Der e-teaching.org-Expertenchat mit Jan-Armin Reepmeyer am 12.4.2010 zum Nachlesen.
Moderator: Herzlich willkommen zum e-teaching.org-Expertenchat zum Thema E-Assessments. Wie lassen sich Online-Prüfungen durchführen, ohne rechtlich angreifbar zu sein? Verletzen elektronische Leistungsnachweise das Datenschutzrecht der Studierenden? Und inwiefern besteht die Gefahr, mit digitalen Prüfungsaufgaben gegen das Urheberrecht zu verstoßen? Hier im Chat begrüße ich jetzt Dr. Jan-Armin Reepmeyer. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen und die Fragen unserer Chatterinnen und Chatter beantworten. Gleich die erste Frage an unseren Gast: Wie sieht es aus, wollen wir starten?
Jan-Armin Reepmeyer: Ja!
Moderator: Im Vorfeld des Chats hatten die User die Möglichkeit, Pre-Chat-Fragen zu stellen und diese zu bewerten. Hier kommt die am höchsten bewertete Frage aus dem Pre-Chat:
Researcherin: Wie erlangt man Rechtssicherheit bei Online-Prüfungen?
Jan-Armin Reepmeyer: Dazu müssen Sie zunächst diskutieren, was Rechtssicherheit überhaupt ist. Und damit sind dann auch die Antworten wieder in einzelne Bereiche aufgeteilt, zum Beispiel Rechtssicherheit in der Prüfungsordnung, Rechtssicherheit im Anmeldeverfahren, Rechtssicherheit in der Zuordnung Prüfer zu Prüfling oder Rechtssicherheit im Prüfungsverfahren. Ich könnte jetzt zu den einzelnen Punkten jeweils etwas sagen. Aber ich glaube, da kommen dann jeweils noch spezielle Fragen.
Heinrich: Welche Formen von Online Prüfungen sind rechtlich machbar?
Jan-Armin Reepmeyer: Was verstehen Sie unter Formen von Online-Prüfungen? Meinen Sie die Typen der Fragen wie Multiple Choice oder Lückentext? Sie können im Prinzip alles online abprüfen. Die einfachste Form ist einfach die Eingabe einer Antwort in einen Editor und die Prüfung wird dann wie eine herkömmliche Klausur auch vom Prüfer einzeln bewertet. Das widerspricht aber dem typischen Sinn einer Online-Prüfung – bei der es ja darauf ankommt, die Antworten automatisch auszuwerten und das Prüfungsergebnis möglichst rasch zu präsentieren.
KuretschkaUniStuttgart: Sehr geehrter Herr Reepmeyer, mich interessiert die Frage, inwieweit denn gerade bei Online-Klausuren, die nicht in den Räumlichkeiten der Hochschule abgehalten werden (ohne Aufsicht), sichergestellt werden kann, dass es keine verbotenen Hilfsmittel gibt oder andere Personen sich der Prüfung unterziehen
Jan-Armin Reepmeyer: Das können Sie aus meiner Sicht überhaupt nicht überprüfen. Aus meiner Sicht muss bei jeder Prüfung – außer bei einem Self-Assessment – im Sinne der Prüfungsordnung eine Kontrolle durch Aufsichten vorhanden sein. Ansonsten können Sie zum Beispiel nicht sicherstellen, dass wirklich der Prüfling selber vor dem Computer sitzt und nicht ein von ihm bestellter Helfer.
researcherin: Sind Ihnen Beispiele für komplett orts- und zeitunabhängige, rein webbasierte Prüfungen bekannt?
Jan-Armin Reepmeyer: Aus der Frage von eben ergibt sich, dass komplette Ortsunabhängigkeit nicht realisierbar ist, weil eben eine Aufsicht dabei sein muss. Wenn Sie allerdings auf Self-Assessment anspielen, also die Möglichkeit seinen Wissensstand selber zu überprüfen, dann könnte man auf diese Aufsichten verzichten und die Prüfungen über das Web anbieten – also an allen Orten – und jederzeit. Es gibt allerdings auch im Bereich der Prüfungen, bei denen eine Aufsicht erforderlich ist, schon sogenannte Online-Prüfung-on-demand, bei der zumindest der Zeitpunkt der Prüfung vom Studenten selber bestimmt werden kann.
