Am Montag, 21.4.08, war Jens Spahn, Abgeordneter der CDU im Bundestag, von 16.30 bis 17.30 Uhr zu Gast im tagesschau-Chat in Kooperation mit politik-digital.de. Er kritisierte die kurzfristige Rentenerhöhung
und nahm Stellung zur künftigen Finanzierung der Altersvorsorge und den Problemen des demografischen Wandels.
Moderatorin: Herzlich willkommen beim
tagesschau-Chat im ARD-Hauptstadtstudio. Herr Spahn, vielen Dank, dass Sie Zeit
für uns haben – können wir loslegen?
Jens Spahn: Gerne.
Jens Spahn (CDU)
Moderatorin: Eine vorab häufig gestellte
Frage vielleicht zur Klärung gleich zu Beginn:
Holger: Warum kritisieren Sie die Rentenerhöhung?
Jens Spahn: Aus zweierlei Gründen: Zum
Ersten muss es erlaubt sein, die Frage zu stellen, wie und von wem
die zwölf Milliarden Euro, die allein bis 2012 zusätzlich
aufzubringen sind, bezahlt werden. Und zum Zweiten treibt es mich um,
dass der mühsam gefundene Rentenkompromiss, nach dem die
Jüngeren länger arbeiten, nämlich bis zum 67.
Lebensjahr, höhere Beiträge zahlen – zurzeit knapp 20
Prozent – und später ein geringeres Rentenniveau als heute haben
werden und nach dem die Älteren ihren Beitrag leisten, indem
Rentenerhöhungen gedämpft werden (Riesterfaktor),
aufgeschnürt wird. Denn alle Sachverständigen hatten uns
bescheinigt, dass die gesetzliche Rente damit zukunftsfest gemacht
war. Das wird nun in Frage gestellt.
guenzum: Wäre es nicht an der Zeit, davon
los zukommen, die eine Personengruppe gegen die andere auszuspielen,
also Alt gegen Jung, Christ gegen Moslem, Unternehmer gegen Arbeiter
und Angestellte? Alt werden wir schließlich alle, ohne Ansehen
der Person. Meinen Sie, die Lösung liegt darin, dass jede
gesellschaftliche Gruppe nur gute Lobby-Vertreter braucht, damit für
sie gesorgt ist? Frei nach dem Motto: Wenn jeder für sich selbst
sorgt, dann ist ja für alle gesorgt?
Jens Spahn: Ich habe bei meinen Äußerungen
mitnichten nur ein spezielle Gruppe im Auge. Im Gegenteil bin ich mir
sehr bewusst, dass auch meine Generation 2040 zu den "Alten"
gehören wird. Umso wichtiger ist es, die Systeme heute darauf
vorzubereiten, dass dann ein Drittel der Bevölkerung mit uns alt
sein wird. Insofern geht es ums Allgemeinwohl, nicht um
Einzelinteressen.
ts: Das Thema Rentenerhöhung ist aktuell.
Die Pensionen unterliegen ebenfalls dem Generationenvertrag. Wie
sieht dort die Lastverteilung aus?
Jens Spahn: Das Problem ist, dass weder Kommunen,
Länder noch der Bund für ihre Beamten
Pensionsrückstellungen gebildet haben. So lebt auch das
Pensionssystem im Grunde von der Hand in den Mund, denn die jeweils
aktiven Steuerzahler zahlen die Pension. Zumindest beim Bund ist es
uns gelungen, dass ab dem 1.1.2008 kostendeckend
Pensionsrückstellungen für neue Beamte gebildet werden.
Dies ist bisher kaum öffentlich registriert worden.
Moderatorin: Herr Spahn, die Rentendebatte wird
schon so lange und leidenschaftlich geführt. Wie erklären
Sie sich, dass es die Politik immer nur zu kleineren Korrekturen
schafft – und keinem Systemwechsel, der das Problem an der Wurzel
packen würde?
