Am Mittwoch, den 22. Februar 2006, war Professor
Dr. Lothar Wieler, Geschäftsführender Direktor des Instituts
für Mikrobiologie und Tierseuchen an der Freien Universität
Berlin, zu Gast im tagesschau-Chat in Kooperation
mit politik-digital.de.
Der Experte beantwortete Fragen zur
Ausbreitung der Vogelgrippe
und möglichen
Gefahren der Seuche für den Menschen.

Moderator:
Liebe Leserinnen und Leser, User und Nutzer von tagesschau.de, herzlich
willkommen beim tagesschau-Chat. Unser Gast im ARD-Hauptstadtstudio
ist heute Professor Dr. Lothar Wieler vom Institut für Mikrobiologie
und Tierseuchen an der Freien Universität Berlin.
Können wir beginnen?

Lothar H. Wieler : Ja.

Tristan: Wie würden Sie die Situation einschätzen?
Haben wir es in den Medien, wenn dort von einer Pandemie gesprochen
wird, mit Panikmache zu tun?

Lothar H. Wieler: Die Möglichkeit einer Pandemie
kann nicht vollständig ausgeschlossen werden. Es ist sehr wichtig,
dass man gerade in der Politik und in den Behörden viele Möglichkeiten
theoretisch vordenkt.

A Volbracht: Weiß man wie das Virus nach
Rügen gelangte? Entdeckt wurde das Virus vor einigen Tagen,
ist es vielleicht aber schon länger auf Rügen?

Lothar H. Wieler: Man weiß nicht, wie das
Virus dorthin gelangt ist. Man überprüft aber schon seit
mehreren Jahren stichprobenartig inzwischen über 4.000 Wildvögel
auf H5N1 und hat bis letzte Woche nie dieses Virus gefunden. Es
ist jetzt die Stunde der Epidemiologen in Wusterhausen (Friedrich
Löffler Institut), die nun Untersuchungen durchführen
um die Herkunft des Virus herauszufinden.

Der_Gockel: Wozu raten Sie eher: Den Ball flach
halten, um die Bevölkerung nicht in Panik zu versetzen, oder
rückhaltlose Aufklärung mit der Gefahr der Panikmache?

Lothar H. Wieler: Panik ist immer ein schlechter
Berater. Ich glaube, dass eine transparente, seriöse Aufklärung
sehr wichtig ist, damit alle Mitbürger sich selber ein richtiges
Bild machen können.

Moderator: Ganz konkret:

Anette: Meine neunjährige Tochter will im
April nach Rostock fahren. Kann ich sie unbesorgt fahren lassen?

Lothar H. Wieler: Zurzeit geht einzig und allein
eine Infektionsgefahr von infizierten Wildvögeln aus. Darum
muss jeder Mitbürger und eben auch jedes Kind sich schlichtweg
von toten Wildvögeln und von Wildvögelkot fern halten.
Wenn diese Verhaltensmaßregeln konsequent eingehalten werden,
besteht kein Infektionsrisiko für die Menschen. Deshalb sollte
Ihre Tochter nach Rostock fahren und sich entsprechend verhalten.

klausdieter: Gibt es eine Erklärung warum
gerade die Schwäne so stark befallen sind?

Lothar H. Wieler: Bislang gibt es nur Spekulationen.
Die Fragen werden zukünftig von Epidemiologen beantwortet.
Folgende Möglichkeiten bestehen prinzipiell: Erstens, Schwäne
sind sehr empfänglich für das Virus. Zweitens, Schwäne
haben sich nach dem langen Winter an wenigen Wasserstellen mit anderen
Wildvögeln intensiv getroffen und sich dort, bei diesen Wildvögeln
angesteckt, die nicht erkrankt sind, aber das Virus tragen.

Jessika: Guten Tag Herr Prof. Dr. Wieler, in den
Nachrichten hörte ich, dass der Vogelgrippevirus auch Mäuse
infiziert. Wie ist hier das Gefährdungspotential für Menschen;
denn Mäuse finden sich wohl überall dort, wo Lebensmittel
auf Vorrat gehalten werden – also auch in Supermärkten?

