Franz Maget, SPD-Spitzenkandidat bei
der Landtagswahl in Bayern, am 2. September 2003 zu Gast im tacheles.02
Live-Chat von tagesschau.de und politik-digital.de.
Moderator: Liebe Politik-Interessierte, herzlich willkommen im
tacheles.02-Chat. Unsere Chat-Reihe tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de
und politik-digital.de und wird unterstützt von tagesspiegel.de und
jetzt auch von sueddeutsche.de. Einen schönen Gruß an die Kolleginnen
und Kollegen ins schöne München! Dort sitzt auch unser Chat-Gast,
der SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Bayern am 21.September,
Franz Maget.
Mit dem Chef der Landtagsfraktion
beginnt auch unser kleines „Bayern-special“, das wir kommenden
Dienstag mit CSU-Generalsekretär Thomas Goppel fortsetzen.
Herr Maget, kann’s
losgehen?
Franz Maget:
ja
Moderator:
Herr Maget, Sie haben dem CSU-Spitzenkandidaten und bayerischen Ministerpräsidenten
Edmund Stoiber vorgeworfen, er wolle die "Wähler täuschen".
Stoiber wolle die Landtagswahl zur "Ersatz-Bundestagswahl" machen.
Beim Zustand der rot-grünen Koalition in Berlin ist das doch kein
Wunder, oder?
Franz Maget:
Doch. Denn am 21. September geht es um die Zukunft Bayerns. Stoiber wird
nicht Bundeskanzler werden.
Frank:
Sie sagten, dass Sie sich durchaus vorstellen können, 2008 die Regierung
in Bayern zu stellen. Wie wollen Sie das erreichen in einem Bundesland,
das schon seit über 30 Jahren fest in der Hand der CSU ist?
Franz Maget:
Durch gute politische Programme und glaubwürdige Personen.
Moderator:
Dann hat es bisher an den guten politischen Programmen und glaubwürdigen
Personen gefehlt?
Franz Maget:
Nein. Aber an der Wechselstimmung in Bayern. Die wird kommen.
Michael Haders:
Bitte beschreiben Sie in fünf Punkten, was Sie besser als das derzeitige
CSU-Regime machen wollen
Franz Maget:
Regime? Wir wollen bessere Schulen mit höheren Abschlüssen.
Zweitens mehr Ganztagsschulen. Drittens eine bessere Förderung der
benachteiligten Regionen. Viertens eine Verkleinerung der Regierung, die
zu teuer und aufwändig ist und fünftens weniger Filz und Machtarroganz,
sondern mehr Bürgernähe und Ehrlichkeit.
Stammbacher:
Glauben sie wirklich, dass sie einen Erdrutschsieg der CSU bei dieser
Wahl verhindern können?
Franz Maget:
Ja. Denn die Menschen wollen keine Zweidrittelmehrheit einer Partei. Das
finden die meisten grauenhaft.
Moderator:
Es langt also für die SPD in Bayern als Wahlziel die Verhinderung
einer Zweidrittelmehrheit?
Franz Maget:
Nein. Aber das ist schon auch wichtig. Wir haben das Ziel, besser zu werden
und eine gestärkte Opposition.
claudia:
Herr Maget, es wurde behauptet Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion
haben es sich auf den Bänken der Opposition bequem gemacht, der Wille
zum Regieren in Bayern fehle. Was sagen Sie dazu?
Franz Maget:
Natürlich gibt es bei einzelnen auch eine Oppositionsmentalität.
Das gebe ich zu. Aber genau das will ich meiner Partei austreiben. Wir
müssen wirklich gewinnen wollen. In München beweise ich seit
Jahren, dass das auch möglich ist.
Susi:
Wie bewerten Sie die Weigerung Stoibers, sich auf ein TV-Duell mit Ihnen
einzulassen?
Franz Maget:
Feige oder herablassend. Ich finde es eigentlich selbstverständlich,
dass ein Duell stattfindet. Hat Stoiber von Schröder übrigens
auch gefordert und bekommen. Die Menschen sollen sich doch ein eigenes
Bild für ihre Entscheidung machen können.
bettler:
In der „Welt am Sonntag“ vom 31. August wurde mehr als eindeutig
kritisiert, dass Ihr Auftritt im Englischen Garten mit Familie nichts
von der Idylle einer Familie Stoiber hatte. Ist solch eine Kritik in einem
Land wie Bayern nicht tödlich für den Wahlkampf?
Franz Maget:
Nichts gegen die Familie Stoiber. Aber meine Frau und meine Kinder möchten
nicht zu Wahlkampfzwecken instrumentalisiert werden, sondern ihre Privatspähre
bewahren. Außerdem ist meine Familie sehr nett und – wie mir gesagt
wird – sehr sympathisch.
Moderator:
Der User "nk-mainfranken" findet Ihre Kampagne wie das TV-Duell
unseriös und:
nk-mainfranken:
Daneben auch den Slogan Bayern gewinnt, das ist doch sehr platt. Auch
die lapidare Forderung von Ganztagesschulen soll doch wohl verunsichern.