Stine: Welche Möglichkeiten der Identifikation von Studierenden bei Online-Prüfungen gibt es?
Jan-Armin Reepmeyer: Die Aufsicht muss die Identität des Studierenden feststellen, zum Beispiel anhand des Studentenausweises. Nur dann kann sichergestellt sein, dass auch wirklich die Prüfung von der Person abgelegt wird, die sie vorgibt zu sein. Noch einmal: Bei Self-Assessments sieht das alles ganz anders aus.
peter: Gibt es Fächer/Fachbereiche in denen Online Prüfungen sinnvoller sind als in anderen?
Jan-Armin Reepmeyer: Das hängt davon ab, wie Sie den Stoff aufbereiten können. Wenn Sie typischerweise viel Wissen abfragen und in vorformatierten Fragetypen arbeiten können, geht das einfacher als wenn Sie lange Texte selber verfassen müssen. Daraus leitet sich dann auch ab, dass zum Beispiel juristische Prüfungen eher unwahrscheinlich sind – anders als Prüfungen zum Beispiel in den Wirtschaftswissenschaften. Es gibt allerdings ein Argument, dass inzwischen auch von den Juristen eingesehen wird: Man kann Texte, die in einem Editor eingetippt werden, deutlich besser lesen als Texte, die handschriftlich zu Papier gebracht werden.
Mauch: Könnte eine Ortsunabhängigkeit bei Prüfungen gewährleistet werden, wenn eine Webcam während einer "mündlichen" Online-Prüfung verwandt wird und sich somit die Person identifiziert?
Jan-Armin Reepmeyer: Das ist eine Frage, wie sehr die Prüfungsverwaltung auf diese Überwachung vertraut. Ich selber kenne keinen Fall, wo das so organisiert wird. Es gibt zwar Ortsunabhängigkeit in dem Sinne, dass die Prüfung gleichzeitig an vielen Orten abgehalten wird, aber an jedem Ort bleibt trotzdem eine Aufsicht notwendig.
mopet: Können durch Online-Prüfungen Gelder im universitären Betrieb eingespart werden?
Jan-Armin Reepmeyer: Also aus meiner Sicht sehr sehr deutlich. Sie müssen einfach einmal überlegen, wie viel Geld sie ausgeben für die Korrektur zum Beispiel von 500 Klausuren, die mit der Hand geschrieben worden sind. Und wie viel Sie brauchen, um 500 Klausuren von einem Computersystem korrigieren und bewerten zu lassen. Ich selber habe eine Berechnung vorgenommen, die für unsere Fakultät ein Einsparpotenzial von deutlich über 100.000 Euro pro Jahr ausweist.
helga: Wie hoch ist der technische Aufwand für Online Prüfungen? Kann eine Uni das alleine bewältigen?
Jan-Armin Reepmeyer: Das Hauptproblem ist: Sie müssen eine hinreichend große Anzahl von Computerarbeitsplätzen bereitstellen können und zwar möglichst an einer Stelle und nicht an vielen Stellen verteilt, denn sonst haben Sie wieder das Aufsichtsproblem. Wenn Sie diese Computerarbeitsplätze haben, können Sie diese mit den technischen Mitteln relativ einfach betreiben. Ein Browser genügt in der Regel für den Prüfungsplatz. Dazu kommen natürlich die Server, die Sie entweder selber betreiben oder gegen Gebühr von einem Provider anmieten.
Martin M.: Ist bei E-Prüfungen das Datenschutzrecht der Teilnehmer/innen in Gefahr?
Jan-Armin Reepmeyer: Das sehe ich nicht so. Erstens müssen solche Systeme sowieso wie alle anderen universitären Systeme datenschutzrechtlich einwandfrei betrieben werden. Zum zweiten werden ja auch in herkömmlichen Klausuren entsprechende Informationen und ähnliche Dinge vom Studenten abgefragt und archiviert. Man sollte an dieser Stelle auch deutlich unterscheiden zwischen dem System, das die Prüfungen abnimmt und dem System, das die Prüfungen und die Ergebnisse der Prüfungen verwaltet. Solche Prüfungsamtsysteme sind heute schon lange in Betrieb, ohne dass dort noch über datenschutzrechtliche Probleme diskutiert wird.
