Am Freitag, 4. August, war Richard
Chaim Schneider, ARD-Korrespondent in Tel Aviv, zu Gast im tagesschau-Chat
in Kooperation mit politik-digital.de. Er beantwortete Fragen zum
Konflikt im Libanon, der Stimmung vor Ort und zum möglichen
Einsatz deutscher Soldaten im Libanon.

Moderator: Herzlich willkommen
zu 60 Minuten tagesschau-chat. Der Nahost-Konflikt zwischen Israel
und dem Libanon spitzt sich immer mehr zu. Unser Gast ist heute
Richard C. Schneider, der für die ARD täglich aus Tel
Aviv berichtet. Wir danken ihm herzlich, dass er sich auch in dieser
für ihn sehr stressigen Situation die Zeit zum chatten nimmt.
Hallo und guten Tag nach Tel Aviv, Herr Schneider! Können wir
beginnen?

Richard C. Schneider: Ja.

DuDo: Wie ist denn die Stimmung in Israel?

Richard C. Schneider: Nun, die Menschen machen
sich natürlich große Sorgen, aber sie wollen auf alle
Fälle durchhalten, weil sie ein Ende des Terrors aus dem Norden
wollen.

Haber: Inwiefern ist ein normales Leben in Israel
noch möglich?

Richard C. Schneider: Im Norden kaum noch. Da
leben die Menschen überwiegend in den Bunkern, die Straßen
sind wie leergefegt. Die Geschäfte sind zumeist geschlossen.
In Tel Aviv aber z.B. ist das Leben völlig normal, als ob es
keinen Krieg gäbe.

Lula: Wie ist denn die persönliche Belastung
für Sie und Ihr Team? Bleiben Sie uns gesund!

Richard C. Schneider: Erst einmal vielen Dank.
Die Belastung ist wirklich sehr groß. Wir arbeiten alle fast
17, 18 Stunden täglich.

bitola: Hallo Herr Schneider, müssen Sie
für Ihre Berichte auch in den Libanon reisen oder halten Sie
sich zurzeit nur in Israel auf?

Richard C. Schneider: Ich bin nur in Israel und
ich kann gar nicht in den Libanon. In der ARD sind die Berichtsgebiete
aufgeteilt. Wir hier im Studio Tel Aviv sind für Israel, die
palästinensischen Gebiete und Zypern zuständig, Studio
Kairo für die meisten arabischen Länder, also auch für
den Libanon. Wir werden nur hinter der israelischen Armee sozusagen
in den Süden Libanons "nachrücken", um von dort
zu berichten.

tomb: Die Hisbollah droht mit Raketenangriffen
auf Tel Aviv. Für wie realistisch halten Sie diese Drohung?

Richard C. Schneider: Nun, die Hisbollah hat noch
immer jede ihrer Drohungen wahr gemacht. Insofern muss man auch
diese Drohung ernst nehmen.

vivalet: Wie sieht es denn mit dem Raketenbeschuss
durch die Hisbollah aus? Hat der überhaupt ein wenig abgenommen?

Richard C. Schneider: Nein, er nimmt weiter zu.
Inzwischen gab es ja Tage mit über 200 Raketen auf Israel.

Manfred Kohl: Eine weitere Frage: Wieso gelingt
es der israelischen Armee nur so schleppend, die Hisbollah-Milizen
aus dem Südlibanon zu vertreiben und damit das Bedrohungspotential
für Israel zu minimieren?

Richard C. Schneider: Es gibt zwei Gründe.
Der eine: Die Armee will eigene Verluste so weit wie möglich
vermeiden. In Israel kippt die Stimmung schnell, wenn zu viele eigene
Soldaten sterben müssen. Der zweite Grund: Die Hisbollah ist
sehr viel besser ausgerüstet und trainierter als etwa die Palästinenser.
Sie haben das Training überwiegend vom Iran erhalten.

Visiter: Ist man denn in Tel Aviv irgendwie darauf
vorbereitet, dass es möglicherweise "bald " auch
dort zu Raketenangriffen kommt?