Lothar H. Wieler: Unter natürlichen Bedingungen
wurden bislang nie Mäuse gefunden, die mit dem Vogelgrippevirus
infiziert waren. Im Labor ist es möglich, solche Tiere mit
den Viren zu infizieren. Das tut man aus Forschungszwecken, um mehr
über diese Viren zu lernen. Für die Verbreitung des Vogelgrippevirus
spielen Mäuse aber derzeit keine Rolle.

Consystor: Wie lange dauert es, bis bei einem
infizierten Vogel der Tod eintritt bzw. bei wie viel Prozent der
infizierten Vögel tritt der Tod überhaupt ein?

Lothar H. Wieler: Diese Frage ist sehr schwer
zu beantworten, weil es sehr viele verschiedene Vogelarten gibt.
Niemand weiß, wie bei jeder dieser Vogelarten die Virusinfektion
abläuft. Hühner sterben innerhalb von ein bis zwei Tagen
nach der Infektion. Ebenso Puten. Tauben werden nur infiziert, erkranken
aber gar nicht. Das sind zwei Beispiele, die für uns wichtig
sind. In der Zukunft werden wir sicherlich auch noch mehr darüber
erfahren, warum Schwäne an der Infektion erkranken, aber Enten
weniger. Das sind sehr wichtige Fragen, die wir hoffen zukünftig
zu beantworten; die wir auch beantworten müssen, um eine Risikoeinschätzung
seriös vornehmen zu können.

mb: Wie lange kann der Virus an der frische Luft
bzw. in geschlossenen Räumen überleben?

Lothar H. Wieler: Das hängt immer von dem
Klima, der Luftfeuchtigkeit, der Temperatur und vielen anderen Faktoren
ab. Wir wissen, dass das Virus in trockenem Hühnerkot bei 4°C
bis zu vier Wochen überleben kann. Wir wissen, dass das Virus
im Wasser (kaltem Wasser) ebenfalls viele Tage überleben kann.
Da aber alle diese äußeren Faktoren immer variieren,
kann man nicht für jede Situation die genaue Überlebensfähigkeit
einschätzen. Klar ist, dass zum Beispiel im Sommer das Virus
im Wasser viel kürzere Zeit überleben kann.

sphenoid: Ist der Übertragungsweg des Virus
geklärt? Sprechen wir von einer reinen fäkal-oralen Infektion,
oder könnte auch eine Tröpfcheninfektion in Frage kommen?

Lothar H. Wieler: Ich gehe davon aus, dass es
bei der Frage um Tiere geht. Tiere stecken sich über trockenen
Kot an, das heißt eben fäkal-oral, und sie atmen auch
Staubpartikel ein, die Virus enthalten. Wasservögel stecken
sich zum Beispiel darüber an, dass infizierte Wasservögel
in der Regel ins Wasser ausscheiden, und dann nehmen sie den Erreger
vor allen Dingen oral auf.

Amanda12: Ich frage mich, wie groß die Übertragungsgefahr
ist, wenn man z.B. am Strand barfuß in Kontakt mit Kot von
betroffenen Vögeln kommt?

Lothar H. Wieler: Der Mensch kann sich nur anstecken,
wenn er entweder den Erreger einatmet oder den Erreger isst.

Adrian: Stirbt der Virus, der sich z.B. in Fleisch
oder Eiern befindet durch Braten oder Kochen ab?

bastian123de: Sterben die Bakterien ab, wenn infiziertes
Fleisch gekocht wurde?

Lothar H. Wieler: Erhitzen tötet die Viren
sehr schnell und effizient ab. Das heißt, Braten und Kochen
ist ein hundertprozentiges Mittel, um die Viren abzutöten.

Moderator: Wie hoch muss die Temperatur sein?

Lothar H. Wieler: Die Temperatur muss 70°
für etwa 5 Minuten sein, dann ist das Virus sicher abgetötet.

Joswiss: Muss dazu das Fleisch auch gut durchgebraten
sein?

Lothar H. Wieler: Man sollte das Fleisch gut durchbraten.