Jens Spahn: Die Herausforderung besteht darin,
dass wir uns ja nicht am grünen Tisch befinden und ein neues
System für die Zukunft erdenken, sondern auf eine über
100-jährige Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung (seit
Bismarck) aufbauen. Nichtsdestotrotz ist mit der Einführung der
Riesterrente ein kleiner Systemwechsel gelungen, denn erstmals wurde
die Notwendigkeit zusätzlicher privater Vorsorge anerkannt. Ich
glaube allerdings, dass wir mittel- und langfristig das System werden
umstellen müssen auf eine steuerfinanzierte Grundsicherung für
alle. Wer mehr haben will, muss dann betrieblich und/oder privat
vorsorgen.
Jung73a: Herr Spahn, ich finde Ihre Position
unterstützenswert. Ich meine aber, man muss einen größeren
Zusammenhang sehen: Der Wohlstand (Kaufkraft) der "Normalverdiener"
sinkt schon seit Jahren und wird es weiterhin tun. Wir sollten uns
politisch darüber unterhalten, wie wir mit dieser Situation
umgehen: Weniger Wohlstand für den "Durchschnittsbürger".
Eine breitere Gerechtigkeitsdebatte ist gefragt, schon alleine, damit
die Linkspartei nicht weiter wächst.
Moderatorin: Wollen Sie das kommentieren?
Jens Spahn: Dies passt insofern gut zur aktuellen
Rentendebatte, weil es einen Blick in die Zukunft beinhaltet. Wer
heute ein geringes Einkommen, befristete Arbeitsverträge oder
auch nur reihenweise Praktika hat, wird später eine sehr geringe
Rente bekommen und damit wird das Problem Altersarmut wesentlich
virulenter werden als heute. Insofern sollten wir tatsächlich
die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere bei den
Sozialabgaben, entlasten. Immerhin ist es der großen Koalition
gelungen, diese erstmals seit vielen Jahren unter 40 Prozent zu
senken.
Moderatorin: Ein paar eben eingetroffene Beiträge
und Nachfragen zum System, die ich gebündelt weitergebe:
Motte: Das Rentensystem muss generell umgestellt
werden (Beamte, Selbstständige, Abgeordnete müssen
eingebunden werden).
xpro48565: Wie stehen Sie zu den Vorschlägen
von Herrn Rüttgers?
Jens Spahn: Grundsätzlich gilt erst einmal,
wenn neue Beitragszahler ins System kämen, entstünden auch
neue Rentenansprüche. Dieser Teil wird gerne von allen
Protagonisten sogenannter Bürgerversicherungsmodelle vergessen.
Im Übrigen wären bei einer steuerfinanzierten
Grundsicherung alle nach ihrer Leistungsfähigkeit an der
Finanzierung beteiligt. Die gesetzliche Rente ist keine
Sozialleistung, sondern ein durch Beiträge erworbener
Leistungsanspruch. Insofern kann man nicht den einen Euro eines Gutverdienenden
anders bei der Leistungsberechnung berücksichtigen, als den
eines Geringverdieners, so dass eine Umverteilung im System kaum
möglich sein dürfte. Außerdem gibt es für
Menschen mit Renten unter dem Existenzminimum schon heute die
Möglichkeit, zusätzliche so genannte Grundsicherung im
Alter zu beantragen. Diese ist richtigerweise steuerfinanziert.
Moderatorin: Das war die Antwort auf Herrn
Rüttgers? Vielleicht nochmal konkreter gefragt: Zwei
CDU-Ministerpräsidenten, zwei Meinungen: Während Jürgen
Rüttgers eine höhere Grundrente fordert, ist Günther
Oettinger dagegen – wo stehen Sie?
Jens Spahn: Ich finde die Kanzlerin wie auch der
CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende haben Richtiges dazu gesagt. Insofern
verweise ich auf meine bereits gegebene Antwort.
Moderatorin: Aha, sie wollen also nicht konkreter
– nun gut…
wehmann: Das war wirklich keine Antwort, Herr
Spahn!
Jens Spahn: (lacht) Ich weiß, sehen Sie mir
das heute nach.
citoyen: Was halten Sie von Norbert Blüm,
der verkündet, dass das staatliche System erfolgreich wäre,
würde es das Geld zur Verfügung haben, das jetzt in die
private Vorsorge geht?
