumeist Peergroups, in die Jugendliche
geraten. Wenn es gelingt, sie in andere Gruppen zu integrieren,
legen sie auch schnell die zumeist nur oberflächliche Gesinnung
ab. Der Einfluss der Eltern scheint bei einem gewissen Alter der
Kinder nur sehr begrenzt zu sein.

Moderator: Was genau verstehen Sie unter Peergroups?

Klaus Schroeder: Peergroups sind Gruppen von Gleichaltrigen.

Moderator: Wenn es nicht das eigene Kind betrifft:

Fabian: Was kann der einfache Bürger im Alltag
tun, ohne große Demos organisieren zu müssen?

Klaus Schroeder: Er kann und sollte, wenn er rechtsextreme
Argumentationen hört, sofort verbal Gegenposition einnehmen.

Moderator: Wie wichtig ist Zivilcourage. Sollte
man eingreifen oder lieber die Polizei rufen?

Klaus Schroeder: Eingreifen sollte man nur, wenn
man sich nicht selbst in Gefahr begibt. Ansonsten ist es sinnvoller,
die Polizei zu rufen oder gemeinsam mit anderen zu handeln. Alleingänge
bewirken angesichts der Kontrahenten oft nichts, bzw. gefährden
die eigene Gesundheit.

Studentica: Wie beurteilen Sie die "Abschwächung"
der äußeren Erkennbarkeit von Neonazis? Man kann das
ja in vielen Fällen gar nicht mehr "äußerlich
" erkennen.

Klaus Schroeder: Diese Leute sind erst an ihren
Äußerungen zu erkennen, da sie ja nur ihre Kleidung aber
nicht ihre Gesinnung ablegen. Generell sollte man aber vorsichtig
sein, Personen nach ihrem Äußeren gesinnungsmäßig
einzuordnen.

Meyers: Könnten sie bitte einmal auf Hooligans
eingehen, und inwieweit diese dem Rechtsextremismus zuzurechnen
sind, bzw. wie diese Bewegung zustande gekommen ist?

Pesa: Besteht die Gefahr, dass Rechtsradikale
sich die WM als Bühne suchen?

Klaus Schroeder: Hooligans entstammen zumeist
den Mittelschichten und wollen ihre Aggressionen gewaltsam ausleben.
Zwar gibt es Überschneidungen zum rechtsextremen Milieu, aber
die meisten Hooligans sind keine "Gesinnungstäter".
Rechtsextremisten werden sicherlich versuchen, die WM als Bühne
für ihre Propaganda zu nutzen. Das müssen Polizei und
Bevölkerung gemeinsam unterbinden.

Moderator: Fußball ist ja cool, daher liegt
die Frage nahe:

Hans Erdling: Nach meiner Beobachtung liegt der
Tätigkeitsschwerpunkt in der Bekämpfung des Rechtsextremismus
nach wie vor in der Information von (potentiellen) Problemgruppen.
Ich zweifle daran, dass sich junge Männer (aus bildungsfernen
Schichten) von Informationen beeindrucken lassen. Vielmehr müsste
es attraktive, identitätsstiftende Alternativangebote geben,
die auch "in " und "cool " sind, oder?

Klaus Schroeder: Rechtsextreme Gewalttäter
sind sicherlich schwer zu beeinflussen, aber die Aussteigerprogramme
z.B. zeigen erste Wirkungen. Wichtiger scheint mir, dass die Gewaltprävention
schon im frühen Kindesalter beginnt, denn die meisten Gewalttäter
sind schon als kleine Kinder durch Aggressionen und Gewaltbereitschaft
auffällig geworden. Die Gesinnung haben sie sich erst später
zugelegt. Die meisten rechtsextremen Gewalttäter haben nur
ein diffuses Weltbild.

Moderator: Das heißt, wer sich um "auffällige"
Kindergartenkinder besonders kümmert, verhindert möglicherweise,
dass diese sich später rechtsextremen Ideologien zuwenden?

Klaus Schroeder: Er verhindert zumindest, dass
diese Kinder später gewalttätig werden.

italienfan: Einerseits fordert die Politik mehr
Integration, andererseits gründet z.B. Frau von der Leyen ein
Bündnis zur Werteerziehung nur mit den christlichen Kirchen.
Fördert eine solche Politik nicht gegenseitige Ablehnung und
Vorurteile?

Klaus Schroeder: Die Werteordnung unserer Gesellschaft
beruht auf abendländisch -christlichen Wertvorstellungen. Sie
sind auch in unserem Grundgesetz verankert. Diese Werte zivilen
Zusammenlebens müssen stärker vermittelt werden, ob mit
oder ohne Kirche.

Jorges: Sollte gegen rechtsradikale Schriften
und Webseiten härter vorgegangen werden als jetzt? Sehen sie
in diesen eher eine Gefahr oder eine gute Grundlage zur politischen
Auseinandersetzung?

Klaus Schroeder: Gesinnung verbal oder schriftlich
vorgetragen ist nicht strafbar und kann nur die Grundlage für
politische Auseinandersetzungen sein.

Moderator: Das waren 60 Minuten tagesschau-Chat.
Vielen Dank für Ihr Interesse. Jede Menge Fragen übrig.
Herzlichen Dank, Herr Prof. Schroeder für das interessante
Gespräch. Am kommenden Donnerstag, den 27. April, chatten wir
ab dreizehn Uhr mit DGB-Chef Michael Sommer. Der Chat mit SPD-Generalsekretär
Hubertus Heil am kommenden Montag musste leider abgesagt werden.
Das Protokoll dieses Chats gibt es in Kürze zum Nachlesen auf
den Seiten von tagesschau.de und politik-digital.de. Das tagesschau-Chat-Team
wünscht allen noch einen schönen Frühlingstag!

Klaus Schroeder: Ebenfalls vielen Dank für
die rege Teilnahme und die interessante Diskussion.