Richard C. Schneider: Nun, die meisten Häuser
haben einen Bunker oder einen Stahlsicherheitsraum. Ansonsten warten
die Menschen ab. Man ist Krieg hier gewöhnt.

Barbara: Zu den Raketen: Woher beziehen Sie Ihre
Informationen? Welche Möglichkeiten haben Sie, diese zu überprüfen?
Ich habe beobachtet, dass die Angaben in der ARD meist weit unter
denen der israelischen Medien liegen.

Richard C. Schneider: Wir versuchen uns an die
klassischen journalistische Regeln zu halten: Zwei unabhängige
Quellen. Wenn das nicht möglich ist, dann sprechen wir im Konjunktiv
oder sagen: "Nach israelischen Angaben", "nach Angaben
der Hisbollah". Wir versuchen, möglichst nicht der Propaganda
irgendeiner Seite aufzuliegen.

tilly: Wie lange werden die Israelis noch hinter
ihrer Regierung stehen?

SiLo: Hallo Herr Schneider, in wiefern steht denn
das israelische Volk noch hinter ihrer Regierung bzw. wie lange
"spielt" sie da noch mit. Immerhin hat die israelische
Armee bis jetzt nicht viel erreicht.

Richard C. Schneider: Soweit man das im Augenblick
sagen kann, wird das Volk noch lange hinter der Regierung stehen.
Man will die Bedrohung der Hisbollah ein für allemal loswerden.
Denn man weiß auch: Dahinter steckt der Iran. Und der Iran
will eine Atombombe. Und vor dieser Bedrohung hat man noch mehr
Angst. Man sieht diesen Kampf jetzt über den Tag hinaus als
Existenzkampf an.

femba: Halten Sie einen Einsatz deutscher Soldaten
in der Region für möglich? Wie ist die Meinung dazu in
Israel?

Yak: Wie stehen die israelischen Staatsbürger
"auf der Straße" einer eventuellen Beteiligung deutscher
Soldaten an einer Friedens- oder Schutztruppe gegenüber?

Richard C. Schneider: In Israel hat man damit
keine Probleme. Ministerpräsident Ehud Olmert sagte gestern
sogar ausdrücklich, dass er eine Beteiligung deutscher Soldaten
begrüßen würde, da Deutschland ein guter Freund
und Partner ist.

ginjoe: Gestern wurde im ZDF-Auslandsjournal behauptet,
iranische Milizen hätten einen Radarposten in Beirut besetzt,
um das Kriegsschiff zu markieren, das von einer Cruise Missile der
Hisbollah getroffen wurde. Was ist da dran?

Richard C. Schneider: Das können wir von
hier aus nicht überprüfen. Das kann vielleicht mein Kollege
in Beirut, Patrick Leclercq herausfinden.

Enrique: Was passiert aber, falls die Hisbollah
Ihre Drohung war machen sollte und Tel Aviv von Raketen getroffen
wird? Ist dann die Gefahr einer Ausweitung des Krieges unumgänglich
für den Staat Israel. Besteht nicht dann die Gefahr, dass eine
Eskalation des Krieges beginnt, in der die angrenzenden Länder
wie Syrien und der Iran sich aktiv in den Krieg einmischen? Sozusagen
eine neue Stufe der Gewalt.

Richard C. Schneider: Nun, sicher ist, dass Israel
seine Angriffe intensivieren würde. Noch mehr Ziele im Libanon
würden angegriffen, keine Frage. Ob man auch Syrien angreifen
würde? Im Augenblick versucht die Armee alles, um Syrien NICHT
in den Krieg zu ziehen. Schwer zu sagen, im Augenblick.

Moderator: Zwei Beiträge mit ähnlicher
Richtung:

Haber: Haben die Bilder von toten Libanesen in
Tel Aviv Bestürzung ausgelöst?