Jens Spahn: Wenn er das Geld meint, das aus dem
Steuertopf in die private Vorsorge geht, ist dem deutlich zu
widersprechen, denn das Fördervolumen würde bei weitem
nicht reichen, um die Rentenversicherung problemfrei zu halten. Wenn
er das von den Menschen selbst gezahlte Geld meint, kann man nur
sagen, dass die Menschen mit 19,9 Prozent schon hinreichend viel Geld
von ihrem Einkommen für die gesetzliche Rente ausgeben müssen. Zudem nervt es etwas, wenn – wie gestern abend bei Anne Will
etwa auch Ottmar Schreiner -, immer diejenigen in den Talkshows
sitzen und uns erzählen, was wir alles falsch machten, die
Anfang der 80er Jahre sozialpolitische Verantwortung getragen haben
und wider besseren Wissens "die Rente ist sicher"
plakatiert haben. Denn damals wurde die Suppe eingebrockt, die wir
heute auslöffeln.
Commander: Warum wurde das Problem des deutschen
Rentensystems erst so spät thematisiert, als es eigentlich schon
fast zu spät war? Es ist doch schon lange bekannt, dass das
Rentensystem in seiner heutigen Auslegung in Zukunft nicht aufrecht
erhalten werden kann. Ich bin im Moment noch Schüler und schaue,
was die Rentensicherheit in Deutschland angeht, eher skeptisch in die
Zukunft. Ohne private Vorsorge wird es für mich kaum noch etwas
im Alter geben, worauf ich angesichts immer größer
werdender Belastungen der "Jungen" sehr sorgenerfüllt
schaue. Wäre es daher nicht sinnvoller, das Rentensystem auf die
alleinige private Vorsorge umzustellen und nicht zu versuchen, den
jungen Leuten durch das Placebo der gesetzlichen Rentenversicherung
die Angst vor der Zukunft zu nehmen, sondern ihnen die Augen zu
öffnen und sie gezielt anzuleiten?
Jens Spahn: In meinem Geburtsjahr 1980 haben
bereits Kurt Biedenkopf und andere auf die demografische Entwicklung
(wir werden alle älter und weniger) und die damit verbundenen
Konsequenzen für die Rente hingewiesen. Leider wurden damals die
Augen, wie bereits erwähnt, verschlossen. Heute, 30 Jahr später,
ist es umso schwerer, die nötigen Veränderungen zu
vollziehen. Richtig ist sicher, dass die gesetzliche Rente in Zukunft
nicht mehr wie bisher den Lebensstandard, sondern für viele nur
noch das Existenzminimum absichern wird. Umso konsequenter ist im Übrigen, dies sei nochmal erwähnt,
der schrittweise Einstieg in eine steuerfinanzierte Grundsicherung.
Als Westfale weiß ich aber, dass man auf einem Bein schlecht
steht. Deswegen muss es heißen, gesetzliche Rente UND private
Vorsorge. Also nicht das eine statt des anderen, sondern beides sich
ergänzend.
Moderatorin: Inzwischen sind ein paar persönliche
"Angriffe" eingetroffen. Die zwischendurch, dann kommen wir
das von vielen Usern erwähnte Thema Schweiz.
orenilom: Herr Sahn, ich hätte gerne
gewusst, welchen Beruf Sie ausgeübt haben und wieviel
Rentenbeitäge Sie in welche Rentenkasse eingezahlt haben?
Motte: Wie kann es sein, dass die Diäten der
MdBs (Mitglieder des Deutschen Bundestages, Anm. der Redaktion) um
mehr als fünf Prozent erhöht werden, die Renten aber nur um
1,1, Prozent?
Chrisi: Sie werden 2040 zu den am
bestversorgtesten Alten gehören, die nie einen Euro eingezahlt
haben. Finden Sie das in Ordnung?
