Béla Anda, Regierungssprecher,
war am 12. Juli zu Gast im tacheles.02 Live-Chat von tagesschau.de
und politik-digital.de. Er sprach über die anstehenden Wahlen,
die Notwendigkeit von Reformen und seine Rolle als Regierungssprecher.

Moderator: Liebe Politik-Interessierte,
willkommen im tacheles.02-Chat. Unsere Chat-Reihe wird veranstaltet
von tagesschau.de und politik-digital.de und unterstützt von
tagesspiegel.de. Unser Gast heute ist Regierungssprecher Béla
Anda. Guten Tag, Herr Anda!

Béla Anda: Guten Tag.

Moderator: Herr Anda, zuletzt lief im Fernsehen
die Serie Kanzleramt. Wie viel hat die Sendung mit der Realität
zu tun?

Béla Anda: Wenig. Es mag so sein, dass
sie Politik zeigt, wie man sich Politik in Fernsehstuben vorstellt.
Aber all diejenigen, die näher mit Politik zu tun haben, haben
schnell feststellen können, dass es sich hier um ein gutgemachtes
Drama handelt. Aber um mehr auch nicht. Die Kulisse war allerdings
sehr gut der Realität nachempfunden.

Gert: Werden Sie Ihren Job nach der Wahl behalten?

Béla Anda: Ja, Gert.

doro34: Ist die Berichterstattung zum Wahlkampf
Ihrer Meinung nach ausgewogen genug?

Béla Anda: Als Regierungssprecher kann
ich mich schwer zum Wahlkampf und der entsprechenden Berichterstattung
darüber äußern. Zumal die Entscheidung des Bundespräsidenten,
ob es tatsächlich Neuwahlen geben wird, noch aussteht. Allerdings
hätte ich mir gewünscht, dass kritischer hinterfragt wird,
welche tatsächlichen Belastungen die von der Union geplante
Mehrwertsteuererhöhung für die Bürgerinnen und Bürger
zu Folge hat – gerade für Renterinnen und Rentner, Studenten
und Familien mit Kindern. Die würden durch die von der Union
geplanten Mehrwertsteuererhöhung besonders belastet. Sie wäre
zudem Gift für das Anziehen der Binnenkonjunktur.

Zoonpoliticon: Warum muss ein Regierungssprecher
eigentlich Journalist sein – wäre ein Rhetorikprofessor nicht
besser geeignet?

Béla Anda: Ein Rhetorikprofessor spricht
in der Regel mit Studentinnen und Studenten, aber eine Regierungspressekonferenz
ist keine Lehrveranstaltung und der Saal der Bundespressekonferenz
kein Hörsaal. Der Regierungssprecher muss Mittler sein zwischen
der Politik und den Journalisten. Dafür muss er die Anforderungen
des Journalismus kennen.

Moderator: Aber trotzdem noch mal gefragt: Die
Regierung steht stark unter Druck – wie kann man da immer bei der
Wahrheit bleiben und trotzdem gut aussehen?

Béla Anda: Die Regierung steht nicht unter
Druck. Der Bundeskanzler Gerhard Schröder hat den Weg zu möglichen
Neuwahlen bewusst freigemacht, um eine Entscheidung der Bürgerinnen
und Bürger über eine Fortsetzung des Reformkurses – verbunden
mit der Agenda 2010 – zu erbitten. Über die Debatten, die es
im Vorfeld auch innerhalb der SPD gegeben hat, ist ausführlich
berichtet worden.

Rote Grütze: Wie sehr nützen der Regierung
Ihre Kontakte zum Hause Springer?

Béla Anda: Nicht in einem Maße, dass
es die Berichterstattung beeinflussen könnte. Hier geht es
um einen professionellen Umgang miteinander. Für mich war es
hilfreich, die Bild-Zeitung auch einmal von innen gesehen zu haben.

Holzhacke: Könnten Sie sich vorstellen, wieder
als Reporter zu arbeiten?

Béla Anda: Im Moment nicht. Aber wer weiß,
was das Leben so mit sich bringt.

RonnyBock: Wie kommt man zu einem Job wie Sie
ihn haben?

Béla Anda: Ich habe ein Volontariat, also
eine Ausbildung zum Journalisten gemacht. Dann Politik in Berlin
und an der London School of Economics studiert. Während meines
Studiums habe ich für Zeitungen und Zeitschriften als freier
Mitarbeiter gejobbt. Nach Ende meines Studiums begann ich bei der
Bild-Zeitung und habe in dieser Phase mit meinem damaligen Kollegen
Rolf Kleine ein Buch über Gerhard Schröder geschrieben
– die erste Biographie, die es über ihn gab. Während der
Arbeiten zu dem Buch wurde unser Verhältnis enger. Schließlich
fragte er mich 1998, ob ich Mitglied seines Teams werden wolle.
Und ich habe zugesagt.

PSinger: Herr Anda, in welcher persönlichen
Beziehung stehen Sie zu Herrn Schröder?

