Klaus Töpfer war am 4. Juni zu Gast im
tagesschau-Chat in Kooperation mit politik-digital.de. Der ehemalige
Leiter des UN-Umweltprogramms und Ex-Bundesumweltminister sprach
über den Einfluss der G8-Staaten auf den Klimawandel und den
neuen klimapolitischen Weg von USA und China.
Moderator: Liebe Globalisierungs- und Klima-Interessierte,
herzlich willkommen im tagesschau-Chat. Im ARD-Hauptstadtstudio
ist unser Chat-Gast heute Klaus Töpfer, langjähriger Bundesumweltminister,
langjähriger Leiter des UN-Umweltprogramms und damit einer
der fachkundigsten Politiker bei den Themen Klimaschutz und Globalisierungsproblematik.
Vielen Dank fürs Kommen, Herr Töpfer, kann es losgehen.
Klaus Töpfer: Ja. Ich freue mich, dass ich
hier bin. Hoffentlich haben wir viele Interessierte an der anderen
Seite der Leitung.
arzt im einsatz: Was könnte es denn für
Auswirkungen haben, wenn sich die USA nicht am Klimaschutz beteiligen?
Klaus Töpfer: Die Auswirkungen wären
erstens, dass die Schwellenländer dies als Signal nehmen, selbst
Anstrengungen zu einer kohlenstoffärmeren Energieversorgung
mit einer geringer Priorität zu behandeln. Zweitens, dass auch
andere entwickelte Länder in Europa die Besorgnis hätten,
dadurch Wettbewerbsnachteile zu haben. Drittens, dass viele Menschen
in der Welt die Rolle und die Aufgaben der Vereinigten Staaten von
Amerika extrem kritisch betrachten und an der Leistungsfähigkeit
demokratischer Systeme zweifeln könnten. Letztlich, dass über
25 Prozent der globalen CO²-Emissionen, die von der USA verursacht
werden, in den Kampf gegen den Klimawandel nicht einbezogen würden.
Klaus Töpfer,
ehemaliger Leiter des UN-Umweltprogramms
und Ex-Bundesumweltminister
Moderator: Das heißt: Klimaschutz-Förderung
ist auch Demokratieförderung?
Klaus Töpfer: Ich glaube, dass ist sehr, sehr
ernst zu betrachten. Wir müssen sehen, dass gegenwärtig
das hohe Wohlstandsniveau der entwickelten Länder auch zu einem
Teil über die Klimafolgekosten durch die Ärmsten der Armen,
etwa in Afrika, durch Wetteränderungen, durch Wüstenbildung,
durch Veränderung der Niederschläge, bezahlt wird. Dies
hat weitreichende Konsequenzen für Spannungen und Krisen in
dieser Welt, auch für Flüchtlingsströme und – wie
gesagt – für die Glaubwürdigkeit und moralische Integrität
der hoch entwickelten Demokratien.
Moderator: Doppelt zum Thema:
davidper: Glauben Sie persönlich an eine konstruktiven
Mitwirkung der Bush-Administration in Sachen Klimaschutz?
dreigradkälter: Wie lange können sich
Bush bzw. die USA eigentlich noch weigern, das Kyoto-Protokoll zu
unterzeichnen? Wird der internationale Druck nicht irgendwann zu
stark?
Klaus Töpfer: Der internationale Druck ist
Grund dafür, dass Präsident Bush jetzt zum ersten Mal
die Notwendigkeit eines quantitativen Ziels auch für die USA
akzeptiert hat. Nach wie vor bedeutet das nicht die Annahme einer
rechtlichen Verbindlichkeit. Nach wie vor ist dies nicht eingebunden
in den rechtlichen Prozess im Rahmen der Vereinten Nationen. Und
es war in besonderer Weise der Druck in den USA, der in der jüngsten
Vergangenheit drastisch angestiegen ist. Die Aktivitäten großer
Unternehmen, etwa des weltweit größten Unternehmens,
General Electric, ja selbst General Motors, auf die Bush-Administration
für eine Klimapolitik bestätigen das. Ebenso die Entwicklung
in den Bundesstaaten, so vor allem in Kalifornien mit Gouverneur
Schwarzenegger und in den Neuenglandstaaten. Nicht zuletzt aber
in einem breiten Druck der Zivilgesellschaft, der in besonderer
Weise durch den Film von Al Gore völlig neue Dimensionen erreicht
hat.