Florian0706: Wenn man sich ansteckt, indem man
den Erreger isst, würde das ja bedeuten, dass man sich beim
Baden im Badesee anstecken könnte, wenn man ‚aufgelösten
Kot’ zu sich nimmt?

Nabeln: Könnte eine Ansteckung durch das
Baden in einem betroffenen See geschehen?

Lothar H. Wieler : Gute Frage. Man steckt sich
mit Viren nur dann an, wenn eine bestimmte Menge an Virus aufgenommen
wird – es gibt keine 100prozentige „attack rate“. Das
heißt, sollte im Sommer virushaltiger Kot im Badegewässer
vorhanden sein, dann ist nicht davon auszugehen, dass die Viruskonzentration
so hoch ist, dass ein Mensch sich anstecken kann. Weiterhin stirbt
im Sommer das Virus viel schneller ab, weil das Wasser viel wärmer
ist als im Winter.

marsian: An welchen Symptomen erkenne ich, ob
ich vom Federvieh besser die Finger lassen sollte?

Tristan: Wie kann man erkennen, dass ein Tier
infiziert ist? Äußere Merkmale etc.?

Lothar H. Wieler: Zunächst einmal würde
ich mich generell von Federvieh fern halten, wenn ich nicht beruflich
damit zu tun habe. Hühner werden teilnahmslos, die Eierqualität
lässt nach, sie bewegen sich nicht mehr so viel, und sie sterben
innerhalb von 1-2 Tagen. Auch bei anderen Vögeln steht im Vordergrund,
dass das allgemeine Wohlbefinden reduziert ist und die Tiere schlichtweg
nicht mehr so aktiv sind, wie man es von ihnen gewohnt ist. Sie
sind schwach, bewegen sich nicht mehr von der Stelle und sterben
dann.

brushless: Was bringt eigentlich das Keulen von
gesunden Tieren?

Lothar H. Wieler: Wenn man eine Tierseuche wirklich
effektiv bekämpfen will, dann muss man alles tun, damit der
Erreger sich nicht mehr vermehren kann. Dazu gibt es prinzipiell
zwei Möglichkeiten: die eine ist die, dass man Medikamente
gibt, die eine Virusvermehrung verhindern. Diese Möglichkeit
haben wir in der Tierseuchenbekämpfung nicht. Die zweite Möglichkeit
ist die, dass man den Viren ihren Wirt wegnimmt. Viren können
sich nur in Wirten vermehren, nicht aber in der Umwelt. Wenn man
Vögel vorsorglich tötet, hat das Virus keine Chance, sich
in ihnen zu vermehren.

Leon: Kann sich mein Hund, der gerne Vögel
jagt, anstecken? Bzw. kann er das Virus dann auf den Menschen übertragen?

LeKa: Kann der Virus auf Hauskatzen übertragen
werden und von Katze auf Mensch?

fritz2006: Darf mein Kanarienvogel Hansi nun auch
nicht mehr raus, und was mach ich mit dem Futter in meinem Vogelhäuschen?

Lothar H. Wieler: Derzeit wissen wir Folgendes:
Erstens: Katzen können sich anstecken, wenn sie ein Huhn oder
einen Vogel fressen, der an H5N1 verstorben ist. Zweitens: Hunde
wurden bisher noch nie als H5N1-empfänglich beschrieben. Drittens:
Kanarienvögel können sich mit H5N1 anstecken. Das heißt,
lebt man in einem Gebiet, in dem H5N1-gefährdete Vögel
vorkommen, sollte man Hunde unbedingt an die Leine nehmen, und Katzen
sollten möglichst im Haus bleiben. Dass Katzen den Menschen
anstecken könnten, ist unwahrscheinlich, denn sie müssten
dazu den Menschen sehr intensiv beißen. Generell – unabhängig
von der H5N1-Infektion – sollte man Vogelhäuschen immer feucht
reinigen, damit kein Staub entsteht, den man eventuell einatmen
könnte. Zurzeit sollte man darüber hinaus Vogelhäuschen
in Desinfektionsmittel einweichen. Diese gibt es in jeder Apotheke
zu kaufen.

