Zum "Tag des Dialogs" am 11. November 2008, lud die Initiative ProDialog Dr. Thomas Metker zum Chat ein. Der Referatsleiter – „Grundsatzangelegenheiten, Familienbezogene Leistungen“ – im Bundesfamilienministerium beantwortete die Fragen der Chatgäste zum Thema: „Wem hilft was? Unterstützung und Mittelverteilung in der deutschen Familienpolitik“.
Maggie:
Was macht das Bundesfamilienministerium gegen Kinderarmut in
Deutschland? Warum ist die Zahl von Kindern in Armut in einem so
reichen Land wie Deutschland so hoch und steigt dazu noch die ganze
Zeit?
Thomas
Metker:
Das Thema Armut muss man sehr differenziert betrachten. Es ist in der
Tat richtig, dass es in einem so reichen Land wie Deutschland schwer
verständlich ist, dass es arme Menschen geben kann. Wenn wir uns die
Ursachen der Armut ansehen, dürfen wir nicht nur auf Geldleistungen
schauen, sondern wir müssen uns die verschiedenen Facetten von Armut
ansehen. Wichtig ist, dass es in der Familie Erwerbseinkommen gibt,
weil ein Staat nicht auf Dauer wegfallendes Einkommen ersetzen kann.
Insofern ist der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wichtig um den
Familien wirtschaftliche Sicherheit zu geben. Darüber hinaus ist
das Thema Infrastruktur wichtig, wie z.B. der Ausbau der
Kinderbetreuung, was nicht nur für die Bildung der Kinder wichtig
ist und somit präventiv wirkt, sondern auch für die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie von Bedeutung ist.
Grit:
Mein Sohn ist acht Monate alt und mein Mann sieht ihn in der Woche
quasi nicht, weil er so lange arbeitet. Sich wirklich um Kinder zu
kümmern bedeutet für ihn und für viele Väter einen Karriereknick.
Herr Metker, sind die Vätermonate da nicht nur ein Feigenblatt und
was tut die Politik sonst noch?
Thomas
Metker:
Nun, wir müssen sehen, was sich in den letzten Jahren in puncto
Vereinbarkeit von Familie und Beruf verändert hat. Trotzdem müssen
wir dort immer noch viel machen. Wir haben in den vergangenen Jahren
für unsere Aktivitäten viele starke Partner gewinnen können, die
uns unterstützen. Dazu gehören auch die Wirtschaftsverbände, die
sich in den letzten Jahren zunehmend für das Thema geöffnet haben.
Das Elterngeld ist familienpolitisch eine gute Maßnahme und bringt
den Familien wirtschaftliche Sicherheit im ersten Jahr nach der
Geburt eines Kindes. Die Partnermonate sind Motivation des jeweils
Anderen – meistens des Vaters – für eine Zeit aus dem Beruf
auszusteigen und sich um das Kind zu kümmern. Wir beobachten
erfreut, wie die Zahl der Väter, die Elterngeld beantragen, deutlich
gestiegen ist. Während das Erziehungsgeld von nur 3,5 Prozent der
Väter in Anspruch genommen wurde, sind es mittlerweile knapp 15
Prozent der Väter, die Elterngeld in Anspruch nehmen. Den
Mentalitätswandel können wir aber nicht per Gesetz verordnen. Hier
sind zum Einen auch die Väter gefragt, ihre Interessen
durchzusetzen, so, wie die Frauen das schon seit Jahrzehnten mussten.
Zum Anderen wird der demographische Wandel und der Fachkräftemangel
auch die Unternehmen zunehmend zum Umdenken bewegen.
Moderator:
Unsere Chatterinnen und Chatter konnten vorab bereits Fragen stellen
und über diese abstimmen. Folgende war darunter:
Gunna:
Was macht aus Ihrer Sicht mehr Sinn? Eine Kindergelderhöhung oder
die Einbehaltung eines Mehrbetrages zur Schaffung von Krippenplätzen?
Thomas
Metker:
Wir können das Eine nicht gegen das Andere ausspielen. Eltern und
Kinder benötigen beides. Die Einführung des Elterngeldes und der
Ausbau der Kinderbetreuung waren erste wichtige Schritte für die
wirtschaftliche Stabilisierung der Familie und eine bessere
Vereinbarkeit. Wir wissen, dass mit wachsender Kinderzahl bestimmte
Kosten sprunghaft steigen, z.B. größere Wohnung, größeres Auto,
länger laufende Waschmaschine. Ein Kindergeld in der gestaffelten
Form, wie es vom Bundeskabinett verabschiedet worden ist, unterstützt
Familien ganz gezielt. Deshalb brauchen Familien die
Kindergelderhöhung UND die Schaffung von Krippenplätzen.