Erneuerbare Energien sichern die Wettbewerbsfähigkeit
malnor: Spätestens seit dem „Stern-Review“
dürften doch die wirtschaftlichen Risiken eines ungebremsten
Klimawandels angekommen sein. Wieso weigern sich die sonst immer
so wirtschaftlich denkenden Amerikaner dann, endlich aktiv zu werden?
Klaus Töpfer: Es ist richtig, die wirtschaftliche
Dimension nicht mit Hinblick auf die Amerikaner, sondern auch mit
Hinblick auf die wachsenden Schwellenländer zu sehen. Zum einen
mit Blick auf die Anpassungskosten an den Klimawandel. Der Bericht
von Sir Nicolas Stern belegt dies und hat gerade auch in der Wirtschaft
der USA, wie bereits zuvor kurz angesprochen, Wirkung gezeigt. Zum
anderen: Die globale wirtschaftliche Entwicklung, so vor allem auch
in China und Indien, bedeutet einen massiven Anstieg der Energienachfrage.
Sie kann nur bei massiv steigenden Preisen und bei erheblicher Versorgungsunsicherheit
bewältigt werden, wenn sich das Energieangebot nur auf Kohle,
Erdöl und Gas begrenzt. Auch die Energieeffizienz ist Voraussetzung
für die Wettbewerbsfähigkeit. Daher sind erneuerbare Energien
und Energieeffizienz auch für die USA eine Grundvoraussetzung,
auch für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit.
DasWetter: Was ist von Bushs Plan zu halten, mit
China und Indien einen Alleingang in Sachen Klimaschutz zu starten?
Klaus Töpfer: Dieser Ansatz ist ja gemeinsam
mit Japan und Australien bereits vor einiger Zeit als gemeinsame
Technologie-Initiative gestartet worden. Als Ergänzung zu erfolgreichen
Klima-Verhandlungen im Rahmen der UN ist dieses sinnvoll. Auch Europa
hat mit den asiatischen Staaten und darüber hinaus diese energiebezogene
Technologie-Kooperation deutlich verstärkt. Die Initiative
der USA ist jedoch kein Ersatz, sondern eben nur eine Ergänzung,
eine wichtige Ergänzung, des Klimaprozesses.
g-Achter: Ist die Bundeskanzlerin in Sachen Klimaschutz
zu zögerlich, was ein Ergebnis beim G8-Gipfel angeht?
Klaus Töpfer: Ich glaube, dass die Bundeskanzlerin
sehr herausfordernd in die Verhandlungen eines Schlussdokumentes
in das Thema hineingegangen ist. Sie konnte dies von einer guten
Basis tun, nämlich von dem Beschluss der EU, 20 Prozent – bei
gemeinsamem Handeln sogar 30 Prozent – des CO²-Ausstoßes
zurückzuführen. Auch die Akzeptanz der wissenschaftlichen
Fakten, so vor allem die Begrenzung des Klimaanstiegs auf maximal
zwei Grad, sind als nicht verhandlungsfähig gestellt worden.
Dies ist sicherlich keine Zögerlichkeit. Der neue Ansatz aus
Washington führt natürlich dazu, das gemeinsam Erreichbare
so kurz vor dem Gipfel zu analysieren und das Nötige auch als
Untergrenze festzulegen. Zu Recht hat Angela Merkel unmissverständlich
klar gemacht, dass sie faule Kompromisse nicht zu unterzeichnen
gedenkt.
Moderator: War der Klimaschutzplan von Bush ein
Versuch, Merkel den Wind aus den Segeln zu nehmen?