Moderator: Hier eine Frage, die sich direkt daran anschließt:
Lehrbuch: Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass Online-Prüfungsfragen von den Prüflingen weiterverbreitet werden können?
Jan-Armin Reepmeyer: Das ist genau das gleiche Problem wie das Weitergeben von Klausuraufgaben. Sie dürfen die gleichen Fragen eben nicht immer und immer wieder verwenden, sondern müssen sich neue ausdenken. Dabei hilft allerdings ein umfangreicher Fragenkatalog, in dem Sie auch immer wieder Varianten von bekannten Fragen erzeugen können, so dass ein reines Auswendiglernen für die Prüflinge keinen Sinn mehr macht – weil es einfach zu viele Fragen gibt.
flegel: Was passiert, wenn ein Prüfling technische Probleme hat, die ihn an der Teilnahme an einer Prüfung hindern?
Jan-Armin Reepmeyer: Für solche Fälle muss die Prüfungsorganisation vorsehen, dass es Ersatzarbeitsplätze gibt, so dass die Prüfung ohne Zeitverzug trotzdem fortgesetzt werden kann. Wenn es sich um ganz schwer wiegende technische Probleme handelt, muss die Prüfung eben erneut angesetzt werden, aber das haben Sie auch bei klassischen Klausuren. Wenn zum Beispiel das Licht im Hörsaal ausfällt oder die Heizung im Winter nicht in Betrieb ist.
sr: Wie stellen Sie sicher, dass die Studierenden die Bedienung des Programms beherrschen?
Jan-Armin Reepmeyer: Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der auch bei der Rechtssicherheit berücksichtigt werden sollte. Die Studierenden müssen unbedingt die Möglichkeit haben, mit der im Prüfungsverfahren eingesetzten Software vorher arbeiten zu können und somit entsprechende Kenntnisse in der Bedienung nachweisen können und auch zum Beispiel überprüfen können, ob sie scharf genug sehen können, um bestimmte Fragetypen einwandfrei beantworten zu können. Sie müssen also dafür sorgen, dass es hinreichend Übungsmöglichkeiten gibt. Am besten natürlich auf dem heimischen PC der Studenten.
Hedwig: Wie barrierefrei sind Online-Prüfungen? Eher ein Hindernis oder eine Erleichterung?
Jan-Armin Reepmeyer: Das müssen Sie ähnlich sehen wie auch bei klassischen Prüfungen. Es muss einfach eine Möglichkeit geschaffen werden, dass auch Studierende mit Behinderungen einwandfrei solche Prüfungen ablegen können. Das heißt, die Software muss zum Beispiel so geschrieben sein, dass sie entsprechend bearbeitet werden kann, die Computerarbeitsplätze müssen das ermöglichen und die Prüfungsräume müssen entsprechend zugänglich sein. Mir sind auch Fälle bekannt, wo Dritte unter Aufsicht die Antworten der Prüflinge in ein System eingegeben haben.
Moderator: Hier kommt noch eine aktuelle Nachfrage:
Anne Thillosen: Gab es schon mal Klagen, weil es vorher keine Probemöglichkeiten gab?
Jan-Armin Reepmeyer: Das ist mir nicht bekannt. Die neueren Systeme, die ich kenne, bieten alle ausdrücklich diese Möglichkeit an. Klagen sind mir an der Stelle nicht gegenwärtig.
Wolfgang Plank: Ist die Tippgeschwindigkeit ein rechtliches Problem?
Jan-Armin Reepmeyer: Dazu möchte ich mal aus einer Folie einer Rechtsanwältin zitieren: "Unterschiedliche PC-Kenntnisse sind als unvermeidbar hinzunehmen und bedeuten keine Beeinträchtigung des Grundsatzes der Chancengleichheit." Das ist ein juristisches Zitat und ich sehe das ähnlich wie mit der unterschiedlichen Schreibgeschwindigkeit bei handschriftlichen Prüfungen. Die Studierenden sollten wissen, dass es heute so etwas gibt und sich zum Beispiel durch Schreibmaschinenkurse auf solche Systeme vorbereiten.
fivo: Sehen Sie eine rechtliche Verpflichtung, in Prüfungsordnungen zwischen elektronischen Prüfungen am PC als gesonderter Prüfungsform und mündlicher, schriftlicher und praktischer Prüfung abzugrenzen – oder spielt die Darbietungsform keine Rolle?