Hallo Wieler: Frau Höhn fordert eine Impfung
aller gefährdeten Tiere. Was halten sie davon?

Lothar H. Wieler: Das ist kompliziert. Erstens:
Es gibt keinen Impfstoff, der eine Infektion mit dem Virus verhindern
kann. Zweitens: Geimpfte Tiere sind vor der Krankheit geschützt,
aber eben nicht vor der Infektion. Daraus folgt, dass ich zwar mit
einer Impfung Tiere vor der Krankheit schützen kann, und auch
die Virus-Vermehrung in diesen Tieren verringern kann, ich kann
damit aber nicht das Virus ausrotten. Deshalb hängt der Einsatz
von Impfstoffen von der jeweiligen Seuchen-Situation ab. In Deutschland
haben wir bislang keine H5N1-Seuche in Nutztierbeständen. Deshalb
ist zurzeit eine Impfung nicht indiziert. Sollten wir in der Zukunft
vermehrt Ausbrüche in Nutz-Geflügelbeständen haben,
dann wird die Impfung sicher eine Option werden, auf die man zurückgreifen
muss. Denn dann will man die Virusvermehrung aufhalten.

Joswiss: Wenn der bestehende Impfstoff bei Tieren
dazu führt, dass die Krankheit nicht ausbricht, warum kann
man diesen Impfstoff dann nicht auch für Menschen einsetzen?

Lothar H. Wieler: Zurzeit geht von dem H5N1-Virus
eine sehr, sehr geringe Ansteckungsgefahr für den Menschen
aus. Bislang sind weltweit über 90 Menschen an dieser Infektions-Krankheit
verstorben. Aber es ist sicher, dass viel mehr Menschen mit diesem
Virus Kontakt hatten. Das heißt, eine Impfung gegen ein Virus,
das nur so wenige Menschen infiziert, ist sinnlos. Darum wird zurzeit
kein Impfstoff dagegen produziert. Alle Experten fürchten,
dass es irgendwann einmal zu einer Pandemie kommen kann. Das Virus,
das diese Pandemie auslöst, ist aber nicht bekannt. Es ist
erst dann bekannt, wenn die Pandemie begonnen hat. Dann muss man
mit diesem Virus einen Impfstoff herstellen.

happyfranz: Sollte man sich doch angesteckt haben,
wie ist der genaue Krankheitsverlauf?

mathilda: Welches sind die ersten Symptome für
eine Ansteckung beim Menschen?

Moderator: Das bezieht sich wohl auf den bisher
bekannten Virus H5N1.

Lothar H. Wieler: Es ist sehr wichtig zu wissen,
dass man sich nur anstecken kann, wenn man ganz intensiven Kontakt
mit H5N1-erkrankten Vögeln hat. Die Symptome sind sehr vergleichbar
mit den typischen Grippesymptomen: Abgeschlagenheit, Fieber, Gliederschmerzen.
Lediglich die Symptome von Seiten des Atemtraktes, Husten und Atemnot,
sind stärker ausgeprägt als bei der normalen Grippe.

miles: Kann das Virus auch von geimpften Tieren
übertragen werden?

Lothar H. Wieler: Ja. Genau das ist der Grund,
warum wir mit der Impfung so sorgfältig umgehen müssen.
Es ist wichtig zu wissen, dass trotz Impfung Viren das Tier infizieren
können und sich das Virus im Tier auch vermehren kann. Allerdings
ist die Virusmenge wesentlich geringer als in einem nicht-geimpften
Tier. Deshalb wird weniger Virus ausgeschieden und entsprechend
können auch weniger andere Tiere angesteckt werden.

gast3487520: Sie haben vorhin erwähnt, dass
Tauben das Virus zwar aufnehmen und übertragen, aber nicht
daran erkranken. Geht dann nicht eine große Gefahr von den
vielen Stadttauben aus? Gerade wenn das Virus mutieren sollte?

