Am Montag, 16. Oktober, war Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), zu Gast im tagesschau-Chat in Kooperation mit politik-digital.de. Er diskutierte mit den Nutzern über die Exzellenzinitiative für deutsche Hochschulen.

Herzlich willkommen zu 60 Minuten tagesschau-Chat. Zu Gast im ARD-Hauptstadtstudio ist heute Ernst-Ludwig Winnacker. Er ist Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Sein Name steht – wie der seiner Organisation – für den Elitewettbewerb, der zwei Hochschulen in München und einer in Karlsruhe jüngst Fördermittel in Millionenhöhe eingebracht hat. Mit am Tisch sitzt auch der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider. Herr Winnacker, können wir beginnen?

 

Ernst-Ludwig Winnacker: Ja.

coulomb: Warum waren an der Entscheidung zur Exzellenzinitiative 90 Prozent ausländische Wissenschaftler beteiligt? Hätten nicht viel mehr deutsche Wissenschaftler, die die beengten Möglichkeiten deutscher Universitäten kennen, stärker in die Begutachtung eingebunden werden müssen? Amerikanische Verhältnisse können aufgrund der vorgegebenen deutschen Rahmenbedingungen doch gar nicht erreicht werden!

Ernst-Ludwig Winnacker: Es waren 60 Prozent Europäer, 30 Prozent aus Übersee und zehn Prozent Deutsche. Hätten wir mehr Deutsche verwendet, wären diese befangen gewesen –
sie hätten über sich selbst entscheiden müssen. Das halte ich für undenkbar. Außerdem ging es nicht über beengte Verhältnisse, sondern um wissenschaftliche Qualität.

carell: Ich habe Herrn Winnacker in der Tagesschau gesehen, wo er sehr dafür angegriffen wurde, dass die Preise nur nach Süddeutschland gegangen sind. Ich fand, dass Herr
Winnacker zu weich und ausweichend geantwortet hat. Er hätte mehr die Kompetenz der internationalen Gutachter mit Ihrer Fachkompetenz in die Waagschale legen sollen und ganz klar zum Ausdruck bringen sollen: Wer Spitzenleistungsuniversitäten will, der darf nicht nach dem Proporz gehen.

Ernst-Ludwig Winnacker: Einverstanden.

BrainDrain2007: Ich gehe, wie viele meiner Kollegen, ins Ausland. Dort rekrutieren Top-Universitäten auf Lebenszeit, während hier mittelmäßige Universitäten mit Zweijahresverträgen locken. Wann stellen sich die deutschen Universitäten dem globalen Wettkampf und führen ein Research Assessment Exercise (RAE) ein wie in Großbritannien? Hier freuen sich Universitäten, wenn Professuren für einige Jahre unbesetzt bleiben – das würde in Großbritannien sofort mit Ranking-Verlust bestraft.

Ernst-Ludwig Winnacker: Die Exzellenzinitiative ist die RAE, von der Sie sprechen. Außerdem gibt es seit Jahren ein Förderranking der DFG, das die Qualitätsunterschiede der deutschen Universitäten seit langem dokumentiert.

Moderator: Herr Winnacker, Sie haben Aachen, Heidelberg und Freiburg gute Chancen für die zweite Runde der Exzellenzinitiative eingeräumt. Aber auch andere Universitäten, etwa in Berlin, machen sich große Hoffnungen. Wollen Sie eine Art Nervenkrieg entfachen oder sind solche Aussagen bereits eine Vorankündigung?

Ernst-Ludwig Winnacker: Ich habe nur gesagt, dass sie automatisch in die zweite Runde kommen. Das sieht der Wettbewerb so vor.

Peter Strohschneiderr: Diese Universitäten können, wenn sie wollen, mit ihren Anträgen dabei sein. Das wird dann sicher nicht zu einem Nervenkrieg führen, aber doch zu einer Schärfung des Wettbewerbs. Und das ist gewollt mit der Exzellenzinitiative.

bvogler: Ich bin selbst Professor an einer amerikanischen Universität und würde über alles dem deutschen System den Vorzug geben. Der ständige Zwang "Geld zu jagen" führt sicherlich zu extremen Verzerrungen. Die Ausbildung in Deutschland war zu meiner Zeit sehr viel besser als das, was amerikanische Universitäten heute leisten. Ein Problem: Massen-Uni, hier viel mehr als in Deutschland. Ich bin seit fünf Jahren hier.