Jan-Armin Reepmeyer: Das sollte ausdrücklich gemacht werden. In Prüfungsordnungen sollte expressis verbis stehen, dass auch Prüfungen unter Zuhilfenahme von Computern abgenommen werden können. Und wenn sie noch genauer sind, dann erlauben sie auch ausdrücklich Multiple-Choice-Prüfungen oder andere – nur am Computer sinnvoll einsetzbare – Frageformen. Die meisten Anfechtungen von Online-Prüfungen stammen aus diesem Bereich.
AMGallus: Gibt es generelle juristische Regelungen, die herangezogen werden können, solange die Institution, an der E-Klausuren durchgeführt werden, noch keine rechtsgültigen Richtlinien zu E-Klausuren hat?
Jan-Armin Reepmeyer: Ja, Sie müssen die gültige Prüfungsordnung heranziehen ohne die Sie ja sowieso keine Prüfung abnehmen können. Und dann gibt es zum Beispiel den juristischen Grundsatz, dass nach Paragraph 126 BGB die Schriftform auch durch eine elektronische Form ersetzt werden kann. Außerdem kann nach meiner Kenntnis ein kurzfristig herbeizuführender Beschluss des Prüfungsausschusses hier auch ohne lange Verfahren zur Änderung der Prüfungsordnung Abhilfe schaffen.
hajo78: Gibt es Erfahrungswerte bei Online-Prüfungen aus anderen Ländern? Wie sieht es z.B. in Großbritannien aus?
Jan-Armin Reepmeyer: Die Briten sehen viel weniger Probleme als wir Deutschen beim Einsatz von elektronischen Prüfungen. Deswegen ist es auch dort sehr viel weiter verbreitet. Inzwischen werden dort sogar Zeichnungen am Computer angefertigt und bewertet. Man könnte also boshaft sagen, dass die ganzen Probleme mit Online-Prüfungen mehr in den Köpfen der deutschen Juristen stattfinden als im tatsächlichen Betrieb.
KuretschkaUniStuttgart: Gibt es schon Erkenntnisse, wie sich die hochschulrechtliche Rechtsprechung zum Thema Online-Prüfungen und deren Durchführung bzw. Ausgestaltung in Prüfungsordnungen verhält?
Jan-Armin Reepmeyer: Es gibt einzelne Urteile, die man aber nicht als einheitliche Rechtsprechung zu diesem Thema interpretieren kann. Der einzige Bereich, der etwas ausführlicher und schon länger behandelt wird, sind die Prüfungen bei den Medizinern, die ja schon lange Multiple-Choice einsetzen und damit auch natürlich die computergestützte Form präferieren. Deswegen gibt es auch hier immer wieder spezielle Vorschriften, wenn Sie Prüfungen nur und ausschließlich mit Multiple-Choice-Fragen abnehmen. Das geht von der Bewertung bis hin zu der Forderung, dass alle Prüfungen wirklich exakt gleich sein müssen. Nach meiner Auffassung gilt das aber alles nicht mehr, sobald sie andere Fragetypen als Multiple-Choice in den Prüfungen verwenden.
CarmenQuintela: Sie erwähnten eingangs, dass Rechtssicherheit in der Prüfungsordnung bestehen müsse. Können Sie Eckpunkte nennen, die in jedem Fall in der Prüfungsordnung gegeben sein müssen?
Jan-Armin Reepmeyer: Ja, haben wir vorhin schon gesagt: Es muss ausdrücklich drinstehen, dass man Prüfungen in Form von Online-Prüfungen abnehmen darf und eventuell müssen auch einzelne Frageformen in diesen Vorschriften erwähnt werden. Sobald dass der Fall ist, kann niemand mehr daran zweifeln, dass Online-Prüfungen in diesem Bereich als rechtssicher gelten können.
bach: Wie bzw. wo kann man sich über Gründe für die bisherigen Anfechtungen informieren?