Ich halte derartige Kampagnen für wenig zielführend.
Franz Maget:
Sie sind sehr anspruchsvoll! Ganztagsschulen sind von vielen gewünscht,
das TV-Duell fair und der Slogan gar nicht schlecht.
bachatz:
Herr Maget: Soweit mir bekannt ist, gibt es zum ersten Mal eine Kampa,
welche die Aktivitäten der Bayern-SPD zur Landtagswahl bündelt.
Sind Sie zufrieden?
Franz Maget:
Ich sitze in der Kampa und darf keine ehrliche Antwort geben.
juergen:
Wie wollen Sie Ihre Vorschläge, die sich gut anhören, finanzieren,
z. B. mehr Ganztagsschulen? Das bedeutet doch auch mehr Lehrer oder wollen
Sie z. B. das Deputat für Lehrer erhöhen?
Franz Maget:
Das ist ein dringender gesellschaftlicher Bedarf, der gedeckt werden muss.
Andere Länder, die ärmer sind, schaffen das auch. Es ist eine
Frage der Prioritäten.
Dominic99:
Bayern ist das Bundesland mit der wenigsten Kriminalität, der niedrigsten
Verschuldung, der zweitniedrigsten Arbeitslosigkeit und den stabilsten
Wachstumsraten. Wie gehen Sie als Oppositionsführer mit dieser, auf
den ersten Blick doch beeindruckenden Bilanz der Regierung Stoiber um?
Moderator:
Oder anders gesagt: Never Change a winning Team …
Franz Maget:
Ich rede mein Land nicht schlecht, sondern anerkenne was gut läuft
und wir nicht anders machen würden. Aber ich betone auch die Punkte,
die wir besser machen würden. Im übrigen. Bayern droht gegenwärtig
seine Spitzenstellung zu verlieren: die Arbeitslosigkeit steigt in Bayern
besonders schnell und beim Wachstum sind wir nur noch Mittelfeld.
Moderator:
Auch wenn es nicht zu erwarten ist:
juergen:
Mich würde interessieren, wie die Prioritäten dann gestellt
werden, wenn Sie an die Regierung kämen.
Franz Maget:
Bildung hat Platz eins und ein Ausbildungsplatz für jeden Jugendlichen.
Als zweites Staatsvereinfachung, Bürokratieabbau und Verkleinerung
der Regierung. Das spart viel Geld. Die bayerische Staatskanzlei muss
nicht so groß sein wie das Weisse Haus.
Moderator:
Also hinsichtlich der Größe der bayerischen Regierung gebe
ich in Stoibers Worten zu bedenken: "Das reißts auch nicht
heraus" – angesichts der Finanzlage, oder?
Franz Maget:
Man muss die Treppe von oben kehren. Besser drei Staatssekretäre
und zwanzig überflüssige Ministerialräte weniger, als beim
kleinen Polizisten das Weihnachtsgeld kürzen.
Johannes:
Mal angenommen, die FDP schafft den Einzug in den Landtag – würden
Sie das begrüßen (quasi als Unterstützung der Oppositionsarbeit
gegen die CSU), oder lehnen Sie die liberalen Konzepte so sehr ab, dass
Sie die FDP deswegen draußen haben möchten?
Franz Maget:
Die FDP ist eine demokratische Partei und ein Konkurrent von uns. Deshalb
wünsche ich mir möglichst wenig Stimmen für diese Partei.
Die FDP wird den Sprung in den Landtag nicht schaffen, die Stimmen sind
also verschenkt und helfen nur der CSU.
danman225:
Würde Ihnen die prognostizierte niedrige Wahlbeteiligung eher helfen
oder schaden?
Franz Maget:
Schaden.
Altunsuyu:
Werden Sie Konsequenzen ziehen, wenn die SPD unter 20 % fallen sollte?
Franz Maget:
Ich kämpfe für ein gutes Ergebnis und bin sicher, dass die SPD
wesentlich besser abschneiden wird, als heute von vielen vorhergesagt.
Deshalb stellt sich diese Frage nicht.
danman225:
Ausgewichen!
Dominic99:
Herr Maget, wollen Sie nach der Wahl Oppositionsführer bleiben, selbst
wenn die SPD ein Debakel erleben sollte?
Franz Maget:
Nein.
Moderator:
Nein, nicht ausgewichen oder nein, es wird jemand anderes Oppositionsführer?
Franz Maget:
Zu danman: Nicht ausgewichen.
zu dominic: Ich rechne mit einem guten Ergebnis, auf das ich aufbauen
will
Moderator:
Optimismus ist bestimmt gut für die SPD, aber:
Stammbacher:
Die Stimmung in Oberfranken ist aber sehr schlecht und das ist ja die
Hochburg der SPD in Bayern.
Franz Maget:
Ich war oft in Oberfranken. Für diese Region ist die SPD wirklich
besser. Die CSU benachteiligt Oberfranken seit Jahren.