Moderator:
Eine Nachfrage:
alcatraz:
Und wieso dauert die Auszahlung des Elterngeldes so lange? Zum Teil
müssen die Menschen ja monatelang darauf warten.
Thomas
Metker:
Das Elterngeld wird von Stellen, die von den Landesregierungen
bestimmt worden sind, ausgezahlt. Die Neueinführung des Elterngeldes
war sicher für die Verwaltung eine große Herausforderung. Die
Bearbeitungszeiten in den Bundesländern sind nach unseren Abfragen
sehr unterschiedlich. Insofern können wir nicht davon sprechen, dass
es ständig zu langen Wartezeiten kommt. Diese kommen sicherlich aber
vereinzelt vor.
Franky:
Was spricht eigentlich dagegen den Zeitraum für das Elterngeld zu
verlängern? Thanx.
Thomas
Metker:
Das Elterngeld soll wegfallendes Einkommen zu 67 Prozent ersetzen.
Bei der Geburt des ersten Kindes sind Frauen heute im Schnitt knapp
unter 30 Jahre alt. Fast immer sind sie zuvor erwerbstätig und haben
eigenes Einkommen. Die Geburt eines Kindes führt dazu, dass ein
Einkommen wegfällt. Diesen Einkommenseinbruch soll das Elterngeld
abfedern. Wenn man sich Befragungen anschaut, wollen die meisten
Mütter und Väter auch schnell wieder in den Beruf, um den Anschluss
nicht zu verlieren. Deshalb bietet das Elterngeld eine einjährige
Schonfrist und der Ausbau der Kinderbetreuung ermöglicht es den
Eltern, wieder erwerbstätig zu sein und ihre Kinder gut aufgehoben
zu wissen.
alcatraz:
Aber es war doch keine Überraschung, dass das Elterngeld eingeführt
wird! Wie können die Bearbeitungszeiten so lang sein?
Thomas
Metker:
Wenn man sich das Gesetzgebungsvorhaben ansieht und die Abstimmung
mit den Ländern, waren die notwendigen vorbereitenden Arbeiten in
den zuständigen Behörden schon sehr herausfordernd. Da z.B. auch
Software neu geschrieben werden musste und die Sachbearbeitungen sich
intensiv einarbeiten mussten. Nach unseren Erkenntnissen sind dies
Anfangsschwierigkeiten. Das wird zunehmend besser werden.
Vincent:
Wie kann das Familienministerium die Zahl der Betreuungsplätze für
unter Dreijährige erhöhen? Die Kindergartenplätze liegen doch im
Aufgabenbereich der Kommunen?
Thomas
Metker:
Der Ausbau der Kinderbetreuung ist originär eine Aufgabe von Ländern
und Kommunen.
Wir
haben nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz jedoch festgestellt, dass
der Ausbau nicht in dem Maße voranschreitet, wie wir uns das
gewünscht hätten. Deshalb hat Frau von der Leyen sich so stark für
den Ausbau eingesetzt und in einem Kraftakt nicht nur Geld des Bundes
zur Verfügung stellen können, sondern sich auch noch mit den
Ländern und Kommunen auf gemeinsame Ziele verständigen können.
Pamela:
Ich bin junge Mutter und Studentin. Ganz ehrlich: Ich lebe am
Existenzminimum, weil ich nicht genug finanzielle Unterstützung
erhalte. Aber was mir das alles erschwert ist die Krippensituation,
denn ich kriege einfach keinen Platz für mein Kind an der Nähe der
Uni. Müsste ich nicht als junge, alleinerziehende Mutter da
vorgezogen werden?
Thomas
Metker:
Die Situation von alleinerziehenden Studierenden ist in der Tat oft
schwierig. Die Hochschulen bieten sehr unterschiedliche
Unterstützungsmöglichkeiten an, z.B. gibt es Teilzeitstudiengänge
oder bei der Vergabe von Betreuungsplätzen Prioritätensetzungen.
Insofern wäre es sicherlich gut, wenn die Studierendenvertretungen
auch auf die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern und
alleinerziehenden Studierenden stärker eingehen würden. Unabhängig
davon stehen Ihnen natürlich die üblichen Familienleistungen, wie
z.B. Kindergeld etc., zur Verfügung.