Ernst-Ludwig Winnacker: Es gibt in Amerika eine viel größere Differenzierung der Universitäten. Es gibt ca. 4500 Universitäten und darunter etwa 100 Forschungsuniversitäten, während es in Europa 2500 Universitäten gibt, die alle den Anspruch erheben, Spitzenuniversitäten zu sein. Das führt notwendigerweise zu einer Verwässerung der Ressourcen.

albrecht möller: Peinlich, peinlich; seit 1984 ist Prof. Winnacker mit München innig verbunden, jetzt sorgt er mit Forschungsmillionen für seine bayrische Kamarilla.

Ernst-Ludwig Winnacker: Völlig abwegig. Der Präsident der DFG hat in keinem Förderverfahren eine Stimme, auch in diesem nicht. Außerdem haben DFG und Wissenschaftsvorsitzende extrem strikte Befangenheitsregeln in allen Stufen des Verfahrens. Und so haben Prof. Strohschneider und ich an keinen Beratungen über München teilgenommen.

Dr. Schorsch: Wie kann man den politischen Druck in weiteren Runden, doch noch die "Gießkanne" zu zücken, abwehren? Kann es auch eine Runde (bei den "Eliteunis") ohne Sieger geben?

Ernst-Ludwig Winnacker: Es kann in einem solchen Wettbewerb natürlich nicht ohne "Sieger" und "Verlierer" abgehen. Die Politik hat sich auf ein strikt wissenschaftsgeleitetes Verfahren festgelegt und genau so haben wir es auch durchgeführt.

Peter Strohschneiderr: Das wird auch so bleiben.

cycologist: Wann wird es in Deutschland endlich Auswahlverfahren für Studierende geben? "Eliteuniversitäten" wie Harvard, Yale oder Princeton sichern ihren Bestand vor allem aus der Rekrutierung der besten Bewerber die über den S.A.T. und andere Eingangstests ausgewählt werden. Diese Auswahl soll dem Ideal einer Meritokratie dienen, in der die Bildungselite nicht nach Abstammung, Staatsangehörigkeit, oder Wohlstand ausgewählt wird, sondern nach Eignung.

Ernst-Ludwig Winnacker: Gibt es längst. Es gibt zahllose Bachelor – und Masterstudiengänge, in denen Studierende im Wettbewerb ausgewählt werden.

markus76: Kann es sein, dass abgesehen von finanziellen und politischen Problemen in Deutschland vor allem auch ein kulturelles Problem dafür sorgt, dass die deutsche Forschung international nicht anschlussfähig ist? Ich war einige Jahre Teil des deutschen Systems und beobachte es jetzt aus Nordamerika. Im Vergleich hat man das Gefühl, dass das mittelalterliche Ständesystem sich in die Universitäten zurückgezogen hat.

Ernst-Ludwig Winnacker: Die deutsche Forschung ist durchaus anschlussfähig, in vieler Hinsicht. In diesen Bereichen sind die auch die Hierarchien längst abgeschafft.

elitestudent: Warum gibt es kein Geld für "arme Unis"? Die brauchen es doch am meisten?

Ernst-Ludwig Winnacker: Die Entscheidung wurde nicht nach Armut und Reichtum der Universitäten getroffen, sondern nach der wissenschaftlichen Qualität ihrer Anträge. Es zahlt sich eben jetzt aus, wenn man über Jahrzehnte hinweg in die Forschung in den Universitäten investiert hat.

moechtegernphd: Heißt Förderung der Spitzenuniversitäten gleichzeitig Vernachlässigung der anderen Universitäten?

Ernst-Ludwig Winnacker: Nein, überhaupt nicht. Ich habe immer das Bild einer Pyramide im Blick, mit einer breiten soliden Basis, aber mit einer Spitze. Die Spitze haben wir in der Vergangenheit vernachlässigt.

unitrier: Wie sehen die Konzepte aus, damit in Zukunft kleinere und abgelegenere Universitäten nicht zu reinen Ausbildungsstätten verkommen, sondern auch dort weiterhin qualitative Forschung betrieben werden kann?

Ernst-Ludwig Winnacker: Die Exzellenzinitiative ist ein Instrument, ein ganz bestimmtes Problem zu bearbeiten: Das Fehlen der Spitzen.

Peter Strohschneiderr: Die Initiative ist kein Instrument zur Lösung aller und jeder Probleme im deutschen Wissenschaftssystem, insbesondere nicht der Unterfinanzierung.