Moderator:
Noch mal zum Einfluss der Bundespolitik:
Sammy:
Herr Maget, ist die rot-grüne Bundespolitik Schuld an Ihrer voraussichtlichen
Wahlniederlage? Oder anders gefragt: wie viele Prozentpunkte mehr hätte
es ohne die Sparmaßnahmen der Regierung gegeben?
rrrrrr:
Was hätte die Bundesregierung politisch anders machen sollen, um
Ihre Position als Aspirant zum Ministerpräsidenten nicht zu gefährden?
Franz Maget:
Ich rechne nicht mit einer Niederlage. Aber die jetzt begonnenen Reformen
müssen besser erklärt und klarer formuliert werden.
Moderator:
Dann hätte ich mal gerne gewusst, was für sie Niederlage und
was für Sie ein – sagen wir mal respektables Ergebnis ist? Oder einfacher
gefragt:
Altunsuyu:
Ihre Wahlprognose?
Franz Maget:
Überraschungserfolg für Bayerns SPD
Johannes:
Hätten Sie manchmal nicht gern ein bisschen mehr prominente Unterstützung
aus Berlin? Am Montag besuchte Gerhard Schröder gerade mal eine Textilfabrik
in Unterfranken, Angela Merkel bereiste am selben Tag vier Städte,
und tritt noch öfter auf. Der Kanzler aber eher selten.
Franz Maget:
Ich hatte einen vielbeachteten Auftritt mit dem Kanzler in Rosenheim und
war auch gestern dabei. Schröder kommt noch zweimal, dazu viele Bundesminister
mehrfach. Wie gesagt: Wir haben in Bayern keine Wahlwiederholung der Bundestagswahl.
Dobmeier:
Welche Änderungen werden Sie in der kommenden Gemeindesteuerreform
verlangen, damit bayerische Städte wie München, Nürnberg
oder Regensburg noch handlungsfähig bleiben?
Franz Maget:
Es muss bei der Gewerbesteuer bleiben. Schlupflöcher, die vor allem
große Konzerne nutzen können, müssen gestopft werden.
Fragen:
Sind Sie auch für eine Anhebung des Rentenalters?
Franz Maget:
Nein. Ich halte das vorerst nicht für sinnvoll. Viel wichtiger ist
es die älteren Arbeitnehmer nicht schon mit 55 zum alten Eisen zu
zählen. Wir müssen das jetzt geltende Renteneintrittsalter erreichen.
Moderator:
Sie haben einmal in einem Interview gesagt, der Grund warum die SPD in
Bayern so chancenlos ist, liege unter anderem an der bayerischen Mentalität.
Haben die Bayern, salopp gesagt, die CSU im Blut? Das würde ich gerne
ein bisschen genauer wissen.
Franz Maget:
Die SPD ist in Bayern nicht chancenlos. Wir stellen mehr Oberbürgermeister
als die CSU. Die CSU erweckt den Eindruck, sie allein sei für Bayern
zuständig und geeignet. Diesem verfehlten Eindruck müssen wir
stärker entgegentreten. Mit bodenständiger und bürgernaher
Arbeit.
Moderator:
Bodenständigkeit und Bürgernähe würde ich (kein Bayer)
gerade mit der CSU verbinden.
Franz Maget:
Eben. Das ist der Fehler. Der CSU ist gelungen dies, vorzugeben. Wir müssen
uns wieder mehr um Vereine und Stammtische kümmern.
Altunsuyu:
Warum soll man vor einer Zweidrittelmehrheit Angst haben? 1974 war’s
doch auch so? So schlimm war es doch nicht, der?
Franz Maget:
Es gab noch nie eine Zweidrittelmehrheit der Sitze. Das ist entscheidend.
Die Folge wäre eine krasse Einschränkung demokratischer Kontrollrechte
der Opposition. Unliebsame Ausschussvorsitzende könnten leichter
abgesetzt, Untersuchungsausschüsse behindert werden. Nähre Infos
unter www. macht-braucht-kontrolle.de
skarbulli-spuck:
Herr Maget, ist es nicht frustrierend, von den Journalisten immer wieder
gefragt zu werden, warum Sie sich so eine Kandidatur überhaupt antun?
Moderator:
Ja, aber ganz im Ernst: warum tut man sich so eine Kandidatur an?
Franz Maget:
Manchmal schon. Ich bin nämlich stolz darauf und es macht mir trotz
Anstrengung viel Spaß.
Moderator:
Das war die letzte Frage, eine Stunde ist um. Herzlichen Dank an Herrn
Maget, wir bedanken uns bei allen Usern für das Interesse. Noch ein
Hinweis: Unser nächster Chat-Gast ist am kommenden Dienstag, 9.September,
von 17.30 bis 18.30 Uhr der CSU-Generalsekretär Thomas Goppel. Einen
schönen Abend wünscht allen das jetzt um sueddeutsche.de erweiterte
tacheles.02-Team!