Jens Spahn: Ich habe nach meinem Abitur eine
Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht und anschließend noch bei
der Bank gearbeitet, sodass ich drei Jahre in die Rentenversicherung
eingezahlt habe. Seit meiner Wahl in den deutschen Bundestag habe ich
keine Beiträge mehr in die Rentenversicherung gezahlt. Dabei ist
mir aber schon der vielleicht nicht populäre, aber wichtige
Hinweis wichtig, dass Abgeordnete keine abhängig Beschäftigten
sind und das sollten sie nach meinem Dafürhalten als Vertreter
des höchsten Verfassungsorgans in einer Demokratie auch nicht
sein. Die 9,4-prozentige Diätenerhöhung ist im Grunde als
auf sechs Jahre bezogen anzusehen, was eine Erhöhung von gut 1,5
Prozent pro Jahr entspricht. Diese Zahl mag ihnen immernoch zu hoch
erscheinen, ist aber bei nüchterner Betrachtung schon wesentlich
moderater als das zumeist öffentlich verkürzt diskutierte.
kurbelmann: Drei Jahre – lächerlich. Andere
haben Jahrzehnte eingezahlt und leben auf niedrigstem Niveau!
Micha: Wären Sie und Ihre Kollegen bereit,
auf einen Teil Ihrer Diäten zu verzichten? Zu Gunsten der Wähler
und Wählerinnen? Welchen Verzicht schlagen Sie Ihren Kollegen
und sich vor?
Jens Spahn: Wer einen Deutschen Bundestag will,
der die gesamte deutsche Bevölkerung repräsentiert, neben
den Älteren eben auch die Jüngeren, muss am Ende auch
akzeptieren, dass die Jüngeren natürlich noch nicht eine so
lange Erwerbsbiographie aufweisen wie die Älteren. Die Diäten
sind richtigerweise über sechs Jahre nicht erhöht worden,
in denen wir wirtschaftlich schwierige Zeiten in Deutschland hatten.
Nun, in Zeiten des Aufschwungs sind wie in anderen Bereichen auch,
auch die Diäten angehoben worden.
wehmann: Bitte eine Antwort auf meine bereits
vorher gestellte Frage: Was halten Sie von der mit dem öffentlichen
Dienst zu erwartenden Pensionserhöhung von circa fünf
Prozent?
Jens Spahn: Die Herausforderung bei den Pensionen
besteht darin, dass sie sich nicht an der allgemeinen
Lohnentwicklung, sondern an den Tarifabschlüssen im öffentlichen
Dienst orientieren. Ich glaube, diese Frage gehört neben anderen
zu denen, die wir angesichts der steigenden Pensionsverpflichtungen
grundsätzlich in diesem Land mal diskutieren sollten.
prudence: Ich denke, die Diätenerhöhung
wie auch die persönliche Rentenversicherung sollten hier keine
Rolle spielen. Wichtiger ist doch, wann es endlich gelingt, Reformen,
die Deutschland zukunftsfähig machen, durchzuführen. Und
dies ist nicht unbedingt erkennbar. Es gibt in Deutschland eigentlich
keinen Analysebedarf, aber einen Handlungsbedarf, der eben von den
Politikern nicht wahrgenommen wird.
Jens Spahn: Nach meiner Einschätzung haben
viele Politiker durchaus die Herausforderungen und Probleme richtig
analysiert. Zur Umsetzung notwendiger Reformen bedarf es allerdings
auch der nötigen Akzeptanz bei einer Mehrheit der Bevölkerung,
zumindest auf mittlere und lange Sicht und um diese zu werben mittels
ehrlicher, offener und kontroverser Diskussion sollte unser aller
Anliegen sein.
Moderatorin: Zum Beispiel Schweiz: Dort zahlen
auch Selbständige und Beamte in die Rentenversicherung ein und
für Gutverdiener gibt es keine Beitragsbemessungsgrenze. Wäre
das ein Ziel für Ihre noch junge politische Laufbahn, das
umzusetzen?
silas385: Ist das Rentensystem zu retten, indem
Selbstständige und Beamte miteinbezogen werden, wie etwa im
Schweizer Modell? Was halten Sie von dieser Alternative?
Jens Spahn: Im Grunde ist ein System wie die
"erste Säule" in der Schweiz ein steuerfinanziertes
System, denn wenn unbegrenzten Beiträgen begrenzte Leistungen
gegenüber stehen, sind diese Beiträge quasi eine Steuer.