ExInt_Fan: Herr Prof. Winnacker, warum versuchen
wir in Deutschland, die amerikanischen Universitäten wie Stanford,
Harvard oder das MIT krampfhaft zu kopieren? Haben wir nicht andere
Stärken, die wir umsetzen sollten?

Ernst-Ludwig Winnacker: Tun wir das wirklich? Es gibt viele Wege
nach Rom. Und diese haben wir im Laufe der ersten Runde auch kennen
gelernt.

Björn: In Deutschland fehlt es nicht an guten
Ideen oder qualifizierten Akademikern. Eine Möglichkeit, mehr
Forschungsgelder zu erhalten, sehe ich in der stärkeren Zusammenarbeit
zwischen Hochschulen und der Industrie und die dadurch beschleunigte
Entwicklung marktreifer Produkte. Welche Möglichkeiten sehen
sie diese Zusammenarbeit auszubauen? Was muss die Politik der Länder
und des Bundes tun?

Ernst-Ludwig Winnacker: Das Ergebnis zeigt genau, dass mit sehr
unterschiedlichen Modellen – durchaus nicht nur mit solchen, die
sich an wenigen amerikanischen Universitäten orientieren –
in der Exzellenzinitiative erfolgreich sein kann. Auch das war oder
ist in der Exzellenzinitiative vorgesehen. Dafür gibt es gute
Beispiele.

Peter Strohschneiderr: Vor allem auf der Ebene der Cluster.

thomas1962: Lieber Herr Winnacker, was mich an
Deutschland immer so irritiert, ist diese Fixierung auf bestimmte
Lebensplanungen. Man muss bis 35 angekommen sein, sonst wird es
schwierig. Ich bin gerade dabei, aus den USA zurückzukehren.
Dort habe ich eher das Gefühl, es kommt darauf an "can
he/she do the job?" Und nicht "ist der/die nicht schon
über 40?"

Ernst-Ludwig Winnacker: Ich denke, dass der Reichseinheitsbrei
des deutschen Hochschulsystems längst passé ist und
auch vielleicht auch so nie existiert hat. Inzwischen sind Altersgrenzen
weithin abgeschafft.

Webmaster5: Darf es sich Deutschland denn erlauben,
keine Elite-Universität in der Hauptstadt zu bieten?

Ernst-Ludwig Winnacker: Natürlich darf es das.

Peter Strohschneiderr: Deutschland ist aus vielen Gründen ein
föderaler, dezentraler Staat und es steht viel kultureller
und intellektueller Reichtum darin, dass es so ist.

Ernst-Ludwig Winnacker: Außerdem haben die
Berliner Unis noch eine zweite Chance.

PP: Bringt die Exzellenzinitiative denn überhaupt
so viel Geld pro Universität? Die Ludwig-Maximilians-Universität
München zum Beispiel erhält doch gerade mal zehn Prozent
ihres bisherigen Budgets extra?

Ernst-Ludwig Winnacker: 15 Prozent, wie ich gehört habe und
das ist natürlich schon ein beachtlicher Freiraum.

Peter Strohschneiderr: Es gibt ein hartes sachliches Argument: Man
muss die Mittel aus der Exzellenzinitiative nicht nur zu den Gesamtetats
in ein Verhältnis setzen, sondern zu dem, worüber die
Uni frei disponieren kann. Und diese Beträge in den Haushalten
werden durch die Exzellenzinitiative dramatisch gesteigert

Kai Jennrich: Fakultäten an Hochschulen ohne
das "Elite"-Prädikat, die aber über anerkannt
hervorragende Lehrreputation verfügen und deren Absolventen
sollten nicht Opfer eines undifferenzierenden Etiketten-Wettbewerbs
in der Öffentlichkeit werden – nach dem Motto: "Elite"-Kleider
machen Leute. Ist diese Besorgnis begründet? Auf welche Weise
wirkt die Deutsche Forschungsgemeinschaft einer solchen verallgemeinernden
und fatalen Fehlentwicklung entgegen?

Peter Strohschneiderr: Durch Differenzierung in der Exzellenzinitiative.

Ernst-Ludwig Winnacker: Außerdem wird dieses Label nicht
auf Ewigkeit verliehen, sondern muss sich immer wieder neu erarbeitet
werden. Aber eines ist auch klar: Es wird in Deutschland Universitäten
mit eher regionaler Bedeutung geben oder mit internationaler Bedeutung.
Daran werden wir uns gewöhnen müssen.

a-j-k85: Herr Winnacker, auf welche Art können
sich Universitäten beim Ranking der Exzellenzinitiative hervortun?
Auch durch bessere Bedingungen in der Lehre oder nur durch Programme
für die Forschung?