Andrea
Kaise:
Die üblichen Betreuungszeiten von Kindergärten sind viel zu
unflexibel. Kann das Familienministerium nicht Anreize schaffen, dass
die Einrichtungen die Öffnungszeiten flexibler gestalten?
Thomas
Metker:
Da die Kinderbetreuung in die Zuständigkeit der Länder und Kommunen
fällt, haben wir nur sehr begrenzte Möglichkeiten, einzuwirken. Wir
haben allerdings vor einigen Jahren z.B. die Initiative Lokale
Bündnisse für Familie auf den Weg gebracht. Davon gibt es
mittlerweile bundesweit über 500, die sich zur Aufgabe gemacht
haben, für bestimmte Fragen, die vor Ort auftreten, geeignete
Lösungen zu finden. In den lokalen Bündnissen gibt es gute
Beispiele, wie die Verantwortlichen in den Kommunen sich
zusammensetzen und eine bessere Abstimmung von Öffnungszeiten der
Kinderbetreuungseinrichtungen und Arbeitszeiten der Eltern erreicht
haben.
Moderator:
Damit ist vielleicht auch schon diese Rückmeldung zum Thema Studium
und alleinerziehende Eltern in Teilen beantwortet:
Pamela:
Alles schön und gut. Aber ich will ja gerade mein Studium
rechtzeitig abschließen, um dem Staat nicht länger auf der Tasche
zu liegen. Aber das wird mir allein schon dadurch erschwert, dass die
Kindergärten nicht so lange aufhaben, wie die Seminare in der Uni
gehen.
Thomas
Metker:
Wenn die Öffnungszeiten flexibel genug gestaltet sind, ist es
sicherlich auch möglich, im Rahmen des "normalen"
Universitätsbetriebs das Studium zu beenden. Auf der anderen Seite
sollten Sie aber auch sehen, dass Sie zwei wichtige Aufgaben zu
erfüllen haben, nämlich die Erziehung Ihres Kindes und den
Abschluss des Studiums. Da dürfen Sie sich nicht überfordern.
Ben:
"Herdprämie", "Wickelvolontariat", "Gedöns"?
Familienpolitik wird in Deutschland schnell lächerlich gemacht. Was
tut die Politik, damit mehr Leute und Unternehmen das vermeintliche
"weiche" Thema endlich ernst nehmen und mit anpacken?
Thomas
Metker:
Ich denke, wenn wir die familienpolitische Diskussion in den
vergangenen Jahren verfolgen, wird deutlich, dass Familienpolitik
durchaus als hartes Politikfeld gesehen wird. Wir arbeiten mit den
Wirtschaftsverbänden zusammen, haben zahlreiche Studien in Auftrag
gegeben, die belegen, dass familienfreundliche Maßnahmen auch für
die Unternehmen Rendite bringen.
hans:
Gute Kinderbetreuung braucht qualifizierte Erzieher/innen. Was tut
das Familienministerium, um vor allem die Tagesmütter besser
auszubilden?
Thomas
Metker:
Beim geplanten Ausbau der Kinderbetreuung spielt die
Kindertagespflege eine herausragende Rolle. Als Ziel sollen 30
Prozent des Ausbauangebotes in Form von Kindertagespflege
bereitgestellt werden. Das Bundesfamilienministerium hat ein
Aktionsprogramm ausgearbeitet, durch das gezielt die
Kindertagespflege gefördert werden und das flexibel auf die
spezifischen Anforderungen eingehen soll. Als Bund haben wir
Leuchtturmprojekte initiiert und zusammen mit dem deutschen
Jugendinstitut ein Curriculum zur Kindertagespflege erarbeitet. Die
Länder sind bei dieser Aufgabe aber stärker gefragt.
Larissa:
Wie sehen Sie die Familienfreundlichkeit Deutschlands in europäischen
Vergleich, z.B. mit Schweden oder Finnland?
Thomas
Metker:
Die Frage muss man differenziert beantworten. Hinsichtlich des
finanziellen Transfers steht Deutschland im internationalen Vergleich
im oberen Drittel. Bezüglich der Infrastruktur (z.B.
Kinderbetreuung, familienunterstützende Dienstleistungen) ist uns
eine Reihe von Nachbarstaaten voraus. Wir haben uns bei unseren
familienpolitischen Maßnahmen immer auch im Ausland umgeschaut,
welche beispielhaften Lösungen es gibt. Beispielsweise haben wir
beim Elterngeld nach Skandinavien geschaut. Bezüglich verschiedener
Gutscheinsysteme für familienunterstützende Dienstleistungen können
wir nach Frankreich sehen, wo es auch im Bereich der Kinderbetreuung
gute Bespiele gibt.