Berliner: Muss das Übertragungsrisiko des
Virus über Tauben, Katzen und Hunde nicht auch ernsthaft diskutiert
werden und konsequent – nach dem Vorsichtsprinzip – in konkrete
Prophylaxemaßnahmen bzw. Aufklärungskampagnen einbezogen
werden? Zurzeit gibt es dazu offenbar in den Bundesländern,
laut Tagesspiegel, auf Fachministerebene gravierende widersprüchliche
Einschätzungen und Verlautbarungen. Was sage Sie dazu, Herr
Professor W.?

Lothar H. Wieler: Also, zunächst mal zu den
Tauben: Die Tauben scheiden nach unserem heutigen Wissen den Erreger
nicht aus! Deshalb spielen nach unserer Ansicht Tauben keine Rolle
bei der Übertragung des Virus. Bezüglich der Hunde und
Katzen können wir das Risiko nicht gänzlich ausschließen.
Deshalb kann ich nur an alle Hunde- und Katzenbesitzer in den betroffenen
Gebieten (in denen H5N1 in Wildvögeln nachgewiesen wurde) appellieren,
ihre Katzen möglichst im Haus zu lassen. Vor allen Dingen aber
ihre Hunde bitte anzuleinen. Diese sehr einfachen Maßnahmen,
insbesondere bzgl. der Hunde (denn Katzen sind natürlich nicht
immer einfach im Haus zu halten), sollten von den Mitbürgern
schlichtweg als vorbeugende Maßnahme durchgeführt werden.

hu : Sind für die Abtötung des H5N1-Virus
im Gesundheitswesen (Arztpraxis) formaldehydbasierte Desinfektionsmittel
(Robert-Koch-Institut-gelistet) erforderlich, oder reichen auch
die DGHM (Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie
)-gelisteten Mittel aus?

Lothar H. Wieler: Influenza-A-Viren sind sehr empfindlich
in der Umwelt. Jedes gängige, zugelassene Desinfektionsmittel,
das nach Herstellerangaben eingesetzt wird, tötet das Virus
sicher ab.

Grisu2001 : Verringert eine herkömmliche
Influenzaimpfung das Risiko einer Vogelgrippeinfektion beim Menschen,
oder könnte dadurch eine Mutation sogar noch begünstigt
werden?

Lothar H. Wieler: Die Frage nach der Impfung ist
sehr schön, sie freut mich. Jedes Jahr sterben in Deutschland
mehrere tausend Mitbürger in Folge einer Grippeinfektion, weil
sie sich nicht haben impfen lassen. Wir würden also viele tausend
Menschenleben retten können, wenn sich die Menschen impfen
ließen. Zu Ihrer Frage bezüglich der Impfung und H5N1:
ein Szenario, das vorstellbar ist, ist dass das H5N1-Virus einen
Menschen infiziert, der schon mit einem anderen Influenza-Virus
infiziert ist. Dann könnten diese beiden Viren Gene austauschen.
Und daraus könnte sich ein Pandemie-Virus entwickeln. Wenn
sich also möglichst viele Menschen gegen die herkömmliche
Grippe impfen lassen, dann reduzieren sie diese Möglichkeit.
Das heißt, dass eine Impfung immer positiv zu bewerten ist.

Dany: Sind die Eindämmungsversuche der Bundeswehr
überhaupt sinnvoll? Ist es nicht so, dass die Vögel einfach
über diese Desinfektionsbecken hinweg fliegen? Oder wird hier
nur versucht einen Übertragungsweg auszuschalten?

manimax: Was bringen eigentlich die Desinfektionsmatten,
durch die die Autos fahren müssen?

Hein Bloed: Welchen Sinn haben die Seuchenmatten
auf Rügen, wenn die Person an sich, nicht desinfiziert wird
und Vögel sowieso ungestört hinfliegen wo sie wollen?