Béla Anda: Ich habe ihn erstmals während
meines Volontariats, also 1985 oder 1986 getroffen. Seit 1993 habe
ich ihn journalistisch enger begleitet, seit 1998 arbeite ich für
ihn direkt. Das heißt, ich habe seit längerer Zeit mit
ihm zu tun, arbeite gerne für ihn. Aber es gibt andere, die
länger für ihn arbeiten.

Moderator: Wie kommt man als Bild-Mann zur SPD
fragt sich dieser User:

Varus: Ich dachte Springer steht eher zum konservativen
Lager?!?

Béla Anda: Ausnahmen bestätigen die
Regel.

Jay Stoltzenberg: Herr Anda, Sie sind das Sprachrohr
der Regierung. Ärgert es da manchmal, dass man neutral bleiben
muss?

Béla Anda: Auch wenn ich mich zur Sachlichkeit
verpflichtet fühle, so vertrete ich dennoch die von Bundeskanzler
Gerhard Schröder geführte Bundesregierung und identifiziere
mich daher auch mit ihren Zielen, indem ich sie beschreibe.

frank.farenski: Wie empfindet man es mental, wenn
die Presse permanent auf die eigene Regierung einprügelt? Ist
das frustrierend? Kann man da überhaupt gegensteuern? Ist die
ganze Kritik an der Regierung in Ihren Augen ein Missverständnis?

Béla Anda: Ja, man kann. Durch stetige
Arbeit und konsequente Darstellung dessen, was die Bundesregierung
durch Reformen mit der Agenda 2010 auf den Weg gebracht hat. Dies
trägt Früchte. So berichtet das Magazin Capital in seiner
neuesten Ausgabe über das Comeback der Deutschen und analysiert:
"Konzerne schreiben Rekordgewinne", "Reformen zeigen
erste Erfolge". Im Übrigen, keinem meiner Vorgänger
ist es, was den Kern Ihrer Frage angeht, anders ergangen.

Moderator: Sie sind erst seit relativ kurzer Zeit
SPD-Mitglied: Warum sollte man gerade heute in die SPD eintreten?

Béla Anda: Weil sie modern ist, für
soziale Gerechtigkeit und für Zukunft steht. Es freut mich,
dass gerade in den letzten Monaten vermehrt und insbesondere junge
Menschen eine ähnliche Entscheidung getroffen haben.

supernico: Lieber Herr Anda, man bekommt den Eindruck,
dass bis zu den Neuwahlen Stillstand in Deutschland herrscht. Haben
Sie überhaupt noch etwas zu tun bis zu den Neuwahlen?

Béla Anda: Es gibt mehr zu tun – noch mehr
zu tun – als üblicherweise zur Sommerzeit. Morgen findet zum
Beispiel eine Kabinettssitzung mit einer umfangreichen Tagesordnung
statt, wie im übrigen jeden Mittwoch. Die Ergebnisse werden
im Anschluss von mir bei der Regierungspressekonferenz erläutert.
Diese Pressekonferenzen gibt es dreimal die Woche. Es gibt auch
sonst viel zu tun, der G8-Gipfel der letzten Woche zeigt auch auf
beklemmende Art und Weise, dass Regierungshandeln gerade auch in
dieser Phase gefordert ist.

sven26: Wollen Sie nach Ihrer Zeit als Regierungssprecher
wieder als Journalist für eine Zeitung arbeiten?

Béla Anda: Ich arbeite daran, meinen Job
gut zu machen. Was einmal sein wird, darüber habe ich mir noch
keine ernsthaften Gedanken gemacht. Dies würde die Konzentration
von der gegenwärtigen Aufgabe nehmen. Und das will ich nicht.

rdl: Ich verfolge seit langem die Talkbeiträge/aussagen
der Politiker. Auf konkrete Fragen entziehen sich alle mit Rhetorik
der konkreten Beantwortung. Nichts ist transparent oder ehrlich!
Was sagen Sie dazu?

Béla Anda: Das ist ein sehr pauschales
Urteil. Nicht alle Politiker kann man in einen Topf werfen. Es gibt
gelegentlich die Notwendigkeit, Dinge nicht vorschnell herauszuposaunen.
Grundsätzlich aber ist mein Eindruck, dass in den letzten drei
Jahren mehr Klarheit beim Benennen von Problemen und möglichen
Lösungen herrscht. Denken Sie an die Sprüche aus den 80er
und 90er Jahren: "Die Rente ist sicher". Das würde
so heute keiner mehr sagen. Diese Bundesregierung war es, die die
Notwendigkeit einer umfassenden Rentenreform erkannt hat, umgesetzt
hat und den Mut hatte, dieses auch der Öffentlichkeit offen
zu sagen.

Moderator: Zwei Fragen zur Zukunft des Kanzlers
im Paket:

Zort: Wenn sich Horst Köhler gegen Neuwahlen
entscheidet: Tritt der Bundeskanzler dann zurück, um Neuwahlen
zu ermöglichen? Und wenn nicht: Was machen Sie dann?