Klaus Töpfer: Es war sicherlich der Versuch,
wieder Wind in die eigenen Segel zu bekommen. Die USA waren und
sind nach wie vor in der Klimafrage unter den hoch entwickelten
Ländern weitgehend isoliert, verbunden mit Australien und neuerdings
auch mit Kanada. Die Chancen der Führerschaft auf diesem Gebiet
wurden vertan. Die technologischen Möglichkeiten der USA sind
für eine wirksame Klimapolitik dringlich erforderlich.
Substitut: Sind die Treffen der G8 überhaupt
noch zeitgemäß? Müssen nicht viel mehr Interessenvertreter
beteiligt werden, um über die Themen zu beraten?
tom l.: Denken Sie, dass die Teilnehmer des G8-Gipfels
legitimiert sind, für die Völker dieser Welt zu entscheiden?
Klaus Töpfer: Die G8 entscheiden nicht für
die Völker dieser Welt. Noch einmal ist zu betonen, dass die
Beratungen und Überlegungen der G8, wie die auch anderer Staatengemeinschaften,
etwa die der Gruppe der 77 – also der Entwicklungsländer –
in den rechtlichen Prozess der UN einzubinden sind. Die G8 hat keine
rechtlich verbindliche Entscheidungsmöglichkeit für die
globale Staatengemeinschaft.
Globalisierung bedarf der Auseinandersetzung
Räato: Können Sie die (auch gewalttätigen)
Proteste gegen den Gipfel nachvollziehen?
Klaus Töpfer: Ich kann gewalttätige
Proteste nicht nachvollziehen. Und ich bin auch deswegen empört,
weil durch solche Proteste eine Diskussion, die dringlich erforderliche
Diskussion über die Gestaltung der Globalisierung, ganz verdrängt
oder an den Rand gedrückt wird. Globalisierung bedarf auch
der sehr strittigen Auseinandersetzung. Aber eben einer Auseinandersetzung
mit Argumenten und mit Überzeugung, nicht mit Gewalt, die wiederum
nur entsprechende Gegenreaktionen auslöst. So wird die Chance
vertan, anlässlich eines solchen globalen Gespräches den
Verantwortlichen der hoch entwickelten Staaten die Konsequenzen
der Globalisierung vorzustellen und ergänzende Lösungsmöglichkeiten
zu vermitteln. Globalisierung wird nur erfolgreich mit den Menschen
gestaltet werden können. Dies wiederum ist nur möglich,
wenn Globalisierung die Kluft zwischen Arm und Reich nicht weiter
vertieft, sondern sie Stück für Stück abbaut.
Moderator: Die Veranstalter der Demonstration in
Rostock und Attac-Vertreter haben sich sehr deutlich von den gewalttätigen
Demonstranten distanziert. Wie bewerten Sie das?
Klaus Töpfer: Dies ist eine gute Entwicklung.
Ich bin sicher, dass sie auch in entsprechende Verhaltensweisen
einmündet und dass man sich von diesen chaotischen Gruppen,
denen die Argumente fehlen und die Gewalt suchen, bei Demonstrationen
distanziert. Dies ist eine gute Voraussetzung für ernsten und
auch fordernden Dialog, auch für Demonstrationen und Protest.
Diese grundgesetzlichen Rechte dürfen in keiner Weise in Frage
gestellt werden.
Daniel Fischer: Wie schätzen Sie den Einfluss
der Zivilgesellschaft und die Bedeutung von friedlichen, gewaltfreien
Protesten ein, um den notwendigen Druck auf die Politik auszuüben,
damit der Klimaschutz in der Praxis tatsächlich vorankommt?
Klaus Töpfer: Dieser Einfluss ist sehr weit
reichend und in demokratischen Staaten auch sehr wirksam. Die klaren
Signale, dass ein wirksamer Klimaschutz auch von den Menschen definitiv
und ultimativ eingefordert wird, ist für die politischen Entscheidungen
in einem demokratischen System von entscheidender Bedeutung. Gerade
deswegen bin ich so daran interessiert, dass diese friedlichen Demonstrationen,
diese Artikulationen an politisches Handeln, sehr machtvoll bestätigt
wird, und nicht durch Chaos und Gewalt erdrückt wird.