Ernst-Ludwig Winnacker: Die Zukunftsperspektiven beziehen sich
im Wesentlichen auf die Forschung, aber gute Forschung ist in der
Regel von guter Lehre nicht zu trennen. Deswegen wird am Ende auch
die Lehre von diesen Entscheidungen profitieren.

Phelps: Wie kommt es zu dieser Konzentration von
Eliteuniversitäten ausschließlich im Süden der Bundesrepublik
Deutschland?

Ernst-Ludwig Winnacker: Weil man Jahrzehntelang in die Forschung
und die Hochschulen insgesamt investiert hat. Und weil dies auch
zu einer Ansammlung von außeruniversitärer Forschung
geführt hat.

biologisch: Müsste der Bundesetat für
Bildung und Forschung nicht der allergrößte Etatposten
eines Landes sein, das angeblich die Ressource "Wissen"
stärken möchte?

Ernst-Ludwig Winnacker: Natürlich.

Merlin: Soll sich die Politik wirklich in die
Entscheidung dieser Initiative einmischen dürfen?

Peter Strohschneiderr: Die Politik hat sich auf ein strikt wissenschaftsgeleitetes
Gefahren festgelegt. Dafür sind wir sehr dankbar. Und sie hat
sich auch an diese Festlegung gehalten

ziggeding: Wie vertragen sich Forschungsqualität
und Studiengebühren, die nicht an die Universitäten gehen?

Ernst-Ludwig Winnacker: Überhaupt nicht. Ich bin immer davon
ausgegangen, dass Studiengebühren an die Universitäten
gehören.

ringo star: Wenn man Eliteuniversitäten in
anderen Ländern betrachtet, findet man sowohl in den Ländern,
als auch bei den Universitäten eine "Kultur" der
Eliteuniversitäten. Glauben sie, dass "künstlich"
benannte Eliteuniversitäten, wie im Rahmen der Exzellenzinitiative,
wirklich einen vergleichbaren Status sowohl national als auch international
erlangen können? Wenn ja, in welchem Zeitraum?

Ernst-Ludwig Winnacker: Die Ernennung einiger der Unis zu Spitzen-Universitäten
ist erst der Anfang. Die entsprechenden Kulturen müssen sich
erst noch entwickeln. Hoffen wir, dass in zehn Jahren die erste
der geförderten Unis in den internationalen Ranglisten ganz
vorne auftauchen.

seltmann: Bundesministerin Schavan hatte im Bewilligungsausschuss
ja die Zustimmung der Politik an die Bedingung geknüpft, in
der zweiten Runde das Verfahren abzuändern, damit die Politiker
mehr Einfluss auf die Entscheidungen nehmen können. Wie wollen
sie diesmal verhindern, dass sich die Wissenschaft dem Druck der
Politik beugt?

Ernst-Ludwig Winnacker: Weder hat sich die Wissenschaft der Politik
noch hat sich die Politik der Wissenschaft gebeugt, sondern beide
der Sache, nämlich der wissenschaftlichen Exzellenz. Ich bin
überzeugt, dass sich daran nichts ändern wird. Was nicht
heißt, dass die Politik noch frühzeitiger informiert
wird. Es war ja das erste Mal, dass wir so was deutschlandweit gemacht
haben. Wir haben bei dem Verfahren viel gelernt und wir werden das
sicher in Einzelheiten optimieren.

Trude: Im Ausland (USA) ist die Spitze der deutschen
Forschung meist als Max-Planck-Institut bekannt. Wäre es nicht
von Vorteil, diese im Ausland bekannte Spitze so zu fördern,
dass auch Topwissenschaftler aus den USA nach Deutschland gehen
würden? Das ist das wahre Geheimnis der Elite-Unis in den USA:
Es werden oftmals sehr gute Professoren weltweit abgeworben.

Ernst-Ludwig Winnacker: Das ist ja das Problem. In der Max-Planck-Gesellschaft
ist der Anteil ausländischer Wissenschaftler sehr viel höher
als bei den Universitäten. Genau das sollte die Exzellenzinitiative
verbessern. Und verbessert es hoffentlich auch.

kajac: Ich bin Professorin an einer kleineren
Universität. Für mich scheint sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft
der Universitäten anzubahnen: Die großen machen die Forschung,
die kleinen die Lehre.