Moderator:
Wollen wir einige Minuten verlängern, Herr Metker?
Thomas
Metker:
Ja, gerne, ich habe noch 10 Minuten Zeit.
Clara:
Wie soll die Gleichstellung berufstätiger Frauen / Mütter umgesetzt
werden, die in ihrer Berufstätigkeit nach wie vor mit
Einschränkungen leben oder zu rechnen haben? Wie wird der berufliche
Wiedereinstieg gefördert und vereinfacht? Wie soll konkret umgesetzt
werden, dass Frauen nicht länger weniger verdienen und bereits beim
Berufseinstieg geringere Chancen bekommen, wenn sie Kinder haben?
Thomas
Metker:
Es ist richtig, nach wie vor haben Mütter oft Nachteile im Beruf.
Wenn wir uns den internationalen Vergleich ansehen, wird vor allen
Dingen deutlich, dass in Deutschland Mütter mit mehreren Kindern
sehr große Schwierigkeiten haben, in den Beruf zurückzukehren und
Mütter, die lange aussetzen. Wer
lange aussetzt, hat auch immer noch Nachteile bei der Höhe des
Erwerbseinkommens. Die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen
in Deutschland liegen bei über 20 Prozent. Um Müttern den
Wiedereinstieg zu erleichtern, hat Frau von der Leyen, zusammen mit
der Bundesagentur für Arbeit, ein gemeinsames Programm aufgelegt.
Details dazu kann
man unter www.bmfsfj.de nachlesen.
Herbert:
Warum wird nur die Ehe steuerlich gefördert, obwohl es längst
andere auf Dauer angelegte Lebensformen gibt?
Thomas
Metker:
Im Einkommensteuerrecht wird grundsätzlich jede und jeder
Steuerpflichtige mit ihrem bzw. seinem zu versteuernden Einkommen
nach dem Einkommensteuergrundtarif besteuert. Lediglich für nicht
dauernd getrennt lebende Ehegatten besteht die Möglichkeit der
Zusammenveranlagung unter Anwendung des Splitting-Verfahrens.
Hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern werden
alle Eltern gleich behandelt. Bei der Besteuerung der Eltern wird ein
Betrag in Höhe des Existensminimums ihrer Kinder steuerfrei
belassen. Dies wird durch Kindergeld bzw. die Freibeträge für
Kinder bewirkt.
dimi_s:
Was sind Kindergartenplätze so teuer? Wer sich das nicht leisten
kann, muss zu Hause bleiben, und kann nicht arbeiten gehen!
Thomas
Metker:
Die Gebühren für Kindergartenplätze werden in den Kommunen
gestaltet und sind sehr unterschiedlich. Einige Kommunen haben eine
sehr differenzierte Staffelung nach dem Elterneinkommen, andere sind
da weniger differenziert.
Moderator:
So, wir sind auch kurz vor Ende unseres Chats zum Tag des Dialogs.
Leider die letzte Frage für heute:
albert
Z.:
Als Vater ist es immer noch schwierig für eine bestimmte Zeit aus
dem Beruf aus- und dann wieder einzusteigen. Kann das Ministerium
nicht mal Aktionen machen, die das Ansehen von Vätern stärkt, die
den Schritt wagen?
Thomas
Metker:
Ich denke, dass wir durch die Diskussionen zum Elterngeld und durch
unsere Evaluationsschritte für dieses Gesetz eine Menge öffentlicher
Reaktionen erreicht haben. Das führt dazu, dass sich alle
gesellschaftlichen Gruppen auch mit dem Rollenverständnis von
Müttern und Vätern auseinandersetzen. Ich glaube, wir sind auf
einem guten Weg, dass Väter nicht mehr nur als Ernährer ihrer
Familie gesehen werden, sondern auch in ihrer wichtigen Aufgabe für
die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder zunehmend akzeptiert werden.
Moderator:
Das war unser Chat zum Tag des Dialogs. Einen ganz besonderen Dank an
unseren Gast Thomas Metker für die kompetenten Antworten und vielen
Dank an die Chatterinnen und Chatter für die vielen Fragen. Wir
entschuldigen uns bei denjenigen, deren Fragen wir aus Zeitgründen
nicht stellen konnten. Das Chatteam wünscht allen Beteiligten noch
einen schönen Tag.