Das Umweltkapital begrenzt das Wirtschaftswachstum
Moderator: Sie haben die Kluft zwischen Arm und
Reich angesprochen:
tom l.: Herr Töpfer, glauben Sie, dass maximale
Profite mit einem ehrlichen und kurzfristigen Umweltschutz vereinbar
sind?
Klaus Töpfer: Ich glaube, verantwortliches
wirtschaftliches Handeln kann sich nicht ausrichten an maximalen
kurzfristigen Profiten. Die Stabilität der Gesellschaft im
nationalen und globalen Bereich sind entscheidende Voraussetzungen
für globale wirtschaftliche Entwicklung. Ohne diese Stabilität
in Zeiten von Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen
werden auch wirtschaftliche Entwicklungen massiv beeinträchtigt.
Dies gilt auch für den Umweltbereich. Nicht zuletzt in China
ist klar geworden, dass man wirtschaftliches Wachstum nur über
eine begrenzte Zeit ohne Rücksicht auf die Umweltkonsequenzen
maximieren kann. Inzwischen ist das Umweltkapital, also die Verfügbarkeit
und die Sauberkeit von Wasser, die Belastung der Böden, die
Auswirkungen chemischer Stoffe, aber auch die Folgen des Klimawandels,
etwa auf die Wasserwirtschaft, zum begrenzenden Faktor für
das Wirtschaftswachstum geworden. Investitionen in dieses Umweltkapital
erweisen sich nicht als Luxus, sondern als Grundvoraussetzung weiterer
wirtschaftlicher Entwicklung. Diese Erkenntnis wird nicht nur in
China gewonnen und hat auch vor etwa 30, 40 Jahren die Entwicklung
einer bewussten Umweltpolitik in den hoch entwickelten Ländern
zwingend gemacht – nebenbei auch herausgefordert von einer sehr
kritischen, sehr fordernden Zivilgesellschaft und Bürgerinitiativen.
Moderator: In diesem Zusammenhang:
Marbastmann: Wie bewerten Sie den aktuellen chinesischen
CO²-Plan? Wie wird sich China bei den Verhandlungen verhalten?
Moderator: Ist dieser chinesische Plan ein echter Fortschritt?
Klaus Töpfer: Zunächst ist festzuhalten,
dass sich China auch in der chinesischen Öffentlichkeit dieser
Herausforderung des Klimawandels stellt. Die Rede des Premierministers
im Parteikongress ist ein Zeichen dieser neuen Orientierung, die
eben nicht mehr nur auf das Wirtschaftswachstum, sondern auch auf
die sozialen Verwerfungen, regionalen Unterschiede zwischen Stadt
und Land sowie auf die weit reichenden Umweltprobleme konkret eingeht.
Der Plan ist umzusetzen und wird, nicht zuletzt auch aus der engen
technologischen Zusammenarbeit mit den hoch entwickelten Staaten,
deutlich weitergehen müssen. Die Entscheidung in China, 20
Prozent der Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu erhalten,
entspricht der Zielsetzung, die sich auch die EU gegeben hat.
Moderator: Sie sind ja einer der Menschen, der in Sachen Klimaschutz
am meisten unterwegs war:
Es gibt nur Verlierer des Klimawandels
Dogmatix: Ich lebe hier in Irland – was von der
Distanz nicht weit weg von Deutschland ist. Aber Umweltschutz ist
hier nicht so präsent, man freut sich eher über wärmeres
Wetter durch den Klimawandel. In Tschechien hat der Präsident
sogar ein Buch über das Thema geschrieben. Wie sehr ist das
Klimaproblem eigentlich global gesehen bei den Menschen angekommen?
Klaus Töpfer: Eine ganz wichtige Frage. Nach
wie vor gibt es die Meinung, dass vom Klimawandel auch viele Menschen
positiv betroffen sind. Dies kann für eine Übergangszeit
sicher auch der Fall sein. Mittel- und langfristig gibt es jedoch
nur Verlierer des Klimawandels: Von den Klimaflüchtlingen bis
hin zu den veränderten Eismassen auf dieser Welt und den damit
verbundenen Veränderungen der Meeresspiegel. Nicht zuletzt
wird auch durch die immer wieder erfolgende Überlegung einiger
Wissenschaftler, dass Klimawandel nicht auf menschliche Aktivitäten
zurückzuführen ist, der Handlungsdruck abgeschwächt.