Pauline: Ich habe einige israelische Freunde (alle
um die 23) und ich muss sagen, dass ich es finde zum Teil erschreckend
finde, wie teilnahmslos alles hingenommen wird. Sie bereiten sich
mental darauf vor demnächst eingezogen zu werden, aber gleichzeitig
geht auch einfach das ganz normal Leben weiter. Wie schätzen
Sie das Mitgefühl der Israelis für die libanesische Bevölkerung
ein?

Richard C. Schneider: Das Mitgefühl ist auf
die eigenen Bürger konzentriert. Man sieht die eigenen Toten,
die eigenen Verletzten, die Menschen, die seit Wochen in den Bunkern
leben müssen im Norden. Übrigens alles Zivilisten. Insofern
hält sich das Mitgefühl in Grenzen für die libanesischen
Zivilisten. Allerdings: In der israelischen Presse gibt es natürlich
viele Stimmen, die fragen, ob die Militärtaktik richtig ist.
Ob man die Hisbollah nur so bekämpfen kann. Dass man sie bekämpfen
muss, wird kaum in Zweifel gestellt.

Moderator: Es geht um Zensur – noch mal zwei Fragen
im Doppelpack:

Dosenfutter: Welche Art von Zensur findet in den
israelischen Medien statt und welche Informationsquellen nutzen
Sie, um eine objektive Berichterstattung zu ermöglichen?

nummer5: Ziehen Sie bitte eine Parallele zur Kriegsberichterstattung
im Irak-Krieg – was fällt Ihnen auf? Gibt es Selbstzensur bei
den israelischen Medien, wie es sie bei den amerikanischen gab?

Richard C. Schneider: Es gibt keine Zensur in
Israel. Es gibt eine normale Militärzensur in Kriegszeiten,
d.h., dass wir bestimmte Informationen nicht mehr verbreiten dürfen.
Etwa, wo genau die Raketen einschlagen, um den Feind keine "Hilfe"
zu geben für die nächsten Abschüsse. Zahlen von Gefallenen
etc. müssen erst von der Armee freigegeben werden, ehe wir
sie verwenden dürfen. Aber wir haben natürlich das Problem,
dass wir mit der Armee nicht hinein können in den Südlibanon,
dass manche Gebiete militärisches Sperrgebiet sind etc. Aber
das ist normal. Irak-Krieg? Da war alles viel schwieriger für
die Journalisten, weil es keine Infrastruktur einer freien Presse
vor Ort gab, und man nur mit der Armee rein durfte und nichts überprüfen
konnte.

St1: Ist in der israelischen Presse der Einsatz
geächteter Waffen, wie z.B. Splitterbomben, ein Thema? Wurden
die unerklärlich geschwärzten Leichen erwähnt?

Richard C. Schneider: Ja, man diskutiert das.
Fragt nach, ob das der Wahrheit entspricht. Die Armee verneint das.
Man bohrt weiter nach. Es gibt sehr kritische Stimmen diesbezüglich.

Nuf: Israel betont dieser Konflikt sei einer mit
der Hisbollah, nicht mit dem Volk des Libanons. Nun belaufen sich
die Kriegsschäden auf mittlerweile über zwei Milliarden
Dollar. Gibt es eine Diskussion in Israel über Reparationszahlungen?

Richard C. Schneider: Nein. Gar nicht.

Avi: Wie ist die Haltung Israels in bezug auf
die libanesische Opposition zur Hisbollah? Gibt es Unterstützungen?

Richard C. Schneider: Es wird wenig darüber
nachgedacht. Israel sagt: Es ist Aufgabe der Libanesen, sich mit
der Hisbollah auseinanderzusetzen. Sie haben sich bislang von der
Hisbollah terrorisieren lassen, vielleicht werden sie es jetzt begreifen,
dass sie einen hohen Preis dafür zahlen müssen.

Gregor: Da man die Hisbollah wohl kaum mit politischen
Mitteln schlagen kann, ist doch auch eine UN Truppe kein Garant
für Sicherheit. Verhandeln funktioniert ja auch nicht, aufgrund
der radikalen Sicht der Hisbollah. Wie sieht Israel da seine Zukunft?
Muss Israel nicht zwangsläufig den Krieg bis zum "bitteren
Ende " führen um die Hisbollah vollkommen auszuschalten?