Ernst-Ludwig Winnacker: Das ist nicht meine Beobachtung. Wir haben
auch Cluster an kleineren Universitäten eingerichtet. Aber
natürlich bedarf es in vielen Fällen für Spitzenforschung
auch der kritischen Masse.

sophie: Das einzige Kriterium bei dem Verfahren
soll doch "wissenschaftliche Exzellenz" sein. Kann ein
in der ersten Runde abgelehnter Antrag, der automatisch in die zweite
Runde geht, dann überhaupt in der zweiten Runde genehmigt werden?

Ernst-Ludwig Winnacker: Wir reden hier von einem sehr hohen Niveau.
Es ist durchaus denkbar, dass die antragstellenden Wissenschaftler
ihre Anträge dann auch noch modifizieren. Im Januar wird ja
nur über Antragsskizzen entschieden, über Anträge
erst in einem Jahr.

TA: Sie haben gesagt, der Titel der Exzellenzinitiative
kann einer Hochschule auch verlustig gehen. Für wie lange wird
er verliehen?

Ernst-Ludwig Winnacker: Die Förderdauer ist zunächst
auf fünf Jahre festgelegt. Die Bundesministerin Frau Annette
Schavan hat angekündigt, den Wettbewerb verstetigen zu wollen.
Schon aus diesem Grund, also der Möglichkeit, auch anderen
eine neue Chance zu geben, begrüße ich das sehr.

pi-nutzz: Sie waren ja bereits selbst als Forscher
in Amerika. Gibt es etwas, dass sie an den Unis dort besonders beeindruckt
hat, das Sie sich auch für unsere Unis wünschen würden?

Ernst-Ludwig Winnacker: Was mich dort vor allem beeindruckt ist
die frühe Selbständigkeit der jungen Wissenschaftler,
die ganz selbstverständlich auf Augenhöhe respektiert
werden. Das habe ich versucht, in meiner Arbeit bei der Deutschen
Forschungsgemeinschaft möglich zu machen.

tecker: Spitzenforschung sollte dort gefördert
werden, wo sie ist. Aber wenigstens eine Uni im Osten und im Norden
sollte doch zumindest dahingehend gefördert werden, Spitzenforschung
leisten zu können – oder?

Ernst-Ludwig Winnacker: Das war aber nicht die Aufgabe des Exzellenzwettbewerbs.
Die Voraussetzungen für Exzellenz müssen die Länder
schaffen, die ausschließlich für die Hochschulen zuständig
sind. Die Hochschulen in Ostdeutschland hatten bisher nur wenig
Zeit, sich zu entwickeln. Dennoch gibt es wunderbare Beispiele für
Spitzenforschung in Ostdeutschland, denken sie nur an Dresden oder
denken sie nur an die wunderbaren Max-Planck-Institute in Ostdeutschland.
40 Jahre Misswirtschaft sind eben nicht von heute auf morgen zu
beseitigen.

Titanmond: Im Tagesspiegel werden Sie zitiert
mit den Worten: "Es waren nicht mehr gute Anträge da".
Ist es dann realistisch, dass in der zweiten Phase mehr als drei
weitere Universitäten Exzellenzzentren werden und wenn ja,
was stimmt Sie so optimistisch?

Ernst-Ludwig Winnacker: Neues Spiel, neues Glück. Und außerdem
werden alle Beteiligten ihre Anträge noch einmal anschauen
und gegebenenfalls überarbeiten. Dazu ist auch noch genügend
Zeit.

pede: Warum werden ganze Universitäten gefördert.
Wäre es nicht sinnvoller, einzelne Teilgebiete hervorzuheben,
die wirklich auch international mithalten können?

Ernst-Ludwig Winnacker: Es geschieht beides. Bei den Hochschulen
und den Exzellenzclustern werden nur bestimmte Fachgebiete gefördert.
Auch die Mittel der dritten Säule werden nicht nach dem Gießkannenprinzip
verteilt werden, sondern auf bestimmte Gebiete der Universitäten.

Evam: Was ich sehr bedenklich an dem ganzen Verfahren
finde ist, dass es ein so deutliches Übergewicht an naturwissenschaftlichen
und technischen Anträgen, die gefördert wurden, gibt.
Wenn ich das richtig sehe, gibt es lediglich eins von 18 Exzellenzclustern
aus den Geisteswissenschaften. Ich glaube nicht, dass die naturwissenschaftlichen
Anträge einfach besser waren und ich finde eine solche Förderpolitik
skandalös. Wie können Sie das ändern?