So ist Klimawandel sicherlich noch nicht überall auf diesem
Globus angekommen. Auch in den Entwicklungsländern wie etwa
in Afrika, die gegen den Klimawandel angesichts ihrer Energiestruktur
nichts tun können – diesen auch nicht verursachen, wird der
Kampf gegen den Klimawandel als Verpflichtung der hoch entwickelten
Länder angesehen, der das Streben nach mehr wirtschaftlicher
Perspektive nicht in Frage stellen darf.
Gerhard123: Gibt es noch wissenschaftlich ernstzunehmende
Zweifel an den Ergebnissen des Weltklimarates?
Klaus Töpfer: Wissenschaft besteht immer
darin, dass man bemüht ist, gesichertes Wissen wieder in Frage
zu stellen. Wissenschaft ist nicht die Suche nach bestätigenden
Ereignissen, sondern die gezielte Suche nach widerlegenden, nach
falsifizierenden Fakten. Deswegen muss jeder Wissenschaftler auch
die gesicherten Kenntnisse über den Klimawandel in Frage stellen.
Dies ist nicht zu kritisieren, sondern herauszufordern. Nicht hinzunehmen
ist allerdings, dass die geäußerten Vorbehalte oder Bedenken
als Alibi für Nicht-Handeln missbraucht werden. Eine weniger
kohlenstoffhaltige Energieversorgung ist unter allen Aspekten zwingend
geboten. Wenige Felder politischen Handelns sind wissenschaftlich
so gut abgesichert und erforscht wie die im Klimabereich.
Moderator: Ein Problembereich, den wir im industrialisierten Deutschland
vielleicht gelegentlich aus den Augen verlieren:
mattes: Herr Töpfer, die Entwicklung der Landwirtschaft, vor
allem der Kampf gegen Bodenerosion als erster Schritt, um Umweltkapital
zu sichern, scheint unterzugehen. Welche Rolle spielt die Landwirtschaft
beim G8-Gipfel?
baldur: Für wie wichtig halten Sie den Beitrag,
den eine ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft zum Thema
Klimawandel machen kann?
Klaus Töpfer: Der Beitrag der Landnutzung
insgesamt in der Beeinflussung des Klimas ist außerordentlich
weit reichend. Es ist gesichert, dass sowohl die Ozeane als auch
die Lebewesen in den Böden und die Biomasse so genannte Senken
für Kohlendioxid sind. Besonders bedeutsam sind in diesem Zusammenhang
Wälder. Eine ökologisch bewusste Landbewirtschaftung,
eine Erhaltung und Weiterentwicklung von Wäldern erhöhen
damit auch die Senken und ist ein wichtiger Bestandteil jeder Klimapolitik.
So wird zum Beispiel die Aufforstung auch in die Zusammenarbeit
zwischen entwickelten und Entwicklungsländern im so genannten
„sauberen Entwicklungsmechanismus“ (CDM) finanziell
gefördert. Raubbau an Wäldern, Brandrodung und andere
Eingriffe erhöhen dagegen die Risiken des Klimawandels. Nicht
zuletzt ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass auch die Art
der landwirtschaftlichen Produktion und der damit verbundenen Energienutzung
sowie der Einsatz von Kunstdünger Rückwirkungen auf den
Klimawandel haben. Etwas pointiert ist oft gesagt worden: "Wir
essen Öl".
malnor: Sehen sie eine Gefahr in den steigenden
Bestrebungen, Pflanzen als Treibstoffe und ähnliches zu benutzten?
Wird mit diesen theoretisch nachhaltigen Energieträgern nicht
der Druck auf die bestehenden Regenwälder erhöht und der
positive Effekt damit wieder ausgeglichen?