Richard C. Schneider: Israel sagt ja, dass man
den Krieg bis "zum Ende" führen will. Allerdings:
Was das genau bedeutet, weiß eigentlich niemand mehr. Zu Beginn
des Krieges hieß es: Wir müssen die Hisbollah vernichten
und entwaffnen. Nun heißt es: wir müssen sie hinter den
Litani-Fluss treiben. Die Armee merkt, dass es schwierig ist, gegen
eine Guerilla-Taktik zu siegen.

marktraeumung: Sind die Drohungen Israels, die
Infrastruktur im Libanon im Falle eines Raketenbeschusses von Tel
Aviv weitestgehend zu zerstören, realistisch? Welches Szenario
droht dann?

Richard C. Schneider: Das ist realistisch. Keine Frage.

SiLo: Nach vier Wochen Krieg und ist der Raketenbeschuss
der Hisbollah nicht zurückgegangen. Was glaubt die israelische Armee
bis jetzt erreicht zu haben? Hat man die Hisbollah in irgendeiner Weise
geschwächt?

Richard C. Schneider: Sie behauptet das. Inwiefern das
stimmt, können wir einfach nicht überprüfen. Was klar ist:
Bewegliche kleine Abschussrampen für Raketen (meistens Lastwagen
oder sogar aus Wohnungen heraus) sind natürlich schwer aufzuspüren.

Andre: Was wird nach Ihrer Meinung passieren, wenn sich
der Iran aktiv und militärisch in den Konflikt einmischt, wie es
angedroht wurde?

Richard C. Schneider: Das wäre ein Szenario, das
eine echte Katastrophe im Nahen Osten auslösen würde. Ich glaube
allerdings nicht, dass der Iran das zum jetzigen Zeitpunkt machen wird.
Im Augenblick hat Israel noch die besseren Waffensysteme.

Moderator: Zwei Fragen zusammen:

nummer5: Der Konflikt wird in Deutschland durch Protestaktionen
der Libanesen begleitet (Karlsruhe / letzten Samstag) Was machen die Friedensaktivisten
in Israel derzeit?

Barbara: Wie schätzen Sie die israelische Friedensbewegung
ein? Ist sie nicht viel kleiner, als man das aus Europa manchmal erhofft?

Richard C. Schneider: Die Friedensbewegung unterstützt
diesen Krieg, weil die Bedrohung der Hisbollah, des Iran sehr ernst genommen
wird. Es kommt noch etwas dazu. Und zwar: Gerade weil man sich aus besetzten
Gebieten zurückgezogen hat (Südlibanon, Gaza), wird die Reaktion
Israels in Zukunft so "brutal" sein, weil nun eigenes Staatsgebiet
angegriffen wird. Da kennt man kein Pardon. Es wirkt also paradox: Je
mehr Gebiete man zurückgibt, desto härter reagiert man auf Angriffe.

Yak: Hier in Deutschland wird das Wort "Krieg"
vermieden – von Konflikt oder Krise ist die Rede. Wie wird die "Krise"
in Israel bezeichnet?

Richard C. Schneider: Als Krieg. Schlicht und geradeheraus.

Styria: Welche Informationen haben Sie über den
Hisbollah-Angriff auf die Chemiefabrik? War das Zufall oder sollte hier
ein chemischer GAU verursacht werden, der nur ausblieb, weil es sich offenbar
um ein harmloses Reinigungsmittel handelte?

Richard C. Schneider: Schwer zu sagen. Dass die Hisbollah
weiß, wo sich bestimmte "weiche" Ziele finden, ist klar.
Auch, dass sie sie gerne treffen wollen. Aber ob das Zufall war oder Absicht,
kann ich nicht sagen.

koch: Wie schätzen Sie die Stimmungslage in der
arabischen Welt? Mir scheint die Gemüter waren im Karikaturen Streit
erregter als jetzt.