Jan-Armin Reepmeyer: Eventuell bei den Herstellern der entsprechenden Systeme, dann bei Prüfungsämtern von Universitäten oder ähnlichen Einrichtungen, die schon viele Online-Prüfungen hinter sich haben. Ein Portal oder so etwas Ähnliches ist mir nicht bekannt.
Tuttle: Wie sicher sind Campus-Management-Systeme? Und wer kann intern auf meine Daten zugreifen?
Jan-Armin Reepmeyer: Zunächst einmal: Die Unterscheidung zwischen Campus-Management-Systemen – also zum Beispiel einem Prüfungsamtssystem – und einem Prüfungsabnahmesystem ist immer wieder wichtig. Zur Rechtssicherheit von Online-Prüfungen gehört es aber auch, dass man die Sicherheit der Anmeldungen zu solchen Prüfungen sicherstellt. Also zum einen nur die Leute an der Prüfung teilnehmen lässt, die sich auch angemeldet haben und zum anderen auch nur die Leute wegen Nicht-Erscheinens bestraft, die sich tatsächlich angemeldet haben. Wenn hier Verfahren wie das Pin-TAN-Verfahren eingesetzt werden, sollte analog zum Online-Banking alles rechtssicher ablaufen. Ansonsten ist das eine Thematik, die man vielleicht mal an einem anderen Termin generell diskutieren könnte. Zum Datenzugriff bleibt zu sagen, dass das ein Thema der eingesetzten Systeme und des Betriebes dieser Systeme im jeweiligen universitären Bereich ist. Auch hier sollte man sich an die Datenschutzbeauftragten halten.
Hans: Wie können digitale Prüfungsdokumente am besten archiviert werden? Was muss hierbei beachtet werden?
Jan-Armin Reepmeyer: Zum Einen müssen Sie natürlich sicherstellen, dass die Prüfung, die Sie jetzt archivieren, auch im Nachhinein immer noch der Person zuzuordnen ist, die sie geschrieben hat. Zum anderen brauchen Sie ein technisches Verfahren, um die Prüfung mit den Antworten des Prüflings aus der Datenbank herauszuholen und unveränderbar langfristig zu speichern. Es bietet sich hier an, die Prüfung mit Antworten und eventuellen Korrekturbemerkungen als PDF zu speichern und mit der Matrikelnummer und zum Beispiel der bei der Prüfung vergebenen TAN zu sichern. Und dann auf einem dauerhaft verfügbaren Medium, zum Beispiel einer CD, zu archivieren. Ob das länger als zehn Jahre hält, ist allerdings im Moment technisch umstritten.
CarmenQuintela: Zur Nachhaltung der Prüfungsergebnisse: Gibt es einheitliche Regelungen, in welcher Form und wie lange Prüfungsergebnisse aus Online-Prüfungen nachgehalten werden müssen bzw. gibt es überhaupt diesbezüglich Unterschiede zu Offline-Prüfungen?
Jan-Armin Reepmeyer: Mir sind keine Unterschiede bekannt. Generell sollte es doch so sein, dass, wenn es keine ausdrücklichen Regelungen für Online-Prüfungen gibt, die Regelungen für gewöhnliche Prüfungen gelten. Und hier sind die Archivierungsvorschriften zu nennen, die für klassische papiergestützte Klausuren gelten: Meines Wissens müssen solche Prüfungen zehn Jahre aufgehoben werden und die Daten, die man zum Erstellen eines Zeugnisses oder Diploms benötigt, müssen sechzig Jahre archiviert werden. Diese Regelungen sollten dann auch für Online-Prüfungen und deren Ergebnisse angewendet werden.
AMGallus: Welcher Zeitraum muss den Studierenden nach Bekanntgabe der Klausurergebnisse für Rückfragen zu ihren Klausuren gegeben werden bevor die Noten ins Prüfunssystem eingegeben werden?