Klaus Töpfer: Dies ist eine sehr berechtigte
Besorgnis. Es ist ein Fakt, dass etwa in Malaysia oder Indonesien
der Anbau von Ölpalmen zur Erzeugung von Palmöl weitreichende
Veränderungen in den Wäldern bewirkt hat. Deswegen ist
es zwingend nötig, schnellstmöglich ökologische Standards
als Voraussetzung für die Erzeugung von Biomasse zu verabschieden,
die selbstverständlich auch bei uns selbst gelten müssen.
Die Weiterentwicklung zu einer zweiten Generation der Treibstoffe
aus Biomasse ist massiv in der Forschung und Entwicklung zu unterstützen.
Der Konflikt zwischen "vollen Tellern, vollen Tanks und intakter
Natur" ist stets zu beachten.
Das Konsumverhalten muss sich verändern
Marko: Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen
Klimaschutz und Bevölkerungspolitik? Etwas platt gefragt: Muss
die Weltbevölkerung nicht möglichst abnehmen, um einen
effektiven Klimaschutz zu erreichen?
Klaus Töpfer: Ich glaube, dass wir zunächst
einmal hinterfragen müssen, ob es sinnvoll ist, dass 20 Prozent
der Weltbevölkerung, also die Menschen in den hoch entwickelten
Ländern, 80 Prozent der Ressourcen für sich in Anspruch
nehmen. Die Bevölkerungsfrage stellt sich bereits gegenwärtig,
wenn jeder Mensch dieser Welt denselben Anspruch an Energie, Rohstoffen
und Lebensmittelversorgung hätte wie der Durchschnitt in den
hoch entwickelten Ländern. Es muss also der Einsatz auch bei
einer Veränderung des Konsumverhaltens in diesen Ländern
glaubwürdig in Angriff genommen werden. Es zeigt sich auch,
dass die Zunahme der Bevölkerung in den einzelnen Regionen
sehr eng geknüpft ist an die Lebensmöglichkeiten in diesen
Ländern.
mpichemieAndreas: Menschen, die den Klimawandel
ernst nehmen und differenziert betrachten, tun dies oft, weil sie
viel gereist sind und verschiedensten Landschaften und Kulturen
begegnet sind. Andererseits sollten wir insbesondere Flugreisen
einschränken. Ich würde mich über einen Kommentar
zu diesem Widerspruch sehr freuen.
Klaus Töpfer: Dies ist im Kern kein Widerspruch.
Auch in Zukunft bedeutet Globalisierung immer die Möglichkeit,
Kontakt zu haben mit anderen Menschen, andere Regionen kennen zu
lernen, Verständnis zu entwickeln für unterschiedliche
Kulturen, Werte und Überzeugungen. Dies ist durchaus in Einklang
zu bringen mit einem sehr viel bewussteren, sparsameren Reisen,
mit weniger Kurzzeittrips und längeren, aber wesentlich wenigeren
Reisen. Es ist auch in Einklang zu bringen damit, dass Flugbenzin
besteuert wird und dass die Kosten der Umweltnutzung auch bei diesen
Reisen in den Preisen berücksichtigt werden. So wünsche
ich Ihnen auch weiterhin viele gute Kontakte um die ganze Welt herum,
die, wie sie ja wissen, auch sehr gut gepflegt werden können
mit den modernen Techniken der Informations- und Kommunikationstechnologie
– nicht zuletzt mit der Technologie, durch die ich mich heute mit
ihnen unterhalten konnte. Nebenbei: Ohne Reisen, ohne CO²-Belastung,
ohne Lärm – von Irland bis Deutschland, sicherlich auch rund
um die Erde. Herzlichen Dank, dass Sie in dieser Stunde mitgewirkt
haben.
Moderator: Das waren unsere 60 Minuten tagesschau-Chat.
Wer ihn verpasst hat, kann wie immer das komplette Protokoll dieser
Diskussion in Kürze auf www.tagesschau.de oder www.politik-digital.de
nachlesen. Herzlichen Dank für Ihr Interesse und die zahlreichen
Fragen und herzlichen Dank an Herrn Töpfer, dass Sie sich die
Zeit für den Chat genommen haben.