Richard C. Schneider: Ja. Die moderaten Länder,
also etwa Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien fürchten die Macht
des Iran ebenso wie Israel. Natürlich sagen ihre Herrscher die "richtigen
Worte" und verurteilen Israel, klar. Aber im Grunde haben sie ein
ebenso großes Interesse, Teheran in Schach zu halten, wie Israel.
Insofern gibt es da eine interessante "stille Koalition" zwischen
Israel und diesen Ländern.

Europe20: Hat Israel das Potential der ausgehenden Bedrohungen
vom Libanon in Relation zu Iran nicht deutlich falsch eingeschätzt.
Nach den Äußerungen des iranischen Staatspräsidenten und
dem möglichen Potential bald in Besitz einer Atombombe zu sein, scheint
der Fokus im Nahen Osten nun auf das "kleinere" Problem übergegangen
zu sein?

Richard C. Schneider: Aus israelischer Sicht, ist das
nicht das "kleinere Problem", sondern Teil des "Großen
Problems". Wenn es gelingt die Hisbollah auszuschalten, dann hat
man erst einmal Ruhe an der Nordgrenze. Auch für den Fall eines größeren
direkten Konflikts mit dem Iran. Spätestens dann wären die Raketen
aus dem Libanon dann keine zusätzliche Bedrohung mehr.

eck: Wie lange kann die israelische Armee diesen Krieg
noch durchhalten?

Richard C. Schneider: Sehr lange. Die Armee hat große
Reservoirs, auch finanziell.

MI6: Stimmt es, dass auf Seiten der Hisbollah iranische
Elitekämpfer stehen?

Richard C. Schneider: Das habe ich auch gehört,
kann es aber nicht verifizieren von hier aus.

captnpk1: Liest man ausländische Medien, bekommt
man eine vollkommen andere Sichtweise präsentiert. Denken Sie die
Berichterstattung in deutschen Medien belichtet den Konflikt objektiv
von zwei Seiten?

Richard C. Schneider: Ich bekomme die deutschen Medien
im Augenblick nur teilweise mit, da ich selbst so sehr in der eigenen
Berichterstattung drin bin. Ich weiß aber aus der Vergangenheit,
dass in Deutschland (ähnlich wie in anderen Ländern Europas)
viele Kommentatoren sich zu Nahost äußern, die entweder noch
nie hier waren, oder aber nur eine Seite kennen. Dadurch entstehen oft
eigenartige Zerrbilder. Man geht in Deutschland immer wieder von einem
Weltbild aus, das sehr "europäisch" ist: Zivilisierte,
demokratische Staaten tragen einen Streit in einer ganz bestimmten Form
aus. Das ist im Nahen Osten einfach anders. Allein der große und
tiefe Einfluss der Religion verändert hier alles, das Denken, das
Handeln. Viele Menschen in Europa begreifen das nicht wirklich.

Radio-Karin: Da ja in den Medien davon berichtet wurde,
dass Sendeanlagen vom libanesischen Hisbollah-Fernsehen und auch diverse
Radiosender getroffen wurden, stellt sich mir die Frage, inwiefern die
Menschen im Libanon über die aktuellen Entwicklungen informiert werden.
Geschieht dies nur mittels Flugblättern der Israelis oder gibt es
in der Region noch aktive Sender?

Richard C. Schneider: Das kann ich von hier aus nur
schwer beurteilen. Soviel ich weiß, gibt es noch TV-Sender, die
in Betrieb sind.

Uri: Spielen die von Deutschland an Israel gelieferten
Waffen momentan eine Rolle?

Richard C. Schneider: Nein.

Kobi: Bekommen Sie terminologische Vorgaben der ARD
Redaktion? Wenn ja, welche?

Richard C. Schneider: Ja. Z.B. gibt es die Regelung,
nicht von einem "Krieg" zu sprechen, sondern von einer "kriegerischen
Auseinandersetzung" oder einem "Konflikt". In der ARD-Aktuell
Redaktion werden solche Vorgaben gemacht. "Krieg" wird nur auf
einen Konflikt zwischen zwei Staaten und zwei Armeen angewendet.