Insofern habe ich große Sympathie für dieses Schweizer
Modell, aber zur Wahrheit gehört eben auch dazu, dass dieser von
allen finanzierte Teil, also die sogenannte "erste Säule",
nur Existenzsicherungsfunktion hat. Die betriebliche Altersvorsorge als zweite Säule ist in der
Schweiz verpflichtend, anders als in Deutschland. Und die private
Vorsorge als dritte Säule bereits wesentlich verbreiteter als
hier. Insofern ist die Schweiz sicherlich partiell ein gutes Vorbild,
aber auch ihr System ist nicht gefeit vor den Tücken der
Demografie. So wurden auch in der Schweiz die Renteneintrittsalter
angehoben oder etwa Mehrwertsteueranteile in das System umgelenkt.
Moderatorin: Und was heißt das jetzt?
"Sympathie für…" – yes or no?
silas385: Was steht in Deutschland einem solchen
Modell praktisch im Wege?
Jens Spahn: Das Problem ist nochmals: Wir sind
nicht am Reißbrett, sondern müssen das bestehende System
weiterentwickeln, weil viele Millionen Menschen in diesem System
Ansprüche erworben haben und zurecht auch auf diese vertrauen.
Umso wichtiger sind aber eben Maßnahmen wie die Riesterrente
gewesen, die ja im Grunde unser System dem Schweizer annähert.
silas385: Vielen Dank für diese
Einschätzung.
Buerger: Ich habe den Eindruck, dass vier Leute
in das System einzahlen, aber zehn aus dem Topf nehmen. Liege ich da
völlig falsch?
Jens Spahn: Bei der gesetzlichen
Rentenversicherung kommt heute auf drei Menschen im erwerbsfähigen
Alter ein Rentner. 2030 wird das Verhältnis bereits zwei zu eins
betragen, 2050 circa 1,6 zu 1. Das ist im Grunde in ganz einfachen
Zahlen die ganze Dimension unserer Herausforderung.
Moderatorin: Die folgende Frage an Sie ist
zugleich eine, die viele User vorab für besonders wichtig
bewertet haben.
Baujahr55: Meinen Sie nicht,
vielleicht irgendwann selbst vor der Frage zu stehen, eventuell Ihren
Wählern dieses Versprechen (Rentenerhöhung) geben zu
müssen?
Jens Spahn: Wenn sie damit darauf anspielen, dass
Rentnerinnen und Rentner eine immer größere Wählergruppe
werden (sind schon heute über 19 Mio.) und daher jeder Politiker
im Besonderen auf die Interessen dieser Gruppe "schielen"
müsste, kann ich ihnen nur antworten, dass meine Erfahrung ist,
dass mich gerade viele Rentnerinnen und Rentner in meiner Haltung
bestärken, denn sie haben vielfach auch die Interessen ihrer
Kinder und Enkelkinder im Blick. Insofern setze ich hier auf
gegenseitiges Verständnis, zu dem aber eben auch der offene und
ehrliche und manchmal kontroverse Dialog gehört.
Moderatorin: Wir haben nebenbei unsere
Chat-Teilnehmer gefragt: Ist die außerplanmäßige
Erhöhung der Altersbezüge ein "Wahlgeschenk für
die Rentner"?- 65 Prozent haben "ja" gesagt, 35
Prozent "nein". – Das Zitat stammt von Ihnen – nehmen Sie
die Stimmung in er Öffentlichkeit trotz aller Beschimpfungen
genau so wahr?
Jens Spahn: In der Einschätzung, dass die
außerplanmäßige Rentenerhöhung nicht zuletzt
mit Blick auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr vorgeschlagen
wurde, erlebe ich tatsächlich viel Zustimmung. Das heißt
aber umgekehrt nicht, dass sie deswegen auch von z.B. besagten 65
Prozent abgelehnt würde.