Ernst-Ludwig Winnacker: Ich denke, dass auf die Dauer sich der
Anteil der Geisteswissenschaften erhöhen wird. An sich sind
Exzellenzcluster auch ideale Instrumente für die Geisteswissenschaften,
wenn sie denn richtig verstanden würden, das heißt als
ein großes Dach unter dem Vieles Platz hat. Auf jeden Fall
hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft viele andere Förderinstrumente,
die auf die Bedürfnisse der Geisteswissenschaften vielleicht
besser zugeschnitten sind. Bei den Graduiertenschulen übrigens
ist die Lage schon sehr viel besser: Bei den Anträgen waren
es noch 27 Prozent, was höher ist als der übliche Anteil
der Geisteswissenschaften an der Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Wir werden unser bestes tun, die Gutachtergruppen noch besser auf
die kulturellen Unterschiede der verschiedenen Fächer einzustimmen.

Sarah: Wieso gibt es keine bessere Förderung
hochbegabter Studenten?

Ernst-Ludwig Winnacker: Eine gute Frage. Seit Mitte ca. 1850 gibt
es in Bayern die Einrichtung des Maximilianeums, in dem Personen
mit einem Einser-Abitur, was aber nicht einmal ausreicht, aufgenommen
werden. Die bayerische Staatsregierung hat schon 2002 mit dem Ausbau
sogenannter Elitenetzwerke begonnen – auch hier geht es um nichts
anderes als die Förderung besonders begabter Studierender.
Außerdem gibt es die Studienstiftung des Deutschen Volkes
und die Begabtenförderung, die das, was sie gefordert haben,
ebenfalls leisten. Es ist eindrücklich, wie oft die Leibnitz-Preisträger
der Deutschen Forschungsgemeinschaft auch Studienstifter waren.
Auch die auskömmliche Finanzierung der Begabtenförderung,
insbesondere der Studienstiftung, sollte auf Dauer gesichert werden.

MKno: Was kann ich als Student an der Ludwig-Maximilians-Universität
(Diplom-Geographie) nun konkret von der Ernennung meiner Universität
zur Elite-Universität erwarten? Wird sich die Förderung
überhaupt in den Studienbedingungen bemerkbar machen?

Ernst-Ludwig Winnacker: Ich hoffe es, weiß allerdings nichts
über die Einzelheiten, die die Universität nun zu fördern
beabsichtigt. Vielleicht entwickeln sie selbst ein paar Vorschläge
aus bester Kenntnis vor Ort, die sie dem Rektorat übermitteln.
Das wäre doch ein guter Aufhänger. Als Rektor würde
ich mich über so was freuen.

Schwertsik: Herr Prof. Winnacker, mir ist nicht
ganz klar, was denn nun das Ergebnis des Auswahlverfahrens ist.
Haben wir nun tatsächlich "Elite-Universitäten"
oder nicht doch eher "Elitestrukturen" bzw. "Elite-Institute"?
Gibt es ein Gesetz, eine Vereinbarung, ab wann sich eine Universität
offiziell Elite-Universität nennen darf?

Ernst-Ludwig Winnacker: Nein, das wird eine Abstimmung mit den
Füßen klären. Es wird am Ende darauf ankommen, wie
weit die nun geförderten Universitäten international sichtbar
werden und wie weit es ihnen gelingt, die besten Studierenden und
Lehrenden anzuziehen.

Moderator: Das waren 60 Minuten tagesschau.de-Chat. Wir bedanken
uns bei allen, die mitgemacht haben. Unsere Bitte um Verständnis
an jene, die wir heute mit ihrer Frage nicht berücksichtigen
konnten. Unser besonderer Dank gilt Herrn Winnacker und Herrn Strohschneider,
dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Der nächste
Chat findet am kommenden Mittwoch, den 18. Oktober, mit der CDU-Bundestagsabgeordneten
Anette Widmann-Mauz statt. Los geht’s um dreizehn Uhr. Das
letzte Wort gehört Ihnen, Herr Winnacker.

Ernst-Ludwig Winnacker: Ich bedanke mich für diese interessanten
Fragen. Es war eine spannende Zeit, die wir hinter uns haben. Ich
drücke die Daumen für alle Beteiligten und für das
System, dass es wirklich besser wird.