Jan-Armin Reepmeyer: Auch hier gelten natürlich zunächst einmal die Grundsätze für herkömmliche Klausuren. Sie müssen einen Zeitraum für die Einsichtnahme in die geschriebenen Klausuren durch das Prüfungsamt benennen und allen Betroffenen die Möglichkeit zur Einsichtnahme geben. Wenn dieser Zeitraum abgelaufen ist, ist auch die Möglichkeit zur nachträglichen Anfechtung des Ergebnisses nicht mehr vorhanden. Wenn Sie in Online-Prüfungen Einsicht nehmen lassen, müssen Sie natürlich die entsprechenden technischen Voraussetzungen dafür schaffen. Sie müssen also zum Beispiel dafür sorgen, dass der Prüfling bei der Einsichtnahme nicht nachträglich in der Prüfung etwas verändert. Ich kenne Verfahren, in denen die PDF-Datei – die auch für die Archivierung verwendet wird – als Basis für eine Klausureinsicht herangezogen wird. Ein Vorteil einer solchen Regelung wäre, dass sie vielen Kandidaten gleichzeitig die Möglichkeit zur Einsichtnahme gibt und damit wiederum eine Entlastung des Korrekturpersonals verbunden ist, das sonst jede einzelne Klausur heraussuchen und mit dem Kandidaten besprechen müsste.
Moderator: Hier kommt eine aktuelle Nachfrage:
Horst Schneider: Was sind die "Daten die man zum Erstellen eines Zeugnisses oder Diploms benötigt"?
Jan-Armin Reepmeyer: Wenn Sie eine Klausur in einem examensrelevanten Fach geschrieben haben, dann ist die Note, die Sie dort erzielt haben, für das Diplom und das Zeugnis relevant, die Klausur selber aber nicht.
Phillip S.: Wie kann der Prüfling sicherstellen, dass seine Antworten richtig gespeichert wurden? Bei einer handschriftlich durchgeführten Prüfung sollte das ja im Nachhinein kein Problems sein, in einem elektronischen System kann hingegen, z.B. durch Softwarefehler, hinterher alles mögliche stehen.
Jan-Armin Reepmeyer: Das ist die typische Angst, dass ein Computer die eigenen Angaben durcheinander bringt. Hier kann man auch wieder auf die Einsichtnahme verweisen, die ja eine Gesamtschau der Fragen und Antworten inklusive Korrekturhinweisen bietet. Ansonsten wäre es noch möglich, dass der Hersteller von solchen Programmen seine Software zertifizieren lässt, so wie es seit langem zum Beispiel mit Buchführungsprogrammen geschieht bei denen selbst das Finanzamt solchen Zertifizierungen vertraut.
trumancapote: Gibt es für Sie ein Best-Practice für E-Asessments?
Jan-Armin Reepmeyer: Ich persönlich setze zum Beispiel das System "LPLUS" ein, das auch in der Universität Bremen und in Duisburg/Essen verwendet wird. Hier könnte man natürlich fragen und sich Anregungen dazu holen. Dieses System "LPLUS" wird seit langem auch in der Luftfahrt eingesetzt – zum Beispiel zur Erlangung der Privatpilotenlizenz – oder zur Prüfung von und Zertifizierung der Weiterbildung von Mitarbeitern der Lufthansa. Ich glaube, alle diese Angesprochenen sind bereit, über ihre positiven Erfahrungen mit diesem Werkzeug zu sprechen.
Lehrbuch: Wissen Sie von Manipulationen an E-Prüfungs-Systemen?
Jan-Armin Reepmeyer: Mir ist ein Fall persönlich untergekommen, in dem ein Student bewusst den Rechner ausgeschaltet hat, in der Hoffnung, die Prüfung (die bis dahin extrem schlecht ausgefallen war) noch einmal ablegen zu dürfen. Diese Manipulation hat aber nicht geholfen, weil wir auf solche Fälle vorbereitet sind und den Studenten unmittelbar an einen Ersatzrechner setzen konnten. Das Hacken der Serverkomponenten muss man halt mit den üblichen Mitteln sehr sorgfältig zu verhindern versuchen. Ansonsten sehe ich bei den mir bekannten Systemen keine Möglichkeit die Beantwortung der Fragen zu manipulieren. Dass man unerlaubte Hilfsmittel heranzieht, ist durchaus möglich und muss halt durch eine Aufsicht wie bereits oben diskutiert verhindert werden.