TraudelMühldorf: Ich bin 73 Jahre alt und
stimme Ihnen absolut zu, Herr Spahn. Was ich allerdings nicht
verstehe, ist, warum die Diskussionen oft so verletzend geführt
werden und die Generationen gegeneinander ausgespielt werden. Ich
vermisse außerdem mehr Konzepte zu Themen wie
generationsübergreifendem Wohnen oder Alters-WGs, vielleicht
gibt es ja noch andere Konzepte im sozialen Bereich, wie niedrigere
Renten und fehlende Kinderbetreuung durch Mehrgenerationenhäuser
aufgefangen werden können. Es kann doch nicht alles nur am Geld
liegen, wir brauchen wieder echte Solidarität und Miteinander.
Ingrid: Wir sollten damit aufhören, die
Alten gegen die Jungen und umgekehrt aufzubringen
Jens Spahn: Mir ist es in dieser Diskussion sehr
wichtig, sie sachlich und fair zu führen und nicht in
Schwarz-Weiß-Schlagworten wie "junge Schnösel"
oder "Kampfrenter" zu enden. Daher waren nicht alle
Einlassungen etwa des Altbundespräsidenten einer differenzierten
Auseinandersetzung dienlich. Zudem haben sie vollkommen Recht, neben
der rein materiellen Frage einer Rentenerhöhung sollten wir mit
Blick auf unsere älter werdende Gesellschaft mindestens genauso
intensiv über neue Wohnformen im Alter reden. Insbesondere weil immer mehr Ältere nicht mehr in
unmittelbarer Nähe zu ihren Kindern leben können. Und über
ehrenamtliches Engagement im Alter (das Beispiel der 99-jährigen
aus der gestrigen Anne Will Sendung hat mir sehr imponiert), bei dem
wir die enormen Ressourcen gerade auch der Älteren weiter für
die Gesellschaft nutzen können oder aber auch über
Altersdiskriminierung diskutieren. Das ist für die Frage auch
der Wertschätzung von Älteren mindestens genauso wichtig.
Ich würde mich freuen, wenn es gelänge, die Debatte auch
stärker in diese Richtung zu lenken.
Moderatorin: Das war eine gute Stunde hier im
tagesschau-Chat. Herzlichen Dank, Jens Spahn, dass Sie sich Zeit für
die Diskussion mit den Leserinnen und Lesern von tagesschau.de und
politik-digital.de genommen haben. Dankeschön auch an unsere
User für die vielen Fragen, die wir leider nicht alle stellen
konnten. Das tagesschau.de-Team wünscht allen noch einen schönen
Abend.
Jens Spahn: Ich danke auch und wünsche viel
Sonne heute abend!
Das Thema ist wichtig, aber der Titel ist voreingenommen. Wieso ist private Rentenvorsorge unumgänglich? Das wurde in der Diskussion kaum angeschnitten. Es ist auch im Grunde eine Binsenwahrheit.
Das Problem besteht nicht darin, die private Rentenvorsorge gut oder schlecht zu finden. Sondern eher, daß diese Forderung die staatliche Rentenversicherung diskreditiert. Und das darf nicht sein.
Die Art der Altersvorsorge, so wie wir diese derzeit kennen, wird sich in der Zukunft sehr stark verändern. Die Prioritäten werden sich weg vom staatlichen System hin zur privaten Vorsorge verschieben. Die Hauptproblematik liegt hierbei in der demographischen Entwicklung. Aufgrund des in den meisten europäischen Ländern vorherrschenden Umlageverfahren wird es zukünftig nicht mehr möglich sein, dass aktuelle staatliche Alterssystem aufrecht zu erhalten. Mit starken Kürzungen ist hierbei zu rechnen. Die private Altersvorsorge, welche grundsätzlich auf ein kapitalbasierendes System aufbaut, wird immer wichtiger werden. Je nach Risikotyp kann und sollte man unterschiedlich privat für das Alter vorsorgen. So kann je nach Typ kann ein Aktieninvestment, eine Versicherung, Edelmetalle oder bloß ein Sparbuch, dass ideale Vorsorgeprodukt sein. In Wirklichkeit ist nur eines wichtig, nämlich dass man bereits in jungen Zeiten an die Altersvorsorge denkt!