Heidi: Was wird die Bundesregierung machen, wenn
Bundespräsident Köhler den Bundestag nicht auflöst?
Wird Schröder zurücktreten?

Béla Anda: Keiner sollte versuchen, auch
ich nicht im Chat, den Bundespräsidenten und seine kommende
Entscheidung in irgendeiner Weise vorwegzunehmen oder über
sie zu spekulieren. Das gebietet schon der Respekt vor dem Amt des
Bundespräsidenten. Der Bundeskanzler hat deutlich gemacht,
wiederholt deutlich gemacht, dass er in einem solchen – wie auch
immer theoretischen Fall – nicht zurücktreten würde.

ForeignX: Hat man als Regierungssprecher in irgendeiner
Form Einfluss auf die Politik die gemacht wird?

Béla Anda: Die Frage lässt sich nicht
in zwei Zeilen beantworten.

boehne: Wird es ein TV-Duell zwischen Merkel und
dem Bundeskanzler geben?

Béla Anda: Frau Merkel hat gestern erklärt,
sie wäre als Herausforderin zu einem solchen TV-Duell bereit.
Der Bundeskanzler hat das schon über seine Pressekonferenz
am letzten Dienstag erklärt, er würde an der Tradition
festhalten. So der Bundespräsident Neuwahlen vorschlägt,
wird es also wieder – wie vor drei Jahren – mindestens zwei TV-Duelle
geben, eines davon übertragen von ARD und ZDF, das andere übertragen
von RTL und Sat1.

Moderator: Der Kanzler hat einen "Wahlkampf
wie noch nie" angekündigt. Das ist spannend. Was kommt
da auf uns zu?

Béla Anda: Sie werden verstehen, dass ich
mich als Regierungssprecher nicht zum Wahlkampf und der Wahlkampfstrategie
äußern kann und äußern will. Nur soviel vielleicht:
Der Kanzler wird vollen Einsatz zeigen, um für die Reformen
der Agenda 2010 zu werben. Er hat seit 1986 sechs Wahlkämpfe
als Spitzenkandidat bestritten, in jedem hat er entweder dazu gewonnen
oder die Wahl gewonnen – auch aus bisweilen scheinbar aussichtsloser
Situationen.

wosinddiefilme: Ist es der Bundesregierung gelungen
zu vermitteln, warum es Reformen geben muss? Und wie erklären
sich dann die Umfrageergebnisse?

Béla Anda: Uneingeschränkt ja. Mehr
als 2/3 der Bevölkerung wissen, dass es und warum es Reformen
geben muss. Die Informationsarbeit des Presse- und Informationsamtes
der Bundesregierung hat wesentlich dazu beigetragen, die Zahl wesentlich
zu erhöhen und damit auch die Kenntnisse über Inhalte.
Allerdings – wenn es um den einzelnen geht – so ist die Mehrheit,
die für Reformen im Allgemeinen sind, wieder in der Minderheit.
Titelgeschichten, wie in der neuesten Ausgabe von Capital, Analysen
von großen Stiftungen über die durch die Reformen besser
nutzbar gemachten Potentiale Deutschlands stimmen mich allerdings
optimistisch, dass nicht nur die Einsicht der Menschen wächst,
sondern auch deren Zuversicht.

Zuckerp1: Welche Auswirkungen hat der Anschlag
in London auf den SPD-Wahlkampf?

Béla Anda: Ich wiederhole mich, wenn ich
sage, dass ich als Regierungssprecher schwerlich etwas über
die Gestaltung von Wahlkämpfen sagen kann. Der Anschlag von
London hat den zeitgleich beim G8-Weltwirtschaftsreffen versammelten
Staats- und Regierungschefs die Agenda, mehr zur Bekämpfung
von Hunger und Armut in der 3. Welt und mehr für den Schuldenabbau
zu tun, nicht kaputt machen können. Er hat aber auf schreckliche
Art und Weise deutlich gemacht, dass es im Kampf gegen den internationalen
Terrorismus kein Nachlassen geben darf.

Moderator: Als Regierungssprecher und auch als
Journalist: Wie beurteilen Sie das CDU- Wahlprogramm?

Béla Anda: Als Regierungssprecher äußere
ich mich nicht zu politischen Programmen. Allein die Ankündigung,
die Mehrwertsteuer um 2 % von 16 auf 18 % zu erhöhen, ist Gift
für die Konjunktur und schädigt die anziehende Inlandsnachfrage.

Moderator: Unsere 60 Minuten Politik-Chat sind
um. Vielen Dank für das große Interesse. Herzlichen Dank
an Sie, Herr Anda, dass Sie sich die Zeit für den Chat genommen
haben! Das Chat-Protokoll finden Sie wie immer auf den Seiten der
Veranstalter. Der nächste Chat findet bereits morgen von 13.00
bis 14.00 Uhr statt. Zu Gast ist dann Thüringens Ministerpräsident
Dieter Althaus.

Béla Anda: Vielen Dank für das Interesse
und ich freue mich aufs nächste Mal.