Nuf: Will die israelische Regierung wirklich eine UN-Friedenstruppe,
oder redet sie im Moment darüber, in der Gewissheit das die Einigung
darüber noch ewig dauern wird und sie währenddessen ihren eigen
Zielen nachgehen kann?

Richard C. Schneider: Israel will zum ersten Mal in
seiner Geschichte tatsächlich eine internationale Truppe haben. Allerdings
nur mit einem "robusten Mandat", also mit der Erlaubnis, kämpfen
und eingreifen zu können. Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann
ist sie unsinnig. Das zeigte sich ja schon seit Jahrzehnten mit der UNIFIL
im Libanon. Diese Soldaten konnten und haben nichts verhindern können.

Moderator: Ein Kompliment:

yaakov: Sehr geehrter Herr Schneider, ich bin deutscher
Israeli in Jerusalem und verfolge Ihre Berichterstattung und muss sagen,
dass ich sehr überrascht von der doch relativ ausgewogenen Betrachtung
von Ihnen war.

Richard C. Schneider: Vielen herzlichen Dank. Darum
bemühe ich mich täglich.

Andre: Glauben Sie ernsthaft, dass sich die Hisbollah
von einer UNO oder NATO Truppe entwaffnen lassen wird und freiwillig Ihre
Existenzberechtigung damit abgibt?

Richard C. Schneider: Nein, ehrlich gesagt. Darum habe
ich persönlich auch meine Zweifel, wie ein ernsthafter Waffenstillstand,
der zugleich das Gesamtproblem lösen will, aussehen soll.

mike2: Wie beurteilen Sie die Leistungen der UNO-Beobachter
an der israelisch-libanesischen Grenze in den letzten Jahren, besonders
seit 2000? Hat es hier irgendwelche Erfolge gegeben, terroristische Aktivitäten
zu unterbinden? Gab es nicht Berichte von Zwischenfällen in unmittelbarer
Nähe der UNO-Stationen, die eigentlich nicht hätten passieren
dürfen?

Richard C. Schneider: Die UNIFIL war eine ziemlich hilflose
Truppe. Es gab ja sogar den Fall, dass sie eine Entführung von drei
israelischen Soldaten durch die Hisbollah nur ein paar 100 Meter von ihnen
entfernt gefilmt hat, ohne einzugreifen. Israel hält nichts von der
UNIFIL. Sie hat ja auch den Bunkerausbau der Hisbollah an der Grenze zu
Israel nicht verhindert.

Moderator: Noch mal zur Internationale Truppe:

Eurovision: Wie sollte diese Truppe aussehen? Wer sollte
die LeadForce sein, wer soll Kontingente abstellen?

Richard C. Schneider: Die Idee, eine Truppe unter NATO-Aufsicht
abzustellen, finde ich persönlich am besten. Die UNO ist keine wirkliche
"Macht". Die NATO aber schon. Und wenn man die NATO angreifen
würde (etwa der Iran), dann hat man es mit dem gesamten Westen zu
tun. Das wäre vielleicht eine gute Abschreckung. Es würde vielleicht
auch Israel eine gewisse "Sicherheit" geben, so dass die israelische
Politik sich auch verändern könnte.

anneo: Denken Sie persönlich, dass das strikte
Vorgehen Israels gegen die Hisbollah Milizen und die Bombardierung des
Libanons zu dem Erfolg führen werden, den die israelische Bevölkerung
sich erhofft bzw. verspricht?

Richard C. Schneider: Ich fürchte, nein.

23456: Wie kommt die Hisbollah an russische Raketen?

Richard C. Schneider: Da kann ich nur Vermutungen anstellen.
Vielleicht noch aus alten Beständen aus dem Kalten Krieg, illegaler
Waffenhandel. Das kann sicher mein Kollege in Beirut besser beantworten.

o20: Wie geht es denn jetzt weiter: Was sind Israels
Pläne für die nächsten 14 Tage?

Richard C. Schneider: Nun, ich bin zwar im Lande der
Propheten, aber das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten.
Das werden mir weder Regierung noch Generalstab verraten.