Lothar H. Wieler: Das ist eine sehr gute Frage.
Klar ist, dass wir die Wildvögel nicht kontrollieren können.
Das einzige, was wir tun können, ist Kadaver so schnell wie
möglich unschädlich zu entsorgen. Was wir aber tun können,
ist die anderen Verbreitungswege zu unterbinden. Und da sind Desinfektionsmaßnahmen
und Sperrmaßnahmen die probaten und wichtigen Mittel. Deshalb
ist es zurzeit vor allen Dingen wichtig, dass alle Geflügelhalter
sich sehr genau an die vom Friedrich-Löffler-Institut herausgegebenen
Richtlinien halten. Sie finden diese Richtlinien auf der Website
des Friedrich-Löffler-Instituts. Natürlich wäre es
ebenso wichtig, auch das Schuhwerk zu desinfizieren.

Moderator: Ihre Schätzung:

ViVa: Wie lange wird es dauern, bis sich die Vogelgrippe
auf ganz Deutschland ausgebreitet hat?

Lothar H. Wieler: Da kann ich keine Einschätzung
abgeben. Ich glaube aber, dass über die Wildvögel eine
weitere Verbreitung stattfindet. Darum ist es wichtig, dass alle
Landkreise, die mit Wildvögelzug in Zusammenhang stehen, jetzt
schon alle Maßnahmen im Voraus vorbereiten, damit jeder Wildvogel-Kadaver
so schnell wie möglich eingesammelt und unschädlich beseitigt
wird. Mit H5N1-infizierte Tiere sind die wichtigste Verbreitungsquelle.
Deshalb müssen alle Maßnahmen darauf ausgerichtet sein,
diese Quelle so schnell wie möglich zu schließen.

Dany: Eine Ausbreitung ist also, selbst durch
den größten menschlichen Aufwand nicht zu verhindern,
oder sehe ich das falsch?

Lothar H. Wieler: Die Wahrscheinlichkeit einer
weiteren Ausbreitung ist hoch. Wir können Wildvögel nicht
kontrollieren, und deshalb sollten alle Menschen diese Möglichkeit
vor Augen haben und sich entsprechend von toten Vögeln fern
halten und die jeweiligen Behörden (Polizei und Feuerwehr)
umgehend informieren, damit die Kadaver eingesammelt werden.

markm: Als Helfer im THW interessiert mich, welche
Schutzausrüstung für die Bergung eines toten Vogels sinnvoll
sind?

Lothar H. Wieler: Es wird generell angeraten,
dass man Ganzkörper-Schutzanzüge trägt. Dies ist
eine Vorsichtsmaßnahme, damit die Personen in keinster Weise
mit dem Virus in Kontakt kommen können. Damit auch der sehr
unwahrscheinliche Fall einer aerogenen Infektion vermieden wird,
sollen auch Atemmasken getragen werden.

GrippeSchwan: Wie sieht es mit dem Infektionsrisiko
aus, wenn man das Virus in offene Wunden bekommt? Wenn z.B. ein
Helfer, der tote Vögel trägt sich die Hand aufreißt.

Lothar H. Wieler: Hier ist eine Infektion nicht
auszuschließen. Aber jeder Helfer, der sich eine Wunde zuzieht,
wird diese sofort desinfizieren, so dass die Infektion umgehend
beendet wird.

Florian0706 : Hallo Herr Prof. Dr. Lothar H. Wieler,
falls es dazu kommen sollte, dass sich jemand mit der Vogelgrippe
ansteckt, muss er dann zwingend behandelt werden, oder ist es auch
möglich, dass man auch wie bei einer anderen Grippe, „von
selbst“ wieder auf die Beine kommt?

Lothar H. Wieler: Es gibt bisher rund 200 infizierte
Personen, von denen sind über 90 gestorben, das heißt,
dass mehr als die Hälfte die Infektion überlebt haben.
Also besteht diese Möglichkeit, dass eine Infektion durchgestanden
wird. Da aber viele Infizierte versterben, sollte man sich natürlich
zwingend einer ärztlichen Behandlung unterziehen.

Chris123: Ich habe gehört, dass es erste
Resistenzen gegen Tamiflu gibt. Stimmt das? Wie weit ist die Entwicklung
anderer antiviraler Mittel?