Moderator: Hier eine Frage zu einem Themenkomplex, den wir bisher noch angesprochen haben:
Klinger: Können E-Assements in Bezug auf die CO2-Bilanz umweltverträglich gestaltet werden? Gleicht das eingesparte Papier (mehr Bäume in Brasilien) die Emissionen durch zusätzlich verbrauchten Strom wieder aus?
Jan-Armin Reepmeyer: Was Sie einsparen, ist sicherlich Papier. Unser Prüfungsamt gibt ca. 10.000 Euro im Jahr für Klausurhefte aus. Ob jetzt die Server mehr Strom verbrauchen, vermag ich nicht zu sagen. Einsparpotenziale gibt es meines Erachtens vor allen Dingen bei Personen – aber die sind ja nicht CO2-relevant.
Moderator: Hier noch eine aktuelle Nachfrage zu den E-Assessment Systemen:
Daniel Möbs: Gibt es denn auch noch weitere Systeme, die seit langem e-Prüfungen durchführen?
Jan-Armin Reepmeyer: Erwähnen möchte ich hier das System ILIAS, ein Open-Source-System, bei dem allerdings die Fragen der Rechtssicherheit nicht so deutlich geklärt sind wie bei professionellen kommerziellen Systemen. Außerdem wird in der medizinischen Hochschule in Hannover ein System "Q" eingesetzt. Ich möchte noch einmal deutlich sagen, dass es im Bereich des Self-Assessment und des Assessment-Centers zum Beispiel für Einstellungen von Mitarbeitern eine Reihe weiterer Systeme gibt, die aber eben gerade nicht ihren Schwerpunkt auf der Rechtssicherheit von Systemen haben, die sich mit Prüfungen beschäftigen.
chatter: Was bedeuten häufigere Online-Prüfungen für den Prozess des Lernens und der Prüfungsvorbereitung der Studenten? Reicht es noch aus, aus einem Lehrbuch zu lernen?
Jan-Armin Reepmeyer: Das können Sie jetzt unter verschiedenen Gesichtspunkten sehen. Wenn Sie, wie es ja im Moment am meisten passiert, die klassische Klausur am Semesterende durch eine Online-Prüfung ersetzen, haben Sie keine deutlichen Unterschiede in den typischen Lernverhalten zu erwarten. Sie können aber natürlich mit einem guten Online-Prüfungssystem auch regelmäßige Prüfungen im Semester abhalten, in denen der Lernfortschritt überprüft wird und sich zum Beispiel das Gesamtergebnis aus diesen einzelnen Prüfungsteilen zusammensetzt. Ich persönlich nutze zum Beispiel das Online-Prüfungssystem, um mehrere Prüfungstermine im Semester anzubieten. Bei jedem Termin wird die gleiche Prüfung abgenommen – natürlich mit verschiedenen Fragen – aber die Studierenden haben die Möglichkeit, selber zu entscheiden, ob sie zum Beispiel schon zur Mitte des Semesters eine Prüfung hinter sich bringen wollen, die dann am Semesterende nicht mehr anliegt. Außerdem biete ich Wiederholer-Prüfungen an zu Beginn des folgenden Semesters für diejenigen, die am Ende des vorigen Semesters durchgefallen sind. Und das geht eben besonders gut, wenn Sie ein Online-Prüfungssystem mit einem umfangreichen Fragenkatalog haben.
Moderator: So, die Chat-Zeit ist auch schon fast um: Wollen sie noch ein kurzes Schlusswort an die User richten?
Jan-Armin Reepmeyer: Ja, ich bedanke mich bei allen Chat-Teilnehmern für die interessanten Fragen. Ich möchte Sie ermutigen, sich mit dem Thema "Online-Prüfungen" ausführlich auseinanderzusetzen und vor allen Dingen unvoreingenommen an die Sache heranzugehen. Es gibt eine ganze Zahl von Vorurteilen, von denen man sich hier auf keinen Fall leiten lassen sollte. Bei dieser Beschäftigung wünsche ich allen viel Erfolg.
Moderator: Das waren 60 Minuten e-teaching.org-Expertenchat. Vielen Dank an die User für die vielen Fragen – die wir aus Zeitgründen leider nicht alle beantworten konnten. Vielen Dank auch an Dr. Jan-Armin Reepmeyer für die kompetenten Antworten.
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