Zvonimir: Melden sich nun auch Freiwillige zur Israelischen
Armee? Kommen auch Ausländer dazu?

Richard C. Schneider: Reservisten werden eingezogen,
ja. Ausländer? Wenn Sie Israelis meinen, die im Ausland leben, so
ist das noch nicht der Fall. Diese kamen in der Vergangenheit immer erst
dann zurück, wenn es wirklich "ganz ernst" wurde. So schlimm
ist es aber noch nicht.

saliva: Von Ariel Sharon bekommt man hier in den Nachrichten
nicht mehr viel mit. Liegt er immer noch im Koma oder hat sich sein Zustand
wieder gebessert?

Richard C. Schneider: Nein, er ist im Koma und sein
Zustand hat sich vor zwei Wochen noch weiter verschlechtert.

Reg: Ihr Kollege Patrick Leclercq hat vor ein paar Tagen
erzählt, dass er alle möglichen Infoquellen nutzt, auch die
so genannten "Warblogs". Wie sieht das bei Ihnen aus?

Richard C. Schneider: Nein, wir benutzen die nicht.

ali38: Glauben Sie, dass Israel weiter existieren kann?

Richard C. Schneider: Das ist wirklich eine sehr ernste
und schwere Frage. Es wird sehr darauf ankommen, wie die Welt mit der
iranischen Bedrohung und dem internationalen Terrorismus umgehen wird.
Israel ist stärker denn je in seiner Geschichte, aber auch gefährdeter
denn je, denn die Waffenarsenale des Iran sind bestens gefüllt. Und
eine Atombombe in den Händen von Ahmadinejad wird Israel zumindest
nicht "ruhiger" machen.

escort: Stimmt es, dass die Israelis den Hisbollah-Chef
in einer Fernsehansprache nicht hören dürfen?

Richard C. Schneider: Nein. Das ist falsch. Alle Ansprachen
von Nasrallah werden sofort auch im israelischen Fernsehen ausgestrahlt
und live analysiert.

nIcKnIgHt: Stehen Sie eigentlich mit den ARD-Korrespondenten
in Beirut in ständiger Verbindung? Tauschen Sie sich aus? Funktionieren
die Handy-Netze im Libanon überhaupt noch zuverlässig oder muss
man auf andere Arten der Kommunikation zurückgreifen?

Richard C. Schneider: Patrick Leclercq und ich haben
einmal miteinander telefoniert via Handy. Wir haben uns über ein
paar Projekte unterhalten, die wir miteinander noch machen wollen, und
haben uns kurz über die Situation ausgetauscht. Ansonsten versinken
wir aber beide so sehr in Arbeit, dass nur wenig Zeit für Gespräche
da ist.

Moderator: Letzte Frage:

der T: Gibt es in Israel das Gefühl, von der Europa
(Deutschland) allein gelassen zu werden?

Richard C. Schneider: Von Deutschland nicht. Im Gegenteil.
Von Frankreich, den skandinavischen Ländern und noch ein paar anderen:
Ja.

Moderator: Das waren 60 Minuten tagesschau-Chat zu einem
hochbrisanten Thema. Wir bedanken uns bei allen, die mitgemacht haben
und bitten jene um Verständnis, deren Frage wir heute nicht berücksichtigen
konnten. Besonderen Dank an Richard C. Schneider, der sich für uns
Zeit genommen hat. Herr Schneider, Ihnen gehört das letzte Wort.

Richard C. Schneider: Ich möchte mich bei allen
Teilnehmern für das große Interesse bedanken. Ich fand das
eine sehr spannende und kurzweilige Stunde. Ich hoffe, dass ich Ihnen
in Zukunft in der ARD weiterhin die Situation so gut wie möglich
"rüberbringen" kann. Jetzt fliege ich erst einmal für
drei Wochen zurück nach Deutschland, um zu "packen", da
ich ab 1. September als neuer Studioleiter das Studio in Tel Aviv übernehmen
werde. Vielen Dank und bis bald.