Lothar H. Wieler: Influenza-Viren haben ein hohes
Potential zu mutieren. Es gibt tatsächlich einzelne Berichte
von einzelnen Virusisolaten, die gegen Tamiflu weniger empfindlich
sind. Es gibt weiterhin verschiedene Arbeitsgruppen, die an weiteren
antiviralen Mitteln arbeiten. Meines Wissens ist eine Marktreife
aber erst in frühestens 1-2 Jahren zu erwarten.

A.Doan: Guten Tag Herr Wieler! Wie hoch ist die
Wahrscheinlichkeit, dass das Virus so mutiert, dass es auch zwischen
Menschen übertragbar ist und was glauben sie wie schnell diese
Mutationen auftreten könnten? Vielen Dank. A.Doan

VolumePro: Die WHO (Weltgesundheitsorganisation)
spricht davon, dass wir näher an einer weltweiten Pandemie
sind als je zuvor. Wie schätzen Sie das ein?

Lothar H. Wieler: Die Wahrscheinlichkeit kann
kein Mensch einschätzen. Wir wissen, dass es in bestimmten
Abständen zu Pandemien kommt, weshalb sich alle Regierungen
auf eine Pandemie einzustellen haben. Kein Mensch kann sagen, wann
diese Pandemie kommt und kein Mensch kann sagen, ob sie durch das
H5N1-Virus kommt. Aber wir Menschen haben noch nie so viele Ausbrüche
weltweit durch ein Influenzavirus in Geflügelbeständen
miterlebt. Und das H5N1-Virus ist eben auch in der Lage, Menschen
zu infizieren. Deshalb ist die Einschätzung der WHO gerechtfertigt.

Tristan: Ist die Angst der Urlauber für die
kommende Saison begründet? Würden sie auf Rügen Urlaub
machen?

schlauchboot: Wenn ich Sie einladen würde:
Würden Sie morgen mitkommen zum Urlaub auf dem Bauernhof nach
Rügen?

Lothar H. Wieler: Liebes Schlauchboot: Ich würde
natürlich nach Rügen mitkommen, schon weil ich seit Jahren
an der Ostsee sehr gerne Urlaub mache! Wenn Sie und ich uns von
Vogelkadavern fern hielten, dann wäre der Urlaub genau so schön
wie er vor drei Wochen gewesen wäre. Wir würden jedoch
mehr Militär, und Menschen in Schutzanzügen sehen. Ich
kann verstehen, dass manche Menschen in ihrem Urlaub diesen Anblick
nicht unbedingt schön finden. Aber eine Gefahr (erhöhte
Gefahr) für den Menschen sehe ich nicht.

Ulla: Ich arbeite in einer Praxis und es wird
bereits gefragt, wie es mit Obst und Gemüse ist, das durch
Kot der Vögel verunreinigt ist und aus dem Ausland zu uns gebracht
wird. Nach Abwaschen unbedenklich? Überhaupt Bedenken?

Lothar H. Wieler : Eine sehr hypothetische Frage.
Erstens: Wie wahrscheinlich ist es, dass virushaltiger Kot auf Obst
ist? Zweitens: Selbst wenn virushaltiger Kot drauf wäre, dann
würde durch den längeren Transport das Virus abgestorben
sein. Selbst wenn dann noch Virus auf dem Obst wäre, wäre
die Menge so gering, dass sich kein Mensch anstecken kann.

Moderator: Stellvertretend für viele andere
auch:

mondrian: Das waren sehr aufschlussreiche Informationen!
Danke! Und: Bleiben Sie gesund!

Moderator: Das waren 60 Minuten tagesschau-Chat.
Herzlichen Dank, Professor Wieler, dass Sie sich Zeit für den
Chat genommen haben. Wie immer geht das hier gesagte nicht verloren.
Das Protokoll des Chats finden Sie zum Nachlesen auf tagesschau.de
und politik-digital.de. Vielen Dank für das große Interesse,
das wird sicher nicht der letzte Chat zur Vogelgrippe gewesen sein,
Der nächste Chat ist für den Montag, 13. März 2006
geplant. Dann stellt sich ab dreizehn Uhr Entwicklungsministerin
Heidemarie Wieczorek-Zeul Ihren Fragen. tagesschau.de und politik-digital.de
wünschen allen noch einen angenehmen Tag!